XIV
Am nächsten Morgen wurde ich durch einen lauten Schuss geweckt. Erschrocken fuhr ich hoch und sah mich panisch um. Wo bitte war ich? Das war nicht mein Zimmer! Mit einem Ruck schlug ich die Bettdecke beiseite und sprang aus dem Bett.
Dabei fiel mir erst auf, dass ich vollkommen fremde Sachen trug. Die kurze Jogginghose und das dunkle Shirt gehörten definitiv nicht mir. Zudem konnte ich das Oberteil fast als Kleid tragen.
Mein Blick ging durch das Zimmer. Die Sonne schien warm durch das Fenster und erhellte den Raum mit hellem, natürlichen Licht. Als ich mich umdrehte und auf das Bett sah, kamen dann auch die Erinnerungen wieder. Was in der Nacht passiert war und wie Darryl mich gerettet und hierhergebracht hatte.
Nur, wo war er jetzt?
Da ich es nicht wusste, beschloss ich meine Klamotten vom Vortag anzuziehen und verließ das Zimmer. Zu gerne würde ich mal ins Bad, um mich frisch zu machen, doch ich hatte keine Ahnung wie ich da hinkam.
„Laila, du bist wach", begrüßte mich David, der mir entgegenkam. War ja eigentlich klar, dass er auch hier war. Warm lächelte er mich an, dennoch sah ich so etwas wie Sorge in seinem Blick.
Noch etwas verschlafen verzog ich meine Mundwinkel zu einem Lächeln. „Morgen, weißt du, wo Darryl ist?", fragte ich ihn hoffnungsvoll.
„Jap, der ist draußen", antwortete er mir knapp, ehe er weiter ging. Also lief ich die Treppe hinunter, blieb jedoch abrupt stehen. Was hatte David gerade bitte angehabt?! Es sah aus wie Trainingskleidung, mit einigen Protektoren und viel Leder. Darunter ein helles Shirt und eine braune Hose mit vielen Taschen. Die Messer waren mir vorhin gar nicht aufgefallen und die hohen Stiefel hörte ich noch hinter mir, wie sie den Flur entlangliefen.
Immer noch verstört ging ich also runter in den leeren großen Raum, der wie ein großer Speisesaal aussah. Nur war er leer und die vielen Holztische und der Holzboden wurden ebenfalls von der warmen Sonne erhellt.
Auf einmal vernahm ich Stimmen von draußen und ging neugierig zum Fenster. Ein paar Menschen liefen über den Hof oder standen einfach nur da und unterhielten sich. So auch Darryl. Mit seiner Größe und seinem Auftreten war er echt nicht zu übersehen.
Neben ihm stand ein Mädchen, die etwas älter und größer war als ich und laut mit ihm diskutierte. Vielleicht seine Freundin? Ich wusste nicht wieso, aber irgendwie gefiel mir der Gedanke nicht. Das Mädchen hatte auffällig dunkle Haut und die langen, schwarzen Haare hatte sie in einem strengen Zopf zusammengebunden. Zudem trug sie die selben Klamotten wie David, nur eben für einen weiblichen Körper angepasst.
Wie als hätten sie mich gesehen drehten sie sich beide plötzlich zum Fenster und schnell verschwand ich hinter der Wand. Wie unangenehm war das bitte? Erst nachdem sie sich wieder abgewandt hatten und weitererzählten, traute ich mich wieder hinauszusehen.
„Wie ich sehe bist du endlich wach, Kindchen", vernahm ich die Stimme einer älteren Frau und erschrocken drehte ich mich um.
„Ähm... ja", entgegnete ich nur verlegen und wusste nicht, wie ich mich verhalten sollte, weswegen ich die Person vor mir erstmal musterte.
Die Frau hatte ebenfalls sehr dunkle Haut und ihre schwarzen Haare trug sie in einem geflochtenen Zopf. Mit ihren Händen strich sie ihre Schürze glatt, ehe sie mich aufmerksam ansah und letzten Endes warmherzig lächelte. „Darryl hat wirklich nicht übertrieben. Du bist fast noch hübscher geworden", erzählte sie.
Verwirrt sah ich sie an. „Was meinen sie damit?"
Doch sie ignorierte meine Frage einfach und lächelte noch breiter. „Mein Name ist Mariama, aber du kannst mich Mara nennen, Laila."
Verdutzt zog ich die Augenbraue hoch. Woher kannte sie meinen Namen? Mit Sicherheit von Darryl.
Dann drehte sie sich plötzlich um. „Es ist schon 12 Uhr. Du musst hungrig sein."
Ich nickte nur und folgte ihr. Sie deutete mir an, mich an einen der Holztische zu setzen und wenig später kam sie mit einem Teller Suppe und zwei Scheiben Brot wieder. „Das ist der Rest von heute Mittag, ich hoffe du magst Pilzsuppe?", fragte sie und ging wieder, um Wasser und einen Löffel zu hohlen.
„Ja, danke", sagte ich nur, aber um ehrlich zu sein hatte ich keine Ahnung, was da vor mir stand. Zwar hatte ich normale Champignongsuppe schon mal gegessen, aber die hier sah ganz anders aus.
