Kapitel 7: Wirklich süß
Ich seufze, wie ich ihn so beobachte und mit meinen Augen folge. Eine eigene Welt, mhm? ... Das Gefühl hatte ich damals immer, als ich mich noch in Kartons versteckt und Held gespielt habe. "Freut mich, wie du darin aussiehst."
Angel kommt wieder vor mich und grinst mich breit an, er sieht wirklich glücklich darüber aus. "Tu nicht so, als hättest du auch nur einen Cent dazu gegeben!"
Ich lache leise und lehne mich auf das Geländer. "Na und?", frage ich grinsend. "Ich wünsche dir trotzdem viel Freude mit den Schlittschuhen."
Angel lächelt unglaublich sanft. "Danke dir", sagt er leise, als er sich dann wieder weg dreht, um weiter ein Engel auf Eis zu sein. Vielleicht passt sein Name doch ganz gut zu ihm, denn er braucht keine Flügel um los fliegen zu können.
Der beinahe weißhaarige Junge benötigt bloß seine Schuhe und das Eis. Als würden diese drei Dinge zusammen geboren sein, so gleitet er über den glatten Untergrund.
Ich bleibe solange da, bis Angel um Acht die Früh vom Eis kommt und wieder sein Schuhwerk tauscht. Wieder hält er mir die Schlittschuhe hin. "Hältst du mal kurz, bitte?"
"Ich bin Yoshi", sage ich, weil ich denke, dass er seine Großmutter meint. "Ich weiß."
Etwas verdutzt nehme ich nach kurzen Zögern die Schuhe und halte sie in der Luft, während er sich die Straßenschuhe ankleidet und sie mir abnimmt, um mit einem Tuch ihre Schwertklingen trocken zu streichen, bevor er sie zurück in den genauso prachtvollen Koffer legt. "Danke dir", sagt er und erhebt sich.
Ömchen gibt Angel seinen Blindenstock und mit einem Lächeln verabschiedet Angel sich von mir.
Ja! Angel spricht ein wenig mit mir!
Das bedeutet, dass er ein Stück Vertrauen in mich gefasst hat und dass ich Fortschritte mache. Wirklich motivierend.
Am nächsten Tag läuft das selbe Spiel ab.
Angel übt und gibt mir seine heiligen Schuhe des Eises, doch heute berührt er mich kurz mit den Fingern an der Handspitze. Es kitzelt ein wenig und zaubert mir ein Lächeln in das Gesicht. "Meine Großmutter würde heute gerne wieder mit dir Kaffee trinken gehen."
"Und was ist mit dir?"
"Ich möchte keinen Kaffee mit dir trinken gehen."
Etwas enttäuscht seufze ich. Schade, er hat irgendwie den Eindruck gemacht, dass er mich nicht mehr so ablehnen würde.
"Ich bevorzuge es Kakao mit dir trinken zu gehen."
Sofort grinse ich wieder und bekomme dieses gute Gefühl von Erfolg. Endlich wird er freundlicher, offener und ist nicht mehr so zugeknöpft und verschlossen. "Danke", sage ich leise um ihn zu signalisieren, dass ich es gut finde. "Du bist wirklich süß."
"Meinst du?"
"Auf jeden Fall."
Er kichert wie ein verliebtes Mädchen. "Du bist so ein Lügner."
Es klingt irgendwie nicht ernst, dennoch so, als ob er mir nicht glauben würde. Auch das Ömchen lacht und während wir gemeinsam zu ihnen nach Hause schlendern, rücke ich Angel immer ein Stückchen mehr auf, doch er scheint es zu merken, denn er nimmt ebenso immer wieder Abstand. Wahrscheinlich hört er wie nah meine Schritte sind und dass diese immer näher kommen.
Um nicht unnötig aufdringlich zu wirken, lasse ich es also bei normalen Abstand. Da habe ich mich wohl doch etwas zu früh gefreut, doch mein Baum trägt bereits Früchte, die nur noch heranreifen müssen bis ich sie endlich ernten kann!
Wir meistern gemeinsam die Treppe vor dem Eingang und ich hänge meine Jacke an den dafür vorgesehenen Haken. Angel hingegen hängt seine über einen Stuhl und geht ohne jeglichen Befehl selbstständig in die Küche. Ich folge ihm und lehne mich an die Theke, während er drei Tassen und unter anderen Kakaopulver herausholt.
"Ich denke, dass ich heute auch eher Lust auf einen leckeren, warmen Kakao hätte, Angel."
Er sagt nichts, während er weitermacht und nicht reagiert, als hätte er es nicht gehört. Dabei wollte ich bloß auf sein heutiges Angebot eingehen.
"Würde mich freuen, wenn du mir dann auch einen machen könntest."
Wieder sagt er nichts, doch als ich sehe wie er in zwei der drei Tassen Kakaopulver gibt, schweige ich. Die Stille ist mir unangenehm, doch ich weiß nicht wie ich reagieren oder was ich sagen soll. Er nimmt zwei Tassen gleichzeitig in eine Hand und die mit dem Kaffee in die andere. Angel geht nicht bloß nur an mir vorbei, sondern dreht sich noch einmal zu mir. Seit er mich letztens begrapscht hat, sieht er mir beinahe in die Augen, als wüsste er genaustens wo diese liegen.
"Und bitte ... vergase nicht wieder die Luft, die Lungen von Großmutter sind nicht mehr so jung." Sein Ton ist ein wenig frech, doch irgendwo schüchtern, als ob er sich für diese Worte wirklich hätte zusammenreißen müssen.
Daraufhin stellt er einfach die Tassen an den Tisch und schiebt den Kaffee seiner Oma herüber. Ich frage mich, woher Angel weiß, wann eine Tasse voll ist. Generell frage ich mich langsam wie er damit so gut leben und umgehen kann! Ich dachte immer, dass Blinde ohne Hilfe überall an laufen, doch bei ihm würde es wohl kaum auffallen, dass er nicht sehen kann.
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