Kapitel 28 - Begegnung im fallenden Schnee
Revan
Ich wartete jetzt schon eine gefühlte Ewigkeit auf Ben. Eigentlich hätte ich es spätestens bei dem Blick, welchen die beiden sich vorhin zugeworfen hatten, wissen müssen. Ich konnte mir schon denken, was sie da gerade in der Gasse, ein paar Meter von mir entfernt, trieben. Es war nicht so, dass ich meinem besten Freund sein Glück nicht gönnte. Ganz im Gegenteil, aber das hier war der letzte Ort für sowas. Mir waren diese blauhäutigen Wesen nicht geheuer. Sie waren gefühlskalt, hinterlistig, berechnend und...ein lautes Schluchzen durchschnitt die eisige Stille. Weinte da jemand? Ich sah mich nach allen Seiten um und versuchte heraus zu finden, woher das Geräusch kam. Da war es schon wieder. Es musste aus einer Nebengasse kommen. Ich suchte mehrere Straßen ab, bis ich den klagenden Lauten ganz nahe war. Und als ich um die nächste Häuserecke bog, erblickte ich den Ursprung. Zusammen gesunken saß sie da, die Knie nah an den Körper gezogen. Ihre langen, schwarzen Haare bildeten einen schützenden Fächer um ihr Gesicht, welches sie tief in den Händen vergraben hatte. Ich war unsicher, was ich als nächstes tun sollte. Doch sie nahm mir diese Entscheidung ab, als sie erschrocken aufblickte. Leise schien ich nicht gerade gewesen zu sein.
"Ist alles in Ordnung?" fragte ich vorsichtig, mit einem Blick auf ihr tränenüberströmtes Gesicht.
"Ch'pae ch'itt'suvrecah!" Sie wischte sich schnell ihre Tränen ab und rappelte sich auf. Behutsam ging ich auf sie zu.
"Ch'ah told vah ch'atch'pae ch'itt'suvrecah!" schrie sie erneut mit brüchiger Stimme und stapfte davon. Aber so schnell würde sie mich nicht loswerden.
"Du musst nicht so tun. Ich weiß, dass du unsere Sprache sprichst." Ich griff nach ihrem Handgelenk, sobald ich sie eingeholt hatte. Sie zuckte bei der Berührung merklich zusammen. In einem Versuch sich aus meinem Griff zu befreien wirbelte sie zu mir herum.
"Du hast doch längst gewonnen. Jetzt lass mich los!" zischte sie und ihre roten Augen funkelten mich wütend an.
"Gewonnen?" Verwirrt starrte ich sie an und umfasste ihr Handgelenk nur noch stärker.
"Jetzt tue doch nicht so. Du weißt genau was ich meine!"
"Ehrlich gesagt: Nein. Ich wollte dir nur helfen." erwiderte ich mit ruhiger Stimme und ließ sie langsam los. Wem nicht geholfen werden wollte, dem sollte man auch nicht hinterher rennen. Wieso tat ich das eigentlich immer?
Die Chis schien die Sprache verloren zu haben. Unschlüssig schaute sie zwischen mir und der leeren Straße hinter ihr hin und her. Wahrscheinlich wägte sie gerade ihre beiden Möglichkeiten ab. Entweder abzuhauen oder dem Unbekannten wenigstens eine Erklärung zugeben. Sie entschied sich zu meiner Verwunderung für Möglichkeit zwei.
"Nur damit du es weißt: Dein blöder Anmachspruch zieht bei mir nicht." Mittlerweile hatte sie wieder jegliche Emotion aus ihrem Gesicht verbannt. Wahrscheinlich erhoffte sie sich davon, ich würde vergessen, was ich soeben gesehen hatte.Tief im Inneren wussten wir jedoch beide, dass es dafür längst zuspät war.
"Was? Ich habe nur-" setzte ich empört an, doch sie unterbrach mich sofort.
"Und bilde dir ja nichts darauf ein, dass du mich so gesehen hast. Das bleibt unter uns klar?"
"Klar" stammelte ich und sah schweigend dabei zu, wie sie sich von mir abwandte. Dann kam mir wieder in den Sinn, was ich soeben hatte erwidern wollen. Bevor sie mich mitten im Satz abgewürgt hatte. Schnell rannte ich ihr hinterher.
"Du bist eine richtige Klette, weißt du das?" stöhnte sie kopfschüttelnd, als ich ihr bei der nächsten Häuserecke den Weg abschnitt.
