Chapter 37
Entspannt in einem Ohrensessel sitzend betrachtete Ginny das Todessercamp durch den Vorhang des Zeltes, das ihr zur Verfügung gestellt worden war. Erst hatte man Bellatrix davon abhalten wollen, mit einzuziehen, da Ginny nun einmal Anspruch auf einen besonderen Platz in der Hierarchie hatte. Doch genau dieses Argument hatte sie für die gegenteilige Argumentation verwenden können: Eben weil sie so wichtig war, war Bellatrix als Leibwächterin unabdingbar. Das hatte die bisherigen Leiter des Camps überzeugt, für die Lestrange war ein weiteres Bett hineingebracht und das Zelt magisch vergrößert worden. Bellatrix hatte diese Entwicklung offensichtlich gefreut. Schwer zu sagen, ob sie tatsächlich inzwischen ein wenig an Ginny hing oder ob es ihr darum ging, weiterhin in der Nähe des Dunklen Lords zu bleiben.
Sie mussten sich noch ein wenig durch die bisherige Machtdynamik hier durcharbeiten. Bisher wirkte diese nämlich recht willkürlich; einzelne Todesser hatten sich durch unterschiedliche Qualitäten als Leiter einzelner Bezirke des Camps hervorgetan. Einige machten einen ziemlich schlauen Eindruck, doch die meisten von ihnen waren einfach nur besonders brutal und aus diesem Grund so einflussreich, wie Ginny schon innerhalb der ersten Begegnungen mit ihnen hatte feststellen können. Es hatte sie mit Entsetzen erfüllt, dass besagte gewalttätige Leiter schnell zu den Unverzeihlichen gegenüber ihren Untergebenen griffen.
Und deswegen hatte Bellatrix von einem Todesser, den sie zu kennen schien, ein Ratstreffen vorbereiten lassen, das in wenigen Minuten beginnen würde. Von jedem Bezirk des Camps war ein Anführer eingeladen worden, der den Auftrag hatte, seine Gruppe auf dem Laufenden zu halten.
Diese automatische Aufteilung hatte durchaus ihre Vorteile. Die Todesser hatten sich selbstständig in Einheiten unterteilt, die sie wahrscheinlich für eine mögliche Schlacht würden übernehmen können. Ginny musste noch herausfinden, welche Spezialitäten die einzelnen Zauberer und Hexen mitbrachten, sodass sie sie möglichst effektiv würde einsetzen können. Im Fall einer weiteren kriegerischen Auseinandersetzung hatte sie vor, das Ganze mit Taktik anzugehen, und nicht das Schlachtfeld einfach blind zu überrollen zu lassen wie zuvor. Letztere etwas zweifelhafte Vorgehensweise hatte sie bereits in der Schlacht von Hogwarts nicht wenige Kämpfer einbüßen lassen.
Was ihr allerdings Sorgen machte, waren die vereinzelten Familien, die es ebenfalls im Camp gab. Persönlich konnte sie nicht nachvollziehen, wie man sein Kind einfach in eine mobile Stadt aus Mördern mitnehmen konnte, anstatt es in sichere Obhut zu geben. Im Kriegsfall würde sie entweder eine komplette Einheit darauf verwenden müssen, diese Kinder zu schützen, oder sie würde zeitnah eine deutlich bessere Lösung für sie finden müssen.
Ein Todesser, an dessen Namen sie sich beim besten Willen nicht erinnern konnte, steckte den Kopf unvermittelt durch die Öffnung in der Plane hinein ins Zeltinnere. „Bereit, Mylady?"
Eine knappe Sekunde später wurde er auch schon etwas harsch von der Zeltöffnung weg gezogen. Von draußen hörte Ginny ein verächtliches Schnauben. „Wenn sie jetzt nicht bereit ist, weiß ich auch nicht weiter", spottete Bellatrix, die vorm Zelt Wache gestanden hatte. „Wir haben ihr eine halbe Stunde gegeben, und auf Toilette war sie schon längst. Was bei Salazar soll sie denn tun, womit sie sich die Zeit vertreiben könnte?"
