TEWNTY-SIX
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„Ich suche Gemma, sie ist auf der Entbindungsstation.", frage ich an der Rezeption des Krankenhauses nach und wippe ungeduldig auf meinen Fußballen vor und zurück. „Sir, es darf momentan niemand zu ihr. Alle Besucher müssen im Wartebereich warten.", will mir die Dame erklären, doch ich schüttle mit dem Kopf, während ich mit zittrigen Händen mein Handy aus meiner Hosentasche hole. „Hier, ihr Mann schafft es nicht rechtzeitig und ich soll zu ihr. Die Nachricht ist von ihr, fragen Sie nach. Bitte!" Ich halte ihr mein Handy mit Gemmas Nachricht vor die Nase und lasse es beinahe fallen.
Kurz liest sich die Dame den Text durch, bevor sie seufzt und sich ihrem Laptop widmet. Für einen Moment denke ich, sie will mir sagen, wo ich Gemma finden kann, jedoch ignoriert sie mich ab diesem Zeitpunkt gekonnt. Schnell schaue ich mich im Eingangsbereich um, bevor ich zu den Aufzügen gehe und mir die Agenda mit den einzelnen Stationen des Hauses durchlese. Bis ich endlich die Entbindungsstation, auf dem Brett den Kreissaal finde.
Im Aufzug drücke ich den Knopf der besagten Etage und schaue mich erschrocken im Spiegel an. Ich wusste zwar, dass ich überstürzt abgehauen bin, aber dass ich doch so schlimm aussehe, war mir nicht bewusst. Mein Hemd ist bis zu meinem Oberbauch geöffnet, während das schwarze Jackett faltig drüber liegt. Auf meiner Hose befinden sich irgendwelche Flecken, während meine Wangen unnormal rot sind.
Vielleicht ist das alles auch nur, weil ich fluchtartig das Gebäude des Gerichtshofes in Oxford verlassen habe. Diese Woche haben wir eine Exkursion dorthin gemacht, worüber ich momentan ziemlich froh bin. Deshalb bin ich eine halbe Stunde früher hier gewesen, als wäre ich von Cardiff nach hier. Bei meinem Dozenten habe ich es als Familiennotfall dargestellt, weshalb ich einfach und unkompliziert von dort verschwinden konnte. Um meine Klamotten kümmert sich jemand anderes. Gepackt sind sie schon, da wir heute Abend wieder zurück zur Uni gefahren wären. Viel war es sowieso nicht. Sachen für eine Nacht, nicht mehr.
„Sir, kann ich Ihnen helfen?", fragt mich plötzlich ein junger Arzt, der mir entgegenkommt, als ich aus dem Aufzug aussteige. „Ich bin hier wegen meiner Schwester. Gemma, sie bekommt ihr Kind.", fange ich an und werde direkt zu einem Raum geführt. „Wir haben schon auf Sie gewartet. Ihr Mann schafft es nicht rechtzeitig, weshalb Mrs. Mlynowski nun Sie erwartet." ich nicke schnell und fahre mir aufgeregt durch die Haare. Ich bei einer Geburt? Ich weiß nicht, ob das eine so gute Idee ist.
„Machen Sie sich keine Sorgen, sprechen Sie Ihrer Schwester Mut zu und trösten sie ein wenig." Erneut nicke ich nur und stehe dann plötzlich in dem Raum, in dem Gemma gerade ihr zweites Kind zur Welt bringt.
„Harry! Du hast es... geschafft!", schreit sie und streckt ihre Hand nach meiner aus, worauf ich schnell zu ihr gehe und einen Kuss auf ihre verschwitzte Stirn hauche. „Hey." Ich nehme das Handtuch, welches neben ihr liegt und streiche ihr Gesicht damit trocken, während Gemma für ein paar Sekunden tief durchatmet. „Schneller konnte ich nicht, tut mir leid." Sie nickt nur und umfasst meine Hand anders, als sie sich leicht aufsetzt und laut schreit.
Glücklicherweise bedeckt ihre Beine ein Tuch, welches mich davon abhält, jeden Moment zu kotzen. Das ist doch völlig surreal. Einen zehn Mal so großen Kopf aus diesem kleinen Loch zu pressen? Da muss doch was reißen.
„Sie machen das gut, Gemma. Bald haben Sie es geschafft." Ich versuche, ihre Hand ein wenig aus meiner zu lösen, während meine Schwester sich noch mehr in diese krallt. „Wann kommt Mish endlich? Das hier ist sein verdammtes Kind.", flucht sie und schaut mich aus dunklen Augen an. „Ach, Sie sind gar nicht der Vater?", werde ich von der Hebamme gefragt und schüttle schnell den Kopf. „Ich bin ihr Bruder. Zum Glück. Ich glaube nicht, dass es ein gutes Licht auf mich rückt, wenn sich mein Schwanz beim Anblick einer Frau ein Stück zusammenzieht.", erkläre ich und höre Gemma für einen Moment lachen.
