E I G H T
Jetzt mussten wir doch irgendwie Plätze tauschen und dabei das Auto auf der Straße halten. Damian schnallte sich ab und ich tat es ihm gleich. Das war doch bescheuert. Das käme nicht gut...
Er griff zu mir rüber ans Lenkrad. Hilflos ließ ich ihn mitsteuern, wusste, aber nicht was ich als Nächstes tun sollte.
Und wie genau wollten wir das jetzt anstellen?
Auch er merkte, dass wir hier in einer Sackgasse ankamen. Wir würden einen Unfall bauen. Nie im Leben war das möglich.
"Das ist unmöglich", murmelte ich vor mich hin, doch Damian neben mir schien eine Idee zu haben.
"Vertrau mir, okay?" Mit weit aufgerissenen Augen schaute ich ihn an.
Ihm vertrauen?
"Nur dieses Mal", ergänzte er sich und drehte erneut den Kopf nach hinten um die Lage zu sichern.
Vier Polizeiautos waren uns auf den Fersen und in der Ferne konnte man schon eine Straßensperre wahrnehmen.
"Wir wechseln bei 3." Mein Herz schlug mir bis zum Hals. "Wollen wir uns nicht einfach stellen?"
"1", er zog das jetzt wirklich durch, was?
"2", er sah mich an und lächelte mir ein wenig Mut zu.
"3", ohne zu realisieren, dass er die Nummer drei aussprach, packte er mich und hob mich aus dem Sitz. Keine Ahnung wie schnell das alles ging. Innerhalb wenigen Sekunden saß er unter mir am Steuer und bediente die Bremse, damit wir nicht gegen die Tafel fuhren.
Seine Arme umrahmten mich und hielten das Lenkrad. "Jetzt hast du sogar deinen eigenen Kindersitz", witzelte er und gab wieder Gas.
Ich antwortete ihm nicht einmal, sondern kletterte mühevoll in den Beifahrersitz.
Mein Arsch 'Kindersitz'
Aber wir hatten es tatsächlich auf die Reihe bekommen, die Plätze zu wechseln und das bei über 100 km/h.
Schnell schnallte ich mich wieder an und dies aus gutem Grunde. Damian bog scharf in eine nicht befahrene Straße ab. Immer wieder wagte ich es in den Rückspiegel zu schauen.
Wir entfernten uns immer mehr von der Polizei und mein Puls sank langsam wieder.
Wieder und wieder und wieder bog er ab.
Vor uns zeigte sich plötzlich ein altes, verlassenes Haus. Als könnte er meine Gedanken lesen, steuerte er auf den Parkplatz zu, der leicht diagonal hinter der Hütte war.
"Wir müssen die Situation sinken lassen", gab ich von mir und der Schönling nebenan nickte einverstanden. "Dann lass uns mal ins 5 Sterne Hotel einchecken."
Mit diesen Worten schlug er schon wieder die Autotür zu und ich tat es ihm gleich.
Kurz stoppte ich. Man konnte die Polizei noch in der Ferne hören.
Bereits zweimal hatten wir es geschafft zu flüchten und ich hoffte, es komme nicht zu einem dritten Mal.
Ich folgte seinen großen Schritten, als plötzlich ein Handy begann zu klingeln.
Damian griff in seine Hosentasche und musterte den Display. Kurz zögerte er, nahm aber doch ab.
"Mom?", ich konnte Aurora bis hierhin schreien hören. Es war definitiv kein wütendes Geschrei...
Eher ein ich-mache-mir-große-Sorgen Geschrei.
"Beruhig dich. Ja ich bin okay... und nein ich weiß nicht, wo ich bin, aber vertrau mir einfach. Weit kann es nicht mehr sein.", während er versuchte seine heulende Mutter zu beruhigen, rüttelte er an der Tür.
Sie klemmte.
Erneut versuchte er sie zu öffnen, aber als sie dann immer noch nicht nachgab, holte er mit mehr Schwung aus und drückte sie mit Gewalt auf. Da er mit seiner Mom beschäftigt war, zwang ich mich an ihm vorbei ins Haus.
Ich ließ meinen Blick in alle Richtungen gleiten und es sah gar nicht so verlassen aus. Ein paar alte Möbel standen herum und ein Fenster war zerschlagen. Es konnte noch nicht so lange verlassen gewesen sein.
Hinter mir schloss sich die Tür und Damian stellte sich neben mich. "Gar nicht so schlecht... Kommt zwar nicht an dein Mafiosenhaus ran, aber scheint seinen Zweck zu erfüllen."
Irritiert sah er mich an. "Du musstest einfach irgendein Kommentar abgeben, huh?"
Zufrieden zuckte ich mit den Schultern und machte mich auf die Suche nach dem Bad. Schnell fand ich eine Treppe und schielte schräg hinauf. Gruselig war es hier schon. Also hier unten ging es ja noch, aber da oben hatte ich keine Ahnung was sich abspielte.
Kurz suchte ich Damians Anwesenheit und entdeckte ihn beim Stromkasten.
Natürlich.
So weit hatte ich gar nicht gedacht. Ohne Strom ging hier gar nichts. "Ich schaue mich mal oben um", rief ich in seine Richtung und erwartete keine Antwort.
