siebzehn
»Stegi? Alles okay?«
Der blonde Junge sah kurz irritiert auf, nickte dann.
Er befand sich in einem Partykeller, der einem Freund gehörte. Mit ihm waren zwanzig oder dreißig andere Leute, die meisten Bekannte, die er regelmäßig zum Feiern sah und alle eigentlich sympathisch und cool drauf. Ein paar von ihnen hatten gerade eine Runde Bierpong begonnen, einige waren draußen, rauchen, und vier der Jungs saßen in einer Ecke und spielten Smash Bros. Der Rest stand verteilt im Raum, trank und unterhielt sich. Stegi hatte sich auf einem der Sofas ausgebreitet und machte nun für den Freund Platz, der eben zu ihm gekommen war.
Rafael ließ sich neben ihn auf das Sofa fallen, grinste ihn auffordernd an. Seitdem Stegi den Österreicher auf der Party eines Freundes kennen gelernt hatte, hatten sie immer mal wieder etwas miteinander gehabt, waren aber auch Freunde geworden. Mit Rafi konnte man gut Party machen, trinken und Spaß haben, genauso sehr sich aber auch bloß nachmittags treffen, in seiner kleinen Wohnung auf dem Sofa gammeln, Filme schauen oder Playstation zocken und sich gelegentlich die Birne wegdröhnen. Rafi war jemand, mit dem man über Gott und die Welt sprechen konnte, der für alles offen war und alles ausprobieren wollte. Dazu passte natürlich seine Pansexualität hervorragend und zusammen mit der Tatsache, dass Stegi in der Pubertät entdeckt hatte, dass Mädchen ihn kein bisschen interessierten, gab das eine gute Kombination. Und auch, wenn Rafi bei weitem nicht der Einzige war, mit dem Stegi Sex gehabt hatte, war er dennoch der Einzige, der ihm dabei etwas bedeutet hatte – und sei es auch nur auf freundschaftliche Art.
In Gedanken begann Stegi, mit Zähnen und Zunge an dem Ring, der durch seine Unterlippe ging, herumzuspielen, während er die Bierpongspieler beobachtete. Rafi neben ihm lachte irgendwann leise auf.
»Wo auch immer du gerade in Gedanken bist: Das sieht verdammt heiß aus. Aber wenn du so gerade versuchst, irgendwen abzuschleppen, muss ich dich leider enttäuschen. Ich bin der Einzige hier im Raum, der für deine überaus homosexuellen Reize empfänglich ist.«
Stegi verdrehte die Augen, grinste aber.
»War das ein verstecktes Angebot?«
»Du könntest ja doch nicht nein sagen dazu.«
Rafael deutete ironisch an sich hinab und nun lachte Stegi endgültig laut auf.
»Bisschen notgeil heute?«
Rafi zuckte bloß mit den Schultern. Für ihn schien das Thema erledigt zu sein.
Ein Blick auf sein Handy ließ Stegi leise auffluchen. Sofort war Rafi wieder aufmerksam.
»Was ist los?«
»Tim kommt.«
Der Dunkelblonde lachte auf, grinste seinen Freund an.
»Wie jetzt. Der Langweiler geht auf 'ne Party?«
Stegi verdrehte die Augen. Rafi wusste, dass Stegi es hasste, wenn er sich darüber lustig machte, dass Tim eben nicht wie sie regelmäßig feiern ging. Genauso wusste Stegi aber, dass Rafi es im Endeffekt nicht böse meinte und Tim eigentlich ganz gut leiden konnte.
»Och nee. Ich bin viel zu betrunken dafür. Tim wird mich hassen dafür.«
Rafi schien den Ernst der Situation nicht ganz begreifen zu wollen.
»Immerhin war es heute nur Alkohol. Dein Lover wird es dir schon verzeihen!«
»Rafael!«
Stegis Stimme war drohend, doch der Größere lachte bloß. Rafi war der Einzige, mit dem Stegi darüber gesprochen hatte, dass er ein wenig in Tim verschossen war und auch, wenn dieser ihn nun regelmäßig damit aufzog, wusste Stegi, dass er ihn eigentlich unterstützte. Auch, wenn da immer irgendwie dieser sexuelle Aspekt zwischen ihnen gewesen war - das war eben noch lange nicht alles und Rafi war trotzdem ein Freund. So etwas wie romantische Gefühle hatte es zwischen ihnen nie gegeben.
Rafi schien nun doch ein wenig Mitleid zu bekommen.
