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Kapitel 18

Songempfehlung: Tate McRae - Cut my hair

Ich schlenderte neben Reya durch das überfüllte Café, während wir uns einen leeren Platz suchten. Reya ließ sich mir gegenüber auf einen Stuhl fallen und begann lustlos an ihrem Blaubeermuffin zu knabbern.

Das schwarze Haar trug heute sie in einem hohen Zopf, der ihr schlankes Gesicht mit den puppenhaften Zügen perfekt zur Geltung brachte. Doch die Ringe unter ihren Augen sprachen Bände und waren Zeuge, dass es ihr alles andere als gut ging. Sie verhielt sich ungewöhnlich still, hatte ganze zehn Pfund abgenommen und schien nur noch ein Schatten ihrer selbst zu sein. Ich machte mir aufrichtige Sorgen, aber Reya ließ niemanden an sich heran. Sie erzählte kein Sterbenswörtchen und schloss alles und jeden aus. Selbst Charlottes Versuche, zu ihr durchzudringen, verliefen im Sand - und Charlotte besaß mit ihrer mitfühlenden, gutherzigen Art wirklich ein Händchen dafür, anderen Leuten Dinge zu entlocken. Doch keine Chance. Reya machte dicht.

Seit dem Ball war sie wie ausgewechselt.

»Wie liefen deine Prüfungen?«, erkundigte ich mich, in der Hoffnung sie zu einem Gespräch zu animieren, und nahm ebenfalls einen großen Bissen von meinem CupCake. Mom würde mich lynchen, wenn sie wüsste, wie ungesund ich mich in letzter Zeit ernährte.

»Gut«, erwiderte Reya knapp, ohne mich dabei anzusehen. »Und deine?«

»Auch gut«, ich nickte.

Reya rang sich ein halbherziges Lächeln ab, ehe sie ihre stumpfen Augen wieder auf das Essen vor sich richtete, als wäre es ein Teller voll Sand und keine überzuckerte Süßspeise. Voller Sorge beobachtete ich sie und fragte mich ein weiteres Mal, was ich tun könnte, um ihr zu helfen.

»Hey, hast du Lust morgen Abend mit Yuki und mir ins Kino zu gehen? Da läuft dieser neue Action Film, den Yuki sich unbedingt anschauen möchte. Ren wollte wohl mit Yuki ins Kino und sie versucht ihm seit dem Ball mal wieder aus dem Weg zu gehen«, ich grinste und wackelte vielsagend mit den Brauen. Yuki und Ren waren ein Mysterium, das ich noch nicht gelöst hatte. Keiner von uns begriff so richtig, was zwischen den beiden lief, was wohl auch der Tatsache geschuldet war, dass Yuki ein riesengroßes Geheimnis daraus machte. Jeglichen Fragen darüber, ob sie sich denn nun auf dem Ball näher gekommen waren, beantwortete sie mit unerschütterlichem Schweigen. Auffällig war jedoch, dass sich ihre Zuneigung Ren gegenüber mal wieder in Luft aufgelöst zu haben schien. Es hatte eine halbe Ewigkeit gedauert, bis Caya und ich die Information - dass Ren mit ihr ins Kino hatte gehen wollen - aus Yuki herausgekitzelt bekamen. Tja, sie war und blieb wohl eine harte Nuss.

Genau wie Reya.

Ich war mir absolut sicher, dass die jüngsten Entwicklungen zwischen Yuki und Ren Neugierde in Reya wecken würde, weshalb ich es bewusst erwähnte. Schließlich liebte Reya Klatsch und Tratsch und interessierte sich viel mehr für das Liebesleben ihrer Freundinnen, statt für ihr eigenes. Doch weit gefehlt dieses Mal.

»Klar. Klingt gut«, erwiderte sie und blickte nicht einmal in meine Richtung. Der emotionslose Klang ihrer Stimme jagte mir einen Schauer über den Rücken.

Ich setzte gerade zu einer Erwiderung an, als Reyas Blick an mir vorbei glitt. Sofort versteinerte sie und jeder Muskel ihres Körpers war zum Zerreißen gespannt. Der leere Ausdruck, der schon seit Wochen ihr Gesicht beherrschte, verrutschte für einen kurzen Moment.

Verwirrt zog ich die Brauen zu einer schmalen Linie zusammen, ehe ich mich umdrehte und über meine Schulter blickte, um zu erfahren, was sie so sehr aus der Fassung brachte. Fast sofort entdeckte ich Jesse, der unmittelbar an unserem Tisch vorbei lief. Sein Blick zuckte nur kurz in unsere Richtung. Als er Reya entdeckte, veränderte sich etwas in seinem Gesicht. Es wurde grimmig, als hätte er auf eine saure Zitrone gebissen.

Sein Blick war hart, seine Züge unnachgiebig. Alles an ihm drückte pure Ablehnung aus. Oh ja, jeder in einer Meile Entfernung konnte ihm seinen verletzen Stolz förmlich vom Gesicht ablesen, als stünde es ihm in großen Buchstaben auf die Stirn geschrieben.

Eine unbändige Wut erfasste mich.

Wie konnte er es wagen, beleidigt zu sein, nachdem er derjenige war, der Reya verletzt hatte? Ich drehte mich wieder zu meiner Freundin um und bemerkte, dass sie sich hastig von Jesse abwandte und zurück auf ihren Teller starrte. Ihre Wangen brannten in einem satten Rotton. Es brach mir das Herz zu sehen, dass sie sich zu allem Überfluss auch noch für etwas zu schämen schien, das vollkommen normal war. Etwas, woran sie keine Schuld trug.

Ich konnte nicht mehr länger wegschauen.
Ich wollte nicht mehr länger wegschauen.
Ich wollte Reya helfen, für sie da sein. Sie musste jemanden an sich heranlassen, denn es war mehr als offensichtlich, dass sie alleine nicht damit fertig wurde und unter der Situation - was auch immer vorgefallen war - litt.

»Es gibt nichts, wofür du dich schämen müsstest«, erklärte ich mit sanfter Stimme, aber der Blick, den ich ihr zuwarf, war eindringlich. Ernst. Entschlossen. Reya hielt inne und sah zu mir auf. Ihr Gesicht hatte jegliche Farbe verloren und ihre Wangen waren nun so blass, als hätte sie einen Geist gesehen.

»W-Was?«

»Du brauchst dich nicht zu schämen«, wiederholte ich. »Wenn sich hier jemand schämen sollte, dann ist das ja wohl er«, ich nickte in Jesses Richtung.

Für ein paar Sekunden starrte Reya mich stumm an. Dann schluckte sie schwer.

»Laney«, traurig schüttelte sie den Kopf, als versuchte sie, düstere Gedanken abzuschütteln. »So war das nicht. Jesse ist...«, sie stockte.