"Was für ein Anmachspruch, hm?" Ich stellte mich vor sie und verschränkte meine Arme vor meiner Brust.
"Du musst nicht so tun. Ich weiß, dass du unsere Sprache sprichst." äffte sie mich nach.
"So viele haben das schon versucht. Dachten ernsthaft, dass ich mich auf sowas einlasse. Chiss haben keine Gefühle, für nichts und niemanden."
"Achja? Und wieso hast du dann geweint?" Ihr blasser Gesichtsausdruck verriet mir, dass ich mitten ins Schwarze getroffen hatte. Sie packte mich am Arm und zog mich in die nächste Gasse. Sie besaß viel mehr Kraft als es den Anschein hatte.
"Du darfst es niemanden verraten. Schwöre es!" flehte sie verzweifelt. Ich bereute meine Aussage von eben sofort, als ich die neuen, glänzenden Tränen in ihren Augen erkannte, die sie mit aller Kraft versuchte zurück zu halten. Ihre Fassade fiel nun endgültig in sich zusammen.
"Ich schwöre es." sagte ich sofort und meinte jedes Wort ernst. Aber im Gegensatz zu ihr war für mich die Sache damit nicht beendet.
"Aber ich würde dir wirklich gern helfen." kam ich nochmal auf meine Aussage vor einpaar Minuten zurück.
"Du kannst mir nicht helfen." wehrte sie schniefend ein weiteres Mal ab.
"Vielleicht nicht. Aber ich bin ein guter Zuhörer." Meistens brauchte man nicht viel mehr als das. Sofort eine Lösung für sein Problem zu finden war beinahe unmöglich. Aber darüber zu reden, zu zu geben, dass man Hilfe brauchte, bildete den Anfang.
Der Geschmack von Metall breitete sich in meinem Mund aus, als ich mit dem Rücken zuerst gegen das eiserne Gerüst krachte. Der Turm erzitterte merklich unter dem Zusammenstoß mit meinem abgemagerten Körper und der pochende Schmerz in meinem Brustkorb war kaum zu ertragen.
"Ich habe gesagt zwanzig Minerale! Zwanzig! Und was bringst du mir?" Arcanos Stimme bellte über den Platz, während er den großen Sack aus zerfetzten Stoff vor aller Augen auskippte. Mit einem Klirren landeten die fünf kleinen Kristalle auf dem Boden, der über und über mit Erde verdreckt war.
"Bitte! Es tut mir leid, ich habe nicht mehr gefunden!" flehte ich und erntete dafür nur einen neuen schmerzhaften Tritt. Dieses Mal genau in meine Rippen. Die anderen Gefangenen zuckten bei dem knacken meiner Knochen merklich zusammen und schauten schnell weg. Niemand wollte das gleiche Schicksal erleiden. Arcano stieß erneut seinen Stiefel zwischen meine Schulterblätter und ich schrie schmerzverzerrt auf.
"Seht ihn euch genau an! Das gleiche wird mit euch passieren, wenn ihr meine Befehle nicht befolgt!" Tränen stiegen in meine Augen und nahmen mir zusammen mit dem aufgewirbelten Dreck in der Luft jegliche Sicht. Ich durfte nicht noch einmal schreien. Nicht wenn ich lebend davon kommen wollte, denn das musste ich. Nicht für mich, sondern für sie.
"Revan! Lassen Sie ihn in Ruhe!" schrie sie, bei jedem ihrer Schritte knirschte es unter ihren abgenutzten Schuhen. Mein Schmerz wurde nun überlagert von Angst. Jeder Muskel in meinem Körper brannte. Ich hatte nicht genug Kraft, um mich schützend vor sie zu stellen. Ich konnte mich ja nicht einmal zu ihr umdrehen.
"Wer ist dieses kleine Mädchen?" lächelte Arcano spöttisch und wandte sich von meinem geschundenen Leib ab. Ich hörte wie sie sich trotzig gegen die beiden Söldner wehrte, die nun auf sie zu kamen, sie unter ihren Armen packten und festhielten.
"Sie ist seine Schwester, mein Gebieter." antwortete ihm sein einer Gefolgsmann, während Arcano sich ihr langsam näherte. Nein, das durfte nicht passieren! Ächzend rollte ich mich Millimeter für Millimeter auf meine andere Seite. Meine Verletzungen waren so gravierend, dass mir dabei ein paar Mal schwarz vor Augen wurde.
"Wie alt ist sie?" hörte ich diesen ekelhaften Typen weiter fragen, als ich es endlich geschafft hatte. Die ganze Umgebung drehte sich, weswegen mir nicht anderes übrig blieb, als meine Augen zu schließen. Zum Glück ließ das Schwindelgefühl dadurch allmählich nach.
"11 Jahre, mein Gebieter." lautete die monotone Antwort, als ich blinzelnd meine Augen wieder aufschlug. Arcanos Rücken befand sich direkt vor meinem Sichtfeld und machte es mir unmöglich auch nur einen einzigen Blick auf sie zu erhaschen. Also setzte ich mich mühsam auf, wobei das Brennen in meiner Brust noch mehr an Intensität zu nahm. Die nächste Frage richtete er direkt an sie selbst. Ich kannte dieses Verfahren nur allzu gut. Er fragte immer nach der Zugehörigkeit, dem Alter und dem Namen, bevor er entschied welche Strafe er der- oder demjenigen zu kommen ließ.
"Wie heißt du, Mädchen?" Sie antwortete ihm nicht und ich konnte mir förmlich vorstellen wie sie ihm in diesem Moment bockig ihr Gesicht hin hielt. Ich hätte ihr am liebsten zu geschrien, dass sie ihm antworten sollte. Doch ich hatte kaum genug Kraft um zu atmen. Ein lautes Geräusch ertönte, als er seine Hand auf ihre Wange niederließ.
"Du findest das wohl witzig, was? Sag mir deinen Namen oder es endet böse für dich, Mädchen!"
"Kaydel" schluchzte sie leise und völlig verängstigt.
"Mein Name ist Kaydel." Arcano umkreiste sie, wie ein Tier seine Beute. Sie zitterte am ganzen Körper und spätestens als unsere Augen sich trafen, hatte ich meine Entscheidung gefällt. Jeder einzelne Muskel meines Körpers sträubte sich dagegen aufzustehen. Aber ich musste es tun.
"Was soll ich nur mit dir machen kleine Kaydel?" Immer mehr Tränen bahnten sich den Weg über ihre Wangen, als seine schmierigen Finger durch ihre Haare fuhren, ihr Gesicht berührten und schließlich...
"Geh weg von ihr!" Mein Puls raste nur so vor Anstrengung, aber ich war noch lange nicht fertig. Mühsam zwang ich meinen kraftlosen Körper auf Hände und Knie hoch. Nach ein paar Sekunden schaffte ich es schließlich auf die Beine zu kommen und taumelte rüber zu dem Monster, was meine kleine Schwester in seiner Gewalt hatte.
"Lass deine Finger von ihr!" Mittlerweile hatte ich die beiden erreicht und schob Kaydel hinter mich. Arcano fixierte mich mit zusammen gekniffenden Augen und ich wusste was jetzt folgte. Aber um sie zu beschützen, nahm ich es nur allzu gern in Kauf.
Als ich wieder zu mir kam, herrschte bereits Nachtruhe. In der Mine war es vollkommen still, das Einzige was zu hören war, war das leise Wimmern dicht neben meinem Ohr. Langsam öffnete ich meine Augen, geblendet von einer der vielen alten Gaslampen, die im Gestein angebracht waren. Zu meinen Füßen eine kleine, in sich zusammen gesunkene Gestalt.
"Kaydel?"
"Revan! Du bist wach?" Ich lehnte an einer Gesteinswand, wodurch wir auf derselben Augenhöhe waren.
"Ja" versuchte ich sie zu beruhigen und suchte ihr Gesicht nach Verletzungen ab. Aber da war nichts, außer ein großer, roter Abdruck auf ihrer rechten Wange, den Arcanos Hand dort hinterlassen hatte.
"Ich dachte schon du...du" Sie brachte es nicht über die Lippen und vergrub weinend ihr Gesicht in ihren Händen.
