T H I R T Y
Im Halbschlaf hörte ich, wie die Eingangstür aufgeschlossen wurde. So schlaftrunken wie ich war, interessierte mich das nicht wirklich und ich schloss meine Augen wieder.
Trotz meinen geschlossenen Augen, konnte ich aber wahrnehmen, wie jemand am Sofa vorbeiging und leise vor sich hin seuftzte. Ich hatte lange versucht wach zu bleiben, da ich Damian nicht verpassen wollte, aber nach mehreren Stunden Fernsehschauen, wurde ich einfach zu müde. Meine Müdigkeit war stärker als ich und verkrüppelt lag ich auf dem Sofa und döste vor mich hin.
~
Sie lag zusammengerollt auf dem weißen Sofa und kuschelte sich an ein Kissen. Ihr stundenlanges Warten lohnte sich nicht. Damian war noch immer nicht nach Hause gekommen.
Sie konnte sich nicht mehr wach halten. Es war bereits 7 Uhr morgens und ihre Augen konnten das Licht des TVs nicht mehr ertragen. "Ich schließe meine Augen nur kurz. Vielleicht geht es dann wieder", meinte sie, aber natürlich hielt sie dieses Versprechen nicht ein.
Sie begann vor sich hin zu dösen und drehte sich komplett an die Lehne der Couch. Ihr Gesicht presste sie fest daran und ein Arm hing über den Rand runter. Sie wollte dringend auf ihn warten. Mit großen Sorgen saß sie mehrere Stunden hier und schaltete von Sender zu Sender.
Da es Nacht war, kam nichts Gescheites. Entweder liefen nur schlechte Horrorfilme oder die unnötigen und billigen Pornowerbungen. Für Horror interessierte sich Alexis nie und ob man es glauben mag oder nicht, genauso wenig für Porno. Als sie dann aber eine Spätwiederholung einer Bären-Dokumentation fand, stoppte sie mit der Suche.
Das war das einzige normale, was ihr der Fernseher bieten konnte und mit zusammengekniffenen Augen verfolgte sie die ganze Lebensgeschichte einer Braunbärin namens Berta.
Von Damian wusste man immer noch nichts, bis er dann doch früh morgens die Eingangstür aufschloss und sich mit einem brummenden Kopf die Schuhe von den Füßen stülpte. Sein Tag war anstrengend und liebend gern hätte er ihn mit Alexis verbracht.
Er schwor sich das nie wieder zu tun, aber er kam mit dem ganzen Stress nicht klar. Klar, Alexis sorgte sich um ihn. Sie war für ihn hier und beruhigte ihn auf beste Weise, aber dieses Mal brauchte er es einfach.
Er wollte nicht rückfällig werden und könnte sich im Moment gerade eine überziehen. Genervt von sich selbst warf er seine Autoschlüssel auf die kleine Kommode, die neben der Schuhmatte stand und anschließend hing er seine Jeans-Jacke am äußersten Hacken hin.
Sein Kopf fühlte sich extrem leicht an und bei jeder zu schnellen Bewegung sah er alles doppelt. Den ganzen Nachmittag kämpfte er mit sich selbst und versuchte den behinderten Gedanken zu vertreiben.
Seine Mutter hatte alles daran gesetzt ihn vom Heroin wegzubekommen. Früh fanden die Ärzte heraus, dass Damian anfällig für Panikattacken war. In seinen Kinderjahren neigte er, wegen den kleinsten Dingen, in Angst auszubrechen und es nagte enorm an seiner mentalen Gesundheit.
Er wollte sich gar nicht mehr nach draußen bewegen, da alle anderen wussten, was passieren würde, würde man den kleinen Blauäugigen stressen oder provozieren. Seine Panikattacken wurden zu einem Spaß seiner früheren Freunde.
Was diese Idioten aber nicht wussten, war, dass mit jeder Attacke auch ein gewisser Schmerz mit sich kam. Damians Herz zog sich immer so doll zusammen, dass er meist in den Armen seines großen Bruders sitzen würde und um sein Leben hechelte.
Umso älter er wurde, desto mehr bekam er seine Attacken unter Kontrolle und deshalb wurden sie auch eher zu seiner Seltenheit. Das dachte jedenfalls seine Familie.
In einem Artikel, den er am Bahnhof auf einer Bank gelesen hatte, stand das Heroin gut gegen Schmerzen half und einen entspannte.
Zuerst versuchte er auf ärztliche Weise und legal an das Zeug heranzukommen, als aber jeder abblockte, musste er selbst einen Weg an den Painkiller finden.
So schnell wie es gehen kann, wurde Damians Körper abhängig. Jeden Tag würde er sich früh morgens eine Dosis spritzen, nur damit er sorgenlos durch den Tag spazieren konnte. Keine Panikattacken, keine Angstzustände und vor allem keine Schmerzen.
Vor wenigen Monaten schaffte er es endlich davon wegzukommen. Aurora hatte ihren Sohn im Griff und saß mehrere Stunden mit ihm am Küchentisch, nur um ihm zu erklären, dass er anstatt sich zuzudröhnen, mit ihr reden konnte. Sie war stolz auf ihn.
Auch wenn er ab und zu wieder kleine Attacken erlitt, ließ er die Finger von der Droge.
