~36~
Minho P.O.V.
"Wirklich jetzt? Grau?!" fragte ich Jisung aufgebracht. Ungläubig, sogar fast verängstigt starrte ich den Typ mir gegenüber an. Silberne Haarwellen ringelten sich um den Kopf, die helle Haarfarbe reflektierte das Licht der unzähligen, neonleuchtenden Lampen an der weißen Decke des Friseursalons. War das wirklich ich?
Geschockt drehte ich meinen Kopf zu beiden Seiten, meinen Blick nicht vom Spiegel abwendend. Ich vernahm ein helles Lachen von irgendwo rechts neben mir. Natürlich stammte es von Jisung, aber ich konnte nicht neben mich schauen. Zu sehr war ich auf das Bild vor mir fokussiert, welches anscheinend mich darstellen sollte. Es blinzelte wenn ich es tat, es hob die Hand, wenn ich die meine anhob.
Leicht sauer drehte ich mich auf dem Friseurstuhl in die Richtung meines Opfers, das nur so vor sich hin kicherte. Jisung lachte so herzlich und liebenswürdig, dass ich nicht drum herum kam auch zu grinsen. Der Junge hatte meine Haare wirklich grau färben lassen. Wir beide beschlossen vorhin, dass wir uns gegenseitig die Haarfarben aussuchen durften.
Natürlich war ich nur hier her gekommen, um ihm endlich die Farbe meiner Wahl verpassen zu können. Er stimmte zu, aber nur, wenn ich auch etwas machen ließ. Und so war ich hier gelandet. Mit Haaren wie ein Opa und einem Jungen, welcher sich verhielt wie ein Kleinkind einige Meter neben mir. "Das war nur ein Spaß, Hyung. Aber..." Jisung lächelte noch immer sein breitestes Lächeln, jedoch bekam er wieder gut Luft. In seiner ernsten Stimme klang ein Hauch von Belustigung mit.
"Ich muss sagen, das könnte echt gut aussehen. Es muss ja erst noch trocken werden, aber die Farbe steht dir auch so." Ich wandte meinen Blick von ihm ab, und sah wieder in den großen Spiegel. Der junge Friseur hinter mir warf kurzerhand das Handtuch welches ich bis vor wenigen Sekunden noch auf dem Kopf trug über seine Schulter. "Also eins muss ich dir lassen, du schaust aus wie eine Queen! Oha, deine Haare sind sooo fabulous..." ertönte die quietschige Stimme mit seinem typischen Akzent.
Der -offensichtlich extrem aufgeregte- Friseur begann wie wild an meinen noch feuchten Haaren herum zu zupfen, was ich stumm über mich ergehen ließ. Ich wollte nur noch bezahlen und von hier verschwinden. Wieso konnte ich nicht die hübsche Friseurin abbekommen? Sie schien sehr sympathisch zu sein, aber leider war es Jisung, dem sie die Haare färbte. Schon die ganze Zeit eilte sie umher, versuchte alles daran zu setzen den kleinen Jungen glücklich zu machen.
Auch hatte sie ein wirklich niedliches Lächeln, was ihre Grübchen offenbarte. Seufzend blickte ich weiterhin in den Spiegel, und ließ meine Haare von den langen Fingern des Angestellten richten. "Lasst uns jetzt die Haare von unserem kleinen Freund hier bewundern, People. Ich bin mir todsicher, dass er absolut beautiful aussehen wird, Oh my gosh, ich bin so excited! Soojinnie-Darling, mach das Handtuch ab!"
Auch ich drehte nun meinen Stuhl in Richtung Jisung, neugierig wie meine ausgewählte Haarfarbe ihm wohl stehen würde. Die sogenannte Soojin nahm vorsichtig das weiße Tuch von dem Kopf des Jungen, und ich musste schon sagen. Es war wirklich nicht verkehrt. Schwarze, feuchte Strähnen hingen ihm in die Stirn, und offenbarten eine dunkle Haarpracht.
