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«Guten Morgen, Ms Kang!» Der Mann am Empfang der Polizeistation deutete eine Verbeugung an und strahlte zu ihr hoch. (Er war schon seit langer Zeit in die taffe Polizistin verknallt.)
«Ich wünsche Ihnen ebenfalls einen guten Morgen, Mr Baek», antwortete Ms Kang mit einem aufgesetzten Lächeln. Dann eilte sie an ihm vorbei, um so schnell wie möglich der unangenehmen Situation zu entkommen und trat in ihr Büro.
Ihre Arbeitskollegen: Der spindeldürre Mr Park mit den langen, blond gefärbten Haaren, die ihn wie ein Elb aus Herr der Ringe aussehen liessen und der muskulöse, braungebrannte – und sehr gut aussehende – Mr Gonzalez aus Spanien, warteten bereits auf sie.
Ächzend liess sich Ms Kang auf ihren Stuhl sinken und packte ihre Wasserflasche aus, um einen grossen Schluck daraus zu trinken. «Lasst mich raten: Uns wurde der Fall mit diesem Diamanten übertragen», sagte sie und verdrehte ihre Augen.
«Korrekt», antwortete Mr Park und wippte mit dem Kopf heftig auf und ab, was wohl ein Nicken darstellen sollte.
Ms Kang stöhnte. «Ist ja so langweilig! Viel lieber würde ich endlich wieder irgendeinen Drogenboss hochnehmen, anstatt einem Diamanten nachzujagen.»
«Warum, ist doch keine Sache?», schaltete sich Mr Gonzalez ein und nahm sich ein Gummibärchen aus der Schüssel, die immer auf seinem Tisch stand. «Immerhin weiss man bereits, wer ihn gestohlen hat. Darüber hinaus kriegen wir bestimmt eine saftige Belohnung – hoffentlich in Form von Geld – wenn wir dem alten Knacker Mr Seo seine geliebte White Beauty zurückbringen.»
«Der Diamant heisst White Beauty?», fragte Ms Kang nach und würgte. «Ich glaub, ich muss kotzen.»
«Können wir bitte endlich zur Sache kommen?», unterbrach der dünne Mr Park ungeduldig. «Je schneller wir reagieren, desto schneller können wir den Dieb verhaften und einsperren.»
«Jaja, von mir aus», murmelte Ms Kang und lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück. «Erzählen Sie uns alles, Mr Park.»
Der blonde Polizist richtete sich stolz auf. «Wie gesagt, der Diamant heisst White Beauty und ist 10,6 Milliarden Won wert. Er wiegt etwa 150 Karat und ist somit weltweit einer der teuersten Diamanten überhaupt– in Südkorea der teuerste. Gestern Abend, um etwa zehn Uhr, wurde die White Beauty aus der Villa seines Besitzers, Mr Seo, entwendet. Aus irgendeinem Grund funktionierten die Alarmanlagen nicht, vermutlich wurden sie gehackt. Zu dieser Zeit schlief Mr Seo und bemerkte den Verlust erst zehn Stunden später, um acht Uhr morgens, als er auf die Toilette ging. Sofort alarmierte er die Polizei. Jetzt kommt das Beste: Der Täter wurde gefilmt, wie er sich den Diamanten ansah, also sollte der Fall ziemlich schnell zu Akten gelegt werden.»
Ms Kang konnte sich ein schadenfrohes Grinsen nicht verkneifen. «Wie kann man nur so dumm sein, ihn auf offener Strasse zu begutachten und dabei auch noch gefilmt zu werden?», lachte sie.
«Ich bitte Sie.» Mr Park strafte sie mit einem wütenden Blick und fauchte: «Lassen Sie mich fertig berichten».
«Sorry», schmunzelte Ms Kang.
«Wo war ich», murmelte Mr Park und blätterte durch seine Unterlagen. «Ah ja, richtig. Tatsächlich wurde er von der 24-jährigen Jeong Junlyn beobachtet und aufgenommen. Jeong Junlyn ist auf...», er stockte kurz und las den Namen der App, «...einem sogenannten TikTok aktiv und postete dort das Video. Es wurde ziemlich oft angeschaut und landete schliesslich auch bei uns.»
«Der Täter heisst Choi Seungcheol und wurde am 8. August 1995 geboren», führte Mr Gonzalez die Erklärungen weiter und zeigte ein Foto von ihm in die Runde, «und arbeitet teilzeitlich als Kellner in einem Café. Er ist ein Trainee beim «Pledis Entertainment», um ein K-Pop Idol zu werden... Genau.» Er las sich seine Notizen durch. «Sonst gibt es eigentlich nichts mehr über ihn zu sagen. Bis jetzt wurde er nie strafrechtlich auffällig.»
«Lassen Sie sich davon nicht täuschen!» Mr Park blinzelte heftig. «Die grössten Psychopathen sind immer diejenigen, von denen man es am wenigsten erwartet!»
«Also als Psychopath würde ich ihn jetzt nicht gerade bezeichnen», antwortete Ms Kang amüsiert, «er hat ja niemanden umgebracht, sondern nur einen Diamanten gestohlen, mit grosser Wahrscheinlichkeit auch nicht im Alleingang.» Sie erhob sich aus ihrem Stuhl und streckte sich. «Ich schlage vor, wir sehen uns erstmal bei seinem Zuhause um. Wer weiss, vielleicht haben wir ja Glück und er lädt uns auf einen Kaffee ein.»
«Na dann los!», erwiderte Mr Gonzales und rieb sich die Hände, «irgendwie freue ich mich auf diesen Fall! Ich werde das Gefühl nicht los, es könnte noch ziemlich interessant werden.»
• ⁓ 💎 ⁓ •
«Seungcheol! Seungcheol, bitte, sieh mich an!» Jeonghan nahm den Kopf seines aufgelösten Freundes in beide Hände und zwang ihn so, ihm in die Augen zu schauen. «Beruhige dich. Das alles ist bestimmt ein grosses Missverständnis. Am besten gehen wir jetzt zusammen zur Polizei und erklären ihnen die ganze Geschichte.»
Schluchzend nickte Seungcheol und atmete zitternd ein und aus.
Die anderen elf Jungs standen etwas ratlos um die beiden herum und wussten nicht so genau, was sie tun sollten. Schliesslich waren sie noch nie in der Situation gewesen, dass einer von ihnen Polizeilich gesucht wurde. Lediglich Seungkwan hatte einmal kurz mit dem Gesetz zu tun gehabt, nämlich, als er mit dem Fahrrad ein kleines Kind übersehen und umgefahren hatte. (Beide Beteiligten haben keine bleibenden Schäden davongetragen.)
«Was ich nicht ganz verstehe», sprach Minghao, «woher wissen sie überhaupt, dass Cheol den Diamanten hat?»
«Das kann ich dir sagen», antwortete Chan und hielt sein Handy in die Höhe. «Einer aus meiner Klasse hat mir eine Nachricht geschrieben.» Er las vor:
Sehun: Hey Chan, ist das nicht dein Freund? Er ist jetzt einfach fame, wie geil!
Chan tippte auf den Link, der Sehun ihm geschickt hatte und liess das Video abspielen. Darin war Seungcheol deutlich zu sehen, wie er mit blutverschmiertem Gesicht auf dem Boden sass und den Diamanten begutachtete. Die leere Hülle des Baseballs lag neben ihm auf dem Boden.
Jihoon beugte sich näher zum Smartphone. «Bildunterschrift: Der hotte Boy hat einfach einen Diamanten aus dem Ball gezaubert! What the fuck?», knurrte er, «welches Arschloch hat das gepostet?»
«Wie's aussieht, eine gewisse Junlyn», erwiderte Chan, «ihr gehört zumindest dieser TikTok Account.»
«Der Ball ist einfach auf mich zugerollt, ich schwöre!», rief Seungcheol, erneut den Tränen nahe, «ich weiss wirklich nicht, woher der Ball kam!»
«Wir glauben dir doch», sagte Joshua sanft und nahm seinen aufgelösten Freund in den Arm.
«Bestimmt hat diese Junlyn extra nur den Teil hochgeladen, der Cheol mit dem Diamanten zeigt, um ihn in Schwierigkeiten zu bringen!», knurrte Seungkwan und schlug mit der Faust gegen das rote Sofa neben ihm. In ihm brodelte die Wut und er würde dieser Tussi am liebsten kräftig eine reinhauen.
«Fakt ist, der Vorschlag, den Jeonghan vorher gemacht hat, können wir verwerfen», meldete sich Hansol zu Wort, der bis jetzt noch keinen Ton gesagt hatte.
«Welchen Vorschlag meinst du?», wollte Jeonghan verwirrt wissen.
«Wir können auf keinen Fall zur Polizei gehen!», erklärte Hansol, «die würden Cheol sofort einbuchten. Sie werden ihm niemals glauben, dass er den Diamanten nicht gestohlen hat. Das Beweismaterial ist einfach zu gross, auch wenn es nicht die Wahrheit ist. Ich denke, wir müssen Seungcheol so lange verschwinden lassen, bis wir die Anklage widerlegen können.»
Alle im Raum nickten zustimmend.
«Aber wo soll Seungcheol denn hin?», fragte Soonyoung und kratzte sich am Kopf, «bei uns werden sie bestimmt als erstes vorbeikommen, weil wir seine Freunde sind.»
«Ich weiss was!» Aufgeregt klatschte Mingyu in seine Hände. «Meine ehemalige Babysitterin hat ein Ferienhaus in Incheon, direkt am Meer! Sie ist gerade mit ihrer Familie in den Ferien in der Schweiz und wird auch sonst in der nächsten Zeit nicht dorthin gehen. Vor einigen Jahren hat sie mich mal mitgenommen, deswegen weiss ich, wo der Schlüssel versteckt liegt.»
«Perfekt!», erwiderte Wonwoo und klopfte Mingyu auf die Schulter, «gute Idee, Mann.»
Gesagt, getan. Soonyoung, Mingyu, Jeonghan und Seungcheol wurden von Minghao, Joshua und Seungkwan in Beschlag genommen, um möglichst gut gestylt – und möglichst unerkenntlich gemacht – zu werden, denn diese vier sollten später gemeinsam zum Ferienhaus von Mingyus ehemaliger Babysitterin reisen. Vor allem Seungkwan und Minghao waren ganz in ihrem Element, plünderten alle Kleiderschränke in Mingyus Haus (das waren sehr viele) und kamen im Minutentakt mit immer noch verrückteren Ideen an.
Währenddessen widmeten sich Hansol, Jihoon und Wonwoo der Recherche. Sie wollten so viele Informationen wie möglich, einerseits über Junlyn und andererseits über den Diamanten, sammeln.
Seokmin, Jun und Chan hatten zuerst nichts zu tun, entschieden sich dann aber, unauffällig nach draussen zu gehen und die Lage abzuchecken. Alle hofften inständig, dass die Polizei nicht auf die Idee kam, bei Mingyu nachzuschauen...
• ⁓ 💎 ⁓ •
Jun, Chan und Seokmin wussten nicht, was sie erwartet hatten. Vielleicht unzählige Polizeiautos, die durch die ganze Stadt patrouillierten oder schwer bewaffnete Soldaten, die nur darauf warteten, bis sie das Haus verliessen, um sie zu verhaften. Doch nichts dergleichen geschah, alles war ruhig und friedlich.
Beinahe etwas enttäuscht scannte Jun seine Umgebung. «Was sollen wir jetzt tun?», fragte er.
«Warum statten wir Seungcheols Haus nicht unauffällig einen Besuch ab?», schlug Chan vor.
«Man darf uns aber auf keinen Fall sehen!», gab Seokmin besorgt zu bedenken, «ich glaube nicht, dass das eine gute Idee ist!»
«Ach komm schon, ist doch nichts dabei», beruhigte Jun, «die Cops wissen bestimmt noch nicht, dass wir zu Cheol gehören. So schnell sind sie nicht. Als erstes werden sie sein Haus durchsuchen und Strassen absperren, damit er nicht verschwinden kann. Vermutlich machen sie dann diese Junlyn ausfindig und befragen sie.»
Chan nickte zustimmend. «Du hast wahrscheinlich recht. Trotzdem sollten wir vorsichtig sein, man weiss ja nie.» Er kramte seine Sonnenbrille hervor und setzte sie auf. Dann machten sie sich auf den Weg zum Ort, wo Seungcheol wohnte. Es war nicht weit von Mingyus Haus entfernt, nur etwa einen Kilometer.
Es passierte nichts Ungewöhnliches, bis sie bei Cheols Zuhause ankamen. Aber dort kamen sowohl Jun als auch Chan auf ihre «geil, ist ja wie in einem Krimi!»-Kosten: Die ganze Strasse war abgesperrt, überall wuselten Beamte herum und an allen Ecken standen Reporter.
«Wie haben die das nur so schnell herausgefunden?», murmelte Seokmin und starrte auf die Männer und Frauen mit den Kameras, «Seungcheol wird wahrscheinlich nie mehr ungestört in sein Haus zurückkehren können. Er tut mir leid.» Voller Mitgefühl war er den Tränen nahe.
«Die Paparazzi mussten vermutlich einfach den Polizeiautos folgen», seufzte Chan und legte Seokmin einen Arm um die Schultern, «das wird wieder. Wir beweisen seine Unschuld und alles wird wieder normal.» Er versuchte, so optimistisch wie möglich zu klingen, aber es misslang ihm ziemlich. Seungcheol – dieser Seungcheol, der früher als Kind nicht einmal Süssigkeiten gestohlen hatte – wurde eines Verbrechens beschuldigt. Für Chan fühlte es sich wie ein böser Albtraum an, aus dem er unbedingt wieder aufwachen wollte.
Doch es ging nicht. Es war bittere Realität.
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