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Kapitel 22

Songempfehlung: Novo Amor - Keep me

»Hattet ihr ernsthaft Sex im Poolhaus?«, aus großen, neugierigen Augen stierte Reya uns über den Frühstückstisch hinweg an und ich verschluckte mich beinahe an meinem Kaffee. Hastig stellte ich die Tasse wieder zurück auf den Tisch, während Julian links von mir laut seufzte. Um ein Haar hätte ich Reyas Nonchalance vergessen.

»Kümmere dich um deinen eigenen Kram, Nervensäge«, maßregelte Julian seine kleine Schwester, während er sich ein Stück Obst in den Mund schob und sich dann in seinem Stuhl demonstrativ nach hinten lehnte. Seinen Arm legte er hinter meinem Rücken auf meiner Stuhllehne ab.

»Du nennst mich eine Nervensäge?«, Reya schnaubte empört und zupfte das Croissant auf ihrem Teller in hundert Einzelteile. »Ich bin nicht diejenige, die die halbe Nachbarschaft mitten in der Nacht mit meinem Stöhnen aufgeweckt hat.«

Lydia hüstelte laut und Julians Dad Joseph hielt die Zeitung in seinen Händen ein Stückchen höher, um sein Gesicht zu verbergen, als könnte er dem nicht salonfähigen Gespräch somit aus dem Weg gehen.

»Du bist ja nur neidisch, weil dein Liebesleben so gut wie nicht existent ist«, konterte Julian und bedachte seine Schwester mit einem vielsagenden Blick.

Damit traf er wohl direkt ins Schwarze.

Reyas Blick verdunkelte sich und einen Moment später landete ein Stück ihres Croissants in Julians Gesicht.

»Herrgott, Kinder! Wo sind eure Manieren geblieben? Könnt ihr euch nicht einmal beim Frühstück benehmen?«, Lydias Stimme fegte über den Tisch hinweg, wie ein eisiger Sturm und im Bruchteil einer Sekunde herrschte Stille im Esszimmer. Ganz eindeutig, wer hier das Familienoberhaupt war.

Reya zog eine Schippe, ließ es sich jedoch nicht nehmen, ihren Bruder mit einem letzten bösen Blick zu strafen.

»Er hat angefangen!«, murmelte sie noch, ehe sie begann, wieder mürrisch ihr Croissant zu zerlegen.

»Es ist mir gleich, wer von euch angefangen hat. Wir diskutieren das Liebesleben deines Bruders bestimmt nicht beim Frühstückstisch«, mahnte Lydia mit strengem Blick, der sich eine Sekunde später voller Missbilligung auf Reyas Teller richtete. »Und dein Croissant sollst du essen, nicht zerrupfen wie ein Huhn.«

Reya blickte zerknirscht auf ihren Teller und ließ entmutigt die Schultern sinken. Dann zwang sie sich ein paar Bissen herunter, was Lydia wohl mit zufriedenem Gesichtsausdruck zur Kenntnis nahm. Offenbar war auch Lydia Reyas Gewichtsverlust in den letzten Wochen nicht verborgen geblieben, denn der besorgte Unterton ihrer Worte schien keinem am Tisch entgangen zu sein. Immerhin schien Reya ihre spitze Zunge allmählich wiederzufinden, was ich - auch wenn es auf meine Kosten ging - freudig zur Kenntnis nahm. Ein erster Schritt in die richtige Richtung.

Nachdem Julian und ich letzte Nacht von seiner Mutter im Poolhaus erwischt worden waren, hatten wir die Nacht im Anwesen der Wrights verbracht. Julians Kinderzimmer hatte mich überrascht. Statt Poster, Spielkonsolen oder anderem Teeniekram fand ich mich in einem schlichten, blau gestrichenen Zimmer mit Bücherregalen und Kampfsporttrophäen wieder. Nun ja, was war jedoch auch anderes von jemandem zu erwarten, der sich mit neunundzwanzig Jahren schon einen Professor nennen durfte?

Das restliche Frühstück verlief relativ ruhig und ereignislos. Julian und Reya schienen ihr Kriegsbeil Lydia zuliebe begraben zu haben. Dennoch lag eine Anspannung in der Luft, die mit Händen förmlich zu greifen war. Eine Anspannung, die der Tatsache geschuldet war, dass Julian und mir noch ein Gespräch bevorstand. Ein Gespräch, das gleichermaßen peinlich wie auch unangenehm sein würde. Während des gesamten Frühstücks zerbrach ich mir den Kopf darüber, was Lydia wohl besprechen wollte. Julian hingegen wirkte völlig tiefenentspannt, als hätte seine Mutter uns nicht mitten in der Nacht in ihrem Poolhaus erwischt, womit wir uns sicherlich eine saftige Gardinenpredigt einhandelten.