Aber heute... heute hatte er verloren. Er brach seinen eigenen Schwur. Es wurde ihm zu viel. Er merkte, wie sich seine Atemwege immer öfters zusammenzogen und wollte es einfach nicht zu einer Attacke kommen lassen.
Er wollte diesen Schmerz nicht wieder erleben und vor allem wollte er nicht, dass Alexis ihn deswegen verstoßen würde. Er begutachtete sich im Spiegel, der neben der Garderobe hing. Was er sah, war ein Wrack. Ein gebrochener Mensch, der äußerlich versuchte für jeden stark zu bleiben. Aber innerlich sah es ganz anders aus.
Mit der Vergangenheit im Kopf hob er seine Hände an und musterte seine noch ziemlich neuen Tattoos. Sie verdeckten die größte Fläche der Hände ab und sollten ihm helfen, diesen Tag zu vergessen.
Den Tag, an dem er nicht nur Aurora, sondern auch seinen Bruder und Vater enttäuschte.
16. Juni
Er konnte sich nicht mehr genau daran erinnern, was an dem Tag los war. Das einzige, was er noch wusste, war, dass er Panik bekam. Sein Körper schrie nach einer Erlösung, was in seinem Fall Heroin sein sollte. Seine Entzugserscheinungen lösten umso schlimmere Attacken aus und an diesem Tag eskalierte es.
Er konnte sein Umfeld kaum noch wahrnehmen und drehte sich mit Schweißperlen auf der Stirn wenige Male um sich selbst. Milo war bei ihm. Das wusste er aber nur, da er es ihm am nächsten Tag erzählte.
Seine Atemwege zogen sich wie schon so oft zusammen und sein Herz fühlte sich schwer und schmerzend an. Es wurde ihm zu viel. Man konnte ihn nicht mehr halten. Milo hatte seine Eltern am Telefon und bettelte um Hilfe, welche natürlich auf dem Weg war, nur konnte diese nicht stoppen, was als nächstes passierte.
Damian schlug mit voller Wucht in die Scheibe neben ihm. Nicht nur einmal. Mehrere Male, bis sie sich unter seinen Schlägen ergab und seine kompletten Hände verunstaltete. Er hatte riesen Glück, dass seine Hauptschlagadern unversehrt blieben, nur war der Rest des Handgelenkes und vor allem des Handrückens zerfetzt.
Mit einer verzogenen Miene wendete er seinen Blick vom Spiegel ab und lief leise seufzend durchs Wohnzimmer. Seine vernarbten Hände konnte er nicht mehr ansehen und hatte sich dazu entschieden, diesen Tag mit Tattoos zu verdecken, aber trotzdem erkannte er die kleinen Rillen, die sich über beide Hände verteilten.
In der Küche wollte er sich ein Glas einschenken, aber er hielt inne, als sich etwas auf dem Sofa rührte.
Schnell drehte er sich zur Couch und musste wenige Sekunden warten, bis er wieder klar sehen konnte. Er erkannte ihre kleine Statur. Alexis, das Mädchen, das seit wenigen Tagen sein Herz höher schlagen ließ, lag zusammengerollt da und schnarchte leise vor sich hin.
Erleichtert stellte er fest, dass sie schlief, denn er würde nicht wollen, dass sie ihn so sehen würde. Sie muss wohl auf ihn gewartet haben. Er lächelte, als sie versuchte sich zu drehen, aber die Kissen zwischen ihren Beinen sie daran hinderten.
Er wusste nicht, ob es an dem Heroin in seinem Blut lag, oder ob es wirklich so war, aber das kleine Mädchen glich einem Engel, als sie sich dann doch drehte und streckte. Ihr Gesicht, war komplett entspannt und ihre rötlichen Lippen trennten sich leicht, nur damit sie gelassen ausatmen konnte.
Sie war wunderschön und wieder einmal konnte sich Damian auf die Schulter klopfen. Er hatte ihr Leben gerettet und darauf war er mehr als nur stolz. Klar wusste er, dass Leo einer der besten Freunde seines Vaters war, nur hätte er es sich nie verzeihen können, solch eine Schönheit sterben zu lassen.
Schnell trank er das Glas, welches er sich doch noch einschenkte und stellte das Coca-Cola Glas ins Lavabo.
Alexis lag schon halb neben der Couch, als Damian sich vor sie hinkniete und ihr eine Strähne hinters Ohr strich. Sich rekelte sich unter seinen Fingern und der Blauäugige grinste vor sich hin. Sie war einfach hinreißend. So klein und unschuldig, aber trotzdem wusste sie, was sie tun musste, um einem auf die Weißglut zu bringen. Jedenfalls wusste sie es bei ihm.
Als spürte sie, dass er hier war, streckte sie einen Arm nach ihm aus. Ihre kleine Hand umgriff seinen Unterarm. Sachte legte Damian seinen anderen Arm unter sie und hob sie näher an sich heran. Mit etwas Mühe drehte er seinen linken Arm aus dem Griff des kleinen Dornröschens und legte diesen ebenfalls unter sie, nur um sie dann im Brautstyle hochzuheben.
Wärme breitete sich in ihm aus, als sie ihre kurzen Arme um seinen Nacken legte und mit dem Kopf an seiner Halsbeuge weiter döste.
Neues Cover am Start! Gefällts euch?
AlloraFiore <3
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