Einige leicht schmutzig aussehende Wassertropfen rannen noch seinen Nacken hinunter, aber die Assistentin wischte es schnell mit zwei Fingern weg. Ehe ich etwas sagen konnte, begann auch schon der Mann hinter mir zu fanboyen. "Oh my gosh, ich wusste es! Schätzchen, du bist reiner Zucker! Ich habe es ja gesagt, mit schwarz kann man nie etwas falsch machen. Du bist so adorable, findest du nicht auch?" fragte er an Soojin gewandt. Sie nickte lächelnd, und fuhr dann mit ihren kleinen Händen durch den frisch gefärbten Pony des Jungen.
"Sieht echt cool aus. Ich meine es ernst, Ji. Das steht dir extrem gut! Du siehst damit viel reifer aus, als mit den blonden Haaren. Einfach genial." lobte sie. Ich schluckte kurz, das Lächeln verschwand langsam. Sie durfte ihn schon 'Ji' nennen. Klar wusste ich, dass sich die beiden während des Färbens viel unterhalten hatten. Wie denn auch nicht, wenn Jisung immer extrem laut lachte? Aber dass die beiden schon so eng waren, machte mich um ehrlich zu sein etwas... Ich wusste nicht... Wütend?
Seit so langer Zeit wollte ich nun sein Vertrauen gewinnen, und sie durfte ihn nach weniger als zwei Stunden bei seinem Spitznamen nennen? Etwas gekränkt knirschte ich mit den Zähnen, ließ mir aber nicht anmerken, wie eifersüchtig ich war. "Seht ihr, meine Lieben? Selbst Soojin sagt das. Ich meine, ihr wart ja vorher schon zwei unfassbar hübsche Persönchen, aber das hat doch Mal Style!" Ich murmelte nur zustimmend, und drehte mich schnell weg, nachdem ich sah, wie Soojin vorsichtig begann Jisungs Haare zu trocknen.
"Wenn ich nicht wüsste, dass ihr beiden schon zusammen wärt, würde ich euch gleich vernaschen!" erklärte mir der Mann grinsend, und fing nun auch an meine Haare leicht mit einem Kamm zu bearbeiten. Da die beiden dort drüben einen Föhn gebrauchten, konnten sie nicht verstehen was der Frisör von sich gab. Zum Glück. "Wir sind nicht zusammen!" brachte ich raus, leider etwas lauter als gewollt. Jisung blickte verwirrt in unsere Richtung, aber ich winkte nur ab.
"Ach echt nicht? Darling, ihr wirkt aber so! Jeder Blinde sieht doch, wie ihr euch anschaut." Verwirrt sah ich in Jisungs Richtung, wo ich erkannte, dass er seine Aufmerksamkeit wieder dem Schwarzhaarigen Mädchen hinter sich gewidmet hatte. Wirkten wir wirklich so vertraut? Als hätte der Mann meine Gedanken gelesen, antwortete er überzeugt: "Ihr seht aus wie ein eingespieltes Team, Princess. Wärt ihr nicht so jung, könnte ich denken, ihr seid schon lange verheiratet. Aber ihr seid doch sowieso schwul, oder?" durchlöcherte er mich weiterhin neugierig.
"Nein, eher nicht..." meinte ich schulterzuckend. Die Antwort kam ohne, dass ich großartig darüber nachgedacht hatte. Aber bevor ich meine Gedanken weiter ausbauen konnte, ertönte wieder der Friseur.
"Also wenn der Kleine da drüben nicht schwul ist, dann glaube ich hat er gute Chancen bei meiner Assistentin. Ich kenne Soojin gut genug um zu wissen, dass sie ein Auge auf ihn geworfen hat. Alleine wie sie mit ihm flirtet, ulala, das kann noch interessant werden." Ich vernahm ein belustigtes Kichern seinerseits, woraufhin ich nur beide Augenbrauen anhob. "Ach wirklich? Sie..." Ich schluckte trocken. "Sie... flirtet mit ihm?" Wenn ich kurz zu der Schwarzhaarigen hinüber sah, konnte ich nichts auffälliges entdecken.
Zwar lächelte sie sehr viel und lachte ziemlich laut, aber das tat jedes Mädchen, das ich kannte. Oder jedes Mädchen, das ich kannte, flirtete unauffällig mit mir. Wahrscheinlich achtete ich da einfach nicht mehr so drauf. Immer wenn jemand Interesse an mir gezeigt hatte, musste ich leider sagen, dass ich bereits vergeben war. Zumindest vorläufig. Immer hatte ich ein Opfer welches ich in meinen Bann ziehen musste, und wenn ich mich nebenbei mit anderen Mädels traf, die ich wirklich interessant fand, könnte das ziemlich kompliziert werden.