»Du brauchst ihn nicht in Schutz zu nehmen. Auch wenn du nicht darüber sprechen möchtest, kann ich mir denken, was passiert ist«, ich griff mitfühlend über den Tisch hinweg nach ihrer Hand. »Lass mich für dich da sein, Reya. Lass mich dir helfen.«

Reya erstarrte, aber dieses Mal entzog sie mir ihre Hand nicht, was ich als Zeichen wertete, mich noch ein Stückchen weiter zu wagen.

»Hat er dich bedrängt?«, fragte ich vorsichtig nach einem kurzen Moment des Schweigens.

Reya schluckte schwer und ein schmerzerfüllter Ausdruck huschte über ihr Gesicht. Dann schüttelte sie vehement den Kopf.

»Er hat mich nicht bedrängt...«

»Woher kam dann der Knutschfleck an deinem Hals? Was ist passiert?«

Sie schloss für ein paar Sekunden die Augen, als würde meine Frage unschöne Erinnerungen wachrufen. Erinnerungen, die sie um jeden Preis zu verdrängen versuchte. Reya sammelte sichtlich Mut, ehe sie wieder zu sprechen begann.

»Es ist nichts passiert, was ich nicht gewollt hätte, das kann ich dir garantieren. Aber ich habe einfach gemerkt, dass es mit Jesse nicht passt und... das habe ich ihm ziemlich deutlich klargemacht. Zu deutlich. Er hat...«, wieder geriet sie ins Straucheln. »Er hat es nicht sehr gut aufgenommen. Er hasst mich. Und ich habe es verdient«, ihre Stimme begann zu beben. »Ich bin ein furchtbarer Mensch.«

»Oh Reya«, ich unterdrückte den Impuls, aufzustehen, um den Tisch herumzukommen und sie in eine tröstliche Umarmung zu ziehen. Stattdessen beugte ich mich über den Tisch hinweg in ihre Richtung und drückte ihre Hand noch ein bisschen fester.

»Du bist kein furchtbarer Mensch! Schlag dir das sofort wieder aus dem Kopf. Ich hoffe du weißt, dass du jedes Recht dazu hattest, ihm deutlich mitzuteilen, wenn du etwas nicht wolltest.«

Statt einer Erwiderung wich sie nur meinem Blick aus und blinzelte die Tränen zurück, die unweigerlich in ihren Augen glitzerten. Ich spürte, wie sie sich allmählich wieder in ihr Schneckenhaus zurückzog - und das war okay. Immerhin hatte sie sich mir endlich ein Stück weit anvertraut. Ein kleiner Erfolg. Natürlich hätten wir noch ausführlicher darüber reden können, aber da ich sie nicht zu etwas drängen wollte, zu dem sie noch nicht bereit war, beließ ich das Thema vorerst auf sich beruhen. Zudem war ein überfülltes, lautes Café nicht gerade der richtige Ort für sensible Gespräche. Eins nach dem anderen.

Reya schaffte es den Rest unseres Treffens lang nicht ein einziges Mal mehr, mir in die Augen zu schauen und mich beschlich das Gefühl, dass sie mir etwas verschwieg. Dass da mehr war, als sie zugeben wollte. Trotzdem beschloss ich, dass ich für sie da sein würde. Ich würde für sie da sein, wenn sie reden wollte und ich würde auch noch da sein, wenn sie sich endlich eingestand, dass absolut nichts Falsches daran war, nein zu sagen...

Am Abend traf ich mich mit Julian in der Sterling Memorial Library zur gemeinsamen Recherche für seine Forschung über das Leben und den Tod in der Philosophie. Zwar war heute der erste offizielle Ferientag, jedoch blieben hier die Türen für alle Studierende geöffnet, die über Springbreak am Campus verharrten und ihre Nase fleißig in den Bücher vergruben. Schließlich standen im Mai schon die Finals an und als vorbildliche Yalies wollten einige natürlich vorbereitet sein. Jedoch weigerten sich viele Studenten, direkt nach den Midterms schon wieder zu büffeln. Springbreak sollte genutzt werden zum Aufatmen, bevor der alltägliche Wahnsinn Yales wieder begann. Das sah ich - eigentlich - nicht anders. Doch die Aussicht darauf, Zeit mit Julian zu verbringen, hatte mich überzeugt, seiner Bitte nach einem Forschungstreffen nachzukommen. Einer Bitte, die er bereits vor unserem Streit gestellt hatte. Ich war mir demnach nicht einmal sicher, ob er wirklich kommen würde. Andererseits schätzte ich ihn keinesfalls als jemanden ein, der kniff, nur weil wir uns gezofft hatten.

Seit unserem Streit vor zwei Tagen hatten wir allerdings kein Wort mehr miteinander gewechselt. Ich hatte nicht den Hauch einer Ahnung, was in ihm vorging. Ob er sich denn mittlerweile etwas beruhigt hatte oder ob er noch immer aufgebracht war wegen unserer Auseinandersetzung. Es stand außer Frage, dass wir diesen Streit unbedingt aus der Welt schaffen mussten. Jedoch war die Universität nicht der richtige Ort dafür. Ganz und gar nicht.

Ich hoffte nur, dass wir uns irgendwie zusammenraufen konnten, um wenigstens die Forschungssitzung professionell und ohne Zwischenfälle hinter uns bringen zu können.

Forschungstreffen.
Professionell bleiben.
Berufliches und Privates trennen.

Dieses Mantra versuchte ich nun schon den ganzen Tag zu verinnerlichen. Natürlich hätte ich auch absagen oder Julian einfach darum bitten können, dass wir uns stattdessen bei ihm Zuhause trafen, um zunächst einmal unsere Probleme aus dem Weg zu räumen. Jedoch sah ich es nicht ein, dass Studium und Job permanent darunter leiden mussten und wegen unserer persönlichen Befindlichkeiten in Mitleidenschaft gezogen wurden. Zum ersten Mal konnte ich nachvollziehen, warum es an Universitäten oder Colleges eine Non-Fraternization-Policy gab. Warum Beziehungen zwischen Dozent und Student verboten waren. Denn es konnte nicht nur für ein Machtgefälle sorgen, sondern auch für weniger Produktivität und Ablenkung. Zudem quälte mich noch immer die Frage, ob Julian meinen Aufsatz nur wegen unserer gegenseitigen Zuneigung so gut bewertet hatte oder weil er ihn wirklich gut fand. Allerdings fehlte mir noch immer der Mut, ihn danach zu fragen.

