Die Höhle der Fledermaus
Unruhig lief Harry vor dem Blumenladen auf und ab. Da drinnen wartete ein öffentlicher Kamin auf ihn, der ihn zum Tee bringen sollte. Wirklich sicher, ob Harry allein einen Kamin verwenden konnte war er jedoch nicht. Er stand auch gar nicht allein vor diesem Laden, sondern mit Silvia an seiner Seite. Sie hatten ihn diesen Laden gezeigt, auch wenn sie nicht wusste, dass er ein Eingang zur magischen Welt enthielt. Das hatte Harry erst erfahren, als der Muggel hinter der Theke ihn erkannt hatte. Seine Frau schwärmte regelmäßig von dem Helden und auch die Zeitungen waren nicht an ihm vorbei gegangen.
"Ich kann das nicht!", brachte Harry hervor und sah Silvia an, die einen belustigten Ausdruck in den Augen hatte. Sie würde gleich wieder zurück gehen, weil ihre Mittagspause sich dem Ende zu neigte, aber bis dahin war sie fest entschlossen Harry Gesellschaft zu leisten. "Ach komm, so schwer kann es nicht sein einem Kind Blumen zu kaufen, oder?" Harry fühlte sich zwar auf der einen Seite total albern, denn so schwer war es nicht einem Kind Blumen zu kaufen, aber allein konnte er hier nicht herkommen. Vor allem kaufte er keinem Kind Blumen! "Also komm, ich suche mit dir aus, okay? Wie wäre es mit Hyazinthen? Die stehen für Aufrichtigkeit und Schönheit und geliebtes Kind von Apollo und..." Harry starrte auf die Blumen auf die Silvia zeigte. Junge Schönheit? Nein, dass konnte er nicht machen. "Das ist nicht das richtige...", murmelte er also und musste sich beherrschen kein gequältes Gesicht zu machen. Wie sollte er seinem Tränkemeister eine passende Blume mitbringen? Eigentlich wollte er gar keine Blumen!
"Ach komm, jetzt sind wir schon hier. Such dann eben eine durch dein Herz aus." Harry starrte auf die verschiedenen Blumen, bevor er eine strahlend gelbe entdeckte. "Dann nehm ich ein Strauß von denen da", murrte er und sah Silvia dabei zu wie sie große Augen machte. "Callas? Na, wenn du meinst. Weißt du, die stehen für Faszination und Unsterblichkeit. Normalerweise werden die zu Beerdigungen..." Harry hörte Silvia gar nicht richtig zu während er tiefer in den Laden ging, um den Verkäufer mit dem Strauß zu beauftragen. "Ach, herrje! Ich muss zurück! Du schaffst das!", wurde Harry überrumpelt und die aufgeweckte junge Frau hatte den Laden verlassen. Laut seufzte er. Jetzt hatte er noch Zeit abzusagen. Eigentlich hatte er ja nicht mal zugesagt, da er keine Ahnung hatte, wo sich die nächste Eulerei in seiner Gegend befand und er gewiss keine Energie hatte in die Stadt rein zu fahren. "Ist der Strauß so für Sie angenehm, Mister Potter?"
"Ja, danke." Harry betrachtete die Blumen. Callas. Eine Schwarze war in der Mitte des Gestecks umrundet von gelben und orangenen Blüten. Es wirkte erstaunlich Lebensfroh, wie ein Teil Trauer im ganzen Glück. Und doch war die schwarze Blüte nicht verloren, sondern das Zentrum des ganzen. "Ja, Dankeschön... Kann ich mit Muggelgeld zahlen?" Der Verkäufer lachte, nickte und kassierte ab. "Die Kamingebühr können Sie mir auch in Muggelgeld geben. Das is für mich Jacke wie Hose", erklärte er zwinkernd und Harry nickte überfordert. "Eh, ja..." Konnte er? Konnte er sich einfach so zum Tee mit Severus Snape begeben? Einfach durch den Kamin und dann? Früher war das so einfach gewesen, doch jetzt? Harry konnte sich nicht überwinden nach dem Schlüsselanhänger zu greifen, der einen kleinen Kamin drauf hatte. Die Dinger waren alt und hässlich. Kein Muggel schenkte den Dingern seine Beachtung. Fast wunderte es Harry schon, dass er sie sehen konnte, denn das war das Zeichen dafür, dass man eine Kaminreise haben wollte. Und Harry wollte definitiv keine Kaminreise. Viel lieber säße er jetzt in seiner Wohnung oder besser im Laden und hielt seine Hände beschäftigt.
