Spione haben einen 7ten Sinn
Es war komisch vor dem Malfoy Manor wieder festen Boden unter den Füßen zu bekommen. Beinahe hätte Harry sich in den nächsten Busch übergeben, konnte es aber gerade noch unterdrücken. Apparieren mit Rotwein im Magen tat sich nicht so gut. Das tat sich ganz und gar nicht gut. Schwankend spürte Harry wie Hermine ihm am Arm hielt und besorgt musterte. "Geht's wieder?", fragte sie, als Harry erneut einen Schwall Übelkeit mitsamt Galle den Hals hinauf kroch. Er nickte stumm, blinzelte ein paar Mal und hoffte einfach das der Abend schnell vorbei ging. "Ja, geht wieder...", murmelte er seine Antwort und riss sich vorsichtig von Hermine los um auf das Gebäude zu zutreten.
Es fühlten sich wie Schritte aus Blei an. Auch wenn dieses Haus im letzten Jahr vom neuen Hausherren renoviert worden war, so erinnerte es Harry doch an jede Einzelheiten die in diesen Mauern passiert waren. Sie spielten sich vor seinem inneren Auge restlos ab, als hätten sie gerade erst stattgefunden. Er spürte wie Ron seine Hand kurz auf seine Schulter legte, ein aufmunternder Blick. Soweit Harry wusste waren Ron und Hermine beide schon öfters hier gewesen und er bewunderte die beiden dafür, wie gelassen sie nun damit umgehen konnten.
Harry fühlte sich unwohl. Jetzt war es ihm fast lieber seinen Rotwein ausgekotzt zu haben, um einen Grund auf zu zeigen wieder in seine vier Wände zurückkehren zu müssen. Einige Gäste standen im Vorgarten, welcher geschmückt war und einen Tisch mit Sekt anbot. Harry erkannte sofort einige bekannte Gesichter, weswegen er sein dunkles Haar schnell ins Gesicht wischte. Keiner musste ihm sofort an der Narbe erkennen, wenn er jetzt schon eine andere Brille trug. Sie war ein filigranes, leichtes Sportmodell, von dem Harry sich sicher war, dass er sie nie wieder reparieren musste. "Schaut da drüben sind Draco und Luna." Harry war froh, daß Hermine leise sprach und nur wie nebenbei in die Richtung deutete, in der sie die beiden entdeckt hatte.
Der Dunkelhaarige fühlte sich nicht danach in Kontakt mit einen der beiden zu treten. Er wollte nicht Luna sehen, die ihm gerade immer wieder vorm inneren Auge auf flackerte und auch nicht den Hausherren, dessen Einladung Harry schon ein rasendes Herz verpasst hatte. Harry fühlte sich noch nicht bereit sich mit dem Blonden und alle Erinnerungen an ihn zu stellen. Er fühlte sich noch nicht mal bereit ihm zu beichten, dass er noch immer Dracos Zauberstab bei sich hatte. Gerade steckte er zusammen mit dem seinigen im Holster am Unterarm, welches Ron ihn angezogen hatte. Noch immer waren nicht alle Todesser und deren Sympathisanten gefangen, passive Verteidigung war mittlerweile schon eine unausgesprochene Pflicht auf solchen Veranstaltungen, wenn keine Auroren vor Ort waren. Und doch wusste Harry, dass er trotz den zwei Stäben wohl der ungeschütztete von allen Gästen war.