Mara schien mein Blick zu bemerken, denn sie meinte mit einem Schmunzeln, „Die Suppe ist hausgemacht und die Pilze kommen frisch aus dem Wald."
Vorsichtig nahm ich einen Löffel und war überrascht von dem Geschmack. Sie schmeckte so viel besser als die ganzen Fertigsoßen. Es war so intensiv und natürlich, ohne sämtliche Zusatzstoffe. „Hm", machte ich daher unbewusst und schloss kurz die Augen.
Die ältere Frau vor mir lächelte wieder und wenig später ging hinter mir die Tür auf. Laute Stimmen erklangen hinter mir und ich zuckte leicht zusammen. Vorbei war es mit der Ruhe.
„Hey, Mara", vernahm ich Darryls Stimme und ohne es zu wollen entspannte ich mich. Dennoch drehte ich mich nicht um.
„Guten Tag, mein Junge, schön, dass du auch mal vorbeischaust. Ich dachte du wärst noch mit David trainieren", begrüßte sie den Schwarzhaarigen mit einer mütterlichen Umarmung und so langsam wurde ich das Gefühl nicht los, dass sie eventuell die Mutter von Darryl, David und vielleicht auch dem fremden Mädchen sein könnte. Die dunkle Haut und die schwarzen Haare sprachen dafür.
Darryl lachte, was mich aufhorchen ließ da ich bisher nicht dachte, dass er gefühltechnisch so was konnte. „Ja haben wir auch, aber der Tollpatsch hat sich nen Muskel eingeklemmt und ist grad auf sein Zimmer."
„Oh, ich hoffe nichts Schlimmes", meinte sie mit sorgenvollem Blick. Doch Darryl versicherte ihr, dass mit seinem Bruder alles in Ordnung wäre. „Dann ist gut, wollt ihr auch was von der Suppe?" fragte sie nun.
„Nein, Danke", kam es dieses Mal von dem Mädchen. Sofort war es still und ich konnte förmlich sehen, wie sie mich anstarrten.
Dann spürte ich, wie sich jemand neben mich auf die Bank setzte und mich anstarrte. Unsicher drehte ich meinen Kopf und sah zu Darryl, der eindeutig viel zu nah saß. „Schön, dass du wach bist. Wie hast du geschlafen nach dem Schreck von letzter Nacht?", wollte er einfühlsam wissen.
„Ganz gut", erwiderte ich kleinlaut und bei dem Gedanken daran, was passiert war, fing ich an in meiner Haltung unweigerlich kleiner zu werden.
Darryl legte seine Hand auf meine Schulter. „Keine Sorge, es ist alles gut. Hier bist du in Sicherheit und ich werde nicht zulassen, dass sie dir nochmal etwas antun!", versicherte Darryl mir und ich war überrascht von seinem beschützerhaften Verhalten.
„Ach komm, die soll sich nicht so anstellen!", knurrte das schwarzhaarige Mädchen, welches nebendran stand und mich feindselig musterte.
„Halt die Klappe, Jessie!", knurrte Darryl daraufhin bedrohlich und mir schien es als würde sie zusammenzucken. Jessie also. Ehrfurcht lag in ihrem Blick, jedoch sah sie noch mal aggressiv zu mir hinüber. Und erst jetzt fiel mir ihre Augenfarbe auf. Sie hatte extrem helle, fast schon gelbe Augen, was mich erschaudern ließ.
Kurz herrschte Schweigen und ich versuchte einfach nur Darryls Anwesenheit zu genießen und meine Suppe zu essen, als Mara anfing zu reden. „Wo habt ihr eigentlich Molotov gelassen? Kommt er gar nicht oder will er bei mir nicht mehr vorbeischauen, nachdem er eins hinten draufbekommen hat?"
„Keine Ahnung, er ist noch nicht da. Kommt aber vielleicht noch", meinte Darryl abwesend und wieder sagte keiner ein Wort.
Dann erklang plötzlich Gepolter von oben und kurz darauf hörten wir ein frustriertes Fluchen. „Ah Mist! Scheiß Dreckstür! Aus dir mach ich das nächste Mal Brennholz!", fauchte jemand von oben und wenig später kam ein wütender David die Treppe runter gerannt, oder eher runter gehumpelt.
„Was machst du denn wieder für Sachen, Jungchen?", fragte Mara tadelnd und besorgt zugleich.
David setzte sich ungeschickt neben seinen Bruder und legte seinen Fuß wie ein Schwerverletzter auf Darryls Schoß. Der nahm Das mit genervtem Blick einfach so hin. „Na was wohl? Die doofe Tür meint wohl nen Aufstand machen zu müssen! Erst gestern Nacht hab ich mich daran gerammelt!", schimpfte er und sah dramatisch in die Runde, als würde er das Schlimmste auf der Welt erklären.
„Der Einzige hier, der einen Aufstand macht, bist du", murrte Jessie augenrollend.
„Und deswegen das ganze Theater?", fragte mein Sitznachbar ungläubig und auf Davids Nicken hin mussten wir alle Lachen. Das war irgendwie typisch für ihn.
Nach einer Weile waren dann alle verschwunden. Mara hatte David mitgeschleift und dessen Proteste ignoriert und Jessie war nach oben gegangen. Jetzt war ich mit Darryl allein und wir beide sahen uns unschlüssig an.
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