"Sagen Sie mal, kann man Muggel mit durch den Kamin nehmen?" Die Frage kam schneller aus Harrys Mund, als er den Gedanken fassen konnte. Himmel. Was fiel ihm ein? Wollte er sein Geheimnis gleich in die Welt hinaus schreien? Wollte er allen gleich sagen, dass er ... dass er... Nein. Nein. Er war ein ganz normaler Zauberer, der seinen Stab brav im Holster hatte und nur wegen der Presse in die Muggelwelt geflüchtet war. Harry merkte, wie müde er war. Sein Herz sehnte sich zurück zum Fernseher und sein Magen zum Rotwein. Wobei heute konnte es zur Abwechslung auch Weißwein sein oder Feuerschnaps... Der Dunkelhaarige beobachtete dabei wie der Verkäufer seine Stirn zusammen zog, dann aber lächelte. "Sie haben die Kleine da im Auge, nicht?" Dann beugte er sich verschwörerisch zu Harry rüber. Er war dem Dunkelhaarigen zu nah, dass Harry am liebsten nach hinten ausgewichen wäre, doch trotzdem zwang er sich dazu an Ort und Stelle stehen zu bleiben. "Da müssen Sie keine Sorge haben. Ich kann auch ohne meine Frau durch den Kamin reisen", fuhr der Verkäufer fort und drückte Harry den unscheinbaren Topf voller Flohpulver in die Hand. "Die erste Reise ist für Sie sogar umsonst!"
Jetzt stand Harry also hier. In einem sauberen Wohnzimmer, eines gemütlichen Hauses. Die beiden Sofas vor dem Kamin war aus dunklem Leder, doch mit einer blauen Decke überzogen, damit die Beine nicht daran fest klebten. Die Wand gegenüber des Kamins trotze von gefühlt tausend Büchern und nur das Fenster hatte seinen Raum. Mit den ebenso blauen Gardinen und der Sonne die dadurch hinein schien, wirkte es hell und leuchtend. Es gab dem Raum den Touch, den es brauchte um kein erdrückender Ort, sondern ein gemütliches Wohnzimmer zu sein. Verwirrt drehte sich Harry auf den Absatz um und starrte in den Kamin, dessen Flammen wieder ein natürliches gelb angenommen hatten. Wie hatte es so weit kommen können?
Am liebsten wäre Harry wieder in den Kamin zurück gesprungen, doch er konnte nicht ausmachen, wo das Flohpulver zu finden war. Was für ein Kack. Er war sich nicht mal sicher, ob er überhaupt in der richtigen Wohnung war! Er hatte sich genauso gut versprechen können! Oder Nuscheln oder... Ein leises Geräusch flatternder Flügel zog Harrys Aufmerksamkeit auf die Eule, die von ihrer Stange zum Kaminsims flog und dort mit großen Augen landete. Es war, als würde sie genauso ungläubig gucken, wie Harry sich fühlte. "Hey...", brachte Harry erstickt raus und schaute sich weiter im Raum um. Über dem Kamins hing ein Landschaftsbild, das einen Wald bei Vollmond zeigte. Ruhig und ohne Zauberei. In der Ecke hatte die Eule ihren Platz. Kein Eulenkäfig, wie Harry für Hedwig gehabt hatte, sondern einem großen Ast mit Sitzgelegenheiten und Höhlen. Ein bisschen erinnerte es Harry an Katzenbäumen.
"Bist wohl genauso verwirrt wie ich, was?", flüsterte er der Eule zu die auf und ab wippte, bevor sie zurück zu ihrem Ast flog. Ihre tat nahm Harry einfach als ja. Wie sollte es auch anders sein? Langsam ließ er sich auf das eine Sofa sinken. Was sollte er auch anderes machen? Jetzt war er eben hier und so schnell würde er wohl nicht wieder verschwinden ohne Flohpulver. Laut seufzte er auf. Der Glascouchtisch zwischen beiden Sofas war rund. und schmiegte sich zusammen mit dem blauen Teppich ins Gesamtbild. Er legte den Blumenstrauß auf dem Tisch ab und stellte überrascht fest, dass das gelb einen seltsamen doch passenden Kontrast gab. Ein bisschen fand es Harry verrückt, wie wohl er sich in diesem Zimmer fühlte. Es war besser als bei ihm daheim. Gemütlicher als sein abgeranztes, durchgesessenes Sofa und sein überfüllter Sofatisch. Es fühlte sich wie strukturierte Heimat an, die er damals im Gemeinschaftsraum der Gryffindors gefühlt hatte. Jetzt fehlte nur noch eine Hermine die las, ein Ron der verzweifelt seine Hausaufgaben machte und nebenher versuchte Harry zum Schach zu überreden. Bisschen musste Harry bei den Erinnerungen lächeln. Es waren die, die am wenigsten Schmerzen bereiteten.
Seufzend lehnte sich Harry zurück. Frustriert, er wollte doch nur, dass alles wie früher war. Dass er wieder lachen konnte, dass er kein Geheimnis mehr hatte. Die Eule landete neben Harry auf der Lehne, schmiegte seinen Kopf an ihn. Die Tränen konnte er kaum zurückhalten, als die Erinnerungen an Hedwig in seinen Kopf schossen. Seine treue Dame. Warum waren Tiere nur so empathisch? Schnell wischte sich Harry das Nass aus den Augen, atmete durch. Er durfte nicht schlapp machen. Er musste stark bleiben, auch wenn er noch nicht wusste für wen.
"Wie ich sehe, sind Sie doch noch gekommen." Der Duft vom herannahenden Tee und das leise Knarzen des Holzes hatten den dunklen Zauberer schon verraten bevor er um die Ecke kam und den Raum betrat. Harry war es augenblicklich peinlich, dass er keine Antwort mehr auf die Einladung geschickt hatte. Er fühlte sich blass und wusste nicht was er sagen sollte. "Es ist aber schön, dass sie heil angekommen sind." Snape setzte sich Harry gegenüber und stellte neben den Blumen das Tablett mit der Kanne ab. "Die Blumen sind für Sie...", brachte Harry heraus und betrachtete ungläubig, wie der Zaubertrankmeister vorsichtig die Blumen in die Hand nahm. "Danke, Mister Potter. Es ist eine Ewigkeit her, dass mir jemand Blumen schenkte... Die letzte Person war Ihre Mutter..." Die darauf folgende Stille, zeichnete den Frieden, den sie beide miteinander geschlossen hatten. Die Verbundenheit, die sie durch Lily hatten. Für einen Augenblick fühlte sich Harry so, als hätte er seine Wurzeln gefunden, seine innere Ruhe, bevor das Geheimnis sich ihm wieder auf drückte und ihn daran erinnerte, dass er noch immer etwas zu verstecken hatte.
Snape holte mit nur einer kleinen Handbewegung eine Vase aus dem Nebenraum in die er den Strauß stellte. "Ich hoffe, sie mögen Kräutertee?" Harry nickte. Ihm war jeder Tee recht. Er schaute dabei zu wie Snape ihm ein goss und ihm dann die dampfende Tasse überreichte. Der Geruch wehte durch den Raum, vermischte sich mit dem Feuer. "Gibt es einen Grund, weswegen Sie mich eingeladen haben?", fragte Harry, nachdem er sich für den Tee bedankt hatte. Die Eule schmiegte sich erneut an ihn, lenkte so dessen Aufmerksamkeit für einen Moment auf sie. "Er scheint dich zu mögen", stellte der ehemalige Spion fest und klang dabei belustigt. "Sein Name ist Pluton. Draco hat mir ein Waldohreulenpärchen geschenkt, nachdem ich aus dem St. Mungos kam. Seine Frau Ceres ist momentan unterwegs." Überrascht musterte Harry Snape. Er hatte diesen noch nie auf eine solch lockere Art Small Talk halten sehen. Für Harry war das fast, als hätte er diese Fähigkeit verlernt.
"Ich habe Sie eingeladen um sicher zu stellen, dass sie gut daheim angekommen sind und den kurzen Aufenthalt im Malfoy Manor gut überstanden haben", erklärte Snape, aber dann sachte und lehnte sich in seiner Couch zurück. Er trank einen tiefen Schluck des heißen Tees, ohne auch nur das Gesicht zu verziehen. "Ja, ich... bin gut daheim angekommen." Harry musste nicht erwähnen, dass er sich noch an dem Abend betrunken hatte und am nächsten Morgen mit einem Kater zur Arbeit erschien. Gut hatte er auf seinem Sofa auch nicht geschlafen. Die Horrorfilme hatten sich mit seinen Alpträumen vermischt und ihm schrecklichere Träume beschert, als Harry mit den herkömmlichen Alpträumen hatte. Es war eine reine Schreckensnacht gewesen, in dem sein Geheimnis auch wieder eine Rolle spielte. Eine düstere. Er versuchte mit einem Schluck Tee die Gedanken beiseite zu wischen, doch verbrannte er sich erstmal am Getränk. Zischelnd holte Harry tief Luft und versuchte den Schluck in seinem Mund die Kehle herunter zu bekommen, ohne sich noch mehr zu verbrennen. Augenblicklich war seine Zunge wie belegt und seine Laune wurde schlechter.
"Sie sehen müde aus. Ist wirklich alles in Ordnung?" Der Satz schmiss Harry aus der bahn. Zu den Gesprächen, die er mit Hermine und Ron immer und immer wieder führte, wenn sie aufeinander trafen. Augenblicklich wollte er weg und seine Laune sank in den Keller. Er war für Tee hergekommen, nicht um erneut sich von irgendwem ausfragen zu lassen. Nicht schon wieder. Vor allem nicht von Snape, von dem er dachte, dass dieser den Anstand hatte nicht weiter zu fragen. So wie im Malfoy Manor. "Mir geht es gut Sir. Ich bin sehr glücklich dort wo ich gerade arbeite und verdiene ausreichend Geld. Sie müssen sich keine Sorgen machen." Harrys Worte klangen gefasst, aber harscher, als er es beabsichtigt hatte. Er spürte wie die Eule von ihm weg sprang, ihn duckend musterte. Pluton musste spüren, welches gefährliches Gebiet das für Harry war. Mit zügigen Schlucken trank Harry seine Tasse leer. Nun wo seine Zunge schon verbrannt war, konnte ihm der Rest egal sein. "Ich denke ich sollte nun gehen. Danke für den Tee. Wo ist das Flohpulver?"
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