17
//David// 6:00
Verwirrt schreckt er hoch und reibt sich die Augen. Sein Rücke schmerzt von der verbliebenen Nacht auf der durchgelegenen Matratze. Draußen ist es noch dunkel. Nur eine Laterne, die dicht neben dem kleinen Zellenfenster angebracht sein muss erhellt den kleinen Raum.
Kurz sitzt David einfach nur da und fährt sich durch die Haare. Dann dreht sich wieder der Schlüssel im Schloss und die Tür öffnet sich. Schöffer steht im Zimmer, einen Coffee to go in der Hand und nickt ihm zu.
"Ihr Anwalt steht im Stau, aber wir haben Neuigkeiten, die Sie vielleicht interessieren könnten", sagt er. Widerstandslos streckt David ihm die Hände entgegen. Schöffer sieht überfordert auf seine eigenen, die mit Kaffee und Schlüsselbund gefüllt sind. "Scheiß drauf", murmelt er und stößt die Tür weiter auf, um David passieren zu lassen.
Der altbekannte Raum, in dem er sich selbst sehen kann ist an diesem Morgen kalt und freudloser denn je. Schöffer nimmt ihm gegenüber Platz und gähnt. David beißt sich auf die Unterlippe, um den selben Drang zu unterdrücken.
"Also..." Schöffer räuspert sich und nimmt gelassen einen Schluck Kaffee. David seufzt leise.
"Der Obduktionsbericht liegt vor."
David, der noch nicht bereit für Leichenbilder ist schließt die Augen. "Keine Sorge, Sie müssen sich nichts angucken."
David öffnet die Augen wieder. Erst jetzt fällt ihm der Bogen Papier in Schöffers Hand auf. Der fährt mit dem Finger über die Buchstaben und leckt sich konzentriert über die Lippen. Dann räuspert er sich erneut.
"Festgestellter Tod durch Fremde Hand, ziemlich offensichtlich, wenn Sie mich fragen." Er zwinkert. "Äußere Schädigung in Form eines Schnitts durch die Kehle, der eine tödliche Verletzung von Luft - und Speiseröhre hervorrief. Es ist in dieser Hinsicht von einem schmerzfreien, sofortigen Tod auszugehen."
Schöffer sieht auf. David schluckt und rutscht auf seinem Stuhl hin und her. "Haben Sie das soweit verstanden?" Er nickt und Schöffer fährt fort. "Zudem blutiger Mageninhalt in Speiseröhre und Magen. Die Möglichkeit der Asphyxie ist daher auch nicht auszuschließen, jedoch unter den Umständen eher unwahrscheinlich."
Davids Blick wandert durch den Raum. Er will es nicht hören, will nicht wissen, wie sein Vater sein brutales Ende gefunden hat.
"Jetzt zum Sektionsbefund." Schöffer zieht ein weiteres Blatt hervor und studiert es kurz. "Nun, denn. Ich muss sagen, das ist wirklich um einiges schockierender." David bereitet sich innerlich auf das Schlimmste vor.
"Tödliche Mengen Rizin im gesamten Körper. Ein stark geschädigter Verdauungstrakt, sprich: Leber, Magen, Darm und Nieren. Da Rizin einen Tötungszeitraum von etwa zwei Tagen hat, müssten zugvorige Grundleiden des Toten bekannt sein."
Fragend sieht Schöffer David an, der die Stirn runzelt. "Er...er hat mal erwähnt, dass ihm ein wenig übel war, aber...er hat sich allgemein immer gegen ärztliche Behandlung gesträubt. Ich bin davon ausgegangen, dass er mal wieder ein bisschen zu tief ins Glas geschaut hat...oder so."
Schöffer hebt die Hand, um ihn zum Schweigen zu bringen. "Ein Fremdeinwirken ist sehr wahrscheinlich", rundet er seinen Vortrag ab. David starrt auf den Tisch. "Er...Er...", stottert er. "...muss doch wahnsinnig gelitten haben. Warum hat er nichts gesagt?"
"Bin ich Ihr Vater. Klingt ja, als würden Sie sich auch hier bestens auskennen. Was sagten Sie noch gleich, dass Sie beruflich machen?"
Noch ehe David die Stimme heben und fragen kann, wo eigentlich sein Anwalt bleibt fällt Schöffer ihm ins Wort und beantwortet seine Frage selbst. "Pharmazeut, richtig? Ja."
Er grinst. "Da haben Sie doch sicher mit Medikamenten zu tun..."
"Rizin ist kein Medikament", presst David hervor. "Rizin ist reines, natürliches Gift."
Schöffer hebt die Augenbrauen. "So? Erzählen Sie mir mehr."
"Das würde Ihnen gefallen oder? Wenn ich jetzt ganz viel über Rizin erzähle und Sie das als Geständnis werten können? Vergessen Sie's, so bescheuert bin ich auch nicht."
"Aber, aber, wer wird denn hier von bescheuert reden. Wer sich gut in seinem Berufsfeld auskennt wir doch von der Gesellschaft geschätzt, nicht? Diesen Ruf kann man aber auch schleunigst wieder verlieren...mit Mord."
David schüttelt den Kopf. "Ich habe ihn nicht umgebracht, das könnte ich nicht. Eine Rizinvergiftung ist grausam, das könnte ich nicht."
"Ist sie das?"
"Ja, ist sie, hören Sie auf, mich so seltsam anzusehen!"
Schöffer schnaubt. Dann wechselt er rasch das Thema.
"Ich höre, Sie haben eine Schwester, die in..." Er wühlt in seinen Akten. "...den USA arbeitet?"
Überrascht sieht David auf. "Ja", sagt er gedehnt. "Ich habe aber nicht wirklich Kontakt zu ihr."
Das ist wahr. Seine jüngere Schwester Deborah ist mit achtzehn ausgezogen und hat in den Staaten einen sehr fragwürdigen New Yorker kennengelernt, den sie prompt heiratete. Seither ist sie in seinem Leben kaum mehr vertreten. Abgesehen von den Feiertagen, an denen sie mit ihrem Mann in der Stadt aufkreuzt und sich darüber beschwert, wie klein doch alles in Deutschland sei.
"Deborah...Clark?"
"Mhm", macht David und versucht angestrengt, das Bild seines stämmigen Schwagers aus seinem Kopf zu verbannen. Jackson Clark ist nicht gerade ein Vorzeige Familienmitglied. Es war ihm immer peinlich, mit dem Kerl in Jeansjacke und hautenger Lederhose im Restaurant zu sitzen.
"Wir haben sie kontaktiert. Sie berichtete uns von Streitigkeiten in der Familie. Es geht tatsächlich um Geld, wie es scheint und um eine Schuldfrage, was ihre Frau angeht." Schöffer macht eine kurze Pause und beobachtet David scharf.
"Wollen Sie sich dazu äußern?"
David verstummt. Er weicht den Blicken des Kommissars aus und schüttelt erneut den Kopf. "Das ist Schwachsinn, längst vergessen."
"Darf ich fragen, was damals passiert ist?"
"Nein, Sie dürfen nicht. Wo bleibt denn mein Anwalt?"
Schöffer zuckt mit den Schultern. "Stau", sagt er, aber so langsam ist es David auch egal. Er will nach Hause, er will zu Viola.
Der Kommissar erhebt sich. "Hören Sie, Herr Bache. Es sieht wirklich nicht gut für Sie aus. Je früher Sie gestehen, den Mord begangen zu haben, desto eher wird das mildernde Strafumstände haben. Wir können uns auch gerne hier rumschlagen, bis es rauskommt und das wäre für alle Involvierten unnötig belastend..."
David kneift die Augen zusammen. Dann verlässt Schöffer den Raum und David ist allein.
Allein mit Überforderung und Wut.
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