Ich würgte den letzten Bissen meines Croissants herunter und vermied es vehement weder Julians Dad noch seiner Mutter in die Augen zu schauen. Die alleinige Gewissheit, dass alle Anwesenden um unser nächtliches Stelldichein Bescheid wussten, war maximal unangenehm.

Als Reya begann, den Tisch abzuräumen, nutzte ich die Gunst der Stunde und ging ihr zur Hand. Jede Ablenkung war mir recht. Doch kaum hatten wir für Ordnung gesorgt, dröhnte Lydias Stimme durch die Küche.

»Reya, würdest du uns für ein paar Minuten alleine lassen?«

Reya nickte zustimmend und machte Anstalten, die Küche zu verlassen. Bevor sie jedoch durch die Tür verschwand, warf sie mir einen kurzen Blick über die Schulter zu.

Ihre Lippen zierten ein gehässiges Lächeln.

Oh ja, die alte Reya kehrte allmählich zurück.

Wären ihre Eltern nicht anwesend, hätte ich ihr ohne zu Zögern den Mittelfinger gezeigt. Doch stattdessen riss ich meinen Blick von ihr los und richtete ihn mit vor Aufregung pochendem Herzen auf Lydia. Julian lehnte sich auf seinem Stuhl gemächlich zurück, als wüsste er bereits, was nun folgte.

Ein lautes Knarzen ertönte, als Julians Dad den Stuhl zurückschob, seine Zeitung zusammenfaltete und sich erhob.

»Oh nein, Joseph, wage es nicht, jetzt schon wieder die Flucht zur ergreifen!«, mahnte Lydia, die das Vorhaben ihres Mann wohl durchschaute. Aus grünen Augen funkelte sie ihren Mann mit tödlichem Blick an, den wohl jeden in die Knie gezwungen hätte. Einem Blick, der mich unweigerlich jedem Befehl hätte Folge leisten lassen.

Doch Joseph schenkte Lydia nur ein warmes, entschuldigendes Lächeln.

»Ich habe zwei Kaffee getrunken, Schatz. Die Toilette und mein Kreuzworträtsel rufen«, sein Tonfall hatte etwas Scherzhaftes an sich. Er beugte sich zu seiner Frau herab, um ihr einen Kuss auf den Scheitel zu drücken. »Du bist in diesen Dingen ohnehin besser, als ich.«

Ein leises, amüsiertes Lachen erklang seitens Julian, während Joseph von seiner Frau abließ, sich die Zeitung schnappte und die Küche verließ.

Lydia sah Joseph seufzend hinterher, ehe sie sich in unsere Richtung wandte.

»Na schön«, sie stemmte die Hände in die Hüfte und ließ ihren Blick abwechselnd zwischen Julian und mir hin und her gleiten, als suche sie nach den richtigen Worten. Unbehagen breitete sich in mir aus und ich erwartete jeden Moment, ordentlich die Leviten gelesen zu bekommen. Auch wenn ich fast zwanzig Jahre alt und durchaus in der Lage war, meine eigenen Fehler zu begehen, fühlte ich mich in diesem Augenblick wie ein kleines Kind.

»Ihr seid beide erwachsen. Ich werde euch keine Vorschriften machen oder mich groß in euer...«, sie räusperte sich. »Liebesleben einmischen. Aber-«, sie hob maßregelnd den Zeigefinger. »Ihr befindet euch in einer besonderen Situation. Eine Situation, die sehr gefährlich ist. Ich hoffe, das ist euch beiden bewusst.«

»Mom-«, warf Julian genervt ein, doch sie schnitt ihm das Wort ab.

»Ich meine es Ernst«, sie warf ihm einen strengen Blick zu und mit einem Mal wirkte sie nicht mehr wie die lockere, herzliche Frau, als die ich sie kennengelernt hatte. Nein. In diesem Moment war sie nicht mehr und nicht weniger, als eine besorgte Mutter.

»Laney ist deine Studentin. Es gibt einen Grund, weshalb Beziehungen zwischen Professor und Student verboten sind. Es herrscht ein großes Machtgefälle zwischen euch und wenn diese Sache böse endet, könnte man annehmen, dass du Laney eine bevorzugte Behandlung hast zukommen lassen oder aber...«

»Mom«, warf Julian mit ernstem Tonfall ein und sah ihr direkt in die Augen. »Ich bin durchaus in der Lage, Laney eine objektive Beurteilung ihrer Leistungen zukommen zu lassen.«

Ich hielt angespannt die Luft an und instinktiv musste ich an meinen Aufsatz letztes Semester denken, bei dem Julian mir Bestnote erteilt hatte.

