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Langsam und möglichst leise öffnete ich die Tür noch ein Stück, so, dass ich den Raum betreten konnte. Es war dunkel und das Fenster war auf. Wer hatte es aufgemacht? Ich hatte es doch geschlossen, da war ich mir sicher.
Aufmerksam sah ich mich im Raum um, doch ich konnte keine Person entdecken. Vielleicht war sie auch schon längst weg, da sie mich gehört hatte. Hoffentlich. Dann wanderte mein Blick zum Schreibtisch.
Die Kette, sie war weg!
Ich wollte mein Handy rausholen, um mein Vater oder die Polizei zu rufen, als mir eine Hand vor den Mund gehalten wurde und mir ein gedämpfter Schrei entwich. Panisch riss ich meine Augen auf und legte meine Hände an die des Fremden. Der Versuch etwas zu sagen oder um Hilfe zu schreien, scheiterte jedoch kläglich.
Die Hand drückte nur noch fester zu und ich wurde an eine harte Brust hinter mir gedrückt. „Sei leise und entspann dich, dann ist alles gut", flüsterte die Person hinter mir ins Ohr und augenblicklich erstarrte ich. Ich kannte diese Stimme. Es war die aus meinem Traum, Darryl!
Doch ich tat nicht was er sagte und wehrte mich weiter. Er hielt mich allerdings fest, als wäre ich nur ein kleines Kätzchen, welches sich aus seinem Griff zu winden versuchte. Nach einer Weile gab ich dann doch auf, er war einfach viel stärker als ich. Verzweifelt seufzte ich, ein Zeichen, dass ich aufgab. Meine Muskeln erschlafften und meine Arme sanken nach unten. So, dass ich entspannt, aber immer noch ängstlich in seinen Armen hing.
„Wenn du jetzt leise bist, lass ich dich los", flüsterte er wieder, augenblicklich bekam ich eine Gänsehaut.
Ich nickte leicht, dann löste sich seine Hand von meinem Mund und ich konnte mich umdrehen. Nur wenige Zentimeter trennten uns voneinander und ich musste meinen Kopf in den Nacken legen, um in seine Augen sehen zu können.
Sie waren stechend grün, so schön hell und schienen schon fast zu leuchten. Wie Katzenaugen. Seine eine Gesichtshälfte wurde durch den Mond angeleuchtet und die andere wurde in völlige Dunkelheit gehüllt. Seine Kette lag hingegen silbern leuchtend und ruhig auf der sich bewegenden Brust.
„Woher?", brachte ich nur verwirrt heraus. Woher wusste er wo ich wohne und, dass ich die Kette hatte?
„David", antwortete er knapp. Jetzt verstand ich gar nichts mehr. Er musste meinen verwirrten Blick bemerkt haben, denn schnell meinte er, „Er hat sie gesehen, als er dich zum Sommerfest eingeladen hat."
Dann hörten wir unten, wie sich die Haustür öffnete und der Schlüssel auf die Kommode geworfen wurde. Mein Vater war wieder da! Darryl zuckte leicht zusammen und wollte zum Fenster, doch ich hielt ihm am Handgelenk fest. Ich wollte ihm noch so viele Fragen stellen.
Er drehte sich kurz um und sah mich an. Dann riss er sich los und sprang aus dem Fenster. Ich befreite mich aus meiner Schockstarre, hastete zum Fenster und sah nach unten. Doch er war schon weg. Das Letzte was ich sah, war ein dunkler Schatten, der im Wald verschwand.
Wie war er die Fassade hochgekommen? Und wie runter, ohne sich zu verletzen?
Naja, jetzt war er weg und die Kette auch. Danke Vater! Ich seufzte wieder und schloss das Fenster. Es war schon 2:21 Uhr. Ich sollte definitiv noch etwas schlafen.
Also legte ich mich wieder hin und schloss die Augen. Zwar konnte ich endlich einschlafen, doch es war kein schöner Schlaf. Immer wieder wälzte ich mich hin und her, träumen tat ich diese Nacht seltsamerweise nicht. Mir war abwechselnd warm und kalt und als mein Wecker klingelte, fühlte ich mich, als hätte ich kein Auge zugemacht.
Mühselig quälte ich mich aus dem Bett und verließ das Haus nach meiner Morgenroutine. Ich freute mich schon total auf morgen, dann wäre Sara wieder da. Langsamer als sonst lief ich zum Bus. Die Musik ließ ich heute weg, aus Angst ich würde dabei einschlafen.
Als der Bus hielt stieg ich aus und betrat das Schulgebäude. Blieb nur zu hoffen, dass ich Ben nicht über dem Weg lief. Und tatsächlich, die ersten vier Stunden sah ich ihn überhaupt nicht. Vielleicht schwänzte er heute? Schön wäre es.
Beim Mittagessen war ich wie so oft allein und beobachtete stumm die anderen im Raum. Keiner nahm Notiz von mir, so als wäre ich unsichtbar. Und vielleicht war das auch gut so. Dann setzte sich plötzlich jemand neben mich. Ich dachte mir nichts dabei, vielleicht waren ja die anderen Plätze besetzt. Also sah ich die Person nicht an und aß weiter. Neben mir fing plötzlich jemand an zu lachen.