Ich erreichte die Sterling Memorial Library und nahm das große Hauptbibliotheksgebäude, das in der Dunkelheit hell erleuchtet war, in Augenschein. Es war das Herzstück des Gothic-Revival-Campus in Yale und im Neugotischen Stil erbaut. Die Eingangshalle der Bibliothek ähnelte einem gewölbten Kirchenschiff und das umfangreiche Buntglas sowie die Steinverzierungen schmückten das Gebäude und ließen es, wie auch das Payne Whitney Gym, mehr wie eine Kirche oder eine Kathedrale wirken, statt einer Bibliothek - der typische Yale Charme eben. Schließlich war es doch genau das, was die Architektur der Universität so einzigartig machte, oder?

Ich betrat die Bibliothek, die neben einem Bücherturm fünf große Lesesäle und zwei Innenhöfe umfasste und staunte nicht schlecht, wie ungefähr immer, wenn ich die monumentale Eingangshalle betrat. An diesen Anblick würde ich mich niemals gewöhnen. Die hohen Decken, die Steinwände und die imposanten Säulen, die sich entlang der Halle schlängelten, konnten mit nichts anderem beschrieben werden, als dem Ausdruck Ehrfurcht gebietend. Es fühlte sich schlicht und ergreifend an, als würde man in einem Harry Potter Film leben.

Ich durchquerte die Eingangshalle, vorbei an dem Starr Reading Room, bei dem es sich um den Hauptraum handelte und bahnte mir einen Weg zu dem Turm, wo sich die Philosophiesammlung befand. Ich betrat den Bibliotheksraum, ließ meinen Blick über die zahlreichen Bücherregalen an den Wänden wandern, bis hin zu den Tischen aus Eichenholz mit den grünen Lampenschirmen und den wenigen Studenten, die zu dieser späten Stunde noch ein ruhiges Plätzchen zum Lernen benötigten. Sofort stieg mir der für eine Bibliothek so typische Geruch in die Nase. Es roch nach einer Mischung aus alten Büchern, Holz und einer Note Kaffee. Hin und wieder jedoch auch ein bisschen modrig, was wohl dem Staub und der Buchtinte geschuldet war. Ein Lächeln schlich sich auf meine Lippen. Ich liebte Yale. Genauso, wie ich Bibliotheken liebte. Sie versprühten einfach einen gewissen Charme und eine Anziehung, der ich mich nicht entziehen konnte. Genau wie der Mann, den ich unmittelbar nach meinem Eintreten entdeckte.

Julian saß an einem der Tische. Er hatte mich noch nicht bemerkt und ich nutzte die Gunst der Stunde, um ihn eingehend zu betrachten. Das braune, volle Haar glich einem wilden Durcheinander, als wäre er sich mit der Hand mehrmals hindurchgefahren. Mittlerweile war es etwas gewachsen und die Tatsache, dass er es schon länger nicht mehr hatte schneiden lassen, sorgte dafür, dass es sich auf seinem Kopf leicht zu locken begann. Er trug eine schwarze Jeans und einen braunen Strickpullover mit Reißverschluss am Kragen, der seine breiten Schultern betonte und denselben Farbton besaß, wie sein Haar. Über seine Unterlagen gebeugt saß er da, in der einen Hand einen Stift, während er mit der anderen seinen Kopf abstützte. Er wirkte hochkonzentriert und notierte sich etwas auf einem Notizblock. Meine Augen sogen gierig jedes Detail von ihm auf, wanderten über die hohen Wangenknochen, die sein Gesicht schlanker wirken ließen, weiter zu seiner kantigen Kieferpartie, bis hin zu den vollen, für einen Mann ungewöhnlich geschwungenen Lippen, um die ihn sicherlich jede Frau beneideten. Selbst aus der Entfernung konnte ich die seltene Farbe seiner Augen erkennen und die unverschämt langen Wimpern, unter denen er auf seinen Notizen hin und her blickte.

Julian sah nicht nur gut aus.
Er war auch schön.
So richtig schön.

Und wenn ich daran dachte, dass er äußerlich, wie auch auch innerlich einer der schönsten Menschen war, die ich kannte, begann mein Herz sogleich höher zu schlagen. Sein Anblick ließ mich mir jeder einzelnen Zelle in meinem Körper bewusst werden. Mein Magen begann heftig zu kribbeln.

Forschungstreffen.
Professionell bleiben.
Berufliches und Privates trennen.

Einen tiefen Atemzug nehmend ging ich auf ihn zu. Er bemerkte mich erst kurz bevor ich seinen Tisch erreichte und hob das Gesicht.

Sein stechender Blick riss mich sofort in seinen Bann, erschütterte mich und beraubte die Schwerkraft ihrer Macht.

»Hey«, brachte ich angestrengt hervor, zog mir einen Stuhl heran und stellte meine Tasche ab.

»Hey«, grüßte er mich seinerseits zurück und folgte jeder meiner Bewegungen mit den Augen. Mein Herzschlag beschleunigte sich, während ich seinen unverwandten Blick auf mir spürte. Es machte mich nervös.

Die Stimmung zwischen uns war noch immer angespannt, aber diese unfassbaren Gefühle, die er in mir weckte, konnte ich schlicht und ergreifend nicht unterdrücken. Das konnte ich noch nie.

»Wartest du schon lange?«, fragte ich leise, um mit etwas Smalltalk die peinliche Anspannung zwischen uns aufzulockern, die so offensichtlich war, wie ein Elefant sich im Porzelanlade bewegte. Dann richtete ich mir meinen Arbeitsplatz ein.

»Ich bin schon eine Weile hier, um ein bisschen Vorarbeit zu leisten«, erwiderte er und schob mir einige Unterlagen über den Tisch zu. Dann klärte er mich über sein Vorhaben auf. Die Bibliothek war der perfekte Ort für unser heutiges Treffen, da wir viel Lesestoff zu inspizieren hatten. Lesestoff, der sich hier in der Abteilung für Philosophie befand. So waren wir direkt an der Quelle und umgingen die Notwendigkeit, Bücher ausleihen zu müssen.

Nachdem wir uns abgesprochen hatten, machten wir uns auch schon an die Arbeit und ich war froh über unser stummes Übereinkommen, die Privatangelegenheiten erst einmal auf später zu verschieben.

Ich mochte das Forschen mit Julian. Jedes Mal, wenn ich mich mit ihm austauschte, fühlte ich mich unglaublich produktiv. Während unserer Sitzungen in den letzten Wochen hatte ich einiges dazu gelernt, sowohl über die Philosophie, als auch über Julian selbst. Es war wirklich beeindruckend, mehr über seinen Werdegang zu erfahren. Obwohl Julian seine Studienzeit aufgrund herausragender Leistungen verkürzt hatte, schloss er sein Studium als Jahrgangsbester ab. Dies war wohl auch der Grund, weshalb er sich schon mit seinen jungen neunundzwanzig Jahren einen Doktor und Professor nennen durfte - eine wahre Seltenheit. Doch sein Beruf hier am Yale College war kein Zuckerschlecken, wie ich erfuhr. Immerhin befanden wir uns hier an einem der Ivy-League-Colleges und man erwartete dementsprechende Ambitionen seinerseits. Nicht nur, dass er Undergrads und Graduates unterrichtete, Prüfungen durchführte und Vorlesungen vorbereiten musste, nein, er war auch noch dazu verpflichtet, eine gewisse Anzahl von Veröffentlichungen einzureichen sowie Forschungen zu leiten. Kein Wunder, dass viele Professoren sich daher Studenten als Hilfskraft ermächtigten. Es war quasi eine Win-Win Situation für beide Seiten.