"Aber ja! Siehst du das denn wirklich nicht? Tztztz... Die Jugend von heute hat wirklich keinen Blick mehr für so etwas. Ebenso wie du nicht seine ständigen Blicke bemerkst. Der kleine Prinz da drüben ist sowas von in dich verschossen, wenn du mich fragst. Oder, er hat einfach nur Langeweile. Aber das kann ich mir tatsächlich gar nicht vorstellen, mit Soojin wird einem nie langweilig. Darling!" rief plötzlich der junge Mann hinter mir.
Sofort drehte das schöne Mädchen den Föhn aus, und blickte in unsere Richtung. Ebenso wie Jisung. Seine Haare waren fast vollständig getrocknet, und schimmerten schwach in dem Licht. Es stand ihm wirklich ausgesprochen gut, ich wünschte mir, ich hätte ihn eher gezwungen die Haare zu färben.
"Princess, könntest du unserem Gast hier kurz noch deine Nummer geben? Ich schätze er würde dich gerne noch einmal treffen!" rief er Soojin einmal zu, weshalb sie sich freundlich lächelnd in einen der Pausenräume zurückzog. Vermutlich wollte dieser Friseur nur meine Eifersucht testen. Aber ich würde nicht darauf hereinfallen. Jisung durfte mit jedem Kontakt haben. Auch mit diesem Mädchen. Und ihre Nummer haben. Sie durften sich jeden Tag schreiben. Ich würde nichts sagen oder verbieten können.
Ach scheiß drauf.
Der Schwarzhaarige wurde nur sichtlich rot als man ihn erwähnte, und schien um ehrlich zu sein gar nicht so wirklich Lust darauf zu haben, was ich voll verstehen konnte. Ein paar Minuten, in welchen meine Haare noch fertig getrocknet wurden, blieb Soojin verschwunden. Vermutlich holte sie ihr Handy, um Jisungs Nummer einzuspeichern oder anders herum. Doch da hatte sie nicht mir mir gerechnet. Schnell stand ich von meinem ledernen Drehstuhl auf, und lief die paar Meter zu Jisung hinüber.
Es war mir egal, ob meine Haare noch irgendwie feucht waren. Ich wollte nur verhindern, dass er Kontakt mit diesem Mädchen aufbauen konnte. An sich war er ja schwul, aber man konnte nie wissen. Diese Soojin könnte meine ganze Mission gefährden. "Entschuldigung? Wir würden gerne zahlen." rief ich dem Friseur zu. Hektisch warf ich meine Jeansjacke über, und griff nach der Hand meines kleinen Engels. "Hyung? Was soll das? Warum gehen wir schon?" fragte der neuerdings Schwarzhaarige verwundert.
Aber ohne irgendwie zu zögern nahm auch er sein Handy von dem Tisch vor sich, wickelte die Kopfhörer darum fest und folgte mir in Richtung Kasse. Naja, eher zog ich ihn dorthin, unsere Finger noch immer fest verschränkt. Der nette Kassierer nannte uns den, zugegebenermaßen hohen Preis, welchen ich jedoch ohne mit der Wimper zu zucken durch meine Karte bezahlte. Ich war es mittlerweile gewohnt viel zu zahlen, und im Gegensatz zu meinen früheren Opfern erwartete Jisung nicht wirklich, dass ich für ihn Geld ausgab.
Zuerst wollte mein Kleiner nämlich selber das Portemonnaie zücken, was ich aber noch rechtzeitig verhindern konnte. "Lass mich das machen..." murmelte ich. Bevor er irgendwie protestieren konnte, hatte ich jedoch schon den Pin eingegeben und dem Kassierer den Betrag ausgezahlt. "Schönen Tag euch beiden!" lächelte der Junge hinter der Kasse, was ich nur erwidern konnte. Endlich raus hier. "Jisungie? Du gehst schon? Wolltest du nicht noch meine Nummer haben?" ertönte plötzlich die Stimme der jungen Friseurin hinter uns.