Bis sie wieder laut schreit und meine Hand versucht zu zerdrücken. „Er ist schwul. Es hat ihn wahrscheinlich vor vierundzwanzig Jahren verschreckt, natürlich auf die Welt zu kommen, sodass er mit weiblichen Geschlechtsteilen abgeschlossen hat.", erklärt sie nach der Wehe und löst ihre Hand für einen Moment aus meiner. Lächelnd schaue ich sie an und wische erneut mit dem Handtuch über ihre Stirn.
„Wie lange liegst du schon hier?", frage ich und kann im letzten Moment ihre Hand greifen, bevor die Hebamme grinsend zu uns schaut. „Noch einmal ordentlich pressen und Sie sind Mama, los." Meine Schwester nickt wie wild, während ich mir ein Würgen verkneifen muss und mich kurz von ihr wegdrehe. Das ist das erste und letzte Mal, dass ich während einer Geburt dabei bin. Kinder können ja ganz süß sein, aber ein Baby aus sich rauszupressen? Ich bin froh, dass ich da unten nur ein Loch habe, welches zum Darm führt und zu keiner Gebärmutter.
„Zwei Stunden. Nachdem ich dich angerufen habe, bin ich eingeliefert worden. Musst du kotzen?" Ich schüttele mit dem Kopf und lächle Gemma wieder an. „Geht schon. Du machst das super." Sie lächelt gequält, bis sie sich ein paar Haare aus der Stirn streicht und noch einmal feste presst. Zumindest hört und fühlt es sich danach an.
Und dann erfüllt ein lautes Kreischen den Raum, was mich aufatmen lässt und Gemma zurück in die Kissen fällt. „Hallo Mama.", flüstere ich und hauche einen Kuss auf ihre Stirn, bevor ihr ein Kind auf die Brust gelegt wird, welches so klein ist, dass es beinahe zerbricht. „Ich setze mich mal kurz, ja?" Plötzlich wird mir ein wenig schwindlig, weshalb ich für einen Moment die Augen schließe und ein paar Mal tief durchatme.
„Geht es Ihnen nicht gut?" Eine Hand legt sich auf meine Stirn, während eine andere mich an der Schulter aufrecht hält. „Sie hat gerade ein Kind aus sich gepresst, wem sollte es da gut gehen?", frage ich und schlucke den Speichel in meinem Mund runter. Ich bin Onkel. Meine Schwester hat ihr zweites Kind zur Welt gebracht. Ich kann es kaum glauben, trotzdem geht das meinem Kopf gerade zu schnell. „Trinken Sie etwas, nicht dass Sie gleich umkippen."
Mir wird ein Päckchen mit Apfelsaft in die Hand gedrückt, von welchem ich nippe und meinen Kopf dann zu Gemma drehe, die mich müde anlächelt. „Willst du..." Ich unterbreche sie mit einem Kopfschütteln und lächle peinlich berührt. „Gleich gerne, aber erstmal muss ich kurz..." Gemma nickt und gibt das Neugeborene wieder an die Hebamme zurück, die mit dem kleinen Wesen zu einem Wickeltisch geht und dort irgendwas macht.
„Geht es dir gut?", frage ich und stehe wieder auf. Meine Schwester lächelt müde und haucht ein leises „Ja", bevor sie für einen Moment die Augen schließt. „Möchtest du lieber allein sein? Ich kann schauen, ob Michal vielleicht irgendwo hier rumläuft.", wechsle ich das Thema und stelle den Saft auf einen Schrank. Gemma nickt und schaut kurz zu ihrem Baby. „Kannst du den anderen Bescheid geben, dass es ein gesundes Mädchen ist? Johannah und William sitzen mit den anderen im Wartebereich.", fragt sie vorsichtig nach, worauf mir die Farbe aus dem Gesicht weicht.
Louis wird sicherlich auch dort sein und ihn möchte ich nicht wirklich sehen. Die letzten Wochen hat man ihn durchgehend in irgendwelchen Klatschblättern gesehen, wo er mit immer mehr werdenden Knutschflecken rumläuft. In Menschenmengen, Körper dicht an dicht. Auf meine Nachrichten hat er plötzlich nicht mehr geantwortet und meine Anrufe abgelehnt.
Wenn er dann mal angerufen hat, saß ich in meinen Vorlesungen oder war am Lernen. Seine Nachrichten waren kurz und knapp. Genau so, wie man jemandem schreibt, an dem man das Interesse verliert. Und ich trauere einem Mann hinterher, mit dem es sowieso niemals klappen wird. Ein schwuler Thronfolger? Das gibt es wahrscheinlich nur in Büchern.
„Okay, hab dich lieb." Ich räuspere mich leise und lehne mich für einen Kuss zu Gemma runter, doch sie zieht mich in eine erstaunlich starke Umarmung, die ich nur vorsichtig erwidere. „Er hat dich vermisst, Harry. Gib ihm eine Chance.", flüstert sie, bevor ich mich von ihr löse und einmal kurz nicke. Ich kann gar nicht nein sagen. Immerhin laufe ich ihm so ungefähr seit vier Monaten hinterher. Wenn er morgen vor meiner Tür stehen und mich fragen würde, ob ich mit ihm zusammen sein möchte, wäre ich blöd wenn ich nein sagen würde.
Dann gehe ich aus dem Raum raus, wo mir Mishal beinahe in die Arme läuft. „Bin ich zu spät? Ich habe mich beeilt, aber ich habe es nicht früher geschafft.", plappert er drauf los, worauf ich nur nicke, ihn trotzdem in eine Umarmung ziehe. „Gemma hat die Geburt gut überstanden, ich eher weniger. Aber eure Tochter ist gesund.", murmle ich dann und löse mich wieder von meinem Schwager.
„Weichei.", schmunzelt er, klopft mir aber auf die Schulter und deutet dann auf die Tür hinter mir. „Ich bin ein homosexueller Mann, weibliche Geschlechtsorgane sind nicht so meins.", rechtfertige ich mich und lasse Michal schmunzelnd hinter mir in den Raum eintreten, während ich für einen Moment noch stehen bleibe.
Ich muss jetzt beinahe wildfremden Menschen sagen, dass Gemma Mutter einer gesunden Tochter ist. Ihr bedeuten diese Menschen etwas, mit sind sie beinahe vollkommen fremd.
Nach einem kleinen Umweg zu den Toiletten mache ich mich auf den Weg zum Wartezimmer, welches von Wachen bewacht wird. Ich weiß nicht, ob gesagt wurde, dass ich hier bin oder mich der Wachmann wiedererkannt hat, jedoch habe ich absolut kein Problem, zum Wartebereich zu kommen.
Mir wird sogar die Tür geöffnet, wofür ich mich mit einem Nicken bedanke und mir durch die Haare fahre. Vielleicht hätte ich das Päckchen mit dem Apfelsaft doch mitnehmen sollen. Aber wer macht schon jeden Tag eine Geburt mit? Und dann noch jemand, der noch nie ein weibliches Geschlechtsteil gesehen hat? Die in den Büchern zählen nicht.
Nachdem die Tür hinter mir geschlossen wird, hebe ich den Blick und schaue in neugierige Gesichter. Trotzdem zieht Louis' Blick seine ganze Aufmerksamkeit auf sich, worauf ich für ein paar Sekunden einfach in seine wunderbaren blauen Augen schaue, in denen ich selbst bei der Entfernung ein Funkeln wahrnehme.
„Warst du bei ihr?", fängt Prinzessin Charlotte an, worauf ich nicke und mich vor allen verbeuge. Vielleicht ein wenig zu spät, aber immerhin denke ich daran. In der Hofetikette war ich noch nie sonderlich gut. Das Buch, welches ich mir darüber durchlesen sollte, während ich im Palast untergekommen bin, hat mir dabei auch nicht sonderlich geholfen. Immerhin habe ich Speichel mit dem britischen Thronfolger ausgetauscht.
„Sie..." Ich drehe mich um, bevor ich einmal aufstoße und die Luft anhalte. Jetzt bin ich schon nichtmehr bei Gemma und habe immer noch das Gefühl, jeden Moment würgen zu müssen. „Ihr geht es gut, dem Baby auch, die kleine ist gesund.", sage ich dann und merke sofort, wie Louis sich erhebt und auf mich zukommt. „Hey", flüstert er, als er vor mir stehen bleibt und eine Hand hebt, um eine Strähne aus meinem Gesicht zu streichen, die sogar hinter meinem Ohr hängen bleibt.
„Sorry" Ich drehe mich schnell weg von ihm und würge einmal laut. Spätestens jetzt möchte ich definitiv keine Kinder mehr haben. Oder bei Geburten dabei sein. „Geht es dir nicht gut?" Louis fährt über meinen Rücken und mustert mich eingehend, was mich etwas nervös werden lässt. Wir hatten einen Monat absolut keinen Kontakt und jetzt tut er so, als hätten wir uns eben erst gesehen. „Ich war eben bei einer Geburt dabei. Da wurde ein so großer Körper aus so einem kleinen Loch gepresst. Und ich bin definitiv schwul." Ich zeige zwischenzeitig die Größe des Körpers und des Loches mit meinen Händen, worauf Louis leise anfängt zu lachen.
„Während einer Geburt wird das Loch da unten größer, Snuggles. Der Muttermund öffnet sich und dann sind da schon zehn Zentimeter und mehr. Aber eine Geburt ist trotzdem sicherlich nicht angenehm." Oh, das wusste ich nicht. Vielleicht auch, weil mich der weibliche Körper absolut nicht interessiert. Auch nicht, wenn meine Schwester ein Kind gebährt. Trotzdem ist das Loch zu klein für den Körper eines Babys. „Ich habe dich vermisst.", nuschle ich und blende die anderen anwesenden ziemlich gekonnt aus.
Ich sehe Louis nach vier Monaten endlich wieder. Wir haben uns zwar über die Video-Funktion auf dem Handy gesehen, aber es ist trotzdem nicht das gleiche. Ich spüre seinen Atem auf meiner Haut und kann ihn anfassen. Ich könnte ihn küssen, wenn ich mich trauen würde und ihn umarmen. Aber ich habe Angst, weil wir nicht allein sind. Vielleicht hat Louis seine Meinung im letzten Monat auch geändert und hat sich deshalb nicht mehr bei mir gemeldet.
„Ich dich auch. Deine Haare sind länger geworden.", flüstert er und zieht mich dann in eine Umarmung, die ich so schnell erwidere, wie ich noch keine Umarmung erwidert habe. Ich spüre Louis endlich wieder an mir und seufze leise. „Du warst erst beim Friseur, trotzdem, vielleicht auch gerade deswegen, siehst du wunderschön aus.", entgegne ich und vergrabe meine Nase an seiner Halsbeuge, um seinen Duft wieder einzuatmen. Diese Mischung aus Minze und Rauch, die ich so vermisst habe. Ihn zu schmecken ist jedoch noch viel besser.
„Deine Nase ist kalt.", flüstert er und löst sich ein Stück von mir, bevor er lächelnd zwischen meinen Augen und meinen Lippen hin und her schaut. „Die ist fast immer kalt." Ich bin genau so leise und beiße mir grinsend auf die Lippe, als Louis eine Hand unter mein Jackett auf meine Hüfte legt. Auch, wenn das Hemd zwischen uns ist, fühlt mein Körper sich an, als stünde er in Flammen. Dazu kommen die unzähligen Schmetterlinge in meinem Bauch, die mich automatisch lächeln lassen. Ich kann gar nichts dagegen tun.
Und dann legt Louis seine Lippen endlich wieder für einen sanften Kuss auf meine, den ich noch in der gleichen Sekunde erwidere. Meine rechte Hand legt sich an seinen Hals unter dem Ohr, während die andere Platz an seiner Armbeuge findet.
Am liebsten würde ich für immer so verharren. Louis' Nähe spüren und seine Hände auf meinem Körper. Seine Lippen auf meinen, die sich kaum merklich von meinen lösen, um den Kuss etwas runder zu machen, trotzdem noch nicht intensiv. Einfach romantisch. Von mir aus kann er mich so jeden Tag küssen.
Die Zungenküsse sind natürlich auch toll, auch wenn ich mich noch nicht sonderlich an sie gewöhnt habe, trotzdem ziehe ich sowas hier vor. Diese Zweisamkeit und das Vorsichtige. Wir überstürzen nichts, stehen uns einfach nur gegenüber und haben uns endlich wieder.
Doch leider endet jeder Kuss irgendwann. Auch der hier. Nur langsam öffne ich meine Augen und lehne meine Stirn gegen seine, während Louis durch die Haare an meinem Hinterkopf fährt und mir in die Augen blickt. „Schläfst du heute bei mir? Bitte." Ohne groß darüber nachzudenken, nicke ich und genieße für einen Moment noch seine Nähe, bis mir schlagartig wieder einfällt, dass wir nicht allein sind und Louis' Familie uns womöglich die ganze Zeit hierbei zugesehen hat.
Auch Louis scheint dies wieder einzufallen, da er sich mit geröteten Wangen neben mich stellt und peinlich berührt zu seinen Eltern schaut, während ich den Blick noch gesenkt halte. Vielleicht sollte ich einfach aus dem Wartezimmer verschwinden und irgendwo anders auf Louis warten, bevor wir in den Palast fahren, wo ich die Nacht bei Louis verbringen werde. Und spätestens am Sonntag wieder zur Uni muss. Denn nach den Feiertagen zu Weihnachten habe ich nur noch einen Monat, bis ich mein Studium beendet habe. Hoffentlich.
Glücklicherweise scheinen alle eine Beschäftigung gefunden zu haben, während Louis und ich Zärtlichkeiten ausgetauscht haben. Auch wenn ich merke, wie Prinzessin Charlotte uns aus dem Augenwinkel anschaut und sich ein Lächeln verkneifen muss. Wahrscheinlich hat nicht nur sie Louis und mich in den letzten Minuten beobachtet.
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