"Hey, es geht mir gut." Es war eine Lüge, von der ich hoffte sie würde sie nicht erkennen. Sie war noch so klein und unschuldig. Es war schon für mich schwer hier unten eingesperrt zu sein, ohne jegliche Aussicht zu entkommen. Ich wollte mir gar nicht ausmalen,wie es sich für sie anfühlte. In den ersten Wochen, nachdem sie uns eines Tages aus unserem Haus zerrten und verschleppten, hatte ich noch Hoffnung gehabt. Dann hatte er meinen Vater getötet. Mein Vater hatte seit Jahren eine offene Wunde an seinem Bein gehabt, die er mangels des Geldes nie von einem Arzt behandeln lassen konnte. Dementsprechend war die Arbeit in den unterirdischen Tunneln der Mine wesentlich anstrengender für ihn gewesen. Er schuftete trotzdem so viel wie alle anderen, aber eines Tages verweigerte ihm sein Bein endgültig den Dienst. Wahrscheinlich wäre er in absehbarer Zeit sowieso gestorben, angesichts dessen wie weit schon seine Sepsis fortgeschritten war. Aber der Tod dem Arcano ihm zukommen ließ, war nichts weiter als pure Grausamkeit gewesen. Sobald wir die Nachricht erhielten, war meine Mutter wie ausgewechselt. Abends saß sie nur noch da, den Blick starr auf eine Felsenformation gerichtet, vollkommen von ihrer Trauer überwältigt. Wir bekamen sie gerade so dazu, dass sie noch zur Arbeit ging. Ihre Kinder schien sie vollkommen vergessen zu haben. Mit unserem Vater hatten wir gleichzeitig unsere Mutter verloren. Ein paar Wochen später, bekamen wir am Morgen die Nachricht, dass sie sich in der vergangenen Nacht von einem der Felsen hinunter gestürzt hatte. Danach war meine Hoffnung endgültig erloschen, aber in Kaydel loderte sie weiter. Egal wie hart die Arbeit war, wie grausam die drohenden Bestrafungen, sie verlor nie ihre Hoffnung. Während ich jeden Abend weinend zusammen gekauert da lag, versprach sie mir, dass wir es schaffen würden.
Ich musste mich sehr zusammenreißen, als ich meine Hand auf ihre Schulter legte. Ich durfte nicht durchscheinen lassen, wie sehr mir die Schmerzen wirklich zusetzten.
"Das glaube ich dir nicht." Misstrauisch beäugte sie die blutverschmierten Verletzungen meiner Beine, die durch den zerrissenen Stoff der Hose durchschienen. Ich entschied mich dafür stur zu bleiben.
"Mir geht es wirklich gut."
"Du hättest mich nicht beschützen sollen." gab sie kopfschüttelnd von sich. War das gerade ihr Ernst?
"Natürlich! Das war absolut notwendig!"
"Warum? Irgendwann wird der Zeitpunkt kommen, wo du es nicht mehr kannst! Willst du genauso enden wie Dad? Oder Mum?" Es war das erste Mal, dass sie das Thema anschnitt. Normalerweise war ich derjenige von uns beiden, der über sie sprach. Und es war das erste Mal, dass sie mir ihre Trauer offen zeigte.
"Ich brauche dich, Revan. Du bist die einzige Familie die noch habe." Erneut schimmerten Tränen in ihren Augen und ich bedeutete ihr, sich neben mich zu setzen. Vorsichtig, aus Angst sie könnte mir weh tun, legte sie ihren Kopf auf meiner Schulter ab.
"Du wirst mich nie verlieren, dass verspreche ich dir." Ich spürte, wie sie schwach an meiner Schulter nickte und beschloss zu unserem kleinen Ritual überzugehen, um sie abzulenken. Ich konnte gar nicht genau sagen, wann wir damit angefangen hatten. Fest stand nur, dass es uns beiden half.
"Gibt es etwas worüber du mit mir reden möchtest?" Noch ein Nicken und sie fing leise an zu erzählen. Vielleicht würden wir nie wieder hier herauskommen. Vielleicht gab es wirklich keine Lösung für unser Problem. Aber darüber zu reden minderte den Schmerz wenigstens etwas.
"Also?" Aber sie war immer noch nicht überzeugt.
"Wieso sollte ich mich einer Kreatur mit Maske anvertrauen?" Das ergab sogar Sinn. Mein Helm trug wahrscheinlich nicht gerade dazu bei vertrauenswürdig zu erscheinen. Es zischte kurz, als ich ihn langsam abnahm. Eine Geste des Vertrauens. Der Verwundbarkeit. Zufrieden beobachtete ich, wie sie mich erstaunt von Kopf bis Fuß betrachtete. Egal wie sehr sie es versuchte zu verbergen, sie konnte ihren Blick nicht von mir lassen. Sie hatte definitiv jemand anderen erwartet.
Es war gut zu wissen, dass es nicht nur mir so ging. Seit unserer ersten Begegnung vor ein paar Stunden im Thronsaal hatte ich sie nicht mehr aus dem Kopf gekriegt.
"Gar nicht übel, was?"
"Wenn du jetzt auch noch arrogant wirst, dann kannst du dich gleich aus dem Staub machen." Abwehrend hob ich meine Hände, aber ein kleines Grinsen konnte ich nicht vermeiden.
"Okay, ich höre auf. Reden wir jetzt?" Sie zögerte noch einen kurzen Moment, ließ sich dann aber langsam an der Häuserwand nieder. Das hieß wohl ja. Ich setzte mich neben die Chis, welche keine Anstalten machte von mir wegzurutschen. Ein Zeichen dafür, dass ich mir schon etwas Vertrauen erarbeitet hatte. Das wollte ich auf keinen Fall kaputt machen. Deswegen versuchte ich dieses Mal nicht ein Gespräch zu beginnen, sondern ließ ihr genügend Zeit um sich zu sammeln.
"Vor ein paar Jahren ist meine Mutter gestorben." begann sie leise.
"Es war ein großer Schock für alle, aber mein Vater litt am meisten. Seine Trauer zerfraß ihn und machte ihn kalt. Alle seine guten Eigenschaften, seine Güte, seine Großzügigkeit, der liebevolle Umgang mit seiner Familie, verschwanden. Früher hätte er versucht eine Lösung für das Flaws Problem zu finden. Heute will er sie vernichten." sagte sie mit bitterer Stimme.
"Aber diese Pflanzen sind tödlich!"
"Das ist nur eine Behauptung, keiner weiß es wirklich. Es geht nur darum alles auszurotten, was anders ist. Weil ihn das an meine Mutter erinnert." verneinte sie meine Aussage. Ich konnte es nicht fassen, was ich da zu hören bekam. Der Planet war vielleicht gar nicht wirklich von einer Seuche befallen? Aber dann liefen wir alle blindlings in eine Falle. Wenn das schon gelogen war, wie konnten wir uns Zurco otuk rerus Unterstützung im Krieg sicher sein? Falls wir sie denn überhaupt bekamen. Inzwischen wäre es mir fast lieber, dass dieser Dameron die Chis für sich gewann. Da hatten wir wenigstens das Problem nicht am Hals.
"Inwiefern war deine Mutter anders?" fragte ich.
"Sie war ein Mensch. Deswegen beherrschen mein Bruder und ich auch so gut eure Sprache. Manchmal frage ich mich wie es in eurer Welt so zugeht. Jeden Abend blicke ich in den Sternenhimmel und versuche mir vorzustellen, was hinter den Unbekannten Regionen liegt." In ihrer Stimme schwang Sehnsucht mit.
"Dann schnapp dir ein Schiff und flieg los. Ich verspreche dir du wirst es nicht bereuen." Ein trauriger Ausdruck trat auf ihr Gesicht.
"Das geht nicht. Es hat sich noch etwas anderes mit dem Tod meiner Mutter geändert. Frauen haben keinerlei Rechte mehr. Sie dienen lediglich dem Vergnügen der Männer. Ich bin schon so lange in diesem Gefängnis aus Eis eingesperrt." Übelkeit und unbändige Wut machten sich in mir breit. Natürlich war auch mir nicht entgangen, dass sie sich bei unserer Audienz im Thronsaal vorhin kein einziges Mal geäußert hatte. Aber das was sie mir erzählte übertraf meine schlimmsten Vorstellungen.
"Jeden Tag hoffe ich, dass etwas anders ist. Dass er mich nicht mit diesem abwertenden Blick ansieht, nur weil ich meiner Mutter so ähnlich sehe." Ich schlang einen Arm um ihre Schultern, als neue Tränen ihr Gesicht zeichneten. Dieses Mal schaltete sie nicht auf stur und versuchte sich von mir zu lösen. Wahrscheinlich zum ersten Mal seit Jahren hatte sie jemanden einen tiefen Einblick in ihre Seele gewährt. Sie hatte ihn mir gewährt und nun musste ich entscheiden, wie ich damit umging.
"Es liegt nicht an dir. Glaub mir, ich spreche aus Erfahrung. Meine Mutter wurde ebenfalls von ihrer Trauer zerstört." Jetzt hatte ich ihr etwas intimes anvertraut. Außer Ben wusste bisher niemand über meine Vergangenheit Bescheid.
"Danke, es tut gut sowas zuhören." murmelte sie leise und wischte sich mit ihrem Handrücken die letzten Tränen von ihrer blauen Haut.
"Kann man denn gar nichts tun, um herauszufinden, ob die Flaws gefährlich sind?" Ich konnte es kaum ertragen, wie bedrückt sie über die Entscheidung ihres Vaters war. Und die Ausrottung einer vielleicht unschuldigen Art würde ich unter keinen Umständen zulassen.
"Dafür müsste man sie untersuchen, aber das Gebiet ist viel zu gut bewacht."
"K'ir ch'ah can'a by vipisbi?" Wir zuckten beide erschrocken zusammen und begegneten Vlasko icars prüfenden Augen. Wo kam der denn auf einmal her? Zisila fing sich als erstes wieder, stemmte sich hoch und tauschte ein paar Worte auf Cheunh mit dem Kommandanten der Armee aus. Ein Glück, dass er die Sprache der Menschen nicht verstand, sonst würden wir jetzt ziemlich in der Klemme stecken.
"Ich muss gehen." Reuevoll wandte sich zu mir um und warte bis der Kommandant außer Hör- und Reichweite war. Dann streckte sie mir ihre Hand hin.
"Es war mir eine Ehre Sie kennen zulernen, Ritter." Verdutzt schaute ich sie an. Wir waren eben noch vertraut und jetzt so förmlich?
"Nimm meine Hand!" flüsterte sie mir zu, als ich nicht reagierte und endlich begriff ich, was sie vorhatte.
"Die Freude liegt ganz meinerseits." Ich deutete eine Verbeugung an und nahm ihre Hand. Die raue Oberseite des Pergaments bohrte sich in meine Handfläche und sie sah mir noch einmal fest in die Augen. Danach stapfte sie davon, inmitten der dichten, fallenden Flocken. Sie hinterließen einen silbrigen Glanz auf ihrem roten Mantel. Selbst als sie schon lange außer Sichtweite war, betrachtete ich noch die zierlichen Abdrücke ihrer Stiefel im Schnee, während ich das Pergament langsam auseinander rollte.
Wir treffen uns heute Abend wieder hier, dann können wir dem Flaws Problem auf den Grund gehen. Vorausgesetzt, du möchtest mir helfen, ansonsten kannst du sofort abreisen!
Ein kleines Lächeln stahl sich auf mein Gesicht, als ich ihre Nachricht las. Ich würde definitiv nicht abreisen, sondern ihr beweisen, dass ich anders war. Jetzt musste ich aber erstmal zurück, Ben suchte bestimmt schon nach mir.
"Da hast du dich also versteckt, Revan." Wenn man vom Teufel sprach. Schnell versteckte ich die Pergamentrolle in meinem Gewand und drehte mich dann zu Ben um, der mit verschränkten Armen an einer Hauswand lehnte. Ich würde ihm erst von der ganzen Sache erzählen, wenn sich herausstellte, dass die Flaws ungefährlich waren. Auf seinen Schultern lastete schon so viel.
"Wie lange stehst du da schon?"
"Lange genug, um zu sehen, dass du hin und weg von ihr bist." sagte der Schwarzhaarige grinsend, was ich sofort verneinte.
"Wir haben nur geredet." Ich wusste nicht was unangenehmer war. Die Tatsache, dass mit jedem Schritt mehr kalter Schnee in meine Stiefel eindrang oder Bens Fragerei.
"Genau und ich bin ein Porg."
"Ein was?" Wollten mich heute eigentlich alle verwirren? Wenn ja, dann gelang es ihnen ausgezeichnet.
"Vergiss es." winkte Ben ab und hatte es plötzlich eilig wegzukommen. Ich betrachtete ihn genauer und spätestens als ich seine wirren Haare und sein gerötetes Gesicht sah, ging mir ein Licht auf.
"Hast du den Begriff etwa von deiner Freundin?" neckte ich ihn, worauf mein bester Freund ruckartig stehen blieb. Da hatte ich aber ins Schwarze getroffen.
"Sie hat auch einen Namen."
"Genau und ich bin ein Flaw." drehte ich den Spieß um. Mittlerweile hatten wir fast das Ende der Straße erreicht und konnten schon einen Blick auf den Hauptsitz erhaschen, der weit über die flachen Dächer der Häuser empor ragte.
"Was für ein Ding?" Ben war wirklich total neben der Spur und das nicht erst seit ein paar Stunden. Erst heute Morgen hatte er sich bei einem Offizier bedankt, obwohl dieser ihm nur den Lagebericht mitgeteilt hatte. Ich wusste nicht wie sie es tat, aber das Jedi Mädchen krempelte ihn komplett um. Und zwar zum Guten.
"Oh oh da hat wohl jemand bei der Besprechung vorhin nicht aufgepasst. Wahrscheinlich warst du in Gedanken schon bei eurem Abenteuer in der Gasse, hab ich recht?" zog ich ihn weiter auf. Ben rempelte mich leicht an, sodass meine Rüstung an einer weißen Hauswand entlang schliff, wo sie dunkle Spuren hinterließ.
"Also erstens: Hör auf meine Witze zu klauen." begann Ben und wollte gerade zu seinem zweiten Punkt übergehen, als vor uns eine alte Frau auftauchte und lauthals anfing zu schreien. Dabei zeigte sie immer wieder auf die Wand ihres Hauses, welche ich soeben verschönert hatte.
"Ach kommen Sie, das Haus brauchte sowieso einen frischen Anstrich. Wenn sie sich jetzt noch ein paar Pflanzen davor stellen, dann ist der neue Look perfekt!" versuchte ich mich raus zu reden. Natürlich verstand sie kein Wort und regte sich weiter auf. Allerdings reichte mir die werte Dame gerade Mal bis zu meiner Hüfte, weswegen wir sie nicht gerade besonders ernst nehmen konnten. Lachend sahen Ben und ich dabei zu, wie sie wütend um uns herum sprang. Erst als sie kurz im Haus verschwand und mit einem großen Stock wiederkam, beschlossen wir das Weite zu suchen. Sie rannte uns noch ein paar Meter hinterher, den Stock in ihren Händen schwingend, bevor sie aufgab.
"So, wo war ich?" fragte mich Ben außer Atem, als wir vor den Stufen des Hauptsitzes zum Stehen kamen. Wortlos zeigte ich ihm zwei Finger.
"Ach ja richtig, Punkt nummero zwei. Porgs sind Vögel, die auf der Insel meines Onkels leben." Schon wieder hatte er mich positiv überrascht. Früher hätte er das Wort Onkel im Zusammenhang mit Luke niemals in den Mund genommen.
"Kann man die essen?"
"Was? Nein!" erwiderte Ben sofort. "Und selbst wenn doch, Rey findet sie anscheinend süß. Also Nein!"
"Rey heißt sie also, ja? Schöner Name." Das war mein voller Ernst. Rey und Ben. Ben und Rey. Das hatte einen schönen Klang.
"Toll, das war mein Punkt Nummer drei. Du bringst meine Ordnung komplett durcheinander. Und ja sie hat einen schönen Namen." gab er zu und kratzte sich am Hinterkopf, um seine Verlegenheit zu überspielen.
"Kann ich sie kennenlernen?" Ich musste nicht in Bens Gesicht schauen, um zu wissen, dass ich ihn mit dieser Frage vollkommen überrumpelt hatte. Natürlich war ich ihr schon ein paar Mal begegnet, aber das war auf dem Schlachtfeld gewesen. Jeder konnte sich denken, dass diese Begegnungen alles andere als erfreulich verlaufen waren. Ich wollte die Person richtig kennen lernen, die meinen besten Freund so glücklich machte.
"Ich weiß nicht." sagte Ben zögernd. Seine Antwort überraschte mich nicht wirklich, schließlich hatten wir uns erst vor kurzem ausgesprochen und er war auch noch nicht lange mit Rey zusammen.
"Ich meine auch nicht sofort. Aber irgendwann mal?" fragte ich hoffnungsvoll.
"Bestimmt." versprach er mir.
Hi, es tut mir wirklich furchtbar leid, dass so lange kein neues Kapitel raus gekommen ist. Ich bin letzte Woche in meine erste, eigene Wohnung gezogen, weswegen ich nicht wirklich zum schreiben gekommen bin. Eigentlich wollte ich auch noch etwas in Reys Sicht in diesem Kapitel schreiben, aber ich hatte mal wieder viel zu viele Ideen für Revans Sicht. Das Bild oben zeigt übrigens den Heimatplanten der Chiss, Csilla. Was denkt ihr, werden Zisila und Revan herausfinden? Und wer von euch weiß jetzt wer Revans Schwester ist?
Eure starline20002 :)
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