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"Ich denke, positives Denken ist extrem wichtig für die Menschheit. Ich meine, natürlich müssen wir uns Gedanken über Morgen machen. Wir müssen uns vorbereiten, und dem ganzen Tag ins Auge sehen. Aber über ein Problem nachzudenken, heißt noch lange nicht, dass man sich Sorgen machen muss, Frau Siema. Der Unterschied zwischen positivem und negativem Denken ist, dass gute Gedanken mit Ursache und direkter Wirkung zu gezielter, konstruktiver Planung führen. Und negative Gedanken für Spannungen, Nervenzusammenbrüche und Magengeschwüre. Wir müssen etwas verändern. Wir alle müssen dazu helfen, dass Menschen glücklicher werden. Das ist meine Meinung, zu der ich stehe."
Wir alle starrten Louis an, der lächelnd zu Frau Siema, unserer Deutschlehrerin blickte. Die Frage war eigentlich nur "Was wir von Negativität halten." Aber Louis brachte eine ganz neue Atmosphäre in den Raum, für manche zumindest. Andere lachten schon wieder über Louis, was dieser aber gekonnt ignorierte, und seine Hände ineinander faltete.
"Sehr schön erklärt, Louis", sagte die Lehrerin schließlich, und machte dann einen prüfenden Blick durch die Klasse. "Teilt diese Meinung noch irgendjemand?"
Als ich mich in dem gefüllten Raum umher sah, erblickte ich das die meisten ihren Kopf gesenkt hatten und auf den Tisch starrten. Kerle wie Luke lachten darüber, und auch wenn Louis immer noch keine Miene verzog, erkannte ich dennoch, dass sein Mundwinkel ein wenig nach unten rutschte.
Genau als Frau Siema weiter machen wollte, erhob ich seit Wochen zum ersten Mal das Wort, und hob meine Hand.
"Ich sehe das noch so."
Louis überraschter Blick ließ mich meinen Magen zusammenziehen und auch wenn ich offen gestanden seine Meinung nicht wirklich teilte, freute ich mich, weil sich sein Gesicht ein wenig erhellte.
Die etwas fülligere Frau an der Tafel nickte zufrieden und ermutigte mich mit einem: "Melde dich ruhig öfter, Harry."
"Du heißt also wirklich Harry", flüsterte Louis mir sofort zu, und langsam blickte ich zu ihm mit großen Augen rüber.
Ich hatte Angst das er den Namen peinlich finden würde. Wiederholt nickte ich nur, und ließ meine Fingerkuppen auf das Holz klopfen. Es war schwierig, denn obwohl Louis erst den zweiten Tag da war, füllte sich mein Bauch mit Schmetterlingen, wenn ich ihn ansah. Ich hoffte, dass es nicht nur daran lag, dass er seit Ewigkeiten der erste war, der sich annäherungsweise für mich interessierte, sondern weil er wirklich etwas besonderes war, und abgesehen davon wirklich nett wirkte. Ich verstand zwar nicht wirklich, welche Methoden er anwendete, und meistens redete er auch ziemlich wirr daher, aber ich mochte ihn. Grundlos.
"Danke das du dich gemeldet hast", hauchte er mir wenige Sekunden rüber, und griff nach meiner Hand. Kaum merklich fegte sich eine Gänsehaut über meinen Rücken, als er vorsichtig mit dem Daumen über meinen Handrücken fuhr. Aber schneller als ich reagieren konnte, war die Hand auch schon wieder weg, und das warme Gefühl, dass ich für wenige Sekunden gespürt hatte, verschwand augenblicklich.
Ich verstand aber absolut nicht, wieso er mit mir redete. Weshalb? Ich erwiderte nicht ein einziges Mal sein Lächeln, ich redete kaum, und war ganz offensichtlich ein Loser. Aber er redete weiter mit mir, und schenkte mir dieses bezaubernde Lächeln, dass mich zwar auf der einen Seite extrem verunsicherte, aber ich auf der anderen Seite auch wirklich wertschätzte.
"Hey Ehm..."
Neugierig sah ich zu dem Braunhaarigen rüber, als der Glockenschlag ertönte und den Schulschluss ankündigte. Schnell stopfte ich alle Hefte in meine Tasche, zog meine Pulloverärmel mehr über meine Hände und kuschelte mich schnell in meine Wärme Winterjacke, da es langsam zunehmend kälter draußen wurde. Als ich Louis ansah, machte sich ein undefinierbares Gefühl in mir breit, denn er sah auf einmal unsicher und schüchtern aus.
"Ja?", murmelte ich Leise, und hasste mich dafür, dass ich barscher klang, als gewollt.
"Ich wollte dich fragen, ob du jetzt noch zu mir willst? Meine Mutter hat gekocht, und ich hab ihr von dir erzählt und.."
"Du hast deiner Mutter von mir erzählt? Was hast du ihr gesagt?"
Es war wie ein Schlag mitten in meinen Bauch. Louis wusste doch gar nichts über mich. Was hatte er seinen Eltern erzählt? Das ich ein nichtsnütziger Freak war, der niemals redete, und gemobbt wurde?
Plötzlich fühlte ich mich wieder ganz klein und unsicher neben ihn, und wütend nahm ich meine Tasche auf den Rücken: "Hab viel zutun", würgte ich ihn grob ab, und lief aus dem Klassenzimmer heraus.
