THIRTY-SIX
👑R.I.P👑
Ich klopfe leise an die Tür des Arbeitszimmers, in welchem ich Gemma vor fünf Monaten gesehen habe, da ich erschreckender Weise nicht weiß, wo ich sie sonst finden sollte. Ich weiß nicht, ob sie mit Michal und ihren Töchtern im Palast lebt oder außerhalb. Aber ein Versuch ist es zumindest Wert.
„Ja?", ertönt dann eine männliche Stimme hinter die Tür, die nicht meiner Schwester gehört. Aber hoffentlich ihrem Ehemann. Leise öffne ich die Tür und trete dann in das Büro ein, in welchem tatsächlich Michal hinter dem Schreibtisch sitzt. Um sich herum viele Ordner. „Hey, hast du eine Minute?" Er nickt und deutet auf einen Stuhl gegenüber seines Schreibtisches, doch ich lehne ab und bleibe stehen.
„Du warst ausreiten? Ich wusste gar nicht, dass du dich für Pferde interessierst.", beginnt er das Gespräch und deutet auf meine Hose. Die Jacke habe ich über meinen Arm gelegt, genau so wie meinen Schal. Handschuhe und Mütze finden Platz in den Jackentaschen der dicken Jacke. Dazu Boots, die nicht wirklich zum Reiten passen, aber Louis und ich haben nicht die gleiche Schuhgröße, weshalb ich meine Schuhe anlassen musste.
„Wir waren einen Baum aussuchen. Louis und ich haben uns irgendwie gestritten, keine Ahnung.", seufze ich und fahre mir durch die Haare. Ich will doch gar nicht mit ihm streiten, aber es tat einfach weh, dass sie über mich gelacht haben. Ob bösartig oder nicht.
Wenn ich mit Clifford zu Louis gehen würde, würde ich es ja nicht bösartig machen. Es ist ja nur ein Hund. Und so ist das genau wie mit dem Lachen. Ungefähr.
Michal staunt für einen Moment nicht schlecht, worauf ich ihn mit schräg gelegtem Kopf anschaue. „Du warst mit Louis, den Prinzessinnen und dem Königspaar ausreiten? Wow." Ich setze mich jetzt doch hin und lege meine Jacke auf meinen Schoß. „Ist das so erstaunlich?", will ich wissen und lehne mich in den Stuhl.
„Das ist jahrelange Tradition, dass nur die sieben einen Baum suchen. Hast du noch nie etwas davon gehört?" Verwirrt schüttle ich den Kopf. Wie gesagt, ich habe bis vor ein paar Monaten nicht viel vom Königshaus gehalten. Tue ich eigentlich immer noch nicht, aber mein Freund gehört nunmal dazu.
„Die Königsfamilie reitet das Wochenende vor Weihnachten aus, um einen Tannenbaum zu besorgen, der am Morgen von Louis' Geburtstag geschmückt wird. Er bleibt dann bis Januar hier stehen. Die Person, die ihn gefunden hat, ist sowas wie der König oder die Königin der Weihnacht. Ziemlich kitschig, aber seitdem Louis geboren wurde machen William und Johannah das." Mit großen Augen schaue ich ihn an und räuspere mich unbeholfen. „Inwiefern König der Weihnacht?", hake ich nach und spiele mit meinen Fingern.
Ich hätte irgendeinem Baum zustimmen und keinen vorschlagen sollen. Wenn mir das vorher gesagt worden wäre, hätte ich mich da komplett rausgehalten. „Die Person hat das Recht dazu, zu bestimmen, wie der Baum aussehen wird. Und die letzte Kugel wird von ihr aufgehängt. Dazu folgt eine Rede vor dem ganzen Personal." Das wird ja immer besser.
„Wer hat dieses Jahr den Baum ausgesucht? Wieder Phoebe?" Ich schüttle den Kopf und räuspere mich. „Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich diesen Baum nie ausgesucht. Er ist viel zu klein und..." Ich schließe die Augen und lache auf. Anscheinend ist das Schicksal nicht auf meiner Seite. „Warte, du hast den Baum ausgesucht?" Bevor ich antworten kann, wird die Bürotür geöffnet, durch welche Gemma mit Eloise und der kleinen Evelyn kommt und mich lächelnd anschaut, als sie mich sieht.
„Was machst du denn hier? Du warst reiten?" Dann reißt sie ihre Augen auf und kommt auf den Stuhl neben mir zu, in welchen sie sich fallen lässt. Eloise geht derweil zu ihrem Vater, der sie auf seinen Schoß zieht und ihr etwas ins Ohr flüstert. „Louis hat dich überredet bekommen, mit ihnen den Baum aussuchen zu gehen? Wer hat dieses Mal die Ehre? Félicité? Das letzte Jahr hat sie einen Baum vor sechs Jahren aussuchen dürfen. Weißt du noch, wie süß sie da war, Mish?" Gemma seufzt und schaut zu ihrem Mann, der nur nickt und mit Eloises Haaren spielt.
Unbeholfen kratze ich mich am Hals und zucke mit den Achseln. „Anscheinend ich. Wenn ich das davor gewusst hätte, hätte ich nichts gesagt, aber der Baum war so anders. Er ist nicht perfekt, alles andere als das, aber er hat mir gefallen. Und König William anscheinend auch." Ich schaue wehleidig zu meiner Schwester, die mir den Säugling hinhält. „Sie tröstet dich, versprochen." Dabei kann sie sich ein Lachen nicht verkneifen, trotzdem nehme ich ihr meine Nichte ab und muss sofort lächeln, als ich diese kleine Nase sehe.