"Geht ruhig zu ihnen. Ich denke, ich gehe rein und schau mir den neuen Bau an", murmelte Harry Ron zu und deutete ihm Hermine hinterher zu laufen, die schon ein paar Schritte gemacht hatte. "Sicher du schaffst das?", fragte Ron und am liebsten hätte Harry mit "Nein" geantwortet, doch er wusste, er würde sich selbst überwinden müssen. Und da ging er lieber ins Haus, anstatt auf Luna und Draco zu treffen. Er nickte Ron also zu und versuchte sich an einem Lächeln, bevor er allein vor dem Anwesen stand. Mit schnell schlagendem Herzen lief Harry die Stufen hinauf. Seine Beine fühlten sich an wie Wackelpuddig, ein Dessert mit welches es sich Harry in den letzten Wochen immer zusammen mit dem Glas Rotwein auf seinem Sofa bequem gemacht hatte. Doch jetzt konnte er dieses wabbelige Gefühl eindeutig nicht gebrauchen.
Als er es schließlich geschafft hatte durch die Tür zu treten empfing ihn gleich die Eingangshalle in der noch mehr Gäste in kleinen Grüppchen standen. Vor der Treppe war ein kaltes Buffet aufgebaut worden, welches die Gäste daran hinderte in den oberen Bereich vorzudringen. Dafür waren rechts und links die Flügeltüren geöffnet sodass Harry eine prima Sicht hatte. Von rechts ertönte Musik und man erspähte Pärchen die tanzten, links waren ruhige Sitzecken aufgebaut worden. Nichts erinnerte hier Harry an das damalige Manor, doch trotzdem brauchte es ihm sämtliche Konzentration die damaligen Ereignisse zur Seite zu schieben. Erst dann konnte er weiter aufs Buffet zugehen.
Harry war es nur recht, dass ihn keiner ansprach. Ihm war auch gar nicht danach überhaupt mit jemanden in sozialen Kontakt zu treten. Ihm reichte es daheim zu sitzen und sich von dem Fernseher, den ihm sein Nachbar geschenkt hatte, bedudeln zu lassen. Muggelfilme waren doch teilweise interessanter, als Harry erwartet hatte. Sie konnten ihn gut von seinen Gedanken ablenken. Der Dunkelhaarige starrte auf das Essen. Es waren kleine Brothäppchen mit verschiedenem Belag die Harrys Aufmerksamkeit erregten und von welchem er sich eines nahm, bevor er zu den Getränken ging und diese inspizierte. Rotwein war keiner zu sehen, jedoch hätte Harry hier auch keinen erwartet. Sein momentanes Lieblingsgetränk war doch zu sehr muggelhaft. Seufzend griff er nach Wasser.
"Ah, Mister Potter!", erschrocken zuckte Harry zusammen. Nein, nein, nein! Er wollte nicht angesprochen werden! Er wollte von keinem Ministeriumsmitarbeiter erkannt werden, den er nicht einmal namentlich nennen konnte. Panik machte sich in Harry breit. Der Schock ließ ihn gefrieren, bevor er mit weit aufgerissenen Augen auf den Mann starrte, der ihm zuwinkte und immer bedrohlicher näher kam. Harry fühlte sich wie ein Hase im Angesicht einer Schrotflinte, welche er durch seinen Käfig erspähen konnte. Er spürte wie sein Atem begann hektisch zu laufen, bevor er am Arm gezogen wurde. Sanft aber bestimmt wurde er mitgezogen. Harry wollte sich losreißen, doch der vorherige Schock ließ ihn einfach mit stolpern.
In dem Raum in den er gezogen wurde herrschte fast augenblickliche Stille. Harry schloss die Augen und lauschte auf seinem Atem. Da war nur dieser. Keine Stimmen, die begannen über ihn zu murmeln, keine Ministeriumsleute. "Komm setzen Sie sich", die männliche Stimme sprach sanft mit ihm. Sie klang auf eine gute Weise vertraut in Harrys Ohren, sodass er sich mit geschlossenen Augen zu einem Sessel leiten ließ. Erst dann schaute er auf und blickte überrascht in das Gesicht von Severus Snape. Harry hatte zwar aus den Medien schon gehört, dass der ehemalige Tränkelehrer überlebt hatte, doch bisher war er diesem nicht persönlich begegnet. "Danke", stammelte Harry und blickte auf seine Finger. "Ihr Brot haben Sie fallen gelassen, aber Ihr Wasser konnte ich retten.", erklärte der andere und stellte Harrys Glas auf dem Sofatisch ab.
Harry nickte nur. Die Gesellschaft von Snape hatte er am wenigsten erwartet, vor allem das sie so angenehm war. Sie saßen einfach ein paar Minuten schweigend auf ihren Sesseln und atmete in die Stille hinein. Harry sah den aufmerksamen Blick von Severus, doch er versuchte diesen soweit wie möglich zu ignorieren. Er trank einfach ganz langsam sein Glas Wasser und hoffte darauf, dass er Ron und Hermine einfach bald fand, wenn er sich wieder aus diesem Raum traute. "Warum sind Sie der Einladung gefolgt, wenn Sie gar nicht damit klar kommen?" Das fragte sich Harry mittlerweile auch, allerdings hatte er nicht erwartet gleich in solche Panik zu verfallen. Er räusperte sich.
"Ron und Hermine machen sich Sorgen um mich", antwortete er dann leise und versuchte sich an einem Lächeln, welches ihm jedoch nicht gelang. "Und deswegen wollen sie, dass Sie mitkommen?" Snape schlussfolgerte bedrossen. "Als ob es Ihnen etwas bringt hier in Panikattacken zu verfallen." Harry spürte wie er seine Freunde verteidigen wollte, doch er wusste auch, dass etwas an Snapes Worten dran war. Er war noch nicht bereit sich dem allen zu stellen. Sich der Welt der Magie erneut zu stellen. Nicht mit diesem Geheimnis. Nicht mit dieser Last. Nicht mit diesem Heldenstatus.
"Wenn Sie möchten gebe ich Ihren Freunden bescheid, dass Sie schon zurück nach Hause sind", meinte Snape und Harry fühlte sich plötzlich unter Druck gesetzt. Er konnte nicht nach Hause. Er konnte nicht allein nach Hause. "Sie können das Flohnetzwerk von hier verwenden." Harry räusperte sich, sein Hals war trocken, seine Spucke nicht mehr vorhanden. Wie sollte er hier wieder rauskommen? "Meine Wohnung ist nicht angeschlossen", lächelte er also und nickte langsam. Sein Blick fiel erneut auf das Glas in seinen Händen. "Ich kann doch bestimmt hier warten oder? Hermine und Ron würden mich später wieder zurück bringen."
Der Tränkemeister wog seinen Kopf hin und her, gab kurzzeitig die Narbe an seinem Hals frei, welche Nagini dort hinterlassen hatte. Sofort schossen die Erinnerungen vor Harrys Augen, Snape und seine Mutter, Snape wie er starb. "Ich denke, dass Ihre Freunde viel zu beschäftigt sind, draußen alle Anwesenden zu begrüßen." Snapes Stimme hatte einen Klang, den Harry gar nicht mochte. Er fühlte sich ein bisschen in die Ecke gedrängt, wie damals im Unterricht, versuchte zeitgleich die Erinnerungen zu verdrängen. Dann plötzlich stand Snape auf. "Es tut mir leid. Ich wollte Sie nicht bedrängen. Ich werde ihre Freunde holen. Ich kann Sie hier nicht wie ein verschreckter Hase sitzen lassen."
Noch bevor Harry etwas sagen konnte, war Snape schon aus dem raum verschwunden. Der Dunkelhaarige atmete schwer aus. Füllte seine Lungen mit dem kostbaren Sauerstoff, dann starrte er in sein Wasserglas. Seine Hoffnung Snape wurde wirklich Ron oder Hermine holen, welche ihn schnell wieder heim bringen konnten, kämpften in seinem inneren damit, dass Snape ihn hier auch einfach allein Sitzen lassen konnte. Der Magier hatte wohl recht. Harry war ein verschreckter Hase. Dafür hatte Snape wohl einen 7ten Sinn.
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