»Wann kommt Tim denn?«
»Keine Ahnung. Zwanzig Minuten? Fuck, ich bin viel zu betrunken!«
Tim war vom ersten Tag, an dem sie sich kennen gelernt hatten, an wie ein großer Bruder für Stegi gewesen und das war momentan aktueller denn je.
Tim hatte vor zwei Monaten sein Abi gemacht und stand nun vor der Wahl von Ausbildung und Studium. Trotz seiner eigentlich vielen freien Zeit, war er kaum auf Partys anzutreffen, ging höchstens mal zu einer Geburtstagsfeier. Trotzdem war er jemand, den man immer gerne sah, wenn er nun doch ein Mal kam und bei den Meisten, vor allem denen, die ihn aus der Schule kannten, beliebt war. Anstatt viel zu feiern, verbrachte Tim den Großteil seiner Freizeit mit Sport, trainierte vier Mal die Woche Basketball und ging zusätzlich ins Fitnessstudio. All das sah man ihm natürlich auch an und so war Stegi nicht der Einzige, der für den ehemaligen Schülersprecher schwärmte. Mit dem Unterschied, dass keiner der Anderen auch nur annähernd so viel mit Tim zu tun hatte wie Stegi als sein bester Freund.
Während Stegi aber viel unterwegs war, feierte, bedeutungslosen Sex hatte, kiffte und trank, beobachtete Tim sein Tun stets nur mit Sorge. Wenn er Stegi nachts vom Bahnhof abholte, hielt er ihm regelmäßig Standpauken und auch so bat er ihn fast täglich, besser auf sich aufzupassen und sich nicht für jeden Typen herzugeben. Und Stegi, der sich bei jedem anderen darüber aufgeregt hätte (es war sein Leben, verdammt, sie sollten ihn einfach in Ruhe lassen), störte es nicht wirklich. Es gab ihm das Gefühl, dass Tim sich um ihn sorgte und er ihm wichtig war. Und trotzdem – er hasste es, Tim deswegen wütend oder schlecht drauf zu sehen.
Als Tim durch die Tür in den stickigen Keller kam, hatte Stegi zwar nicht noch mehr getrunken, war aber immer noch so blau, dass er es unmöglich vor seinem besten Freund verbergen konnte.
Tim sah sich kurz orientierungslos um, wechselte ein paar Sätze mit einer Gruppe Jungs, die eine Stufe unter ihm und eine über Stegi auf die Schule gingen und ihn gut gelaunt begrüßten und entdeckte schließlich seinen besten Freund, der - inzwischen ohne Rafi - immer noch auf dem Sofa saß.
»Hey.«
Tim wirkte wirklich ein wenig besorgt, wie vor Stegi stand und auf ihn herabsah.
»Hiiii. Timmi!«
Der Größere lächelte nur, verdrehte die Augen. Stegi war der Einzige, der ihn so nennen durfte und nutzte das charmelos aus. Vorsichtig setzte Tim sich zu Stegi auf das Sofa.
»Du siehst fertig aus.«
Es stimmte. Stegi war blass, wo seine Haut sonst zumindest ein bisschen mehr Farbe hatte, seine Augenringe waren dunkel und reichten ihm fast bis zu den Kniekehlen und seine Haare standen verstrubbelt in alle Richtungen. Tim beobachtete, wie Stegi an seinem Lippenpiercing herumknabberte, eine Angewohnheit, derer er selbst sich wahrscheinlich nicht ein Mal so bewusst war.
»Warum bist du hier?«
Der Alkohol war deutlich aus Stegis Stimme zu hören. Tim seufzte.
»Weil es bald halb drei ist. Du kannst nicht ins Heim zurück. Nicht so. Wenn du da mitten in der Nacht betrunken und auf was weiß ich sonst noch aufkreuzt, kriegst du noch mehr Probleme.«
»Ich habe keine Probleme.«
»Doch, Stegi, hast du. Die Lehrer würden dich allesamt am liebsten durch das Jahr rasseln lassen, können es aber nicht, weil du nicht schlecht genug bist. Wenn die Polizei dich mit dem Zeug erwischt, sinken deine Chancen auf eine Pflegefamilie noch mehr und Helga wird diesen Sommer in Rente gehen. Ich schätze, dass ihr Nachfolger weniger nachsichtig mit dir sein wird. In den Augen der Anderen und auch des Jugendamts bist du nur ein asozialer Punk, der Drogen nimmt, sich nicht kontrollieren lässt und schwer zu vermitteln ist.«
»Ich bin aber nicht asozial. Und auch nicht außer Kontrolle. Aber ... es ist mein Leben. Ich will nicht, dass alles wer anders bestimmt.«
Tim seufzte.
