
~9~
Jisung P.O.V.
Mit voller Vorfreude schloss Lixi uns allen die Tür auf, ignorierte dabei völlig mein angepisstes Gesicht. Wir waren noch einige Zeit in der Stadt, hatten uns zum Abendessen in einen kleinen Burgerstore gesetzt, doch mussten aufgrund des plötzlich einsetzenden Gewitters nach Hause flüchten. Minho inklusive.
Dieser betrat nun auch, gefolgt von mir, unsere WG, wobei ich mir bereits ausmalte, auf welchem Weg ich Seungmin für seinen dummen Vorschlag am qualvollsten umbringen konnte. Direkt schmissen alle ihre Sachen ab, nur unser Gast stand noch etwas verloren im Wohnzimmer rum, und wusste nicht ganz, wohin mit sich selbst.
Naja, mir sollte es egal sein, stattdessen grinste ich nur fies in mich hinein, lief zur Anrichte, um mir dort ein Glas Wasser einzuschenken. Es war zwar schon fast Abend, aber Hunger verspürte ich keinen. Ob das an der Anwesenheit meines "Retters" lag, oder einfach daran, dass ich nicht das Bedürfnis hatte auszusehen wie ein aufgeplusterter Mops, wusste ich nicht.
Erst als Felix seinen Kopf mit einem bedeutenden Blick in Richtung Minho neigte, verstand ich, und drehte mich seufzend zu dem Schönling um. "Willst du auch was trinken?" murrte ich eher unfreundlich, doch als ich daraufhin das erfreute Nicken sah, musste ich mir ein Lächeln wirklich verkneifen. Eigentlich war er ja schon ziemlich süß. Es ging mir nur alles ein bisschen zu schnell.
Wieder der Küche zuwendend, merkte ich gar nicht, wie sich der Angesprochene näherte, erst als eine Hand hauchzart an meiner Taille lag, und Minho seinen Kopf auf meiner linken Schulter platzierte, wusste ich um die Anwesenheit seinerseits. "W-was willst du trinken?"
Direkt hätte ich mich schlagen können, dafür, dass ich stotterte, und dafür, dass mich so ein bisschen Körperkontakt bereits aus der Fassung bringen konnte. Raues Lachen war hinter mir zu hören, doch anscheinend achtete keiner auf uns, oder es war einfach niemand sonst anwesend, da keine anzüglichen Kommentare meiner Mitbewohner auf unsere falsch verständliche Position folgten.
"Mir egal. Hauptsache es kommt von dir..." Flirtete der gerade so offensichtlich mit mir? Na gut, konnte er haben. Darum schnappte ich mir nur mein Wasserglas, drehte mich ruckartig um, und drückte ihm dieses in die Hände. Doch er wich dabei keinen Zentimeter nach hinten, sodass seine Arme nun meinen Körper an beiden Seiten einschlossen.
"Na dann, wird es eben Wasser!" Leider kam das nicht ganz so selbstbewusst rüber, wie ich eigentlich geplant hatte, und so war meine Stimme beim letzten Wort nicht mehr als ein Hauchen. Ganz nah war mir Minho, er sah mir direkt in die Augen.
Doch als sich sein Gesicht Millimeterweise näherte, und meinen Herzschlag somit schnell ansteigen ließ, duckte ich mich unter seinen Armen, welche seinen Körper dicht an meinem verweilen ließen, hinweg, und ließ ihn mit seinem Wasser stehen.
Warum sollte ich auch wertvolle Getränke an ihn verschwenden?
Doch anders als erwartet, saßen meine Mitbewohner still auf dem Sofa, und blickten uns mit verschiedenen Ausdrücken an. Jeongin eher verwirrt, doch Seungmin und Felix hatten so ein wissendes Lächeln auf den Lippen, dass es mich nur die Augen verdrehen ließ. In solchen Momenten wünschte ich mir wirklich, Küche und Wohnzimmer wären getrennt.
"Was?!" fragte ich angepisst in die Runde und ließ mich neben Felix auf die Couch fallen. "Ich sagte doch, dass er dich mag. Stimmt doch Spinno, oder?" Felix' Stimme klang ziemlich zweideutig, ich konnte klar sehen wie er mit den schmalen Augenbrauen wackelte. Natürlich konnte ich es mir nicht verkneifen ihm einen Als-ob-Blick zu schenken, bis ich seinen zweiten Satz realisierte. Erst durch ebendiese Andeutung fiel meine Aufmerksamkeit auf den teilweise Fremden, welcher gerade, noch immer sein- ich korrigiere mein Wasserglas in der Hand haltend im Türrahmen zum stehen kam.
"Klar mag ich ihn. Warum sollte ich das nicht tun?" erwiederte der Schwarzhaarige, lehnte sich lässig gegen den Türrahmen, bevor er seine Beine überschlug und einen tiefen Schluck von dem Getränk nahm. Er wusste ganz genau, wie er mich provozieren konnte, und es machte mich dermaßen agressiv. Wenn er schon den Abend bei uns verbrachte, dann sollte er mich wenigstens nicht immer nerven. Es reichte wenn alle schon über ihn redeten. Minho hier, Minho da. Konnte er nicht einfach aus meinem Leben verschwinden?
"Siehst du Ji? Kein Grund zur Sorge, ich glaube ihr könnt wirklich gute Freunde werden. Wenn nicht sogar mehr-"
"Felix! Woher willst du wissen, ob er überhaupt an Jungs interessiert ist?!"
"Ich bin schwul."
Schlagartig drehten wir alle unsere Köpfe zu ihm um. Mein Mund blieb offen stehen, denn das hatte ich definitiv nicht erwartet. Ich wusste nicht, ob es am Licht lag, oder ob man durch die Luft die man hier atmete homosexuell wurde, doch wirkte Minho plötzlich nicht mehr ganz so straight wie bei unserer ersten Begegnung.
Die Art wie er da stand, das Getränk in seiner gepflegten Hand hielt während er den kleinen Finger abspreizte, ließen ihn ziemlich schwul aussehen. Meine Wangen wurden plötzlich ganz heiß, ich spürte wie meine Eingeweide begannen zu kochen, als ich daran dachte, dass er mich wirklich gern haben könnte. Dass er mich vielleicht wirklich geküsst hatte, weil er mich doch ein wenig mehr mochte als er vorgab zu tun. Doch verwarf ich diesen sinnlosen Gedanken direkt wieder, da es bestimmt nur eine Art unterbewusstes, irrelevantes Wunschdenken war.
What the hell, Jisung, Wunschdenken?! Du kannst ihn nicht Mal leiden!
Innerlich schlug ich mich selber ins Gesicht, um endlich zur Besinnung zu kommen. Die Stimme hatte Recht, ich mochte ihn nicht. Er war nur ein aufdringliches, großkotziges Ekelpaket.
Ein aufdringliches, großkotziges, süßes Ekelpaket.
Konzentration, Han Jisung!
Minho blieb jedoch nur ganz ruhig, erwiederte still unsere überraschten Blicke welche sich durch seinen Körper zu bohren schienen. "Das... Wow- okay... Ich, ähm- Das kommt ziemlich plötzlich..." stotterte Seungmin leise, doch sah ich ihm an, dass es ihn anscheinend nicht sonderlich störte. Er schien nur besonders geschockt, weshalb er kein Wort raus brachte.
"Ich hab's dir doch gesagt! Jisung, ich habe dir gesagt dass er eine Schwuchtel ist!" schrie Felix laut und rüttelte, wie er es immer tat, an meinem Arm. Mein gesamter Körper wurde durch geschüttelt und ich fiel halb von der Couch hinunter. "Das darf man doch nicht sagen, oder? Eigentlich darf man sowas nicht sagen. Sag sowas nicht, Felix!" rief unser Maknae in mindestens genauso einer großen Lautstärke.
Doch der Angesprochene winkte nur mit einer Hand ab. "Mate, ich darf das sagen, weil ich doch auch schwul bin!" Als wäre dies die Erklärung des Jahrtausends sagte der blonde nichts mehr, sondern sah nur mit sich selbst zufrieden in die Runde. Die peinliche Stille wurde durch ein lautes Donnergrollen durchbrochen, und der Regen klatschte nun noch stärker gegen die Scheiben.
Kurz warf unser Gast einen hysterischen Blick in Richtung Fenster, bevor er auch schon seinen Weg zurück zur Kücheninsel machte, um dort sein (mein!) Glas abzustellen, und zurück in den Flur zu hasten. Mit der Jacke in der Hand kam er zurück in das geräumige Zimmer, um schnell zu reden. "Ähm, Leute ich werde Mal los! Danke für heute, aber ich muss noch Heim laufen..."
Zufrieden grinsend winkte ich in seine Richtung, freute mich, dass der Fremde, der meine Gefühle durcheinander brachte, nun endlich aus der Wohnung verschwinden würde. Doch es gab noch Felix.
"Aber Minho! Es regnet! Schlaf doch lieber hier! Das macht uns nichts aus!" Das konnte er doch jetzt nicht Ernst meinen! "Stop, Stop, Stop! Ihr habt vielleicht nichts dagegen, aber ich schon! Leute ihr kennt ihn nicht, wie könnt ihr Minho nur so blind vertrauen?"
Aufgebracht stand ich von meinem Platz auf, und wurde nur aus großen braunen Augen vor mir gemustert, bevor sich diese zu schmunzelnden Halbmonden verengten. Mit einer flinken Bewegung fasste sich der Schwarzhaarige gespielt verletzt ans Herz, und ließ mich nur die Augen verdrehen. "Autsch Honey, das hat weh getan!" Alle Anwesenden mussten über diesen kleinen Showact lachen, mit Ausnahme von mir.
Warum nahm mich niemand Ernst?
Doch weil ich wusste, dass ich keinen Einspruch einlegen konnte, da die Wohnung nicht mir allein gehörte, setzte ich mich murrend auf die Couch, und schränkte beleidigt die Arme vor der Brust zusammen. "Na meinetwegen." Wieso wurde ich in letzter Zeit so schnell schwach? Lag es vielleicht einfach an der Person, um die es sich handelte? Niemals, denn obwohl Minho schwul war, änderte das nichts daran, dass ich ihn nicht mochte. Und er ließ mein Herz auch nicht höher schlagen. Auf gar keinen Fall.
Unmännlich kreischte Felix auf, sprang vom Sofa, um den überforderten Gast einmal kurz in die Arme zu schließen und aus dem Raum zu springen. Ein kleines Lachen konnte ich nicht unterdrücken, als ich in das verdutzte Gesicht des Stehenden sah, und als dieser das Kichern mit ganzem Herzen erwiderte, wurde mir plötzlich ultra warm, denn sein Lächeln war einfach umwerfend.
Aber als ich weiter dachte, erlosch mein Grinsen wieder, und ich stand mürrisch gelaunt auf, um aus dem Wohnraum zu entfliehen. "Minho? Du kannst auf der Couch schlafen." murmelte ich noch in seine Richtung, ohne weiter Beachtung zu schenken. Doch natürlich, wie hätte es anders sein können, wurde nichts in dieser WG berücksichtigt. Denn Jeongin meldete sich mit piepsiger Stimme aus der Sofaecke.
"Aber Minnie und ich wollten jetzt hier 'Die Kuschelfarm' schauen! Die kommt nur heute!" Nickend pflichtete der Andere ihm bei, doch bei diesem wusste ich, dass das Lächeln in seinem Gesicht nicht so unschuldig war, wie er gerade vorgab. Der hatte doch einen Plan! Erneut erschien der Kopf meines besten Freundes aus seiner Zimmertür, er grinste mich nur spöttisch an. "Bei mir geht leider auch nicht, Ji! Ich hab nur ein Beheeeett!"
Er trällerte seinen letzten Satz, bevor er mit einem lauten Tür Krachen zurück in den Raum verschwand. Doch ich konnte mir nicht verkneifen ihm etwas hinterher zu brüllen. Mir egal, ob Minho mich dann für einen Psycho halten würde, vielleicht könnte ich ihn damit ja sogar verschrecken. "Lee Felix, ich habe auch nur ein Bett!" Keine Antwort.
"Es macht mir ehrlich gesagt nichts aus, jetzt noch nach Hause zu gehen, Jisung. Es ist nur ein Bisschen Regen, nichts besonderes." Minho tauchte leise hinter mir auf, die Jacke fest unter seinen Arm geklemmt. Eigentlich war das eine gute Idee. Ich wollte Minho am liebsten jetzt sagen dass es mir ehrlich gesagt auch nichts ausmachte, wenn er sich jetzt verpissen würde, doch war das erstens ziemlich unhöflich, und ich wusste dass Felix mich wortwörtlich Köpfen würde wenn ich den Schwarzhaarigen jetzt noch raus warf.
Ein kleiner, innerer Kampf mit mir selbst entstand, gebildet zwischen dem Verlangen diesen Idioten einfach vor die Tür zu setzten, und somit Felix Zorn auf mich zu ziehen, und dem schlechten Gewissen ihn bei so einem Unwetter in der Kälte stehen zu lassen. Ich wollte nicht, dass er sich wegen meiner schlechten Einstellung eine Grippe einfing, und somit Tage im Bett liegen bleiben musste. Doch noch weniger wollte ich noch heute Nacht meine Jungfräulichkeit an diesen fremden Typen verlieren, weil er zu notgeil war um die Hände an Ort und Stelle zu behalten.
Schließlich, da ich unschlüssig herum stand, immernoch nichts gesagt hatte, drehte sich Minho einfach in der Tür um. Ich stockte, sobald ich sah wie er sich die Jacke überwarf und mit großen Schritten auf die Wohnungstür zulief. Es gehörte definitiv nicht zu meinem Plan, dass er uns jetzt einfach verließ, weshalb ich ihm zügig hinterher eilte.
"Hey! Minho du musst..." Mein Atem stockte, sobald er sich einmal schnell zu mir umdrehte. Da er vorher mit dem Rücken zu mir gekehrt war, bemerkte ich nicht wie nah wir uns eigentlich gewesen sind, weshalb er nun nur wenige Zentimeter von mir entfernt auf der Stelle stand und mich mit gehobenen Brauen anschaute.
Direkt wandte ich meinen Blick schüchtern zu Boden, da ich dem seinen einfach nicht lange standhalten konnte. Minho tat einfach nichts. Er stand nur an diesem Fleck und musterte mich so durchdringend, dass es mir schon fast wieder unangenehm war. Langsam, aber sicher, breitete sich eine Gänsehaut auf meinen nackten Armen aus. "Ich muss...?" fragte der Ältere verwirrt nach, deutete mir somit an weiter zu reden.
Ich atmete tief durch. "D-du musst nicht gehen... Ich finde es nicht schlimm, also wenn... Also wenn d-du hier bleibst..." Ich konnte es nicht sehen, spürte aber umso deutlicher, wie er sanft den Kopf schüttelte und dann wirklich einen kleinen Schritt von mir weg trat. Er wirkte irgendwie traurig. Ich wollte ihm diese negative Ausstrahlung nehmen, sowie er mir auch meinen klaren Verstand genommen hatte. Es passte einfach nicht zu ihm, diese trostlose Aura.
"Ich will dich zu nichts zwingen, Jisungie. Wenn dir nicht wohl dabei ist mit mir in einem Haus zu schlafen, dann gehe ich. Wenn es dich glücklich macht..." beendete er seine Rede damit, dass er mir ein ehrliches Lächeln schenkte, welches mich erneut leicht erröten ließ.
Oh lieber Bauch, verzeih mir bitte die Schmetterlinge. Das ist nicht meine Schuld. Er ist es, ich schwöre!
"Minho, wir haben doch schonmal zusammen in einem Zimmer geschlafen. Im C-café meine ich. Es ist nicht so dass ich unglücklich bin, wenn du da bist. N-nur... B-bitte bleib hier. Ich will nicht, d-dass du meinetwegen durch den Regen nach Hause laufen musst..." Zum Ende hin wurde ich wieder leiser, drehte mich von ihm weg, damit er nicht mit ansehen konnte, wie mein Gesicht so tief-rot wie eine überreife Tomate wurde.
"Wo soll ich dann deiner Meinung nach schlafen? Glaub mir, es ist nicht schlimm, wenn ich ein Bisschen nass bin hinterher. Es ist nur Wasser!" Ich konnte den Größeren leicht Lachen hören. Mit neuem Mut drehte ich mich dann doch zu ihm um, damit ich ihm zum ersten Mal während unseres gesamten 'Gesprächs' in die Augen schauen konnte.
"I-ich bestehe darauf!" sagte ich leicht überrascht von mir selbst, da ich nicht wusste woher ich den plötzlichen Entschluss fasste. Vielleicht war es das verletzte Lächeln welches er mir vorhin geschenkt hatte, oder die krasse Müdigkeit heute, doch griff ich urplötzlich nach seiner Hand, um ihn hinter mir her zu meinem Zimmer zu zerren. Ich konnte spüren wie meine Finger leicht begannen zu zittern, sobald ich seinen Arm ergriff, doch tat ich so als wüsste ich nicht wie er es bemerkte und mich dadurch eingehend musterte. Mit Schwung riss ich die Tür auf, und schubste Minho halb in den Raum, was auch anscheinend der Grund war weshalb er kurz lachte.
"Nicht so stürmisch, Kleiner." grinste er schief. Wieso verdammt wurde ich in seiner Gegenwart auch immer rot? "D-du kannst auf meinem Sofa schlafen... Ist nicht so ungemütlich wie es aussieht..." stotterte ich, wartete darauf, dass Minho zu der zugegebenermaßen doch ungemütlichen Couch lief. Aber er tat es nicht, sondern starrte mir nur weiter ins Gesicht. Ich verharrte einige Augenblicke in dieser Position, um zu sehen, was er als nächstes tun wollen würde, doch bewegte Minho sich keinen Millimeter.
"W-warum schaust du mich so an?"
"Willst du meine Hand vielleicht erstmal loslassen?" stellte der Ältere daraufhin nur als Gegenfrage.
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