Sie ist so verdammt klein und zerbrechlich. Aber ihre Wangen und ihre Stupsnase lassen alles um einen herum vergessen. Und ich war bei ihrer Geburt dabei. Ich habe gehört, wie sie das Licht der Welt erblickt hat und mich beinahe zum Kotzen gebracht hat. Aber so einem süßem Wesen verzeihe ich es.
„Kann ich sie mir für ein par Stunden ausleihen? Ich hatte Streit mit Louis.", flüstere ich und fahre mit meinem Zeigefinger über Evelyns weiche Wange, worauf sie zuckersüß niest und ich mich glatt in sie verliebe. Sie ist die erste Frau, in die ich mich verliebt habe. Dafür muss sie eine Auszeichnung bekommen.
„Was ist passiert?" Ich zucke mit den Achseln und wende den Blick von meiner Nichte ab. „Louis hat über mich gelacht. Und seine Eltern auch. Ich wollte nach Hause, also nach hier und dann ist er einfach losgeritten, wobei ich beinahe von Elvis gefallen bin. Als Prinzessin Charlotte gefragt hat, was los sei, meinte Louis, dass ich meine Tage hätte. Es war nur eine dumme Aussage, aber sie stammt von Louis." Die ganze Zeit über schaue ich das Baby in meinen Armen an und muss grinsen, als sie ihre Augen öffnet und mich mit wunderschönen, blauen Augen anschaut.
Als Baby hatte ich auch blaue Augen, die immer grüner wurden. Aber Babyaugen sind unheimlich süß. Und sie erinnern mich an die Augen von Louis. Ich würde ihn ja gerne als Riesenbaby betiteln, aber das ist er nicht. Er ist ein Grinch. Vielleicht kriegt er im nächsten Film die Hauptrolle, was seine Stimmungsschwankungen angeht. Wenn das überhaupt Sinn macht.
„Wieso haben sie denn über dich gelacht?", will Michal wissen, worauf ich ihn kurz anschaue, bevor ich den beiden alles erzähle und längst losgeheult hätte, würde nicht so ein süßes Baby in meinen Armen liegen und mich auf andere Gedanken bringen. „Weiß Louis, dass deine Pflegeeltern so mit dir umgegangen sind?" Ich schüttle den Kopf und setze mich etwas anders hin, während ich Evelyn ebenfalls etwas anders hebe und sie jetzt über meine Schulter schauen kann. Derweil streiche ich ihr über den Rücken und hauche einen sanften Kuss auf ihre Kopfhaut.
„Ich wurde rausgeschmissen. Kurz nachdem ich wieder nach Cardiff gegangen bin. Sie haben mitbekommen, dass das Geld nicht überwiesen wird und meine Sachen vor die Tür gestellt. Dylan hat mich angerufen, sonst hätte ich es wahrscheinlich gar nicht mitbekommen. Meine Sachen sind jetzt bei ihr und ich soll sie abholen, wenn ich was eigenes gefunden habe. Immerhin habe ich mein Zimmer im Wohnheim nur noch bis Februar. Mit Glück noch bis März, aber dann muss ich raus sein.", erkläre ich und seufze bei dem schockierten Blick meiner Schwester.
Ich habe es weder ihr noch Louis erzählt, weil es sich einfach nur grausam anhört. Ich wurde bei einer Familie rausgeworfen, die ich meine Eltern nennen sollte. Sie waren acht Jahre lang meine Pflegeeltern und eigentlich ganz okay, wenn sie nicht betrunken oder high waren. Aber das ist der Dank? Meine Sachen werden einfach vor die Tür gestellt, die meine beste Freundin zufälligerweise sieht und netterweise bei sich in der Garage lagert.
Natürlich hätte ich es den beiden erzählen können, aber ich war mir zu diesem Zeitpunkt mit Louis noch unsicher und wusste nicht, was ich ihm überhaupt sagen sollte. Immerhin haben wir zu diesem Zeitpunkt nur geschrieben und ein paar Mal telefoniert. Und Gemma hatte andere Probleme, um die sie sich kümmern musste. Und jetzt sieht man ja, dass ich es trotzdem geschafft habe. Irgendwie.
Ich finde hier sicherlich irgendwo im Land eine Wohnung. Und selbst wenn es nur ein WG-Zimmer ist, Hauptsache ich habe ein Bett und eine Dusche. Über den Rest kann ich mir Sorgen machen, wenn es soweit kommen sollte. Wenn alle Stricke reißen, muss ich auf das Geld vom Palast zurückgreifen, welches mir bis zu meinem Austritt überwiesen wurde. Viel ist es wahrscheinlich nicht, aber hoffentlich reicht es für einen Anfang. Und einen Nebenjob finde ich sicherlich auch irgendwo.
Vielleicht auch in der Umgebung von London, sodass ich Gemma und Louis öfters sehen kann. Für meine zwei Jahre Referendariat gibt es in London sicherlich genügend Kanzleien, die einen suchen. Zumindest war es in Cardiff so, von wo ich sowieso weg sollte. Zwar dachte ich nicht, dass ich Wales verlassen würde, aber vielleicht tue ich es doch. Dann bin ich zumindest näher an Gemma und Louis.
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