»Ich weiß, dass du nicht asozial bist und es denen nicht aus bösem Willen schwer machst. Ich weiß das, Stegi. Aber erklär das dem Jugendamt.«
»Das Jugendamt ist mir egal. Was sollen sie machen? Vermitteln konnten sie mich in den letzten dreizehn Jahren nicht, niemand braucht so zu tun, als wäre das plötzlich möglich, wenn ich nach ihrer Pfeife tanzen würde. Und ob ich jetzt oder in zwei Stunden zurück ins Heim gehe ist auch schon egal.«
»Oder du kommst mit zu mir, weil ich mir Sorgen mache. Helga wird eh davon ausgehen, dass du bei mir schläfst ... hoffe ich.«
Stegi seufzte. Irgendetwas in ihm sträubte sich dagegen.
»Hey, Kleiner. Nicht vergessen: Ich bin auf deiner Seite. Willst du noch bleiben?«
Tims Hand hatte sich auf Stegis Bein gelegt und automatisch fing sein Herz an, schneller zu schlagen. Obwohl er selbst nicht mehr ganz wusste, was er wollte, nickte er.
»Ich würde auch noch eine Weile mit dir hier bleiben. Wenn du danach mit zu mir kommst? Damit wäre mir wohler, als wenn du hier irgendwo schläfst.«
Dieses Mal musste Stegi kaum überlegen. Er nickte sofort.
»Hast du vor, noch etwas zu trinken?«
Stegi wusste, dass Tim sich nicht beschwert hätte, hätte er ja gesagt. Dafür kannte er ihn zu gut, wusste zu gut, wie wichtig Stegi seine Entscheidungsfreiheit war. Und dennoch schüttelte er den Kopf. Er wusste, dass Tim das glücklicher machen würde – und im Endeffekt hatte er ja Recht. Stegi war schon betrunken. Alles, was er jetzt noch zu sich nehmen würde, würde es nur noch schlechter machen.
»Hey.« Auf ein Mal waren da Tims Arme, die Stegi an den Größeren zogen und sein Körper, so nah an seinem. Stegis Herz schlug viel zu schnell. Spürte Tim das? »Du weißt, dass ich das nicht mache, weil ich dir irgendetwas vorschreiben will?«
Stegi nickte.
»Ich mache mir einfach nur Sorgen. Du weißt, warum.«
Erneut nickte der Kleinere, während Tim bloß gedankenverloren mit seinem Daumen über Stegis Schulter strich.
Vor etwa einem Jahr hatte Stegi über das Jugendamt recherchiert, wer eigentlich diese Frau war, die seine Mutter sein sollte und an die er sich nur noch so schwach erinnerte. Er hatte wissen wollen, warum er eigentlich seit er vier war, im Heim aufgewachsen war. Und tatsächlich hatte er Antworten auf diese Fragen bekommen.
Seine Mutter war stark alkohol- und drogenabhängig gewesen. Sie hatte, als ihr Sohn vier war, eingesehen, dass sie kein Kind aufziehen konnte - während der Prozess, ihr das Sorgerecht zu entziehen, eh schon gelaufen war. Also hatte sie Stegi ins Heim gebracht. Warum sie danach keinen Kontakt mehr zu ihm gesucht hatte, obwohl sie vom Gericht die Möglichkeit dazu zugesprochen bekommen hatte, wusste Stegi allerdings nicht. Und das war auch der Punkt, wo er es sich einfach damit erklärt hatte, dass sie es schlichtweg nicht gewollt hatte. In Kombination mit dem Vater, der Stegis Mutter nach drei Monaten Beziehung und der ungewollten Schwangerschaft einfach hatte sitzen lassen, hatte Tim schon damals gerätselt, wie aus Stegi so ein lieber Mensch hatte werden können. Denn auch, wenn sein Auftreten - der unnahbare Badboy, Punk und Fuckboy - es vielleicht auf den ersten Blick nicht vermuten ließ: jeder, der Stegi ein wenig kannte, hätte bestätigen können, dass er ein lieber Mensch mit einem viel zu großen Herz war. Und Tim am allermeisten.
Bei der Vorgeschichte seiner abhängigen Mutter und mit der Tatsache, dass Anfälligkeiten für so eine Sucht durchaus vererbbar waren, war es aber nur nachvollziehbar, dass Tim sich Sorgen machte.