Ein ungutes Gefühl braute sich in meinem Magen zusammen und zum erneuten Mal fragte ich mich, ob ich diese Note wirklich verdient hatte - oder nicht. Immerhin war der Aufsatz über die ethische Auseinandersetzung zu lebensverlängernde Maßnahmen zum Teil auch aus Rache an Julian entstanden.

»Bist du das, Julian?«, ungerührt erwiderte Lydia den Blick aus seinen Augen. Die beiden standen sich in nichts nach.

»Ja« Julians Antwort kam derart prompt und ohne Zögern, dass mein Blick überrascht zu ihm wanderte.

Eine ganze Weile hing Stille über dem Raum.

»Wieso sprichst du nicht einmal mit Misha? Er ist Anwalt, Julian, er könnte euch helfen, falls die Dinge unschön werden und...«

»Nein

Das Wort durchschnitt den Raum so schnell und schmerzlos wie ein Pfeil. Im Bruchteil einer Sekunde stand Julians gesamter Körper unter Anspannung und jegliche Leichtigkeit entwich ihm.

Lydia hatte einen wunden Punkt getroffen.

»Julian«, versuchte sie es erneut und ihre Stimme nahm sofort einen sanfteren Tonfall an. Auch ihre Mimik veränderte sich. Wurde zärtlich. »Was Misha getan hat, war absolut unverzeihlich. Aber meinst du nicht, es ist an der Zeit, die Vergangenheit ruhen zu lassen? Zu verzeihen? Du möchtest dir eine neue Zukunft aufbauen. Du hast sogar eine neue Frau gefunden«, sie legte eine bedeutungsvolle Pause ein und bei ihren letzten Worten wanderte ihr Blick kurz zu mir. Ein warmer Ausdruck lag in ihren grünen Augen, bei dem mein Herz einen Sprung machte. »Es ist an der Zeit, mit der Vergangenheit abzuschließen. Misha vermisst dich. Er möchte...«

»Es ist mir egal, was Misha möchte«, Julians Tonfall war eiskalt, so sehr, dass seine Stimme hätte Glas schneiden können. »Und dir sollte es auch egal sein.«

Lydia schluckte schwer.

»Schätzchen«, entgegnete sie und griff nach seiner Hand. »Es ist dir nicht egal und es wird dir auch niemals egal sein. Genauso wenig, wie es mir egal sein wird. Misha ist für dich wie ein Bruder und für mich wie ein Sohn. Das wird er immer sein. Bitte, versuche zumindest mit ihm zu reden. Hör dir an, was er zu sagen hat.«

Julian schnaubte abfällig und entzog seiner Mutter die Hand.

»Ich bin dein Sohn. Jacob war dein Sohn. Aber Misha ist es nicht und er wird es niemals sein. Er hat dieses Privileg verwirkt, als er mich hintergangen hat.«

Lydia zuckte bei der Erwähnung von Jacobs Namen unwillkürlich zusammen und der dunkle Anflug von Schmerz, der über ihr Gesicht huschte, war Indiz dafür, wie sehr sie der Verlust ihres jüngsten Sohnes noch zu belasten schien.

»Julian«, sie schüttelte schmerzerfüllt und mit glasigen Augen den Kopf. »Tu das nicht.«

Julian ignorierte sie.

»Ich dachte du wolltest über Laney und mich sprechen und nicht über Misha«, erwiderte er schroff und starrte stur wie ein Esel auf die Tischplatte. Die Art und Weise, wie er den Namen seines ehemals besten Freundes aussprach, war kälter als die Antarktis.

Lydia seufzte resigniert, gab dann jedoch ein geschlagenes Nicken von sich.

»Ich werde mich nicht in eure Beziehung einmischen, Julian. Ich wollte euch nur daran erinnern, vorsichtig zu sein. Ich möchte ungern sehen, wie ihr beide euch ins Unglück stürzt. Das ist alles.«

»Das wird nicht passieren«, erwiderte Julian trocken und erhob sich vom Tisch. »Sind wir hier fertig?«

»Julian...«, startete Lydia einen letzten Versuch, ihren Sohn, der sichtlich aufgebracht war, zu beruhigen. Doch er wandte ihr den Rücken zu und stürmte wortlos aus der Küche. Fassungslos starrte ich ihm hinterher. Ich hatte Julian erst ein einziges Mal derart aufgebracht erlebt - und das war, als wir uns fruchtbar gestritten hatten - ebenfalls wegen Misha.

Zu gut erinnerte ich mich noch daran, als ich ihm gebeichtet hatte, dass ich Misha bereits kannte. Genauso, wie ich mich an seine unbändige Wut und seine Enttäuschung erinnerte und die gemeinen Worte, die er mir an den Kopf geworfen hatte.

In diesem Moment wurde mir schlagartig bewusst, dass es bei unserem damaligen Streit überhaupt nicht um Daphne gegangen war. Nein, es ging um Misha. Es ging die ganze Zeit um Misha.

Er war Julians Achillessehne.

Sofort überkam mich das Bedürfnis, Julian nachzugehen. Für ihn da zu sein. Doch gerade als ich im Begriff war, mich zu erheben, fiel mein Blick auf Lydia, die traurig am Tisch saß und noch immer auf den Stuhl starrte, an dem Julian soeben noch gesessen hatte.

Urplötzlich empfand ich Mitleid mit Lydia.

Ich verstand Julians Ärger. Das tat ich wirklich. Lydia war seine Mutter. Seine Familie. Blut war dicker als Wasser. Und dennoch... Lydia und Joseph hatten auch Reya adoptiert, hatten sie in ihr Haus aufgenommen, behandelt wie ihre leibliche Tochter. Vielleicht war es mit Misha ähnlich? Auch wenn er nicht offiziell zur Familie Wright gehörte. Auch wenn Misha nicht ihr eigen Fleisch und Blut war. Er schien für Lydia trotzdem wie ein Sohn zu sein...

»Es tut mir leid, Lydia.«

Meine Worte schienen sie aus ihrer Trance zu reißen, denn sie hob abrupt den Kopf und sah mich an. Ihre Lippen verzogen sich zu einem traurigen Lächeln.

»Dir muss nichts leid tun, Laney. Mir tut es leid, dass du diesen Streit miterleben musstest.«

»Oh, ich hatte diesen Streit auch schon mit Julian geführt, aber er kann ziemlich dickköpfig sein.«

Lydias Lächeln wurde breiter. Aufrichtiger.

»Oh ja, das klingt nach Julian. Er steht sich und seinem Seelenfrieden selbst im Weg.«

»An Zorn festhalten ist wie Gift trinken. In der Hoffnung, dass der andere daran stirbt.«

»Buddha«, Lydia lächelte. »Ich sehe schon, warum du Philosophie studierst.«

»Und ich sehe, woher Julian seine Leidenschaft hat«, ich erwiderte Lydias Lächeln.

Kurz herrschte Stille über der Küche. Dann wurde ihr Gesicht wieder etwas ernster.

»Es war nicht Daphnes Verrat, den Julian damals so sehr mitgenommen hatte. Es war Mishas.«

Ich schluckte schwer. Auch wenn ich diese Wahrheit bereits wusste, so war es noch einmal etwas anderes, sie aus dem Mund seiner Mutter ausgesprochen zu hören.

»Du solltest zu ihm gehen, Laney. Er braucht dich jetzt. Vielleicht schaffst du es ja irgendwann, zu ihm durchzuringen.«

»Weil er Misha verzeihen soll?«, fragte ich zweifelhaft, denn ich befürchtete, dass Julian seinem besten Freund jemals vergeben würde.

»Ja«, erwiderte sie und sah mir fest in die Augen. »Aber nicht um Mishas Willen.«

Ich lächelte, denn ich verstand, worauf sie hinauswollte.

Dann nickte ich und machte mich auf die Suche nach Julian. Zehn Minuten später saßen wir in seinem Dodge und waren auf dem Weg zurück zum Campus. Reya blieb gemeinsam mit Sam noch ein paar Nächte in Hartford, da sie die Spring Break Ferien mit ihre Eltern noch ausnutzen wollten, um zu wandern. Es war schön mitanzusehen, dass Sam ein solcher Familienhund zu sein schien und sich sowohl bei Julian, als auch bei den Wrights pudelwohl fühlte.

Die Fahrt zurück nach New Haven verbrachten wir mit Schweigen. Ich hatte die ganze Zeit über das Bedürfnis, Julian auf Misha anzusprechen. Doch seine harte, kalte Miene, die einer einzigen Maske glich, hielt mich davon ab.

Julian lenkte den Wagen in die High Street und schaltete den Motor ab.

»Danke für den schönen Tag gestern«, ich lächelte vorsichtig. »Auch wenn wir von deiner Mom beim Beinahe-Sex erwischt wurden, was super peinlich war!«

Zum ersten Mal seit der Fahrt drehte er sich in meine Richtung und sah mich an. Er erwiderte mein Lächeln, auch wenn es seine Augen nicht erreichte. Die Schatten des Gespräches über Misha verdunkelten seine Züge noch immer.