Als ich das nächste Mal auf die Uhr schaute, die über dem Eingang hing, stellte ich fest, dass es neun Uhr am Abend war. Wir arbeiteten seit gerade mal zwei Stunden, doch es kam mir wie eine halbe Ewigkeit vor, da ich innerlich viel zu aufgewühlt war. Ich seufzte innerlich und ohne es verhindern zu können, wanderte mein Blick wieder zu Julian. Ich musste gestehen, dass es mir heute wirklich schwer fiel, mich zu konzentrieren. Unser Streit schwebte noch immer unausgesprochen zwischen uns, wie eine dunkle Wolke. Es war zum Haare raufen. Einerseits wollte ich nichts sehnlicher, als mich mit ihm auszusprechen. Ich wollte ihn berühren. Wollte mit der Hand durch sein seidiges Haar fahren, ihn küssen, ihn spüren. Besonders jetzt, wo ich mir endlich eingestehen konnte, dass ich Julian Wright liebte. Oh ja, und wie ich ihn liebte!

Ich liebte alles an ihm.
Ich liebte sein Lächeln.
Ich liebte seine Art zu reden.
Ich liebte es, ihm beim Philosophieren zuzuhören.
Ich liebte, dass ich die Welt durch ihn mit anderen Augen sah.
Ich liebte die Dinge, die er mich fühlen ließ.
Ich liebte es, mit ihm zu reden.
Mich ihm anzuvertrauen.
Ich liebte auch, wie er mich immer wieder überraschte und wie aufmerksam er doch war. Ich liebte es, dass er um mich kämpte.
Zur Hölle! Ich liebte sogar, dass er mich damals im Vorlesungssaal nicht aufgegeben hatte, auch wenn es gewissermaßen ein großer Vertrauensbruch gewesen war. Doch es zeigte, wie unfassbar wichtig ich ihm war.

Und dennoch... fühlte ich mich gleichzeitig zerfressen von Unsicherheit. Hauptsächlich wegen unseres Streits. Und wegen Daphne. Wegen seiner Worte.

Ja, Julian hatte mich auf dem Ball vor ihr verteidigt.
Ja, er hatte mich ihr vorgezogen.
Und ja, er hatte gestanden, in mich verliebt zu sein.

Aber war das, was er zehn Jahre lang mit Daphne geteilt hatte, wirklich aus und vorbei? War sein Wutausbruch vor zwei Tagen nur ein Produkt seiner Eifersucht auf Dylan und Misha? Oder war es, weil Daphne ihn so sehr verletzt hatte? Weil er womöglich doch noch nicht so ganz mit ihr abgeschlossen hatte, wie er mich glauben lassen wollte?

Es machte mich wahnsinnig nicht zu wissen, was in ihm vorging.

»Möchtest du mir etwas sagen oder willst du mich lieber weiter anstarren?«, flüsterte er plötzlich ganz leise, während er weiterhin unbeirrt auf seine Lektüre starrte.

Ich zuckte ertappt zusammen und hastig schaute ich mich in der Bibliothek um, um sicherzugehen, dass uns auch niemand hörte. Bis auf zwei Studenten, von denen einer in unmittelbarer Nähe AirPods trug und der andere ganz vorne, ein gutes Stück von uns entfernt, auf seinen Laptop starrte, befand sich niemand mehr im Raum.

Erst dann wandte ich mich Julian wieder zu, der sich gerade etwas auf seinem Notizblock notierte. Doch ehe ich etwas erwiderte, ermahnte ich mich gedanklich. Erinnerte mich an mein persönliches Mantra.

Forschungstreffen.
Professionell bleiben.
Berufliches und Privates trennen.

Ich war hier, um gemeinsam mit Julian zu arbeiten. Nicht, um unsere Privatangelegenheiten zu diskutieren. Punkt.

»Nein. Nichts. Ich habe mich nur gefragt, ob du die englische Übersetzung von Aristoteles' Ethik schon besorgt hast?«, wich ich seiner Frage ungeschickt aus und räusperte mich verlegen.

»Nein«, hörte ich ihn sagen und einen Moment später hob er endlich das Gesicht und sah mich direkt an. »Aber wir könnten auch einfach aufhören mit diesem peinlichen Schweigen und über das sprechen, was vorgestern passiert ist?«

Ich verschluckte mich beinahe an meiner eigenen Spucke. Im Bruchteil einer Sekunde saß ich steif wie ein Brett auf meinem Stuhl.

»Julian«, wisperte ich entgeistert und Entsetzen machte sich in mir breit. »Nicht hier. Wir sind in einer Bibliothek.«

Hastig warf ich einen weiteren Kontrollblick in Richtung der zwei Studenten, die nach wie vor in ihre eigene Lektüre vertieft waren.

»Bist du immer noch sauer?«, fragte er, als ich mich wieder in seine Richtung drehte und bemerkte, dass er missmutig dreinblickte. »Es tut mir leid, dass ich so ausgerastet bin. Ich sehe ein, dass ich mich daneben benommen habe.«

»Daneben benommen?«, wiederholte ich sarkastisch. »Du hast mir vorgeworfen, mich von Misha angefasst haben zu lassen. Ich glaube, von Dylan muss ich gar nicht erst anfangen, oder?«

Julian verzog zerknirscht das Gesicht.

»Ich gestehe, dass ich womöglich etwas überreagiert habe«, räumte er schuldbewusst ein und anhand seines grimmigen Gesichtsausdruck wurde deutlich, dass ihm die nächsten Worte nur schwer über die Lippen kamen. »Ich war... eifersüchtig.«

Überraschung machte sich in mir breit. Überraschung darüber, dass er dies so offen und ehrlich zugab. Dass er zu seinen Gefühlen stand und keine Scham dabei empfand, sie auszusprechen. Doch die Überraschung wich sogleich Misstrauen, da ich noch immer nicht wusste, was genau Julians Eifersucht geschürt hatte.

»Eifersüchtig?«, hakte ich nach. »Weil Daphne und Misha sich immer noch treffen?«, ich schluckte schwer und spürte einen Stich im Herzen.

»Was?«, verwirrt zog er die Stirn in Falten, als hätte ich gerade etwas vollkommen Absurdes geäußert, wie dass der Himmel rot wäre oder die Erde nicht rund, sondern eine Scheibe. »Natürlich nicht!«

Auf meinen argwöhnischen Seitenblick hin seufzte er resigniert.

»Ich gebe zu, dass es mich kurz an damals erinnert hat. An dieses Gefühl von Verrat. Aber dass die beiden noch eine Affäre miteinander haben, überrascht mich keineswegs. Ich bin nicht blöd. Ich weiß, dass sie sich hin und wieder treffen. Deswegen war ich auch nicht eifersüchtig, Laney«, er sah mir eindringlich in die Augen. »Ich war eifersüchtig, weil du noch immer Kontakt zu diesem Typen von Silvester hast. Und dass du mir nichts von Misha erzählt hast. Das hat mich misstrauisch gemacht.«

Misha und Daphne trafen sich hin und wieder? Nach allem, was vorgefallen war, hatten sie noch Kontakt zueinander? Schienen sogar noch miteinander zu schlafen, wie Dylan berichtete, und wunderten sich dann, dass Julian ihnen nicht verzieh? Gott, die beiden waren wirklich unberechenbar. Dreist. Hinterhältig. Sie verdienten sich gegenseitig...

Julian hielt kurz inne, ehe er wieder zu sprechen behann.

»Komm schon, Laney. Was muss ich noch tun, dass du mir endlich glaubst? Zwischen Daphne und mir läuft nichts mehr.«

»Ich habe auch nicht behauptet, dass noch etwas zwischen euch läuft«, entgegnete ich im Flüsterton. »Ich bin mir nur nicht sicher, ob du nicht doch noch Gefühle für sie hast. Du warst so wütend und ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass du nur wegen mir so reagiert hast«, ahnungslos zuckte mit den Achseln. Unsicherheit flammte in mir auf und ich stellte Julians Aussage innerlich auf den Prüfstand. War ihm Daphne wirklich so egal, dass es ihn in keinster Weise tangierte, wenn sie sich ihm im einen Moment um den Hals warf, um im nächsten mit Misha in die Kiste zu steigen? Konnte es wirklich wahr sein, dass nur seine Eifersucht auf Dylan und Misha - eine unbegründete Eifersucht, nebenbei angemerkt - der Grund für seinen Ausraster war? Nun ja, irgendwie ergab das schon Sinn, schließlich zog ein früherer Betrug nicht einfach spurlos an einem vorbei, oder? Ein solcher Verrat hinterließ Narben, ließ einen Menschen vorsichtiger werden, misstrauischer. Nur verständlich, dass Julian so leicht aus der Haut fuhr, wenn es um andere Männer ging. Aber dennoch musste er doch wissen, dass es für mich niemand anderen gab, als ihn. Verdammt, ich war absolut süchtig nach ihm, erkannte er das denn nicht? Es gab überhaupt keinen Anlass für ihn, eifersüchtig zu sein.

»Ich habe dir nie einen Grund geliefert, eifersüchtig zu sein, Julian.«

»Und ich habe dir nie Grund geliefert, eifersüchtig auf Daphne zu sein.«

»Ich bin nicht eifersüch...«, von einem der beiden Studenten vorne erklang ein Hüsteln. Sofort fuhr ich herum. Eine Sekunde später förderte der Student mit den Kopfhörern ein Taschentuch zutage und schnäuzte kräftig die Nase.

Gott, ich wurde wirklich paranoid.

»Sie können uns nicht hören, Laney, entspann dich«, murmelte er leise und lenkte meine Aufmerksamkeit wieder zurück auf sich.

»Ich...«, begann ich zu sprechen, stockte dann aber.

Forschungstreffen.
Professionell bleiben.
Berufliches und Privates trennen.

Ich nahm einen tiefen Atemzug, um mich zu sammeln. Auch wenn die anderen beiden Studenten uns nicht hören konnten, war das hier weder der richtige Ort noch der richtige Zeitpunkt, um über uns zu sprechen.

»Ich werde das nicht mit dir in einer Bibliothek mitten auf dem Uni Campus diskutieren, wo wir jeden Moment auffliegen könnten.«

»Dann lass uns zu mir fahren«, schlug er vor und schloss voller Tatendrang das Buch vor sich. Es fehlte nur noch, dass er aufspritzte, mich über seine Schulter warf und zu sich nach Hause trug, so entschlossen wirkte er. Doch um fair zu sein - Julian hatte Recht. Es war wirklich notwendig, dass wir uns aussprachen. Allerdings war es genauso notwendig, dass wir endlich lernten, uns professionell zu verhalten, sonst würde uns schneller alles um die Ohren fliegen, als wir die Chance bekämen, uns zu versöhnen.

»Wir können später reden, Julian«, erwiderte ich stoisch und war selbst überrascht davon, wie rigoros ich klang. »Jetzt sind wir hier. Zum Arbeiten. Also schlag dein Buch wieder auf und sag mir, in welchem Regal ich die Aristoteles Übersetzung finde.«

Julian schien alles andere als einverstanden zu sein und verzog finster das Gesicht.

»Was kann ich tun, um dir zu beweisen, dass Daphne mir nichts mehr bedeutet?«, völlig unverfroren überging er meine Ansage einfach und sah mich eindringlich aus grün funkelnden Augen an.

War das sein Ernst? Verärgert biss ich die Zähne zusammen. In Sachen Hartnäckigkeit stand er mir in nichts nach. Er würde definitiv nicht locker lassen. Doch ich konnte mindestens genauso stur sein, wie er. Das hatte ich schon oft genug unter Beweis gestellt - was auch der Grund war, weshalb von der ersten Sekunde an zwischen uns die Fetzen geflogen sind. Ganz offensichtlich benötigte er eine kleine Demonstration, um seine Erinnerungen diesbezüglich aufzufrischen.

»Danke Professor Wright. Für Ihre Hilfe«, sagte ich betont laut und lächelte süffisant auf ihn herab, während ich mich von meinem Stuhl erhob. »Bleiben Sie ruhig sitzen. Ich werde die Aristoteles Übersetzung alleine finden.«

Mit diesen Worten wandte ich mich zum Gehen, wohlwissend, dass Julian nun die Hände gebunden waren. Er würde mir im Beisein der anderen Studenten keine Szene machen - schon gar nicht jetzt, wo ich ihre Aufmerksamkeit auf mich gelenkt hatte und sie beide kurz in unsere Richtung blickten. Zudem implizierten meine Worte auch, dass er mir nicht folgen konnte. Nicht, ohne ihr Argwohn zu wecken.

Mit einem selbstgefälligen Lächeln verschwand ich in den hintersten Reihen der Regale, wo sich die meisten Werke über die Ethiklehre der Philosophie befanden. Mit den Händen strich ich andächtig über die alten Einbände der Bücher und ließ meinen Blick wandern, bis ich fündig wurde. Allerdings befand sich das Buch, das ich suchte, relativ weit oben in einem Fach, an das ich fast nicht herankam. Ich stellte mich auf die Zehenspitzen und reckte angestrengt meinen Arm so weit wie möglich nach oben, doch ich war zu klein. Plötzlich tauchte eine Hand in meinem Blickfeld auf und kam mir zur Hilfe. Sie griff über meine Schulter hinweg nach dem Buch und zog es für mich heraus.

Ich seufzte resigniert.
Er konnte es einfach nicht lassen.

»Was soll das, Julian?«, fragte ich, noch während ich mich mit vor der Brust verschränkten Armen verärgert zu ihm umdrehte. Er stand unmittelbar hinter mir und starrte mit einem schiefen Grinsen auf mich herab. Dann hielt er mir demonstrativ das Buch hin.

»Ich helfe einer armen Studentin in Not, wonach sieht es für dich denn aus?«

»Es sieht ganz danach aus, als würdest du mir folgen«, ich nahm ihm das Buch aus den Händen, ehe ich ergänzte: »Und es sieht verdächtig aus.«

Julian reagierte nicht. Er sah mich einfach nur undurchdringlich an. Ich räusperte mich verlegen.

»Wir sollten wieder zurück.« Ich machte bereits Anstalten, an ihm vorbei zu gehen, als er mich am Handgelenk festhielt und zurück zog. Sofort reagierte mein verräterischer Körper auf seine Berührung und sandte ein Kribbeln durch jegliche Nervenenden in meinem Innern.

»Was muss ich tun, dass du mir glaubst?«, flüsterte er und kam einen Schritt auf mich zu.

»Du musst gar nichts tun. Wir sind Freunde, schon vergessen?«, neckte ich, wohlwissend, dass wir darüber seit unserem Date letzten Samstag weit hinaus waren.

Julians Blick verdunkelte sich bei meinen Worten und die Stimmung schlug schlagartig um.

»Wir sind alles, aber keine Freunde, Laney«, er hielt kurz inne, während seine Augen an meinem Körper hinab glitten, ehe sie sich wieder mit einer Intensität auf mein Gesicht richteten, die mir abrupt Hitze in den Unterleib schießen ließ. Etwas in seinem Gesicht veränderte sich. »Vielleicht sollte ich deinen Erinnerungen auf die Sprünge helfen?«

Meinen Erinnerungen auf die Sprünge helfen?

Fassungslos starrte ich ihn an, während ich versuchte, seine Worte zu verarbeiten. Doch mein Körper reagierte schneller, als mein Verstand und in Sekundenschnelle wurde mir heiß und kalt zugleich. Wie von selbst senkten sich meine Augen auf seine Lippen und ich verfluchte mich für meinen Mangel an Selbstbeherrschung.

Forschungstreffen.
Professionell bleiben.
Berufliches und Privates trennen.

»Wieso vertraust du mir nicht?«, wiederholte er seine Worte.

Ich setzte zu einer Erwiderung an, aber mein Mund fühlte sich staubtrocken an.

»Ich... ich weiß nicht. Ich schätze deine Worte letzten Samstag haben mich einfach verunsichert und Zweifel in mir ausgelöst.«

Meine Frau. Meine Ehe. Mein Leben.

Noch immer hallten sie in meinem Kopf wider und hinterließen ein ungutes Gefühl in meinem Bauch. Ich spürte Julians Augen auf mir, die sich in mich hineinzubohren schienen, aber ich schaffte es nicht, seinen Blick zu erwidern und starrte stattdessen wieder einmal nur Löcher in seine Brust.

»Wenn du meinen Worten nicht glaubst...«, begann er zu sprechen und seine Stimme nahm einen verdächtig rauen Tonfall an. »Könnte ich es dir auch einfach zeigen

»W-was?«, wie vom Blitz getroffen hob ich das Gesicht und sah aus großen Augen zu ihm hoch. Genau in diesem Moment trat er noch einen Schritt an mich heran. Instinktiv wich ich zurück, bis mein Rücken an das Bücherregal hinter mir stieß.

Der Blick, mit dem er auf mich herab schaute, raubte mir buchstäblich den Atem. Es schien ein Schleier über dem schönen Grün seiner Augen zu liegen. Ein Schleier aus Lust und Verlangen, der in mir sein Echo fand.

»Lass mich dir zeigen, Laney, wie wenig mich Daphne noch interessiert und wie wichtig du mir bist«, hauchte er und sein Gesicht war plötzlich ganz nahe an meinem. Erinnerungen an seine fordernden, weichen Lippen stiegen mir ins Gedächtnis. Lippen, die nach Verheißung schmeckten und deren Kuss sich anfühlten, als würde man auf Wolken schweben.

Es bedurfte keiner weiterer Worte, um mir seine Absichten offenzulegen. Der lustverhangene Blick, mit dem er mich bedachte, sprach Bände.

»Julian, wir sind in einer Bibliothek«, hauchte ich atemlos, wenngleich meine halbherzigen Worte an Nachdruck verloren. Dann spürte ich auch schon, wie sich seine Hand um meinen Hals schlang, während seine andere sich wie selbstverständlich in einer besitzergreifenden Geste auf meine Taille legte. Er zog mich an sich und bei Gott... Das Gefühl seines Körpers an meinem war unbeschreiblich, ließ mich beinahe alles um uns herum vergessen. Hitze pumpte wie Feuer durch meine Adern und in meinem Kopf herrschte jäh absolute Leere. Ich hatte das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen, während mein Körper sofort auf seinen reagierte. Ihn erkannte und ihn mit offenen Armen in Empfang nehmen wollte.

Wenn ich mich nicht gleich zusammenriss, würde das Ganze hier in einer absoluten Katastrophe enden. Wir befanden uns in einer verdammten Bibliothek! Nur ein paar Regale trennten uns von zwei Mitstudenten, die uns jeden Moment in einer höchst verwerflichen Lage erwischen könnten. Waren wir von allen guten Geistern verlassen?

»Bitte mich«, raunte er.

»Was?«, irritiert sah ich ihn an.

»Bitte mich, dich zu küssen und ich werde dir beweisen, dass mir Daphne scheißegal ist.«

Ich schnappte erschrocken nach Luft.

Forschungstreffen.
Professionell bleiben.
Berufliches und Privates trennen.

»Nein«, das Wörtchen kam nur wenig überzeugend rüber. Es klang falsch, selbst in meinen Ohren. Wie eine Lüge.

»Bitte mich

»Das würdest du nicht tun«, atemlos schüttelte ich den Kopf. »Nicht hier«

»Wieso nicht?«, fragte er mit einem überlegenen Grinsen und legte den Kopf schief. Seine Augen blitzten amüsiert. »Sollen deine Kommilitonen etwa nicht hören, wie leidenschaftlich ein Professor seine Studentin unterrichtet?«

Mir klappte beinahe die Kinnlade herunter und erschrocken keuchte ich auf. Nicht wegen seinen ungenierten Worten, sondern weil ich spürte, wie seine Hand, die soeben noch an meiner Taille geruht hatte, plötzlich einen ganz anderen Weg einschlug und sich langsam unter mein Shirt schob. Eine Sekunde später strichen seine Fingerspitzen lasziv, aber unendlich sanft über meine nackte Haut.

Gott, wir sollten das nicht tun. Nicht hier. Nicht jetzt. Wir waren nur zwei hektische Atemzüge davon entfernt, aufzufliegen. Es war so unglaublich verwerflich. So falsch. Doch es fühlte sich auch so verdammt gut an.

Mit einem Mal stand mein gesamter Körper unter Strom und meine Lider flatterten, da die Lust mich zu übermannen drohte. Ein tiefes Stöhnen entstand in meiner Kehle, aber ich erlaubte nicht, dass es sich über meine Lippen stahl. Ich durfte es mir nicht erlauben.

»Du hast versprochen, mich nicht zu küssen«, brachte ich stattdessen anklagend hervor und erkannte meine hektische Stimme selbst nicht mehr wieder.

Ein leises Lachen erklang.

»Ich weiß ja nicht, welche Fantasien du dir in deinem hübschen Kopf gerade vorstellst, aber ich habe dich nicht geküsst, Laney. Noch nicht. Bitte mich darum.«

Ich schluckte schwer, als seine Finger weiter wanderten und sich plötzlich unter den Bund meiner Jeans hakten.

»Wir sollten das nicht tun.«

»Sag mir einfach, dass ich aufhören soll und ich tue es.«

Ich wusste, dass Julian es es todernst meinte. Ein einziges Wort von mir und er würde sofort stoppen. Das hatte er mir bereits zu Genüge demonstriert. In meinem Mund legte ich mir die Worte zurecht, wollte sie aussprechen. Wollte ihn dazu auffordern, aufzuhören. Ich wollte es wirklich, hatte gute Absichten, aber... ich schaffte es nicht.

Stattdessen kam ein kehliger Laut über meine Lippen, als seine Finger sich sogar unter den Stoff meines Höschens schoben. Ich erschauerte. Mein Kopf sank nach hinten gegen das Bücherregal und eine Gänsehaut überfiel meinen gesamten Körper. Was dieser Mann mit mir anstellte, war nicht normal. Es konnte nicht von dieser Welt sein. Wir hatten beide völlig den Verstand verloren, aber ich konnte mir nicht helfen. Ich konnte mich nur noch auf diese Empfindungen konzentrieren, die er in diesem Augenblick in mir weckte. Mit dem letzten Fünkchen Verstand, das mir noch geblieben war, versuchte ich mich noch dagegen zu wehren, legte Worte in meinem Mund zurecht, die sich anfühlten wie eine Lüge. Doch als seine Finger meinen empfindsamsten Punkt erreichten, war ich restlos verloren. Ich verlor mich in Julian. Ich verlor mich in mir selbst. Und ich verlor mich in meiner Liebe zu ihm.

Statt ihn von mir zu schieben, ließ ich das Buch in meinen Händen mit einem dumpfen Knall zu Boden fallen, hob die Hände und krallte mich auf der Suche nach Halt in seine kräftigen Oberarme, packte fest zu, wohlwissend, dass ich ihn damit noch dichter an mich heranzog, statt von mir weg.

Behutsam begann er mich mit gezielten, kreisenden Bewegungen zu verwöhnen und vergrub sein Gesicht an meiner Halsbeuge. Sein Körper presste sich unnachgiebig gegen meinen und sein heißer Atem kitzelte die empfindliche Stelle hinter meinem Ohr. Meine Knie wurden weich und wäre ich nicht zwischen dem Regal und Julian gefangen, hätten sie mir wohl ihren Dienst versagt. Ein weiteres Buch hinter mir purzelte aus dem Regal und landete ebenfalls mit einem dumpfen Geräusch auf dem Boden. Doch ich schenkte dem keinerlei Beachtung. Alles was ich noch wahrnahm, waren Julian und seine Finger, die es sich zum Ziel gesetzt hatten, mich geradewegs ins Paradies zu befördern.

Das war es. Das war es, wonach ich mich seit Monaten sehnte. Was mir gefehlt hatte, um mich wieder ganz zu fühlen. Um glücklich zu sein. Gott, wie hatte ich nur so stur sein und ihn derart lange auf Abstand halten können? Das Gefühl von Julians Nähe, seinem Körper an meinem und seiner sinnlichen Berührungen waren unbeschreiblich. Es war eine wahre Offenbarung, als gehörten wir zusammen, wie zwei Seelen, die sich verbanden, um nie wieder voneinander getrennt zu werden.

Julian setzte seine süße Folter fort, indem er einen Finger in mich hinein schob. Noch ehe ich es verhindern konnte, kam ein lautes Keuchen über meine Lippen und nahezu sofort löste sich seine andere Hand von meinem Hals und legte sich über meinen Mund, um das Stöhnen abzufangen. Julian lächelte verschmitzt auf mich herab und ließ gleichzeitig seinen Finger wieder aus mir herausgleiten. Dann wiederholte er die Bewegung. Meine Augen rollten zurück vor Ekstase. Vor Genuss. Vor Erfüllung. Seine Bewegungen waren selbstsicher. Forsch. Sie lockten mich und hinterließen ein unbändiges Verlangen in mir. Ein Verlangen nach mehr. Weckten eine Leidenschaft in mir, die mich fast zu verschlingen drohte. Ein Feuer, das mich jede Sekunde versengen würde. Und oh ja, Julian wusste haargenau, was er da mit mir anstellte. Welche Knöpfe er drücken musste. Der selbstzufriedene Ausdruck auf seinem Gesicht sprach für sich.

»Oh Gott«, wollte ich sagen, doch hinter Julians vorgehaltener Hand kam nur ein unverständliches Nuscheln über meine Lippen. Meine Reaktion schien ihn nur noch mehr anzuspornen, denn auch auf seinem Gesicht spiegelte sich das pure Verlangen wider. Oh ja, er genoss es geradezu, mich an den Rand des Wahnsinns zu treiben.

Das Spiel seiner Finger löste ein absolutes Gefühl der Wonne in mir aus und reizte mich bis ins Unermessliche, so lange, bis ich fürchtete, dass sich meine Existenz jeden Moment einfach in Luft auflösen würde. Ich war pures Wachs in seinen Händen und er die Flamme, deren Berührung mich einfach nur dahinschmelzen ließ.

»Ich werde es dir jetzt nur ein einziges Mal sagen, Laney«, flüsterte er an meinem Ohr, während sein Finger in einem stetigen Rhythmus in mich hinein und wieder hinausglitt. »Ich will nicht dein Freund sein. Ich will mehr. Ich will alles. Ich will die Luft sein, die du atmest. Ich will der Boden sein, auf dem du gehst und ich will die Person sein, neben der du Nacht für Nacht einschläfst. Ich will dir die Welt zu Füßen legen und dir jeden Wunsch von den Augen ablesen. Ich will derjenige sein, der dich mit einem einzigen Blick in einem überfüllten Vorlesungsaal in den Wahnsinn treibt, weil du an nichts anderes mehr denken kannst, als an das Gefühl, wenn ich in dir bin und dich zum Kommen bringe. Und ich will derjenige sein, ohne den du nicht mehr leben kannst. Derjenige, der dein Herz besitzt, ganz gleich ob es dieses ist, das in deiner Brust schlägt oder ein anderes. Es soll mir gehören. Ich möchte alles von dir. Deinen Körper und deine Seele.«

Seine Worte lösten absoluten Schock in mir aus und in Kombination mit seinen Berührungen trieben sie mich immer weiter auf den Rand einer Klippe zu. Eine Klippe, von der ich mich jeden Moment mit Freuden herunter stürzen wollte. Julian ließ mich nicht für eine einzige Sekunde aus den Augen und das war mit Abstand das Erotischste, was ich je erlebt hatte. In meinem Innern baute sich ein Druck auf, den ich nur allzu gut kannte. Ein Gefühl, das nur er mir bescheren konnte.

Ein lautes Stöhnen entwich meiner Kehle, das selbst Julian nicht vollends abzufangen vermochte und auch über seine Lippen kam ein Laut, der sich verdächtig nach einem Stöhnen anhörte und mich nur noch mehr befeuerte. Ich liebte es, dass er keine Scheu davor hatte, mir seine Lust mitzuteilen. Dass es sich bei ihm um einen Liebhaber handelte, der alles andere als leise war, auch wenn ihm das ausgerechnet hier zum Verhängnis werden konnte.

Und dann geschah es.

Von Gefühlen übermannt, kniff ich die Augen zusammen und krallte mich fester in den Stoff seines Pullovers. Ich erreichte meinen Höhepunkt so heftig, dass ich glaubte, Sternchen vor meinen Augen explodieren zu sehen. Es fühlte sich an, als würde ich schweben und fallen zugleich. Der Orgasmus brach wie eine riesige Welle über mir ein und riss mich mit sich in die Tiefen eines Ozeans an Empfindungen. Einen Ozean, in dem ich das Ertinken mit offenen Armen empfing. Es war die reinste Vollendung. Die Erfüllung all meiner Sehnsüchte und Träume. Die Welt um uns herum hätte niederbrennen und zu Grunde gehen können, es hätte mich in diesem schicksalshaften Moment nicht weniger interessieren können.

»Schau mich an, Laney«, knurrte Julian leise und um ein Haar hätte ich vergessen, wie sehr er es liebte mir in die Augen zu schauen, wenn ich durch seine Hand kam.

Flatternd hob ich die Lider und blickte ihm direkt in die Augen, während ich vollkommen die Kontrolle verlor. Begierde hing über seinem Gesicht wie ein Schleier und er sog jede Regung meines Gesichts in sich auf, als wäre sie für ihn überlebenswichtig. Seine Pupillen waren so stark erweitert, dass man meinen könnte er befände sich in einem Fiebertraum. Oder auf Drogen. Drogen, die meinen Namen trugen.

»Fuck Laney«, murmelte er und lehnte seine Stirn an meine, während er noch immer seine Hand auf meinen Mund gepresst hielt.

Hitze staute sich zwischen uns und ich wusste, dass Julian mindestens genauso erregt sein musste, wie ich es war. Doch ich war viel zu benommen, um ihm in irgendeiner Form eine Gegenleistung anzubieten. Nicht, weil ich mich dazu verpflichtet fühlte, nein, sondern weil ich es gerne getan hätte...

Langsam ließ Julian seine Hand von meinem Mund sinken und gab mir wieder die Gelegenheit, zu Atem zu kommen. Hektisch sog ich die Luft ein und versuchte meinen beschleunigten Herzschlag zu beruhigen. Versuchte mich von dem zu erholen, was er gerade mit mir angestellt hatte. Mein Herz raste wie verrückt und mir war leicht schwindlig.

Julian war nicht förderlich für meine Gesundheit, so viel stand fest.

Nachdem ich mich wieder einigermaßen gesammelt hatte, hob ich schwer atmend das Gesicht und sah ihn mit geröteten Wangen an. Ich konnte noch immer nicht begreifen, was wir gerade getan hatten. Eine Mischung aus Fassungslosigkeit, Scham, aber auch Befriedigung tobten in mir. Meine Augen wanderten zu seinen Lippen und in diesem Moment wurde mir etwas Bedeutendes bewusst.

»Du hast mich nicht geküsst«, stellte ich flüsternd fest.

»Du hast mich nicht darum gebeten«, erklärte er. »Und ich halte mich an meine Versprechen.«

Er hatte mir soeben einer der heftigsten Orgasmen beschert, die ich je erlebt hatte, mitten in der Universitätsbibliothek - was grob fahrlässig war - bestand aber darauf, sein Versprechen, nicht zu brechen? Das war doch völlig unlogisch. Unlogisch und... süß?

Ungläubig sah ich ihn an, aber Julian grinste nur.

»Glaubst du mir jetzt, Laney?«

Ich schluckte schwer und versuchte mich noch immer von den Empfindungen, die er soeben in mir geweckt hatte, zu erholen.

Dann nickte ich langsam - zu mehr als einem Nicken war ich nicht imstande - und eine Sekunde darauf schaffte Julian es wieder einmal, mir mit einer schlichten Geste den Boden unter den Füßen wegzureißen.

»Gut«, er zog seine Hand aus meiner Hose heraus, hob den Finger, mit dem er mich soeben noch befriedigt hatte zu seinen Lippen, leckte ihn genüsslich ab und sagte: »Dann können wir uns ja jetzt weiter unserer Forschung widmen.«

Hello meine Lieben!
Es tut mir wahnsinnig leid, dass ich erst zu so später Stunde update. Leider war der Tag - eigentlich die ganze Woche - Stress pur. Ich hoffe ihr verzeiht mir <3
UND natürlich hoffe ich, dass euch dieses... hust... spicy Kapitel gefallen hat haha. Ich war tatsächlich sehr unsicher diesbezüglich, aber wieder einmal fand ich die Szene doch sehr passend für beide Charaktere! Ich bin schon wahnsinnig gespannt auf eure Reaktionen!
Fühlt euch gedrückt & einen schönen Start ins Wochenende!
Lora <3

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