Ich hörte Louis hinter mir herlaufen, aber als ich zu meiner Straße abbiegen wollte, blieb ich nochmal stehen und sah hinter mich. Kein Louis mehr zu sehen. Er war gegangen, und ja vielleicht wollte ich tief innerlich, dass er mir hinterher lief. Aber ich konnte es ihm nicht übel nehmen, dass er es nicht tat.
Ich wusste nicht woran es genau lag, als ich mitten auf dem Weg wieder zu weinen anfing. Die Tränen kamen ungehalten aus meinen roten Augen, und schnell musste ich mich auf den Gehsteig setzen, um nicht wild umher zu taumeln. Schluchzend vergrub ich mein Gesicht in den Knien, und weinte bestimmt erstmal fünf Minuten, bis ich meinen Kopf wieder hob, und versuchte Louis Tipp zu befolgen. Ich versuchte zu Lächeln. Aber ich sah dabei nicht nur aus wie ein entstellter Clown, der eine misslungene Grimasse versuchte, sondern ich konnte es auch einfach nicht. Ich fing nur stärker zu weinen an, und rotzte meine ganze Jacke und meine Hose voll.
Mein Glück war es, dass ich in dieser Straße der einzige war, der hier wohnte aus der Schule. Das letzte was ich gebrauchen konnte, waren die Jungs aus meiner Klasse, die mich in solch einer Situation sahen.
Als ich mich dann weitere zehn Minuten später damit abfand, dass Louis wahrscheinlich jetzt wirklich die Nase voll von mir hatte, trat ich den Nachhauseweg an. Die Augen gerötet, der Magen knurrend und das Herz voller Sehnsucht schreiend, öffnete ich meine Haustüre, und lief auf direktem Wege in mein Bett, um mich dort verkriechen zu können.
🍁 🍁 🍁
Ich war wahrscheinlich gegen Abend vor Erschöpfung eingeschlafen, als es an der Türe klingelte. Ein Blick auf mein Handy sagte mir, dass meine Mutter mittlerweile von ihrem Treffen mit einer Freundin wieder heim gekehrt war, und schluckend stand ich auf, um an der Türe zu lauschen.
Verschiedene unbekannte Stimmen redeten durcheinander, als auf einmal eine Stimme ganz besonders herausstach: Louis.
Meine Augen weiteten sich sofort und schneller als ein Motorradfahrer losrasen könnte, wüstete ich durch mein Zimmer, und räumte alles blitzblank auf. Ich wusste nicht was er hier tat, und das machte mir Angst.
Nachdem ich das Bettlaken zum Schluss noch glatt gestrichen hatte, sah ich in den Spiegel und hätte im nächsten Moment auch schon wieder weinen können. Ich sah wie eine Vogelscheuche aus, meine Haare wie ein Nest, und an meiner Nase klebte widerlicherweise Schnodder. Ich hörte wie jemand die Treppen hinauf ging, und panisch stellte ich mich schnell vor die Türe.
"I-Ich bin nackt!", sagte ich ernst, bevor die Türe geöffnet werden konnte, und zittrig hörte ich gleich darauf ein raues lachen, dass mir die röte in die Wangen trieb.
"Das würde ich gerne sehen", antwortete Louis, und ich konnte mir gut vorstellen, was für ein dreckiges grinsen er auf den Lippen trug. Peinlich berührt schluckte ich schwer, und brachte kein Wort mehr zustande.
Was zur Hölle machte er hier?
"Harry ich weiß das du da nicht nackt bist, bitte mach die Türe auf. Ich weiß es ist ganz schön unhöflich von mir, einfach mit meiner Mutter hier aufzutauchen, wo du nein gesagt hast, aber ich mag dich wirklich. Und ich will dich kennenlernen."
Ich lehnte meinen Kopf an das Holz der Türe, um ihn besser verstehen zu können, und unsicher leckte ich mir über die Unterlippe, während mein Herz wieder Saltos schlug. Ich wollte nicht das er hier war. Niemand war bisher bei mir Zuhause, und das sollte eigentlich so bleiben. Was ist, wenn er mein Zimmer komisch finden würde?
"Einen Moment", blockte ich ihn hauchend ab und tappte schnell zum Spiegel.
Verzweifelt bürstete ich durch meine Haare, damit sie wieder einen natürlichen Glanz bekamen, ehe ich kurz angespannt meinen Bauch hielt, der zu schmerzen vor lauter Aufregung anfing. Mit verzogenen Gesicht wischte ich mir über die Wangen, zog mir schnell einen neuen Pullover an und ging dann zur Türe.
Sobald ich die Türe geöffnet hatte, empfang mich wie schon so oft das Lächeln des Älteren. Sein Blick wechselte einmal von unten nach oben, was in mir beinahe Schweißausbrüche verursachte. Bevor ich aber nachfragen konnte, woher er überhaupt meine Adresse hatte, griff er vorsichtig nach meiner Hand und drückte sie wieder.
"Du siehst wunderschön so aus. Vertrau mir, der Abend wird toll. Ich verspreche es dir."
Aber das glaubte ich ihm nicht.
[Gewöhnt euch nicht an
Doppelupdates haha. Aber vielleicht bekomme ich die Story morgen noch fertig geschrieben x wie findet ihr es bisher ?]
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