»Ich fand es auch sehr schön, Laney.«

Wieder herrschte Schweigen im Auto und Julians Augen fixierten einen Punkt in der Ferne. Er war völlig versunken in seinen Gedanken.

»Alsooo«, begann ich, um seine Aufmerksamkeit zurück auf mich zu lenken und schenkte ihm ein breites Grinsen. »Nun, da ich deine Familie richtig kennengelernt habe, ist es an der Zeit, dass du meine kennenlernst. Magst du vielleicht an Ostern mit nach Waterbury kommen?«

Julian sah mich überrascht von der Seite her an. Dann verzogen seine Lippen sich zu einem Lächeln. Eines, das dieses Mal fast seine Augen erreichte, wie ich mit Freuden feststellte.

»Natürlich, Laney. Ich freue mich darauf, deine Eltern bei einem Essen besser kennenzulernen.«

»Super«, ich klatschte aufgeregt in die Hände. »Dann gebe ich ihnen später Bescheid.«

Julian schien sich mit mir zu freuen, auch wenn ich noch immer nicht das Gefühl los wurde, dass ihn das Gespräch mit Lydia wie eine dunkle Gewitterwolke zu verfolgen schien.

Seufzend beugte ich mich nach einer Weile nach vorn und hauchte ihm zum Abschied einen Kuss auf die Lippen. Sofort umfing mich ein wohlig, warmes Gefühl. Doch die Art und Weise, wie Julian meinen Kuss erwiderte, verriet mir, dass er in Gedanken ganz woanders war.

Also strich ich ein letztes Mal über seine Hand und ließ von ihm ab. Dann stieg aus dem Wagen.

»Weißt du, Julian«, erwiderte ich nach kurzem Zögern und drehte mich noch einmal zu ihm um. »Ich weiß wie es ist, wenn man hintergangen wird. Letzten Herbst erlebte ich auch einen ziemlich großen Verrat. Es hat mir das Herz gebrochen«, ich sah ihm unmittelbar ins Gesicht und spürte, wie Julian sich bei meinen Worten sofort anspannte. Oh ja, er wusste haargenau worauf ich anspielte. Ich holte ebenfalls tief Luft und nahm all meinen Mut zusammen, dann fuhr ich fort. »Ich dachte auch, dass ich dieser Person niemals wieder verzeihen könnte. Ich wollte ihr niemals wieder verzeihen. Ich war sauer und enttäuscht. Aber meine Mom sagte mir, dass jemandem zu vergeben nicht bedeutet, schwach zu sein. Zu vergeben bedeutet Stärke. Stärke und Freiheit. Wenn du Misha also schon nicht um seinetwillen vergeben möchtest, dann tu es für dich. Für deinen Seelenfrieden«, ich legte eine bedeutsame Pause ein, ehe ich meine letzten Worte mit Bedacht wählte. »Denk darüber nach.«

Damit und mit einem letzten Lächeln schlug ich die Tür hinter mir zu und ging.

Was beschrieb das Wörtchen unangenehm am Besten? Diese Frage heute zu beantworten, war ein Kinderspiel. Denn was sollte unangenehmer sein als die Tatsache, seinen festen Freund zum ersten Mal offiziell den Eltern vorstellen zu wollen, nur um festzustellen, dass diese ihre Nachbarn ebenfalls eingeladen hatten? Nachbarn, bei deren Sohn es sich rein zufällig um meinen besten Freund handelte, mit dem ich mein erstes Mal Sex gehabt hatte. Oh, und nicht zu vergessen - besagter bester Freund, der seither unsterblich in mich verliebt war und meinen jetzigen Partner nicht ausstehen konnte. Dass die beiden sich einmal beinahe geprügelt hätten, musste ich wohl nicht erwähnen, oder?

Yep. Super unangenehm.

Julian und ich saßen nebeneinander. Josh und seine Eltern gegenüber von uns, während Mom und Dad jeweils am Kopfende des Tisches Platz gefunden hatten.

Die Stimmung war angespannt. Doch unseren Eltern schien es nicht aufzufallen. Stattdessen plauderten sie wie immer fröhlich vor sich hin und unterhielten sich über die Kanzlei. Lediglich Dad, der immer mal wieder vielsagende Blicke in meine Richtung warf, nahm wohl Kenntnis von der Anspannung, die die Luft im Raum wie elektrisch aufzuladen schien.

Sollte Julian sich unwohl fühlen, so ließ er sich jedenfalls nichts anmerken. Er verhielt sich wie der perfekte Schwiegersohn - freundlich, zuvorkommend und kommunikativ. Doch was hatte ich auch anderes von ihm erwartet?

Es war sein täglich Brot vor hunderten von Menschen zu referieren. Natürlich fiel es ihm leicht, sein Charme auch bei meinen Eltern spielen zu lassen, zumal er beide bereits kennengelernt hatte.

