Kapitel 3: Gegenwart
"Lasst mich nicht allein!" Hope galoppierte verzweifelt hinter ihrer Familie her, die mit Sätteln und Reitern auf dem Rücken zwischen den Hügeln ihrer Heimat verschwand. Gerade als das letzte Herdenmitglied außer Sicht geriet und Hope nach Luft ringend die Verfolgung aufgeben musste, schreckte sie hoch. Einen Moment war sie verwirrt. Wo war sie? Sie lag auf saftigem, grünem Gras. Über ihr der klare, wolkenlos blaue Himmel, von dem die Sonne auf sie herab lachte, um die letzten Fetzen der unruhigen Nacht zu vertreiben. Als sie ihre Umgebung betrachtete, fiel ihr alles wieder ein: Der Angriff auf ihre Familie, die lange Flucht und jetzt - endlich - Sicherheit. Zumindest für den Moment.
Die Fuchsstute stand auf und schüttelte sich ausgiebig den Schlaf aus den Gliedern, ehe sie sich daran machte, ihre neue Heimat zu erkunden. Dabei kam sie nicht umhin sich vorzustellen, wie ihre Herde um sie herum lief und mit ihr das unbekannte Land erforschte. Hope riss sich aus ihren Tagträumen und sah sich mit nun gedämpfter Begeisterung um. Was war nur aus ihrer Familie geworden? Würde sie sie jemals wieder sehen? Während diese Gedanken noch in ihrem Kopf kreisten, betrachtete die Stute ihre Umgebung genauer: Sie befand sich in der Nähe der hohen, rötlichen Sandsteinklippen. zu ihrer Rechten befand sich die morsche Holzbrücke, die sie auf die Insel geführt hatte und zu ihrer Linken erblickte sie zunächst ein Stück Wiese, dann eine weitere Klippe und dahinter glitzerte das Wasser einer kleinen Meerenge in der Sonne. Dahinter befand sich wieder Land. Dann wandte Hope den Blick nach vorne: Dort stand ein großer Kreis aus gewaltigen Felsbrocken. In diesem Kreis stand ein einsamer Baum. Neugierig trat die Stute näher. Doch als ihre Hufe den Boden im Kreis berührten, erstarrte sie: Sie spürte eine Energie, wie sie sie zuletzt vor zwei langen Monaten verspürt hatte. Konnte das sein? War diese große Eibe in der Mitte des Kreises ein Urbaum, der die Zeit überdauert hatte?
Aber sie spürte noch etwas: Der Baum schien einsam. Gab es hier keine Wächterherde, die den Baum schützte? Zögerlich trat Hope näher, während sie sich immer wieder suchend umsah. Während sie sich langsam der Eibe näherte, spürte sie, wie ein fremder Geist den ihren berührte. Der Urbaum? Eine sanfte Brise kam auf und zerzauste Hope die Mähne, während sie in Reichweite des Baumes zum Stehen kam. Mit leiser Stimme sprach die Stute das uralte Wesen vor ihr an: "Verehrter Wächter, so sehr ich wünschte, dass es anders wäre, so bin ich doch der Überbringer einer traurigen Botschaft: Die Wächterin, die einsam dazu verdammt wurde, um ihren Ehemann zu trauern, wurde um ihren Schutz gebracht. Ich stamme aus der Herde, die mit dem Schutz der Witwe betraut war. Aber wir wurden von Menschen in alle Himmelsrichtungen versprengt und gejagt. Ich weiß nicht, ob noch jemand da ist, um sie zu beschützen.
Ich bitte euch: Helft mir. Ich werde euch zu Diensten sein, so gut ich kann. Aber ich muss meine Familie wieder finden. Und meine Pflichten gegenüber ihr erfüllen!"
Mit einem Mal war die Luft von einer leichten Melodie erfüllt und die Mähne der Stute wurde erneut wie aus dem Nichts, von einer leichten Brise bewegt. Die singende Eibe hatte geantwortet.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro