~3~
Jisung P.O.V.
~drei Tage später~
Schnell öffnete ich den dunkelblauen Schirm, sobald ich aus dem gemütlichen Geschäft hinaustrat, in welchem ich Geld verdiente. Während ich vorhin so damit beschäftigt war, die Bestellungen für den nächsten Tag noch einmal zu überprüfen, hatte ich gar nicht gemerkt wie sich dunkle, unfreundlich wirkende Wolken über den sonst so schönen Himmel geschoben hatten. Darum fielen auch bereits die ersten nassen Tropfen, als ich das Café hinter mir abschloss.
Ich ging eigentlich noch in die Schule, Oberstufe um genau zu sein, doch arbeitete ich seit einigen Monaten auch Nachmittags in diesem Laden, damit ich meinen Eltern ein wenig unter die Arme greifen konnte was das Geld anging. Wir waren definitiv nicht arm oder sonstiges, doch reichte das Geld gerade so aus, weshalb ich mir zum Beispiel auch seit geraumer Zeit keine neuen Schuhe kaufen konnte. Sehr zu meinem Nachteil, würde ich Mal behaupten.
Im Moment hatte ich zwar einen ziemlich hilfreichen Schirm, und es regnete nicht sonderlich stark, doch taten sich schon einige tiefe Pfützen auf den Straßen auf. So gut es ging versuchte ich diesen auszuweichen, aber ich übersah ausversehen eine. Mit einem lauten Platschen trat ich also mitten hinein und spürte wie sich mein Schuh Stück für Stück mit dem schmutzigen Wasser vollsaugte. Fluchend hob ich mein rechtes Bein an, damit nicht auch noch mein gesamter Fuß feucht wurde.
Ich hatte heute jedoch kein ordentliches Frühstück, geschweige denn Mittagessen zu mir genommen, weshalb es mir ein wenig an Gleichgewicht mangelte. Warum ich über den tag verteilt nur selten aß? Sonst würde ich täglich zu spät zur Schule kommen. Nicht dass ich das nicht auch so schon tat... Ich hopste einige Schritte nach hinten, damit ich wieder ausbalancieren konnte, was ich soeben an festen Stand aufgeben musste. Aus den kleinen Hüpfern wurde aber ganz schnell ein Stolpern.
Ich ruderte wie wild mit den Armen, um irgendwie wieder normal stehen zu können, nur kam mir dabei die blöde Schwerkraft in den Weg. Mit einem noch lauteren Platschen als vorhin landete ich rücklings in einer tiefen, nahegelegenen Pfütze und spürte wie sich das Dreckwasser in meinen Hosenstoff sowie meine Pulloverärmel zog.
Seufzend starrte ich zu den Menschen um mich herum auf, welche nur schnell an mir vorüber liefen und sich nicht um mich zu kümmern schienen. Nur ein unreifer Haufen kleiner Mädchen blieb stehen. Ich schätzte, sie waren nur wenige Jahre jünger als ich. Im ersten Augenblick dachte ich, sie wollten mir vielleicht aufhelfen, doch konnte ich hören, wie sie mich nur hinter vorgehaltenen Händen auslachten.
"Was?!" rief ich gereizt zu den Großstadtmädchen hinüber. "Noch nie einen schmutzigen Jungen gesehen?" Direkt verstummten sie, rollten noch einmal frech mit den Augen, bis sie schnellen Schrittes abzogen. Ich konnte solche Leute nicht leiden. Sie genossen das Leiden anderer, weil sie es selber nicht kannten. Ich wusste direkt, dass es ziemliche Zicken waren, denen ich da über den Weg gelaufen bin. Allein, wie sie ihre Regenschirme agressiv in den Himmel streckten, damit nicht einer der kleinsten Wassertropfen ihre Lederhandtaschen traf.
Ich verdrehte kurz die Augen, da es mich wirklich ankotzte jeden Tag Tausende von solchen Weibern sehen zu müssen. Ich konnte sowieso nicht nachvollziehen, wie man als Junge solchen Menschen gegenüber romantische Gefühle aufbauen konnte. Vielleicht lag es auch nur an den Vorurteilen, doch wahrscheinlich war es einfach Fakt, dass ich Mädchen nicht leiden konnte, weil ich stockschwul war.
Es war, als wäre ich es schon immer gewesen. Ich spielte im Kindergarten mit meinen Kumpels Star Wars. Ich tat mit denen die Verrücktesten Sachen, nur, dass es immer einen Unterschied zu den anderen gab. Ich wollte immer den Prinzen bekommen. Ich wollte immer die Prinzessin sein und vor dem Drachen aus dem Turm gerettet werden. Ich war es immer, der sich bei den Faschingsfesten nie mit einem Mädchen verheiraten ließ, sondern mit meinem besten Freund.
Sein Name war Felix, und wie ich erwähnte, war er ungefähr der beste idiotischste Freund den man haben konnte. Noch immer hatten wir Kontakt. Manchmal mehr als mir jemals lieb gewesen ist, doch jetzt war es zu spät. Ich hatte es fertiggebracht mit diesem australischen Fortnite-Suchti in eine WG zu ziehen. Man sollte mich nicht fragen, wie ich das wohl geschafft hatte, denn eine Ahnung war so grob geschätzt, gar nicht vorhanden.
Von einem Tag auf den anderen lebte ich einfach mit dem Blonden und zwei weiteren Jungen in einem großen Haus. Meine Eltern gaben mir noch immer Geld, und ich besuchte die beiden so oft es ging. Doch leider war es mir nicht immer möglich, da sie noch in der Stadt lebten, die ich vorher bewohnt hatte.
"Scheiße man..." fluchte ich darüber, dass ich nun eine halbe Stunde nach Hause laufen konnte, während meine Hose patschnass am Hintern klebte. Ich wollte schon grummelnd aufstehen, indem ich mich mit den Armen hochstützte, als meine Hand plötzlich weg knickte. Zischend ließ ich mich die paar Zentimeter zurück in das Dreckwasser fallen, und umklammerte mein Handgelenk. Es schmerzte ziemlich, wahrscheinlich von dem ungesunden Sturz.
Warum musste das auch immer mir passieren? Irgendwie war ich anscheinend ziemlich überarbeitet heute. Sieben Stunden im Café rumzurennen, und das ohne Pause, war echt kein Zuckerschlecken. Ich hätte einfach wirklich nicht die Schicht von meinem Mitarbeiter übernehmen sollen. Aber weil ich nett war, und ihm seinen Ausfall gönnte, stimmte ich direkt zu, als ich gefragt wurde.
Zischend hielt ich weiter meine linke Hand fest, als ich über meine eigene Dummheit nachdachte. Vielleicht sollte ich auch einfach einmal zum Arzt gehen, damit ich mich untersuchen ließ? Dann könnte er mich ja diagnostizieren, dass ich Fauleritis oder sowas habe. Das würde wenigstens erklären, wieso ich jeden Tag so unproduktiv war.
Erneut versuchte ich unter Schmerzen aufzustehen, und es gelang mir auch fast, bis es irgendein fetter Typ wohl für lustig hielt mich anzurempeln während ich mich mühsam auf die Beine kämpfte. Dass mir noch immer schwindelig war, vereinfachte das nicht wirklich. Orientierungslos taumelte ich kurz zur Seite, und spürte kurz darauf, wie meine Beine begannen zu zittern. "Scheiße..." sagte ich erneut, als ich spürte wie meine Knie plötzlich umknickten und ein nicht ganz so schönes Geräusch von sich gaben.
Schon öfters bekam ich diese 'Schwächeanfälle' und es nervte mich ziemlich. Ich konnte dagegen gar nichts tun, es geschah einfach. Ich fiel, es fühlte sich an wie in Zeitlupentempo, doch sah ich trotzdem den Boden auf mich zurasen. Mit zusammengekniffenen Augen machte ich mich dazu bereit gleich mit meinem Kopf auf dem steinigen Fußgängerwege aufzuschlagen, aber passieren tat nichts.
Die Arme hatte ich vor Schreck an meine Brust gezogen, und dort zu festen Fäusten gepresst, damit ich dem Schmerz welchen ich erwartet hatte, standhalten konnte. Ganz langsam öffnete ich meine Augen. Zuerst das eine, und dann, nachdem ich das liebliche Gesicht eines Jungen ausmachen konnte, das andere.
Der Typ hatte sich förmlich auf den Boden geworfen, um mich noch rechtzeitig auffangen zu können. Verwundert sah ich in sein blasses, von seidig weichen, schwarzen Haaren umrahmtes Gesicht. Die Augen hatten fast die gleiche Farbe wie seine Haare und ich konnte zu meiner Verwunderung keinen einzigen Makel auf seiner Haut ausmachen.
So schön...
Nach einigen Sekunden des stummen Ansehens bemerkte ich dann plötzlich, dass ich aus irgendeinem Grund halb auf seinem Schoß lag. Direkt rollte ich mich hinunter, und stand schnell auf. Viel zu schnell, denn ich bemerkte, dass anscheinend nicht nur mein Handgelenk verletzt worden war, sondern jetzt auch mein rechter Fuß.
Ich zuckte heftig zusammen, sobald ich diesen versuchte aufzusetzen, und humpelte gekrümmt zu der naheliegenden Mauer. Der Junge, welcher mich ohne irgendeine Motiv aufgefangen hatte, stand noch immer an der selben Stelle wie zuvor. Er hatte anscheinend kein Problem damit, Schmerzen zu ertragen, denn auch durch seine Hose konnte ich an jedem Knie einen roten Blutfleck erkennen. Das musste ziemlich weh getan haben...
Doch zuerst schaute ich auf meine 'Wunden'. Mein Pullover hatte am rechten Ärmel ein ziemlich kleines Loch und die Haut darauf war abgeschürft. Also nichts schlimmes. Ich machte mir eher Sorgen um meinen Fuß, denn so konnte ich unmöglich nach Hause gehen. Mein Regenschirm war anscheinend auch schon von der Menschenmenge davon getragen worden. Na toll.
Mit zusammengebissenen Zähnen bückte ich mich, um mein Hosenbein etwas hochzukrempeln. Nach einigen Anläufen gelang es mir auch endlich den nervigen Stoff zu entfernen. Direkt sah ich einen angeschwollenen Knöchel, welcher bestimmt schon auf ein doppeltes gewachsen war. Jap, so würde ich es nicht einmal bis zu der nächsten Straßenecke schaffen. Ich seufzte genervt, und wollte bereits meine Hose wieder hinunterkrempeln, als mich ein Paar weiche Hände daran hinderten.
"Zeig Mal her..." bestimmte der hübsche Junge von gerade eben, und hockte sich vor mich hin. Überrascht musterte ich ihn, konnte nicht verstehen, wieso er all das hier tat. Da ich zu verwirrt und beschäftigt damit war, seine dunklen, wunderschönen Augen anzusehen, welche flink über meinen Fuß wanderten, bemerkte ich zunächst nicht, wie er sanft meinen geschwollenen Knöchel betastete.
Erst als seine warmen Finger vorsichtig über die Seiten strichen, zischte ich ziemlich laut auf. Es tat schon verdammt weh. "Das sollte definitiv geröntgt werden. Es sei denn, du willst mit einem geprellten Fuß nach Hause latschen. Ist deine Entscheidung." gab er monoton von sich und stellte sich, nachdem er zart meine Hose wieder richtig gemacht hatte vor mich.
Zwar stand ich an der Wand angelehnt und durch den Schmerz ein wenig gekrümmt da, doch wusste ich auch so, dass er einige Zentimeter größer war als ich. Anscheinend auch stärker, denn wenn ich Mal so seinen Körper betrachtete, schien er viel muskulöser, und vor allem männlicher als ich zu sein.
Bestimmt hatte er eine Freundin. Vielleicht aber auch schon eine Frau, obwohl er nicht viel älter schien als ich. Sicher war er auch schon erwachsen. Kein Wunder, dass er genau wusste, was zu tun war, wenn sich jemand verletzte. "Nein, Danke. Mir geht's gut. Sie hätten sich wirklich nicht die Mühe machen müssen mich aufzufangen..." murmelte ich schüchtern und wollte an ihm vorbei humpeln. Doch er hielt mich sanft an meinem Oberarm fest, als bestünde ich aus Glas.
"Nein Sorry, das kann ich nicht mit anschauen. Wir gehen jetzt irgendwohin um deine Wunden zu versorgen, ja? Wohnst du hier in der Nähe?" fragte er und klang dabei ehrlich besorgt. Seine schwarzen Haare fielen ihm halb ins Gesicht, als er sich von mir wegdrehte und einige Meter voran lief. "Kommst du?" fragte er, als hätte ich mir gerade keinen Beinbruch zugezogen. Ich hörte wie sehr es ihn amüsierte, und ich schwankte wirklich zwischen ihm hinterher laufen und einfach nach Hause gehen.
"Haha. Sehr witzig." gab ich ironisch von mir, doch zeigte dann ans Ende der Straße. "Ich arbeite in dem Laden dort. Da können wir hin, wenn du magst." sagte ich doch etwas höflicher, da er mir immerhin nur helfen wollte.
Ohne ein Wort zu sagen begann er in die Richtung zu gehen, welche ich ihm angewiesen hatte. Scheiße man, selbst von hinten sah er verdammt gut aus. Ich kam nicht drum herum seine definierten Schultern und den muskulösen Nacken zu bewundern, während er vor mir lief und sich mit jedem seiner großen Schritte weiter von mir entfernte.
"Ja, lauf nur weg... Ich komme ja auch so gut allein zurecht..." knurrte ich leise, doch warum auch immer hatte dieser Idiot das auch noch gehört. Es war mir wirklich ein Rätsel wie es das geschafft hat, aber das würde ich hoffentlich noch irgendwann herausfinden. "Du musst dich nicht scheuen nach Hilfe zu fragen." sagte er mit einem unheimlichen Lächeln im Gesicht.
