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Noch in derselben Nacht besuchte sie Claras Mutter, eine gebeugte, aber sehr sanfte Frau. Evies bissige Bemerkungen ignorierend, klärte sie die beiden über ihre Herkunft auf.
Und noch bevor sie das richtig verdaut hatten, erzählte sie ihnen von Ragnarök, der Schlacht, die ihre Vorfahren gegen Loki und seine Kinder ausgetragen hatten und die die damalige Welt zerstört hatte. Von Hels Geschwistern, dem Fenris und der Midgardschlange, und von Loki, der den Asen immer wieder eins auswischte, von Odins Weisheit, für die er sein Auge opferte, von Balder und dem Mistelzweig. Von der Schönheit der verschiedenen Welten, der Kälte Nilfheims, der Hitze Muspelheims, so detailreich und lebhaft, als wäre sie wirklich dort gewesen. Nach einer Weile hing sogar Evie an ihren Lippen wie ein Kind bei der Märchenstunde.
Clara beschrieb Hels ursprüngliche Weisheit und Gerechtigkeit. Ganz im Gegensatz zu ihrem trickreichen Vater war es Hel immer nur daran gelegen gewesen, den Verstorbenen eine rechte Behandlung zukommen zu lassen. Und dennoch hatten die Asen sie schon bei ihrer Geburt in die Unterwelt verbannt, wegen ihrer Abstammung.
Und wie sie nach dem Tod ihres Vaters und ihrer Geschwister und der Göttin Ran, ihrer einzigen Freundin und Gesellschaft langsam all ihre Güte und ihr Erbarmen verlor. Jacob verdrückte sich ein paar Tränen. Er hatte Mitleid mit ihr. Aber das wollte er Evie nicht zeigen, er vermutete, dass sie ihn dafür verachten würde.
Währenddessen rannte genau diese durch die Gassen Londons, auf der Suche nach den Beiden. Doch es gab keine Spuren. Die Kinder Yggdrasils waren gründlich.
Schließlich, in den frühen Morgenstunden, bestieg sie den Fenriswolf und ritt nachhause. Dort stattete sie ihren Raben einen Besuch ab. "Haltet für mich Ausschau nach den dummen kleinen Gören", hauchte sie ihnen zu und beobachtete lächelnd, wie sie immer kleiner wurden und schließlich nur noch Punkte am Himmel waren.
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