Ohne dass er es gemerkt hatte und viel zu sehr in seinen eigenen Gedanken versunken hatte Tim Stegi einen winzigen Kuss auf die Haare gedrückt. Stegi hielt wie elektrisiert inne, wagte es nicht, sich zu bewegen. Auch, wenn es nur sein Kopf war: Tim hatte ihn geküsst. Warum tat er das? Dass er ihn so im Arm hielt, ihn so nahe an sich heran ließ und mit ihm quasi fast schon kuschelte - und das in aller Öffentlichkeit - war mehr, als je jemand anders sich von ihm erhoffen konnte und machte Stegi glücklich. Das aber jetzt war noch eine Nummer stärker gewesen. Warum küsste Tim Stegi?
Hätte man Stegi gefragt, hätte er nicht ein Mal sagen können, was es da war, was er für Tim fühlte. Er war in seinen besten Freund verschossen, schwärmte ein wenig für ihn, dessen war er sich bewusst. Ob er so weit gehen würde, von »verknallt sein« oder gar »verliebt sein« zu sprechen, hätte er dahingegen nicht sagen können.
Ging es Tim ähnlich? War das eben einfach nur eine unüberlegte Geste gewesen, wie es Stegi genauso gut auch hätte passieren können?
Er beschloss, vorerst nicht weiter darüber nachzudenken (brachte ja eh nichts) und seufzte stattdessen kurz auf.
»Na schön. Gehen wir heim.«
Irritiert sah Tim zu seinem besten Freund.
»Was? Ich wollte dir nicht die Stimmung verderben, wirklich. Ich bin nicht hier, um dir die Laune zu verderben oder dich nach Hause zu zitieren. Es war bloß ein Angebot von mir, dass du zu mir kommen kannst und ich mit dir hier bleiben würde, bis du heim willst. Du musst jetzt nicht wegen mir sofort gehen, mach dir keine Gedanken um mich.«
Stegi lächelte bloß. Süß von Tim, zu glauben, er könne ihn einfach so ignorieren, wenn er hier neben ihm saß und trotzdem genau so weiter Party machen. Er schüttelte bloß den Kopf.
»Nee, passt schon. Lass uns lieber noch ... bei dir hinsetzen und einfach reden oder so. Wenn du nicht zu müde bist.«
Tim nickte, stupste dann Stegi sanft an, damit er aufstand, bevor Tim selbst es ihm gleich tun konnte.
Während Stegi sich von Rafi verabschiedete, stand Tim nur stumm daneben. Er hatte ihm ein kurzes »Hi« zugeworfen, beantwortete seine Fragen aber nur kurz angebunden.
Tim hatte Rafi nie sonderlich gut ausstehen können. Für ihn war Rafael vor allem eines der Sex-Abenteuer, die Stegi regelmäßig erlebte und von denen Tim noch nie allzu viel gehalten hatte. Umgekehrt schien der Österreicher aber kein Problem mit Tim zu haben. Im Gegenteil mochte er ihn, nach dem, was Stegi erzählte, sogar recht gerne. Rafael war bewusst, dass Tim der Freund war, der Stegi hielt, sein Anker, der ihn immer wieder zurück auf den Boden der Tatsachen holte. Stegi brauchte Tim.
Der Weg zu seinem besten Freund nach Hause erschien Stegi unendlich lang.
Es fuhren keine Busse mehr, weshalb sie laufen mussten. Nüchtern war die Strecke von ungefähr zwei Kilometern kein Problem, aber betrunken zog sie sich ganz schön in die Länge. Stegi war froh, nicht alleine zu sein. Tim gab ihm den Halt und die Richtung, die er brauchte und außerdem so ein wunderbares Gefühl von Geborgenheit.
Bei seinem besten Freund angekommen wollte Stegi ihn am liebsten gar nicht loslassen, aber er hatte ja keine Wahl. Er bemühte sich wirklich, leise zu sein, Tims Eltern schliefen mit Sicherheit. Und trotzdem – er war eben betrunken und so leise man da versuchte zu sein, war es eben meistens nicht leise genug. Stegi hatte gerade seine Schuhe neben Tims unter die Garderobe geschoben, folgte seinem besten Freund nun etwas mühselig die knarzende Treppe nach oben und war schon fast vor Tims Zimmertür, als eine andere Tür nebenan geöffnet wurde. Stegi spürte, wie Tims Hand sich auf seine Schulter legte und ihn ein Stück vor sich ins Zimmer schob. Stegi ließ es mit sich machen und hockte sich schon mal auf Tims Bett. Er konnte von hier einen kleinen Teil des Schlafanzugs von Mara, Tims Adoptivmutter, sehen und ihre recht verschlafene Stimme. Genauso hörte er, wie Tim leise »Stegi ist hier.« erklärte und wie Tims Mutter daraufhin nicht weiter nachfragte. Er lächelte. Es war schön, wie selbstverständlich bei Tims Eltern alles immer war, wie Zuhause sogar er sich oft hier fühlen durfte. Tim brachte eine kleine Wasserflasche mit und stellte sie neben das Bett, bevor er sich zu Stegi setzte und seinen besten Freund forschend ansah.