Ich konnte es zwar nicht sehen, da er noch immer mit seinem breiten Rücken zu mir stand, aber man konnte das Grinsen ganz klar aus seiner Stimmlage heraushören. "Als ob ich von ihnen Hilfe annehmen würde. Ich kenne ja nicht einmal ihren Namen!" gab ich nur trotzig von mir. Ich hörte sein raues, kaltes Lachen und konnte gleichzeitig sehen wie sich seine Schultern bewegten, da er so Kichern musste. Ein heißer Schauer nach dem anderen lief meinen Rücken hinunter.
Was tat dieser Junge bloß mit mir? Ich kannte ihn doch nicht einmal! Mit zusammengebissen Zähnen setzte ich mich langsam in Bewegung. Ich brauchte einige Zeit, bis ich bei dem Unbekannten ankam, und die ganzen Minuten welche ich brauchte, verbrachte ich damit über meine derzeitige Situation nachzudenken. Wie sollte ich denn bitte nach Hause kommen? Laufen brachte nun auch nichts, und im Café zu schlafen kam erst Recht nicht infrage.
"Sind Sie überhaupt Arzt oder so?" knurrte ich ihn an, sobald ich vor ihm stand. Wie ich auch schon vorhin erkannt habe, war er nur wenige Zentimeter größer als ich, doch strahlte pure Selbstsicherheit aus. Irgendwie war das zu beneiden, denn ich war fast immer unzufrieden mit mir selbst. Und er könnte einfach sagen er wäre ein Supermodel, und jeder würde ihm das abkaufen.
"So ähnlich. Geht's?" Er kam einen großen Schritt auf mich zu, als ich kurz unbeholfen taumelte. Das Schwindelgefühl kam plötzlich wieder zurück, weshalb mir kotzübel wurde. Meine Welt drehte sich um sich selbst, es schien alles verzerrt und verschwommen zu sein. Aus Reflex krallte ich meine Hände an seine Schultern um dort nach eventuellem Halt zu suchen. Fest hielt ich mich mit meinen schmalen Fingern an seinem Pullover, damit ich nicht zu Boden rutschte. Erneut knickten mir die Beine fast weg, so dass ich mich nun komplett auf den anderen stützte. Der Unbekannte schlang seine Arme um meine Taille, zog mich fest zu sich heran, damit ich ihm nicht mehr entgleiten konnte.
Eigentlich war mir das alles mehr als unangenehm, vor allem, da ich diese Schwindelanfälle direkt zwei Mal hintereinander mitmachen musste. Ich kniff die Augen zusammen, um überhaupt etwas erkennen zu können, und versuchte vorsichtig wieder aufzustehen. Doch sobald ich meinen rechten Fuß auf den Boden stellte, krümmte sich alles in mir zusammen, und ich stützte mich mehr an dem Schwarzhaarigen ab.
"Warte ne Sekunde..." murmelte er, und entfernte die eine Hand von meinem zitternden Körper. Ich spürte wie schnell mein Herz schlug, als der Fremde sich plötzlich hinunter beugte und mich im Braut-Style auf den Arm nahm. "W-was tun Sie?! Lassen Sie mich gefälligst runter!" rief ich laut, und sah mich geschockt um. Doch weit und breit war keiner zu sehen, weshalb ich mich noch verwirrter umblickte. Dann bemerkte ich überraschenderweise die unzähligen Tropfen auf meiner Haut, und schaute hinauf in den Himmel.
Es regnete nun schon ziemlich stark, sogar so dolle, dass ich sah wie die schwarzen Haare des Fremden jetzt an seiner Stirn klebten. "Hör Mal kurz zu, ja? Du bist verletzt, ich will dir helfen und es ist arschkalt hier draußen. Kannst du jetzt bitte die Tür aufschließen und mich nicht weiter wie ein Huhn anstarren?" gab er etwas hektisch von sich. Überrascht schaute ich von seinem unwirklich schönen Gesicht vor uns, wo ich im strömenden Regen die Glastür meines Cafés ausmachen konnte.
"Äh... J-ja natürlich..." stotterte ich und griff in meine Hoodietasche um den metallenen Schlüssel hinaus zu fischen. Schnell öffnete ich das Gebäude, und spürte auch schon wie sich mein der Mann in Bewegung setzte. Er trug mich schneller als ich schauen konnte hinein, an den leeren Tresen vorbei zu einer der Bänke. Ich war beeindruckt davon, wie stark er doch schien, vor allem, da ich ziemlich schwer war.
Sanft, als wäre ich nichts als eine kleine Feder, setzte er mich auf eine der ledernen Couchen, wo heute eine Gruppe Jungen saßen und sich alle voll mit Kuchen stopften. Ich schüttelte kurz den Kopf, um nicht jetzt schon wieder an meinen Job denken zu müssen. Es war schon genug, dass ich vermutlich die Nacht hier verbringen musste. In dem Gebäude wo ich arbeitete. Ekelhaft.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro