FIVE
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Lautes Klopfen lässt mich aus meinem Schlaf schrecken, ehe die Tür gegen die Wand schlägt. Erschrocken setze ich mich auf und blinzle gegen die Helligkeit an, die mein Zimmer durchflutet. „Es ist zu früh, muss nächste Woche erst raus.", brumme ich und gähne laut.
Lange war mein durchgelegenes Bett nicht mehr so gemütlich, wie diese Nacht. Seit Jahren kann ich nicht mehr durchschlafen und schlafe teilweise auf meiner Bettdecke, da es so angenehmer ist.
„Es ist gleich halb neun, das Frühstück hat vor einer Viertelstunde begonnen! Stehen Sie auf oder ich schleppe Sie persönlich aus dem Zimmer!", brüllt beinahe schon jemand, während die Stimme immer lauter wird. Dann erst realisiere ich, dass ich gar nicht in meinem Zimmer, sondern im Palast in London bin. Ich bin in England, unter dem Dach des Königs.
Bevor ich mir eine Antwort zurecht legen kann, wird mir die viel zu gemütliche Decke weggezogen, wodurch mir direkt etwas kälter wird. Obwohl es Sommer ist, sind die Temperaturen in den Räumen nicht sonderlich warm. „Harry, ich trage Sie persönlich in den Speisesaal!", droht Sir Andrew mir, der sich mit einem Knie aufs Bett kniet und mich am Handgelenk aus dem großen Bett zieht.
Beleidigt löse ich mich von meinem Leibwächter und schlürfe zu meinem Kleiderschrank, um mir dort einen Hoodie von mir rauszuholen. Diesen ziehe ich langsam an und gehe dann zur Tür. „Gehen Sie so?", will Sir Andrew wissen, als er hinter mir steht. Heute trägt er wieder seinen schwarzen Anzug und hat so ein Ding im Ohr. Wahrscheinlich, um sich mit seinen Kollegen zu unterhalten.
„Wieso nicht? Ich wollte nicht oberkörperfrei durch die Bruchbude hier.", fluche ich und schlüpfe danach in meine Hausschuhe, um nicht barfuß über den Steinboden zu gehen. Eine Antwort bekomme ich nicht, was mich jedoch auch nicht sonderlich stört. Morgens spricht man mich am besten nicht an, wenn ich nicht von mir aus aufstehe. Auch ein Ritter nicht.
„Hier entlang." Ich werde am Ellenbogen in die andere Richtung gezogen und seufze leise. „Können Sie mich loslassen? Ich kann allein laufen.", bitte ich so freundlich wie möglich und entziehe ihm meinen Arm. „Sie haben einen Kater. Wieso haben Sie am ersten Tag schon so übertrieben?", will Sir Andrew wissen, worauf ich leise seufze. Anscheinend hat es im Palast noch keine Runde gemacht, was gestern im Herrensalon passiert ist.
„Ach, ich habe keinen Kater. Ich habe den schlechtesten Sex gehabt. Seine königliche Hoheit ist ein grauenvoller Partner im Bett.", entgegne ich sarkastisch und gehe weiter, jedoch bleibt Sir Andrew wie angewurzelt stehen. „Prinz Louis und Sie..." Er schaut mich geschockt an, weshalb ich mir ein Grinsen verkneife und mir auf die Lippe beiße. „Es war nicht sonderlich gut, wie gesagt. Dafür, dass er mit ziemlich vielen Frauen schläft, verkackt er bei den Männern maßlos.", füge ich noch hinzu und fange schallend an zu lachen, als Sir Andrew die Kinnlade runterfällt.
Dass er dies glaubt, kann ich nicht fassen. Ist es wirklich so leicht, seinen eigenen Leibwächter zu verwirren? Wie einfach wird es dann sein, dass andere ihn reinlegen und so an mich kommen? Vertrauensvoll ist das nicht wirklich.
„Ich wurde gestern mit Wein überschüttet. Nach der Dusche war der Geruch immer noch da. Ich habe nichtmal ein halbes Glas Wein getrunken, der Geruch kommt wirklich nur von meinen Haaren. Sie können gerne riechen, Sir.", lache ich und strecke ihm meinen Kopf entgegen. Sir Andrew lehnt jedoch nur ab und deutet geradeaus auf einen Raum. Anscheinend bin ich wirklich etwas zu spät.
Einen Wecker habe ich nicht gefunden und mein Handy war gestern Abend leer. Daran gedacht, mir einen Wecker zu stellen, habe ich auch nicht. „Also haben Sie und der Prinz nicht miteinander geschlafen?", hakt er doch noch nach, worauf ich direkt zustimme. „Er hat mich zu meinem Zimmer gebracht, mehr nicht. Versprochen."
Wenig später kommen wir auch schon am Speisesaal an, wo sich jeder mit jemand anderem unterhält und ich beinahe unbemerkt eintreten konnte. Wäre da nicht einer der Auserwählten, der laut pfeift und mich mustert.
„Der Schleimer hat es auch geschafft, zum Frühstück zu kommen! Was hast du gemacht, um bei der Prinzessin zu punkten?" Ich verkneife mir gerade eben noch den selben Kommentar wie eben bei Sir Andrew, dass ich mit dem Prinzen geschlafen hätte und fahre mir durch die zerzausten Haare. Vielleicht hätte ich sie zumindest schnell kämmen können, wenn ich schon so verschlafen hier unten aufkreuze.
„Gar nichts. Bei weiteren Bemerkungen Ihrerseits wird es immer schwieriger, bei mir zu landen.", mischt sich Prinzessin Charlotte persönlich ein und imitiert den Tonfall des jungen Mannes. Ich muss definitiv noch deren Namen in Erfahrung bringen. Immerhin möchte ich gerne wissen, mit wem ich meine Zeit verbringe. „Ich möchte mich für meine Verspätung entschuldigen. Ich habe verschlafen und hatte keine Zeit mehr, mich umzuziehen.", entschuldige ich mich bei der Königsfamilie nach einer Begrüßung und schaue mich am Tisch um.
Niall sitzt neben Tadhg, der gestern Abend neben uns gesessen hat und hebt jetzt vorsichtig seine Hand, um mich begrüßen zu können. Ich lächle im Gegenzug und stelle fest, dass die meisten schon fertig mit dem Essen sind.
„Setzen Sie sich doch gerne zu mir.", bittet mich der König, und deutet auf den freien Platz neben sich. Prinz Louis sitzt auf der anderen Seite neben ihm, während die Königin nicht anwesend ist. „Nur wenn es Eurer Majestät keine Umstände macht, ich setze mich gerne woanders hin.", versuche ich mich rauszureden und deute auf einen Stuhl neben einem brünetten Mann, der bis heute noch nicht sonderlich viel gesagt hat. Lieber sitze ich neben ihm, als neben dem König höchstpersönlich. „Ich bestehe darauf. Setzen Sie sich." Ich nicke und gehe an den anderen Auserwählten entlang, ehe ich mich neben König William setze. Einer der Diener zieht meinen Stuhl zurück und schiebt ihn dann wieder an den Tisch, sodass ich mich setzen kann.
Mit verzogenem Gesicht bedanke ich mich bei ihm und atme laut aus. Vom Kopf des Tisches sieht es ziemlich anders aus. Irgendwie fühlt es sich mächtiger an, so als ob einem das alles hier gehört. Was stimmen könnte, immerhin sitzen neben mir der Kronprinz und der König. Die wichtigsten Männer des Landes.
Trotzdem würde ich lieber woanders sitzen. Irgendwo, wo kein Mitglied des Königshauses neben mir sitzt.
Ohne mich vom König verwirren zu lassen, nehme ich mir eine Scheibe Brot vom Tisch und will gerade nach der Platte mit der Wurst greifen, als mir diese weggenommen wird. „Ach, du wolltest auch was? Habe ich nicht gesehen.", grinst einer der Auserwählten arrogant und schiebt sich den Schinken einfach so in den Mund.
Sofort meldet sich ein Diener von hinten und nimmt die leere Platte an sich. „Es kommt sofort eine neue Platte. Nur einen Moment." Wäre es unhöflich, ihn davon abzuhalten? Wahrscheinlich, aber er muss nicht nur wegen mir in die Küche laufen. „Machen Sie sich keine Umstände. Ich kann auch was anderes essen.", sage ich vorsichtig und greife nach dem Frischkäse, den mir diesmal niemand wegnimmt.
„Er ist hier, um uns die Sachen zu bringen, die fehlen.", beschwert sich jemand und hebt eine Augenbraue, als ich ihn anschaue. „Das kann gut sein, aber nur weil ich keinen Schinken mehr kriege, muss er nicht loslaufen. Hier gibt es genügend andere Sachen, die ich essen kann.", erkläre ich so höflich wie möglich und schmiere mir mein Brot. „Ich weiß ja nicht, ob da, wo Sie aufgewachsen sind, keine Manieren gelehrt werden, aber in meinem Elternhaus wurde mir stets gelehrt, freundlich zu meinen Mitmenschen zu sein. Und diese Eigenschaft fehlt leider den meisten von Ihnen.", füge ich noch hinzu.
Wieso sollte ich meine Meinung hinter dem Berg halten, wenn alle anderen auch meinen, sich frei Schnauze zu äußern?
Da keiner mehr antwortet, was wohl besser so ist, fange ich endlich an zu essen. Nicht daran gedacht, dass sich in Frischkäse Käse befindet, welchen ich leider nicht vertrage. Seit meiner frühen Kindheit bekomme ich plötzlich keine Luft mehr, wenn ich Käse esse. Eigentlich weiß ich das, jedoch muss ich es in dem Stress verdrängt haben.
Langsam, ohne mir etwas anmerken zu lassen, lasse ich das Brot auf den Teller sinken und versuche etwas zu trinken. Mit der Hoffnung, dass es nicht so schlimm wird. Auch wenn ich merke, wie sich meine Lunge schmerzhaft zusammenzieht.
„Entschuldigt mich.", bringe ich heiser hervor und springe dann doch eher von meinem Stuhl, um aus dem Raum zu gelangen. Weit komme ich jedoch nicht, da ich mich an dem Stuhl der jüngsten Prinzessin abstützen muss und nach Luft schnappe.
„Dad!" Ich versuche mich auf meine Atmung zu konzentrieren und zucke zusammen, als sich ein Arm um meine Hüfte schlingt. „Können Sie atmen?" Ich schüttle den Kopf und kralle mich weiterhin in die Stuhllehne. „Käse, keine Luft.", krächze ich und fasse mir an den Hals. In der Hoffnung, dass es so irgendwie besser wird. „Ich bringe ihn in den Krankenflügel." Prinz Louis, der mir den Arm um die Hüfte geschlungen hat, will langsam vorwärts gehen, jedoch will ich nicht.
Ich will nicht mit dem Kronprinzen gehen, aber auch nicht nicht atmen. So langsam verschwimmt alles um mich herum, sodass ich auch gar nicht merke, wie ich hochgehoben werde. Ich kann mich mit letzter Kraft an den Hals des Kronprinzen krallen und hoffen, dass ich innerhalb von einer Minute irgendwas gegen die Luftnot bekomme, da ich sonst ohnmächtig werde. Wenn dann nichts gemacht wird, bin ich in sieben Minuten tot.
„Hilf mir!", krächze ich und schaue den Mann vor meinem Gesicht panisch an. Ich will nicht sterben. Nicht im Palast. Und erst recht nicht in den Armen dieser männlichen Hure.
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