»Wie geht es dir?«
Stegi lehnte sich leicht gegen Tim, der ihn sofort festhielt. Hatte er Angst, dass Stegi umkippen könnte? Tim roch so gut ...
»Gut«, nuschelte er irgendwo zwischen seinen Gedanken und hörte, wie Tim leise lachte.
»Komm, trink was.«
Die Flasche wurde Stegi in die Hand gedrückt und er trank tatsächlich etwas, weil Tim es gesagt hatte.
Als er sich danach wieder vorsichtig zu ihm lehnte, wurde er sofort wieder aufgefangen. Stegi fühlte sich Zuhause. Tim war immer der gewesen, der ihm dieses Gefühl gegeben hatte und Stegi konnte sich nicht vorstellen, irgendwann ohne den Älteren auskommen zu müssen. Wollte er auch gar nicht.
Tim schaffte er irgendwie, ihn sogar noch ins Bad und zum Zähneputzen zu überreden und als er sich danach in Tims Bett kuscheln durfte, fühlte Stegi sich schon ein kleines Bisschen nüchterner.
Tim lag neben ihm, so nah, dass er seine Wärme spüren konnte, dass er seine Anwesenheit mit jeder Zelle erfühlen konnte.
Vielleicht lag es am Alkohol, dass Stegis Wünsche auf ein Mal so aufdringlich waren. Stegi wurde beinahe verrückt, so stark war der Drang, sich an Tim zu kuscheln, so wirklich, nicht nur ein bisschen an-ihn-lehnen.
Wahrscheinlich lag es am Alkohol, dass er diesem Drang irgendwann einfach nachgab. Dass er vorsichtig noch näher zu Tim rutschte und seinen Kopf auf dessen Brust legte. Aber Tim ließ ihn einfach machen, legte seine Arme um ihn und streichelte sanft seine Haare.
Und ziemlich sicher lag es am Alkohol, dass er sich irgendwann hochstreckte, um Tim besser anschauen zu können, um wirklich begreifen zu können, was hier gerade geschah. So lagen sie für eine winzige Ewigkeit einfach nur da, dicht an dicht und atmeten dieselbe Luft - und der Alkohol war es auch, der Stegi den Mut gab, seine Lippen auf Tims zu legen. Nach so langer Zeit, nach so viel Zurückhaltung tat er es einfach, presste seine Lippen auf Tims und forderte ihn zu diesem intimen Spiel auf. Eine winzige, bange Unendlichkeit lang tat Tim gar nichts, bevor er sich darauf einließ und mitspielte.
Stegi erkundete Tims Lippen, saugte seinen Geschmack in sich auf und konnte es in seinem alkoholgetrübten Kopf gar nicht fassen, dass sie sich gerade wirklich küssten. Er presste das kühle Metall seines Piercings gegen Tims erhitzte Lippen, weil er wusste, wie man küsste, sodass der Andere heiß auf einen wurde. Und als er seine Zunge durch Tims Lippen drückte ließ der ihn einfach machen, ließ ihn seinen Mund erkunden, seine Zahnreihen entlangfahren und seine eigene gedankenlose Zunge finden.
Es war ein heißer Kuss und für Stegi hätte er nicht besser sein können. Tim küsste gut und noch dazu war es eben Tim. Tim, nicht irgendein Junge, den er morgen schon wieder würde vergessen haben. Sie waren ausdauernd und forsch in ihrem Spiel und irgendwann schob Tim eine Hand unter Stegis Shirt und legte sie dort auf seine Taille, um ihn bei sich zu halten und Stegi umklammerte Tims Nacken.
Stegi wollte protestieren, als Tim ihn nach einer langen, atemberaubenden Ewigkeit irgendwann wieder in eigenes Revier zurückdrängte und sie erneut separierte, nur noch ihre Lippen es waren, die sie miteinander verbanden und dieses gottverdammte Piercing, an dem Tim knabberte und das Stegi nahezu verrückt machte.