Ginny musste schmunzeln. Die ältere Hexe hatte recht, das Warten war mehr als genug gewesen. Die Probleme, die sie gleich ansprechen würde, waren ihr gleich bei ihrer Ankunft ins Auge gesprungen und in den vergangenen zwei Tagen noch deutlicher geworden. Es gab nicht viel, was sie hier tun konnte, außer sich mit Bellatrix' gestohlener Lektüre zu beschäftigen, und da hatte sie festgestellt, dass diese nun wirklich nicht ihren Wünschen entsprach. Der historische Roman war von einem Muggel geschrieben worden und insgeheim fragte sie sich, wie Bellatrix es geschafft hatte, dieses Buch zu lesen, ohne es in Fetzen zu zerreißen. Das andere Buch hatte die Todesserin aus dem Haus eines Aurors mitgehen lassen, den Fenrir im letzten Monat getötet hatte, aber Ginny musste sich eingestehen, dass diese Lektüre etwas zu... detailliert für ihren Geschmack war, sodass es ihr schon unangenehm war, dieses Buch überhaupt von Bellatrix ausleihen gewollt zu haben.
„Wird's bald?", beschwerte sich Bellatrix mürrisch und riss Ginny damit aus ihren Gedanken.
„Entschuldige", sagte Ginny eilig, stand ein wenig schwerfällig auf und bewegte sich langsamer als sie beabsichtigt hatte aus dem Zelt hinaus.
Bellatrix lachte bei dem Anblick der jüngeren Hexe, die sich außer Atem am Zeltpfosten abstützte, schadenfroh auf. „Alt geworden?", fragte sie mit hochgezogener Augenbraue.
Ginny streckte ihr, trotz Luftnot, die Zunge heraus. „Sei du mal schwanger, dann reden wir hier noch mal drüber!"
Sich kabbelnd, folgten die beiden dem Todesser, der ihnen Bescheid gegeben hatte, zum Platz, der inmitten des Camps geschaffen worden war. Dort stand unter einem Baldachin ein langer Tisch, der, trotz seiner Rustikalität, an den Tisch im Malfoy Manor erinnerte. Bis auf drei Plätze waren alle Stühle besetzt, doch die anwesenden Todesser trugen nicht ihre schwarzen Roben, sondern gewöhnliche bunte Zaubererkleidung. Ginny machte dies ein wenig nervös; in der Vergangenheit hatte sie diese Zauberer und Hexen bereits in den Krieg geführt, doch da waren sie nur eine eintönige schwarze Masse gewesen, die ihren Befehlen gehorcht hatte. Doch hier standen sie, nicht als Werkzeuge, sondern als einzelne Menschen. Und diese wollten hören, was sie zu sagen hatte.
Ihr war klar, dass ihnen nicht alles gefallen würde, was sie vorhatte, und zweifellos würde sie sie dieses Mal von der Legitimität ihrer Entscheidungen überzeugen müssen, denn Tom hatte nicht vor, allzu bald wieder ihren Körper zu übernehmen, wie er ihr gestern versichert hatte. Sie hatte dem zugestimmt, denn es hatte sich als zunehmend erschöpfend herausgestellt, allein schon mit ihm zu reden, und sie befürchtete, dass die Wirkung auf ihr Baby deutlich stärker sein könnte.
Gerade wollte sie mit Bellatrix und dem anderen Todesser ebenfalls Platz nehmen, da erbebte nicht nur der Boden, sondern auch die Luft ein wenig. Erschrocken sahen sich Bellatrix und Ginny um, versuchten, die Quelle des Bebens auszumachen. Die anderen Anwesenden hatten ihre Zauberstäbe gezogen und standen kampfbereit da. „Jemand versucht, hier einzudringen!", rief eine sehr dünne Todesserin mit eingefallenem Gesicht. Aus dem Zelten kamen in Panik die Leute herausgelaufen, denn sie wussten, dieses Mal konnte es nicht die Dunkle Lady sein, die sich Zugang zum Camp verschaffte.
Beunruhigt sah Ginny zu, wie sich die Schutzzauber wabernd auflösten. War es genauso gewesen, als Hermine für sie die Zauber entfernt hatte? Nun konnte sie die Beunruhigung der Todesser kürzlich verstehen, als sie und Bellatrix plötzlich vorm Camp gestanden hatten. Wahrscheinlich war dieses Gefühl für die Bewohner dieser Zeltansammlung zu dem Zeitpunkt ebenso neu gewesen wie nun für sie.
„Hier!", schrie jemand. Alle wirbelten herum und schauten in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war. „Nein, hier!", kam es aus einer deutlich anderen Richtung. Verwirrt sahen alle hin und her. Was war hier los?
„Ginny?", „Ginny!", kam es aus beiden Richtungen.
Es waren mehrere Stimmen, doch sie erkannte sie alle sofort. Überfordert und den Tränen nahe stand sie da und wusste nicht, in welche Richtung sie laufen sollte. „Ich bin hier!", rief sie erstickt.
Niemand senkte seinen Zauberstab, aber die Menge spaltete sich. Aus einer Richtung kamen, mit erhobenen Händen, Harry, und ein ruhig lächelnder George, der ein sehr dickes, sehr altes Buch trug. Aus der anderen Richtung kamen Rodolphus, strahlend, und Fenrir Greyback mit zwei pinken Spieluhren unterm Arm.
Einen Moment wusste Ginny nicht, was sie sagen sollte. Mit Rod und Greyback hatte sie gerechnet, doch George hatte sie längst aufgegeben gehabt und mit Harry hätte sie nicht in ihren kühnsten Träumen gerechnet. Schließlich sprach sie das aus, was sie verstand. „Ihr habt es tatsächlich geschafft", sagte sie zu Rodolphus und Fenrir.
„Sicher doch", knurrte Greyback und bleckte die Zähne, was in einem anderen Kontext sicherlich furchterregend gewesen wäre. Doch so wirkte es einfach nur begeistert.
Rodolphus grinste ebenfalls. „Ohne ihn hier", er knuffte Greyback leicht in die Seite, „wäre ich wohl immer noch im Ministerium, aber er hat die Portschlüssel gefunden." Begeistert zeigte er auf die Spieluhren.
„Ich sagte doch, dass mein Depositionszauber klappt." Bellatrix nickte zufrieden und warf Ginny einen triumphierenden Blick zu. Dann huschte sie eilig zu Rodolphus, um ihn in eine etwas unsichere, aber feste Umarmung zu nehmen.
Langsam wandte sich Ginny ihrem Bruder und ihrem Ex zu. „Und ihr? Welcher glücklicher Fügung verdanken wir euer Kommen?"
Georges Mund verzog sich zu einem Lächeln, das Ginny nicht ganz zu deuten vermochte. „Dieser hier." Er hob das Buch hoch, sodass sie erst den Einband und dann die Vorderseite sehen konnte. Mit kurzer Verzögerung kam aus Bellatrix' Richtung ein schriller, kurzer Aufschrei gefolgt von einem gehauchten „Wie kann das sein?". Mit bemerkenswerter Schnelligkeit war Bellatrix zum Weasley hingelaufen und hatte ihm das Buch abgenommen, um es auf Echtheit zu überprüfen.
„Harry hat es gefunden", erklärte George. „Und da wir uns genau in dem Moment dazu entschlossen hatten, uns um jeden Preis gegen Hermine zu stellen, die nebenbei gesagt heimlich das Zaubereiministerium übernommen hat, sind wir so schnell wie möglich aufgebrochen. Allerdings haben wir eine Weile gebraucht, um euch zu finden. Dafür mussten wir sogar kurz im Ministerium einbrechen, um die Karte mit den Hinweisen auf Todessercamps zu kriegen." Er fischte ein übermäßig oft in Vierecke geknicktes Pergamentstück aus seiner Hosentasche und reiche es seiner Schwester. „Wir sollten uns bald um die kleineren Camps kümmern. Einige von ihnen wurden noch nicht angegriffen. Das kann sich aber sehr bald ändern. Die mittelgroßen sind einigermaßen sicher und dieses hier anzugreifen würde das Ministerium nicht wagen. Es ist das größte." Er sah sich suchend um, bis er sein Ziel gefunden hatte. „Ach, Bellatrix?" Er zog einen gekrümmten, dunklen Zauberstab aus seiner Jackentasche und warf ihn der älteren Hexe zu. Sie fing ihn mühelos auf und umklammerte ihn wie einen ehemals verlorenen Schatz.
Während Ginny die malträtierte Karte auseinander faltete, beäugte sie ihren Exfreund mit offener Skepsis. „Und warum sollte Harry bei dieser Aktion mitmachen? Der Dunkle Lord ist sein größter Feind."
Einen Moment war alles still. Harry betrachtete mit übergroßem Interesse seine Fußspitzen.
Schließlich ergriff George das Wort: „Weil ich Harry weisgemacht habe, dass du die Todesser friedlicher führen würdest und dich gegen Hermine durchsetzen würdest, anstatt den Dunklen Lord wiederauferstehen zu lassen." Er legte schelmisch den Kopf schief. „Aber wir wissen beide, dass das eine Lüge war. Als ich dem Orden geholfen hatte, wollte ich nur spionieren. Ich stand die ganze Zeit auf eurer Seite", beteuerte er.
Harry sah entsetzt auf und suchte sofort nach einem Fluchtweg, doch die Todesser, die aus den Zelten gekommen waren, bildeten eine undurchdringliche Wand und hatten ihre Zauberstäbe auf ihn gerichtet.
Ginny zögerte einen Moment, dann nickte sie. „Rod, schocke Harry und bring ihn in unser Zelt. Bella wird dir zeigen, wo das ist." Zwei rote Blitze durchzuckten die Luft und traf Harry, der betäubt rückwärts kippte. Ginny drehte den Kopf und sah, dass sowohl Bellatrix als auch Rodolphus Harry geschockt hatten. „Wenn ihr fertig seid, kommt bitte zurück hierher, wir haben noch eine Besprechung vor uns", sagte sie zu Rodolphus. Dann klatschte sie in die Hände. „Alle zurück in die Zelte, die nicht befugt sind, an der Besprechung teilzunehmen. Und wir brauchen noch ein paar mehr Stühle für George, Rodolphus und natürlich Fenrir."
Die Massen setzten sich wieder in Bewegung, wie sie es angeordnet hatte.
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Entschuldigung, dass wieder eine Weile nichts kam, aber meine Motivation war trotz Versprechen im Keller. Also kam das Kapitel erst jetzt. Ich hoffe doch sehr, dass es sich gelohnt hat zu warten.
An dieser Stelle möchte ich eine Story-Empfehlung aussprechen. „Das ist der Weg" von Dunkelpelz auf FanFiktion.de. Die Story ist von meiner und Kiamaras Tominny-Geschichten inspiriert. Ganz lieb hat Dunkelpelz mich nach einer Erlaubnis für die Veröffentlichung gefragt, und da habe ich angeboten, für ihre Story Werbung zu machen. Der Plot klingt schon mal super spannend, ich habe auch schon angefangen zu lesen und wurde nicht enttäuscht.
2016: Lily Luna Potter wacht eines Morgens in einer Zelle in Askaban auf? Was ist nur passiert? Wie ist sie nur hierhergekommen? Während Harry Potters jüngste Tochter verzweifelt nach einem Ausweg sucht, lernt sie eine geheimnisvolle Gefangene kennen. Jahr 1992: Ginny Weasley darf endlich nach Hogwarts. Voller Vorfreude auf ihr erstes Schuljahr macht sie sich mit ihrer Familie auf zur Winkelgasse und reist wenig später zum ersten mal nach Hogwarts. Doch was dort passiert, wird ihr gesamtes bisheriges Leben und ihre gesamte Zukunft, die Geschichte der Zauberer für immer verändern.
Bitte schaut mal rein, es lohnt sich!
Liebe Grüße,
Merope
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