»Ich freue mich so sehr, dass Laney dich endlich einmal mitbringt, Julian«, Moms herzliche Stimme hallte über den Tisch hinweg und sie schenkte Julian ein breites, fröhliches Lächeln. Ein Lächeln das zu sagen schien: Vielleicht schaffst du es ja, sie zur Vernunft zu bringen, sodass sie endlich einer OP zustimmt. Ja, meine Mom war leicht zu durchschauen. Liebe bedeutete Hoffnung und Hoffnung bedeutete, dass ich dem Leben möglicherweise eine zweite Chance geben würde - zumindest in Moms Kopf. Ihre Gedanken waren ziemlich laut.

»Ich danke Ihnen für die Einladung, Mrs. Taylor.« Julian erwiderte Moms Lächeln charmant. Ein Lächeln, das die Macht besaß, Frauenherzen im Sturm zu erobern - und Mom stellte da keine Ausnahme dar, wenn man ihren schmachtenden Blick und ihr verträumtes Lächeln bedachte.

»Ach, nenn mich doch Janet!«, sie winkte ab. »Wir sind unglaublich froh, dass Laney endlich jemand Besonderen gefunden hat. Wir dachten schon, dass sie niemals jemanden mit nach Hause bringt.«

»Mom!«, zischte ich empört, während Josh noch im selben Moment seine Gabel fallen ließ. Sie glitt aus seiner Hand und landete laut klirrend auf dem Teller. Das Geräusch ließ mich ertappt zusammenzucken und zum gefühlt tausendsten Mal, seit Julian und ich das Haus betreten und Josh entdeckt hatten, überschwemmten mich die Schuldgefühle. Jede Sekunde, in der Josh Julian und mich zusammen sah, litt er Höllenqualen. Ich sah es ihm an. Sah es in seinen Augen. Doch man musste ihm zugute halten, dass er sich wacker schlug. Nun ja, bis eben jedenfalls, als er seine Gabel hatte fallen lassen.

»S-sorry«, murmelte er peinlich berührt und senkte den Kopf. Mein Körper versteifte sich und vehement mied ich es, in Joshs Richtung zu schauen.

Oh mann.

Diesen Abend als unangenehm zu beschreiben, war die reinste Untreibung.

Mom nahm natürlich keinerlei Notiz von der Kuriosität des Augenblicks. Stattdessen gluckste sie vergnügt über ihren Scherz und nahm einen Schluck von ihrem Weinglas.

»Also, Julian«, mischte sich nun Chloe ein, Joshs Mom, und wandte sich unmittelbar in Julians Richtung. »Wie habt ihr beide euch denn kennengelernt?«

Sofort verspannte ich mich wieder und ich zwang meine Lippen zu einem verkrampften Lächeln. Hatte Mom Chloe denn nichts von meiner Beziehung zu Julian erzählt oder beabsichtigte Chloe, uns nur in Verlegenheit zu bringen?

Sobald ich allerdings in Chloes warme, braune Augen blickte, wusste ich, dass ihre Frage aufrichtig und ehrlich gemeint war. Sie hegte keine bösen Absichten. Mom unterdessen begann unruhig auf ihrem Stuhl herumzurutschen. Bingo. Mom hatte ihrer besten Freundin nichts davon erzählt, dass ihre Tochter eine geheime Beziehung zu ihrem Professor unterhielt. Allem Anschein nach war Chloe für den heutigen Abend sowie dessen Tabu-Themen nicht gebrieft.

Schweiß brach mir aus und während ich krampfhaft nach einer Notlüge suchte, begann Julian einfach zu sprechen.

»Wir haben uns in Yale kennengelernt. Zu Beginn konnten wir uns eigentlich nicht ausstehen aber...«, Julians Gesicht drehte sich in meine Richtung und aus glühend grünen Augen sah er mich an. Ein Blick, der so voller Wärme und... Liebe war. Es verschlug mir beinahe die Sprache. Unter dem Tisch griff ich instinktiv nach seiner Hand. Mein gesamter Körper begann zu kribbeln von unserer Berührung.

Es herrschte kurze Stille am Tisch, ehe Chloe das Gespräch wieder aufnahm.

»Sie studieren also auch in Yale?«

Diese Frage riss Julian und mich aus unserer kleinen Blase. Aus großen Augen sah ich zu Chloe rüber. Ein verlegenes Räuspern erklang seitens Julian.

»Nun... Ich studiere nicht. Ich unterrichte. Philosophie.«

Peinliches Schweigen.

Dann:

»Oh«, Chloes Augen weiteten sich vor Erstaunen. Erkenntnis spiegelte sich auf ihrem Gesicht wider und ihr Blick wanderte zwischen Julian und mir hin und her. Chloe war nicht blöd. Sie konnte eins und eins zusammenzählen. Auch Cam, Joshs Dad, schien überrascht zu sein und hielten mitten im Essen inne.

Selbst Joshs Augen lagen auf mir.

Peinlich berührt senkte ich den Blick. Ich schaffte es nicht, den beiden in diesem Moment in die Augen zu schauen. Zu gerne hätte ich in die Köpfe der drei geschaut, um herauszufinden, was sie dachten. Hatten sie nun ein anderes Bild von mir? Verurteilten sie mich? Dachten sie womöglich, dass ich Julian ausnutzte, um bessere Noten zu bekommen? Oder glaubten sie womöglich, dass ich naiv und jung war und mich von meinem Professor ausnutzen ließ?

Nur weil sowohl Mom und Dad, als auch Lydia und Joseph sich nicht an der Tatsache zu stören schienen, dass es sich bei Julian um meinen Professor handelte, hieß das nicht, dass andere genauso entspannt reagierten.

Doch noch ehe Chloe und Cam irgendetwas erwidern konnten, erhob Julian sich vom Tisch.

»Ich müsste mal Ihr Badezimmer benutzen.«

Das war mein Stichwort.

»Ich zeige es dir«, kam es wie aus der Pistole aus mir geschossen und hektisch spritzte ich vom Tisch hoch. Ich konnte es kaum erwarten, mir eine kurze Verschnaufpause zu stehlen, um den wertenden Blicken von Joshs Eltern zu entkommen.

Julian und ich erhoben uns und verließen das Esszimmer. Ich ging voraus in Richtung des Badezimmers im Erdgeschoss.

»Hier ist das Bad, du kannst...«, weiter kam ich nicht, denn Julian griff schneller als ich begreifen konnte nach meiner Hüfte und wirbelte mich mit einem Ruck zu sich herum. Ich stieß gegen seine Brust und starrte überrascht zu ihm hoch.

Seine grünen Augen funkelten verschwörerisch, während seine Hände sich um meine Taille schlangen und mich an sich drückten. Instinktiv erwiderte ich seine Umarmung und lächelte ihn an. Im Gegenzug erhielt ich ein spitzbübisches Grinsen.

»Ich muss nicht ins Badezimmer. Ich wollte nur einen kurzen, privaten Moment mit meiner Freundin.«

Meiner Freundin.

Seine Worte lösten absolutes Wohlwollen in mir aus und Schmetterlinge erwachten in meinem Bauch zum Leben.

»Du willst mich also für dich alleine, hm?«, neckte ich ihn und kam seinen Lippen gefährlich nahe. Julian lächelte.

»Du weißt, ich teile nicht gerne.«

Ich rollte mit den Augen.

»Du weißt schon, das du auf meine Familie nicht eifersüchtig sein musst, oder?«

»Aber vielleicht auf deinen Ex.«

Verwirrt wanderten meine Brauen nach oben.

»Josh ist nicht mein Ex und das weißt du.«

Julian hüllte sich in Schweigen, doch sein unheilvoller Gesichtsausdruck sprach Bände. Ich seufzte resigniert.

»Es tut mir leid, ich wusste nicht, dass er und seine Eltern heute auch hier sein würden. Für ihn ist das sicherlich genauso unangenehm, wie für dich.«

Julian wandte den Blick ab und nickte gedankenverloren. Als er mich wieder ansah, lag ein ernsthafter Ausdruck auf seinem Gesicht.

»Ich habe mich nicht wohl dabei gefühlt, Joshs Eltern die Wahrheit über unsere Beziehung zu erzählen«, wechselte er plötzlich und unerwartet das Thema. Doch ich nickte zustimmend, denn mir erging es genauso. Es war sehr unangenehm gewesen, die beiden über Julians und meine Beziehung aufzuklären.

»Es wissen zu viele Leute, Laney. Wir müssen uns etwas überlegen, ehe uns alles um die Ohren fliegt.«

Ich schluckte schwer, nickte aber erneut in stiller Zustimmung. Julian hatte Recht. Wir mussten uns dringend etwas überlegen. Wir spielten mit dem Feuer und die Sache zwischen uns wurde zunehmend komplizierter. Gefährlicher. Hinzu kam mein Gesundheitszustand, der sich mehr und mehr verschlechterte. Ich spürte es, spürte, dass mir die Zeit davon rann, wie eine Handvoll Sand, der durch meine Finger glitt.

Ich würde mich bald entscheiden müssen.
Eine Entscheidung zwischen Hoffnung oder Resignation. Neuanfang oder Ende. Leben oder Tod.

Doch ich wollte nicht erneut für schlechte Stimmung sorgen, also behielt ich diese Tatsache für mich. Stattdessen beugte ich mich vor und drückte einen sanften, zärtlichen Kuss auf seine Lippen.

»Wir werden eine Lösung finden, versprochen.«

Mom und ich brachten Josh und seine Eltern noch zur Tür und verabschiedeten uns. Der restliche Abend war relativ ruhig verlaufen. Chloe und Cam hatten glücklicherweise nicht mehr nach den Umständen von Julian und meinem Kennenlernen gefragt. Allerdings vermutete ich, dass Mom während unserer Abwesenheit die Fäden gezogen und Chloe und Cam aufgeklärt hatte.

Mom ging nach der Verabschiedung an der Tür zurück zur Küche, während ich mich ein letztes Mal zur Haustür umdrehte. Josh war der letzte, der durch die Tür ging.

»Hey Josh?«, hörte ich mich selbst rufen.

»Ja?«, sofort drehte er sich um und starrte mich aus seinen warmen, vertrauten Augen an.

Etwas zwischen uns hatte sich verändert. Zwar hatten wir uns wieder vertragen, aber die Stimmung zwischen uns war noch immer angespannt. Unsere Freundschaft war nicht mehr das, was sie einmal gewesen war.

Und auch wenn ich verstand, warum wir uns voneinander entfernten, auch wenn ich haargenau wusste, dass ich der Grund dafür war, machte es mich unendlich traurig.

»Du bist noch bis übermorgen hier in Connecticut, bevor du zurück nach Stanford fliegst, oder?«

Josh sah mich ein paar Minuten lang nachdenklich an, dann nickte er vorsichtig.

Ich nahm all meinen Mut zusammen.

»Hast du vielleicht Lust, morgen einen Kaffee trinken zu gehen oder so?«, peinlich berührt trat ich von einem Fuß auf den anderen.

Joshs Brauen wanderten überrascht nach oben. Eine ganze Weile lang sah er mich einfach nur an, dann wanderte sein Blick über meine Schulter und richteten sich auf etwas hinter mir. Ich drehte mich herum, um herauszufinden, was seine Aufmerksamkeit auf sich zog, bis ich Julian entdeckte, der mit meinem Dad im Eingang zur Küche stand. Die beiden unterhielten sich angeregt und lachten miteinander.

Es war schön zu sehen, dass Julian von meinen Eltern mit offenen Armen empfangen wurde. Dass sie ihn zu mögen schienen. Jedoch war es nicht schwierig zu erraten, wie schmerzhaft es für Josh sein musste, all das mitansehen zu müssen.

Lange Zeit hatte ich Josh glauben lassen, dass ich keine Beziehung wollte. Dass ich der Liebe aufgrund meiner Krankheit abgeschworen hatte. Jetzt miterleben zu müssen, wie ich einem anderen Mann verfiel und er seinen Platz in meiner Familie einnahm, einen Platz, den Josh sich um alles in der Welt gewünscht hatte, musste verletzend sein.

»Ich weiß nicht«, hörte ich ihn flüstern und er wandte seine Augen von Julian ab. »Versteh mich nicht falsch, Laney. Das Ganze ist nicht leicht für mich. Ich bin immer noch nicht so ganz darüber hinweg, weißt du?«

Er vermied es, mir in die Augen zu schauen und seine Wangen nahmen einen roten Schimmer an.

Ich schluckte schwer.

»Ich weiß, Josh. Aber du bist mir immer noch sehr wichtig. Du bist mein bester Freund und ich würde mich freuen, wenn wir uns nicht aus den Augen verlieren.«

Endlich hob Josh das Gesicht und sah mich an.

Ein trauriges Lächeln erschien auf seinem Gesicht, doch er nickte zögerlich.

»Okay, Laney. Einen Kaffee.«

Voller Enthusiasmus erwiderte ich sein Lächeln und unterdrückte den Impuls, ihn vor Freude in eine herzliche Umarmung zu ziehen. Dafür war es definitiv noch zu früh. Aber leise und heimlich beschlich mich das Gefühl, dass unsere Freundschaft womöglich doch noch eine zweite Chance erhielt. Und mit diesem Wissen verabschiedete ich Josh, ehe ich mich meiner Zukunft widmete: Julian.

Hello meine Lieben!
Leider habe ich es gestern nicht geschafft zu updaten. Ich habe heute eine mündliche Prüfung und hatte gestern keinen Kopf fürs Schreiben!

Ich hoffe aber, dass euch das Kapitel gefällt. Fühlt euch gedrückt & bis nächste Woche, eure Lora <3

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