„Sehe ich so schlimm aus, dass du mich jetzt schon gar nicht mehr anschaust?"
Überrascht sah ich hoch und sah in zwei große blaue Augen. David. Gespielt beleidigt verzog er das Gesicht und sah mich vorwurfsvoll an.
„Sorry, ich wusste nicht, dass du das bist", erklärte ich ihm.
Jetzt wurde er hellhörig und seine Augenbraue ging nach oben. „Ah, dann bekomm ich also eine Sonderbehandlung?", fragte er noch immer gut gelaunt, während seine Mundwinkel nach oben zuckten.
„Nein. Es ist nur so, dass sich für gewöhnlich niemand zu mir setzt, außer Sara", antwortete ich wahrheitsgemäß.
Jetzt sah er verwirrt aus und ich konnte förmlich sehen, wie es in seinem Gehirn arbeitete. „Warum nicht?"
„Naja, ich gehöre eher zu denen, die nicht so viel Aufmerksamkeit bekommen." Dabei sah ich zu den Cheerleadern, die einige Tische weiter weg saßen und immer wieder zu David und mir sahen. Und ich wusste auch warum, sie geierten David an. Wäre er nicht hier, würden sie mich keines Blickes würdigen. Immer wieder kicherten sie und die Blicke wurden mir langsam unangenehm.
David folgte meinem Blick und als sie bemerkten, dass er sie ansah, gackerten sie auch gleich los. Der Braunhaarige schien das nicht wirklich zu verstehen, oder es interessierte ihn nicht, denn er zog nur irritiert die Augenbrauen zusammen. Stattdessen rutschte er einmal um den runden Tisch herum, so dass er mit dem Rücken zu ihnen saß und mir somit die Sicht auf sie versperrte und wir nun gegenübersaßen.
„Beachte die nicht, die sind doch schlimmer als Hühner. Du hast echt kein Grund auf die eifersüchtig zu sein", meinte er aufmunternd.
Eifersüchtig? Oh man, er verstand das ja ganz falsch. „Ich bin nicht eifersüchtig. Ich gehöre nur nicht zu den Coolen und deswegen halten sie nicht so viel von mir", erklärte ich und setzte dabei das Cool in Anführungszeichen.
„Und, wen interessierst? Geh einfach deinen eigenen Weg", entgegnete er verwirrt und locker, so als wäre es das Normalste auf der Welt.
Sprachlos sah ich ihn an. „Ja, das klappt nur nicht immer", erwiderte ich gedankenverloren und erinnerte mich an die zahllosen Begegnungen mit Ben oder an die ganzen verachtenden Blicke der anderen Mädchen.
„Hm." Mehr fiel ihm auch nicht dazu ein. „Aber wenn was ist, kannst du immer zu Darryl oder mir kommen, uns ist das egal." Aufmunternd lächelte er mich an.
„Wenn wir schonmal bei Darryl sind. Woher wusstest du, dass ich seine Kette hab?", fragte ich ihn direkt, weil es mir noch immer ein Rätzel war, wie David das wissen konnte.
Ertappt sah er mich an. „Wie kommst du denn jetzt darauf?" Nervös fuhr er sich einmal übers Gesicht und unsicher lächelte er mich an.
„Keine Ahnung, vielleicht, weil ich mich gestern fast zu Tode erschreckt hab, als er auf einmal mitten in der Nacht in meinem Zimmer war, obwohl das Fenster zu war?", antwortete ich ihm und sah ihn erwartend an.
„Gings noch unauffälliger, Darryl?", murmelte er mehr zu sich selbst und verdrehte die Augen, während er den Kopf nach unten neigte.
Jetzt wurde ich hellhörig. „Was?"
Doch er sah kurz überrascht zu mir hoch und brabbelte dann irgendwas zusammen. „Nichts! Also ich habe sie gesehen, als du sie in deinen Rucksack gesteckt hast." Aha, sehr glaubwürdig. Zudem hatte Darryl mir etwas anderes erzählt.
„Und wieso kommt er dann nachts und wartet nicht bis morgen? Ich hätte sie ihm heute wieder gegeben."
Er fing an auf seiner Unterlippe herum zu kauen und so langsam kam ich mir vor, als wäre das ein Verhör. „Sie ist ihm eben sehr wichtig und er war sich nicht sicher, wann er sie wieder bekommt. Außerdem war er sowieso in der Nähe", erklärte er.
In der Nähe?! Nachts?! Ich wollte ihn gerade fragen, da klingelte es zur Stunde. Er rief mir noch zu, dass er zum Unterricht musste und huschte wie der Blitz aus dem Speisesaal. Irgendetwas stimmte da nicht, da war ich mir sicher.
*****
Hey, wen mögt ihr bisher mehr, Darryl oder David?💗
Ansonsten schönen Tag noch und bis zum nächsten Kapitel ❣️
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