Wir waren schon beinahe beim Ausgang, als wir uns beide noch einmal kurz umdrehten um ihr in das schöne, von Hoffnung erfüllte Gesicht zu sehen. Verdammt, ich hatte gehofft aus dem Laden raus zu sein, bevor sie wieder kam. Aber dann müssten wir da jetzt durch. Jisung wurde etwas rot, und begann vor sich hin zu stottern. Ich spürte, wie seine Hände leicht begannen zu schwitzen, weshalb ich beschloss, ihn aus dieser Situation rauszuhelfen. "Ja, wir gehen, und nein, wollte er nicht. Jisung hat kein Interesse an dir, und das wird er auch nicht haben. Er ist schon längst vergeben, Soojin. Und außerdem ist Jisung schwul." erklärte ich kalt.
Mein Blick schien Bände zu sprechen, denn sie ging eingeschüchtert einen Schritt zurück. Ohne sie noch eines Blickes zu würdigen, drehte ich mich mit Jisung an der Hand um, und stürmte aus dem Salon. Den Ruf des Friseurs 'Ich wusste es doch, Darling!' ignorierte ich dabei gekonnt. Innerhalb kürzester Zeit hatte ich meinen kleinen und auch mich selbst ins Auto gebracht und war gestartet. Niemand würde meinem Opfer zu nahe kommen, solange... Nunja... Solange er halt mein Opfer war.
"Hyung?" "Ja, Honey?" "Du fährst viel zu schnell..." sagte er leicht angespannt. Leise entschuldigte ich mich bei ihm, drosselte das Tempo ein wenig und begann mich mehr auf die Straße zu konzentrieren. "Minho?" hörte ich ihn nach einiger Zeit fragen. "Ja, Blondie?" erwiederte ich sanft lächelnd. Meine Augen waren noch immer auf die Straße gerichtet. "Ich bin nicht mehr blond, falls du es nicht bemerkt hast."
Ein kleines Grinsen schlich sich auf meine Lippen, ich fuhr wieder auf die Hauptstraße. "Ich weiß. Es ist nur so ungewohnt." versuchte ich leicht zu erklären. "Achso... Sieht... Sieht es sehr schlimm aus?" fragte der Kleine nun zweifelnd. Ich sah aus dem Augenwinkel, wie er enttäuscht an einer seiner schwarzen Strähnen zupfte, die ihm ins Gesicht hing. "Natürlich nicht! Es sieht wirklich gut aus." "Meinst du das ernst?" "Ja, ich meine es so wie ich es sage." Ich schenkte ihm einen schnellen, liebevollen Seitenblick, durch welchen er leicht lächelte.
Es entstand eine ungewöhnliche, leicht unangenehme Stille. "Was wolltest du denn wissen?" griff ich den Anfang unseres Gesprächs wieder auf. Jisung überlegte kurz, seine Ohren nahmen dabei vor Scham eine feuerrote Farbe an. "Das ist so komisch zu fragen, aber... Was arbeitest du, Minho? Alles, dein Auto, deine Kleidung. Das ist so teuer, und doch hast du mehr als genug Geld das zu bezahlen." Ich biss mir auf die Lippe. Jetzt hatte er mich erwischt.
"Weißt du, Honey... Ich arbeite in... Wie soll man das jetzt erklären? Es ist ziemlich kompliziert. In einem Unternehmen, und bin Leiter einer relativ gut angezapften Abteilung. Ich bin sozusagen der Chef von mehreren hundert." Leicht lächelte ich, und versuchte somit zu verstecken wir unangenehm es mir was zu lügen. In letzter Zeit Log ich immer öfter. "Achso... Heißt das... Du bist reich?" Ich verkniff mir ein Augenrollen, doch nickte dann leicht. Innerlich machte ich mich schon dafür bereit, nach etwas gefragt zu werden.
'Bekomme ich einen Welpen?' oder 'Bekomme ich eine Handtasche?' waren da die Standard-Fragen. Was er jedoch sagte, ließ mich positiv überrascht die Augen weiten. "Du sollst trotzdem nicht für mich bezahlen. Behalt dein Geld, ich komme gut ohne es zu Recht." Mein Herz begann schneller zu schlagen. Er war wirklich anders, als alle, die mir je begegnet waren. "Und genau für diese Aussage, lade ich dich jetzt zum Essen ein, Honey."
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