25
//David//
Er nimmt den Kopf von der Tischplatte, um einen kurzen Blick auf die Uhr zu werfen, die ihm seit geraumer Zeit mit ihrem Ticken auf den Nerv geht. Es ist weit nach Mitternacht, vor dem Fenster ist nichts als Dunkelheit.
David sitzt noch immer im Verhörraum, Schöffer macht eine Kaffeepause. Er gähnt und richtet sich auf. Sein Rücken knackt ungesund bei jeder Bewegung, seine Handgelenke schmerzen. Er wünschte, jemand könnte ihm die verdammten Handschellen abnehmen.
David hat nicht länger die Intention, noch die Energie dazu, jemandem Schmerzen zuzufügen.
Die Tür geht erneut auf. Schöffer hat eine grüne Tasse mit dem Polizeilogo in der Hand und knallt sie lustlos auf den Tisch. Er setzt sich.
"Sie sind müde, Ich bin müde und sollte eigentlich seit Stunden zu Hause sein, aber extra Ihretwegen bin ich noch hier."
"Das ist ja süß", grummelt David und versucht, sich mit dem Oberarm die Augen zu reiben. Es will nicht so wirklich funktionieren.
"Ich wiederhole, je eher Sie gestehen, Ihren Vater ermordet zu haben, desto eher ist das ganze hier vorbei."
Schöffer trommelt mit den Fingern auf dem Tisch und nimmt einen Schluck Kaffee. David seufzt frustriert.
"Und ich wiederhole: Ich war den ganzen Tag zu Hause, warum glauben Sie mir denn nicht. Ich hatte keinen Grund..."
Er bricht ab. Sein Gehirn ist zu müde, um ihm Beistand leisten zu können.
"Herr Bache, es gibt so viele Indizien, dass wir auch mit einem Indizienprozess vor jedem Gericht dieses Landes durchkommen würden...Ihre DNA ist überall in diesem Traktor..."
"Ich bin ja auch öfters damit gefahren", wirft David ein.
"...Sie haben kein Alibi, Ihre Tochter können wir nicht verwerten."
"Sie ist dement, nicht bescheuert und was ist eigentlich mit Marty?"
Schöffer ignoriert sein Gegenüber und fährt unbeirrt fort.
"Es ist bekannt, dass Sie auf Ihren Vater keineswegs gut zu sprechen waren. Und das wissen Sie auch, Sie trauern ja nicht einmal..."
"Ich werde ja mit größter Mühe davon abgehalten", faucht David.
"Es ist ja auch verständlich...der Mörder Ihrer Frau läuft noch frei herum und solange braucht man einen Sündenbock...und wenn es der eigene Vater ist."
Schöffer nimmt einen weiteren Schluck Kaffee und sieht David mit hochgezogen Augenbrauen an. "Nicht wahr?"
"Das ist längst vergessen! Ich weiß, dass er nichts dafür konnte!" David will die Arme verschränken, doch seine Hände hängen am Tisch.
"Sie haben Geldprobleme, das Haus in dem Sie leben ist nicht gerade eine bescheidene Hütte und der Zuschuss Ihrer Frau fehlt da bei der Instandhaltung doch etwas, habe ich recht?"
David schüttelt den Kopf.
"Vielleicht war es hin und wieder knapp, aber als Geldproblem würde ich das nicht bezeichnen..."
"So, nicht? Als was denn dann?"
David überlegt. "Als temporäre Schwierigkeit, die sich wieder gegessen hat."
"Sie meinen, seit Ihr Vater Ihnen Geld vererbt hat?"
Wieder schüttelt David den Kopf. "Nein, er hatte verdammt nochmal selbst nichts, außer seinem bescheuerten Hof und seinen drei Kühen."
"Das ist nun alles Ihr's, seien Sie dankbar, immerhin haben Sie ihm dafür die Kehle zerhexelt."
"Glauben Sie, Sie sind witzig?"
"Legendär, würde ich behaupten, aber das ist hier gar nicht der Punkt. Sie stehen im Fokus, nicht ich."
David schnaubt. Was für eine Frechheit.
"Zudem haben Sie einige psychische...ich sag mal Mängel", fährt Schöffer fort. "Suizidgedanken, Depression und Trauer, Stress...Da kann eins zum anderen führen..."
"Hören Sie auf damit, nein!"
"Und dann noch der entscheidende Knackpunkt: Rizin...für Sie ein Kinderspiel, solche Mengen zu erhalten und wirksam zu dosieren, sodass Sie exakt wissen, wann das Opfer nicht mehr können dürfte...genau dann, wenn es Teil des Straßenverkehrs ist zum Beispiel...Das wäre doch äußerst praktisch."
"Ich würde das nicht tun, so ein Mensch bin ich nicht."
Schöffer kommt ganz nah an ihn ran, bis David kaum noch zurückweichen kann.
"Oh, Sie wissen gar nicht, was die Verzweiflung mit Menschen machen kann. Ich habe zuvorkommende Nachbarn gesehen, die sich als grausame Vergewaltiger entpuppt haben, weil sie mit ihrer Pädophilie nicht leben konnten, unscheinbare Mädchen, die ihren Mitschülern den Kopf in die Toilette steckten und so lange spülten, bis die Brille im Abfluss verschwand, und das nur, weil die Mutter selten zu Hause war. Alle sagen Sie immer, so ein Mensch seien sie nicht, aber was ist schon so ein Mensch? Steckt nicht hinter jedem Serienmörder eine charmante Seite, ist das nicht gerade der Trick dahinter? Normalität vorzugeben, während man seine dunkelsten Geheimnisse vertuscht?"
Er schnaubt. "Erzählen Sie mir doch nichts."
Schöffer setzt sich wieder hin und nippt an seiner Tasse. In diesem Moment kommt ein Streifenpolizist dazu. Im Gegensatz zu seinem Kollegen sieht er hellwach und sehr gut gelaunt aus.
"Kannste mir das mal unterschreiben?", fragt er und hält Schöffer einen Papierbogen hin, ohne David groß Beachtung zu schenken. "Mhm", macht der Kommissar und nimmt den Stift entgegen.
Da knackt das Funksprechgerät des Polizisten, das sicher am Gürtel hängt. "Bitte kommen", tönt es aus dem Lautsprecher. Der Polizist antwortet.
"Notruf am Waldfriedhof, mehrere Anwohner wollen Schüsse gehört haben, außerdem meldet Marty Girard einen, Zitat, "durchgeknallten mit Waffe", der ihn und seine Begleitung verfolgt. Einmal bitte zwei Streifenwagen vorbeischicken!"
Mit einem Rauschen wird die Durchsage beendet.
Schockiert starrt David auf das Gerät, das der Polizist langsam zurück in die Gürteltasche gleiten lässt.
"Oh, da muss ich wohl hin, wir sehen uns." Entschuldigend zuckt er mit den Schultern und schließt die Tür hinter sich.
"Was ist da los?", will David wissen. Schöffer beachtet ihn nicht. Er durchblättert die Papierbögen und setzt hin und wieder seine Unterschrift unter das Geschriebene.
"REDEN SIE MIT MIR, DAS IST MEINE TOCHTER, MEIN KIND!" Wütend tritt David gegen den Tisch. Verdutzt blickt Schöffer auf. Die Tinte auf dem Blatt ist ganz verschmiert.
"Ich weiß", sagt er unbekümmert. "Wir schicken ein paar Beamte, dann wird sich das schon regeln."
"SIE KÖNNTE VERDAMMT NOCHMAL TOT SEIN, SAGEN SIE MIR, WAS SACHE IST!"
"Das kann ich nicht, ich weiß nicht mehr, als Sie. Jetzt beruhigen Sie sich doch", antwortet Schöffer gelassen.
David steht auf. Schöffer reagiert nicht.
Oh, Sie wissen gar nicht, was die Verzweiflung mit Menschen machen kann.
"Ich war es", sagt David hektisch. "Ich hab es getan!"
Schöffer fährt hoch, diesmal schon fast erschrocken. "Sagen Sie das noch einmal!"
Er holt tief Luft. "Ich gestehe...Ich habe meinen Vater vergiftet und mich dann im Traktor versteckt. Ich hatte gehofft, der Unfall würde uns beide töten. Ich habe ihn umgebracht."
Ein Lächeln huscht über Schöffers Gesicht.
"Na also, geht doch."
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