Stegi spürte seinen Unterleib vibrieren, der Kuss hatte ihn nicht kalt gelassen und verlangend drückte er sich gegen Tim, der doch einfach merken musste, was er wollte.
Und Tim merkte es auch, aber er grinste bloß gegen Stegis Lippen und löste sie schließlich ganz voneinander. Sie waren immer noch nur Zentimeter voneinander entfernt, aber selbst das war Stegi zu viel. Für einen kurzen Moment schaffte er es, diesen Abstand noch ein Mal zu überbrücken, aber Tim zog sich schnell wieder zurück und wahrte die Distanz.
»Schlaf, Stegi. Du bist betrunken.«
Das waren nicht die Worte, die Stegi hören wollte, aber sie klangen so wahnsinnig liebevoll und wirklich eine Wahl hatte er ja auch nicht.
Stegi zwang seine verkrampften Muskeln, sich zu entspannen und als Tim merkte, dass Stegi seiner Aufforderung nachzukommen schien, ließ auch er ihn langsam aus seinem so besitzergreifend festen Griff. Stegi machte keine Anstalten, sich von Tim zu entfernen und der keine, ihn von sich weisen zu wollen.
Und tatsächlich war Stegi immer noch sehr betrunken, denn trotz allem dauerte es kaum ein paar Minuten, bis er unter den liebevollen Blicken seines besten Freundes einschlafen konnte.
Als Stegi wieder aufwachte, war der Kuss das Erste, das ihm wieder in den Sinn kam. Er hatte Tim geküsst und zwar hatte der mitgemacht, aber was war nun? Stegi war betrunken gewesen, aber Tim doch nicht. Was, wenn es jetzt komisch war zwischen ihnen oder Tim darüber reden wollte, es aufklären oder so tun, als wäre es nie geschehen?
Das Zweite, das er bemerkte, waren Tims Arme, die ihn entspannt hielten und der warme Körper seines besten Freundes an seinem Rücken. Stegi wollte sich ein Stück umdrehen, um Tim anschauen zu können, um das, was gestern Nacht passiert war, wirklich begreifen zu können und wahrscheinlich war es diese Regung, die Tim aufweckte. Kaum erkannte der seine Umgebung lächelte er leicht und lächelte Stegi, der es geschafft hatte, sich zu ihm zu drehen, somit genau ins Gesicht. Ihm schien diese Nähe kein Bisschen unangenehm zu sein.
»Guten Morgen.«
Tims Stimme war kaum mehr als eine Flüstern und klang so wahnsinnig schön vertraut.
»Guten Morgen.«, flüsterte Stegi zurück.
Tim lächelte und beugte sich ein kleines Stück herunter, um seine Lippen für einen kurzen Moment, ganz sanft, auf Stegis zu legen. Dessen Lächeln wurde breiter.
Tim erinnerte sich, er hatte es gewollt und hatte nicht vor, es totzuschweigen oder gleich im Keim zu ersticken.
Stegi stahl sich einen zweiten Kuss, weil ihn der Mut und die Euphorie gerade so schön packten.
»Versprichst du mir was?«
Tims Stimme war leise, aber der Ton war ernst. Stegi nickte leicht, sein Blick suchte Tims so dunkle Augen.
»Keine Sex-Geschichten mehr. Kein Rafael, kein sonst-wer. Bitte.«
Stegi suchte unter der Decke nach Tims Hand, drückte sie.
»Rafi und ich sind Freunde. Ich werde ihm diese Freundschaft nicht einfach so kündigen.«
»Nein, aber ...«
»- Keinen bedeutungslosen Sex mehr, ja. Versprochen.«
Tim lächelte, schien irgendwo wirklich erleichtert.
»Danke. Bist du - du hast dich doch immer geschützt, oder?«
»Natürlich. Tim, mach dir keine Sorgen. Ich kann auf mich aufpassen.«
Tim nickte.
»Weiß ich doch. Aber ich passe seit dreizehn Jahren auf dich auf, Stegi.«
Stegi lächelte nun auch. Es war ein schönes, ehrliches Lächeln.
»Danke.«
Tims Lippen legten sich kurz auf Stegis, sanft.
»Und wenn du mich lässt, auch noch weitere dreizehn Jahre und länger.«
~~~
Und hiermit ist diese kleine Kurzgeschichte auch schon wieder vorbei. Happy End für alle Stexpert-Fans.
Danke fürs Lesen, Voten und Kommentieren!
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