Schritt für Schritt nahm ich einen Tritt nach dem anderen, wobei die zweitoberste Stufe ekelhaft quietschte. Ich verzog mein Gesicht und lief schnell weiter. Ein kurzer Gang entfaltete sich vor mir.
Auf jeder Seite je eine Tür und ganz am Ende war noch eine kaputte, die komplett zerkratzt war. Sie war die Einzige, bei der noch einen Spalt offen war. Was ging hier bitteschön ab, als die Besitzer noch hier wohnten?
Mit meinem ganzen Mut in der Tasche lief ich auf die linke Tür zu und drückte behaglich die Klinke runter.
Vergebens. Es war verschlossen.
Jedoch nahm es mich doch wunder, was sich da drin befand. Mit einem Ohr an der Tür versuchte ich zu lauschen, was eigentlich völlig behindert war.
Das Haus war verlassen.
Was erwarte ich? Einen Serienkiller?
Tatsächlich hörte ich aber ein Geräusch. Ich schloss meine Augen, um einen Sinn auszuschalten. Es war eine Art Kratzen. Als würde jemand mit den Fingernägeln über eine Wandtafel fahren.
Es hörte sich schrecklich an und mein Mut zerfiel immer mehr.
In meinem Augenwinkel nahm ich eine schnelle Bewegung wahr.
Damian?
Ich drehte mein Kopf in Richtung Treppe, fand aber keine blauen Augen. Wieder ertönte dieses grässliche Kratzen und endlich leuchtete es mir auf. Das Kratzen kam nicht von der verschlossenen Tür.
Nein.
Es kam von ganz hinten im Gang. Von der zerstörten Tür.
Mein Mut hatte mich nun komplett verlassen und ich nahm meine Beine in die Hand. Usain Bolt hätte jetzt keine Chance gegen mich gehabt.
Die letzten drei Stufen nahm mich auf einmal und sprang direkt vor den Idioten.
"Da ist was?", keuchte ihm an seine Brust und immer noch zitternd sah ich langsam zu ihm hoch. Auf seinem Gesicht zeichnete sich zuerst pure Verwirrung, bis er schließlich in ein Gelächter ausbrach.
"Dieses Haus ist verlassen. Hier ist nichts."
Grübchen bildeten sich, als er sich über mich lustig machte. "Ich meine es Ernst! Da oben im hintersten Raum hört man scheußliches Kratzen!"
Er verstummte und sah mich innig an. Gelegentlich versuchte er mein Verhalten einzuschätzen.
Sagte ich die Wahrheit? War es bloß ein dummer Versuch ihm Angst zu machen?
"Ich würde über so etwas nicht Scherzen", fügte ich noch an und knackte leise meine Finger. "Ich habe wirklich was gehört."
Sein bohrender Blick verunsicherte mich zuerst, doch er schien weicher zu werden.
Irritiert schüttelte er den Kopf und hielt sich einmal kurz an die Stirn.
Was war das gerade?
"Geräusch oder nicht... Wir müssen für ein, zwei Tage untertauchen. Dieses Haus bietet sich gerade gut. Zu essen haben wir von deinem Minieinkauf noch genug."
Ich konnte nicht protestieren, außer... "Können wir nicht im Auto übernachten?"
Ich würde hier sicher kein Auge zubekommen. Nicht mit solchen Geräuschen. "Lass uns zuerst das Haus komplett anschauen..." Er legte sein Cap ab und sein schwarzes Haar fiel ihm ins Gesicht.
~
Ich bekam kein Auge zu. Die ganze Zeit hörte ich wieder dieses Kratzen. Damian befand sich gegenüber von mir. Dösend lag er seitlich auf dem Sofa. Er schien das nicht wahrzunehmen.
Wieder ertönte es.
Ich brauchte frische Luft.
Ich schlich auf den Zehenspitzen aus dem Haus und folge dem kleinen Weg, der sogar ein bisschen beleuchtet war.
Jeder normale Mensch würde im Haus bleiben, aber ich fühlte mich draußen viel wohler.
Nicht nur wegen den Geräuschen. Nein, auch, weil ich hier verschiedene Tiere hören konnte und der Mond wunderschön auf mich herab schien.
Nach kurzem Gehen stand ich vor einem fast nicht sichtbaren Ufer.
Hier war ein See?
Schnell sah ich um mich und schlüpfte aus meinen Schuhen.
Wasser hatte ich schon seit der Abfahrt nicht mehr gesehen. Also ungefähr einen Tag oder so.
Erneut suchte ich die Gegend nach etwas lebendigem ab und als ich nichts fand, zog ich mir Auroras Shirt über den Kopf.
Kurz raschelte es in einem Busch und ich hielt inne. Als es wieder ruhig war, rollte ich die Leggings von meinen Beinen.
Wenn nicht jetzt, wann dann?
Mit meinen Zehenspitzen tastete ich die Wasseroberfläche ab und stellte fest, dass es gar nicht so kalt war.
Nach ein paar Minuten hatte ich es geschafft hineinzugehen und genüsslich strich ich mir das Wasser ins Gesicht.
"Du hast Angst vor einem Kratzen im Haus, aber traust dich Nachts an ein Ufer, das nur so aus einem Horrorfilm kommen könnte?"
Würdet ihr im Haus bleiben oder so wie Alexis nach draussen flüchten und ein... ein Bad nehmen?
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