Chapter 3
Das Gesicht in den Armen verborgen, kauerte Ginny in einer Ecke des Schlafbereichs. Ihr war zum Heulen zumute. Sie konnte Toms Seelenstück zwar spüren, aber keinen Kontakt zu ihm aufnehmen, was nur dazu führte, dass sie sich nur noch einsamer fühlte.
Rodolphus stellte einen Pappteller vor die junge Hexe. „Du musst doch essen!", rief er verzweifelt, als sie ihn ignorierte. „Wenn nicht für dich, dann für dein Kind!"
Das wirkte. Seufzend nahm Ginny das Plastikbesteck und aß ein wenig von dem halb verkohlten Grillwürstchen, das ihr ohne weitere Beilagen serviert worden war.
Rod atmete erleichtert auf, starrte aber frustriert das verbliebene Essen an, als die Rothaarige es ihm zurückreichte. „So kann das nicht weitergehen." Kopfschüttelnd ging er zurück in den Hauptraum zu seiner Ehefrau, die an einer mückenumschwirrten Gaslampe saß und in einem gestohlenen Muggelroman las, da in ihrer Situation nicht besonders viele Möglichkeiten existierten, um sich zu beschäftigen.
Nach einer halben Minute, in der er nach Worten suchte, sagte Bellatrix ohne aufzusehen bissig: „Was? Ich merke, dass du mich ansiehst." Er nahm neben ihr Platz, was sie zumindest einmal kurz den Blick heben ließ. „Also, was ist? Spuck's aus."
Der Todesser holte tief Luft. „Ginny geht es schlecht. Könntest du dir eventuell mal die Zeit nehmen und sie aufmuntern...?"
Bellatrix prustete los. „Ich als Entertainerin?! Du spinnst doch."
***
Heute hatte Ginny sich aufgerafft und war in den Wald gegangen, um etwas Essbares zu suchen. Sie konnten nicht ewig vom umgetauschten Geld leben; so viel war es nun auch nicht. Es konnten bestenfalls dreihundert Pfund gewesen sein, die sie in aller Eile aus dem Verlies der Lestranges geholt hatten.
Es raschelte im Gebüsch. Ginny zog ihren Zauberstab, ehe sie sich erinnerte, dass sie bereits ihre Spur wiederhaben könnte. Kurzerhand griff sie nach ihrem Holzmesser mit der feuergeschwärzten Klinge und hielt es offensiv vor sich. „Wer ist da?", rief sie und versuchte ihre Stimme fest klingen zu lassen, doch sie gelang eher dünn, was auch kein Wunder war, wenn man bedachte, wie wenig sie in der vergangenen Woche gesprochen hatte.
Auf einmal schoben sich die Blätter beiseite und gaben den Blick auf einen bei Ginny nicht sonderlich beliebten Werwolf frei. „Weasley, schön, dich zu sehen."
„Greyback", erwiderte Ginny vorsichtig, steckte die Waffe aber noch nicht weg. Bei ihm wusste man nie. „Was machen Sie hier?"
Er bleckte die Zähne, was wohl so etwas wie ein Grinsen darstellen sollte. „Dasselbe wie du, nehme ich an. Fliehen. Ich gehe nach England – ist wohl nicht besonders schlau, in Schottland zu bleiben. Auch wenn ich die Highlands vermissen werde. Immerhin gibt es in London viele Menschen." Er leckte sich über die vernarbten Lippen.
Ginny bemühte sich vergeblich, nicht das Gesicht zu verziehen. „Ah, lecker." Als sie sich wieder gefasst hatte, fragte sie mehr der Höflichkeit halber: „Möchten Sie zum Zelt mitkommen?"
Er brummte und begleitete den Rest des Weges. Nach Essen konnte sie später auch noch suchen.
***
„Was zur Hölle hat der hier zu suchen?", knurrte Bellatrix und machte ihrem wölfischen Gegenüber damit alle Ehre. Besonders begeistert schienen weder sie noch ihr Mann zu sein.
Greyback ignorierte sie, als er sich an den Tisch setzte, hielt aber gebührenden Abstand. Diese Wahnsinnige war ihm einfach nicht geheuer, besonders nachdem sie ihn und Scabior dieses Jahr im Manor fast erdrosselt hatte.
Anklagend wandte sich das Ehepaar der Rothaarigen zu. „Warum?"
„Ich hab ihn im Wald getroffen, er will auch weg aus Schottland", verteidigte sie sich und hob beschwichtigend die Hände. „Und im Gegensatz zu uns hat er eventuell eine Ahnung, wo wir überhaupt sind."
„Da magst du recht haben", gestand Rod ihr widerwillig zu. „Aber viel Verpflegung haben wir nicht und das Geld ist auch fast nur dafür gedacht." Er warf einen auffälligen Blick in Richtung des Werwolfs, der ihn angriffslustig anfunkelte.
„Er bleibt." Ginny wurde von allen verblüfft angesehen. „Und heute ziehen wir wieder um – aber vorher zeigen wir der Welt noch, dass wir nicht aufgegeben haben!", sagte sie entschlossen.
Bellatrix sah skeptisch aus, wollte aber interessiert wissen: „Und wie stellst du dir das vor, Weasleygöre?" Ohne es zu merken, war die ältere Todesserin wieder zu der gewohnten Anrede zurückgekehrt. Vermutlich, weil es Ginny schon wieder besser gehen zu schien.
Auf deren Gesicht breitete sich ein irre anmutendes Grinsen aus. „Es gibt ja sicherlich irgendwo hier Auroren, die alleine leben. Ich denke, einer von denen kann Besuch vertragen."
„Wir greifen die Verteidigung des Landes einzeln an", fasste Rod bewundernd zusammen. „So haben wir auch kein Problem mit unserer zahlenmäßigen Unterlegenheit. Genial." Lobend klopfte er Ginny auf die Schulter.
Da meldete sich Greyback wieder zu Wort: „Wenn ich mitkomme, springt dann für mich auch was raus?" Seine Augen nahmen beim Gedanken daran ein gieriges Leuchten an.
Fragend sahen alle zu Ginny, die zuerst zögerte, dann jedoch die Achseln zuckte. „Warum nicht? Wir wollen sie doch richtig schockieren, oder was meint ihr?"
Die Todessertruppe brach in Jubelgeschrei aus. Die Dunkle Lady war in diesem Moment sehr dankbar, dass sie sich seit gestern mitten im Kielder Forest Park befanden und nicht in der Nähe eines Dorfes.
***
„Alohomora!", sagte Ginny leise. Hinter ihr befanden sich die anderen, die Zauberstäbe ebenfalls kampfbereit in den Händen.
Noch am selben Tag waren sie alle losgezogen und hatten in einem Internetcafé eine halbe Stunde Luftlinie entfernt einen Computer beschlagnahmt, um den ausgewählten Auroren ausfindig zu machen. Greyback hatte einmal Probleme mit diesem Zauberer gehabt und ihn sofort vorgeschlagen. Sein Name war Antonius Hatch, er war neununddreißig Jahre alt und wohnte seit elf Jahren in Ripley. Die Grenze zwischen Schottland und England hatten sie somit überquert.
Viele rote Backsteinhäuser mit Satteldächern hatten sie erwartet, als sie in der Slack Line gelandet waren. Strommäste standen vereinzelt vor den vielen sich ähnelnden Vorgärten. Fast jeder auf der linken Seite schien hier einen Garten zu haben, was jedoch lustigerweise nicht für die rechte Seite galt. Durch die Fenster von Hatchs Haus konnte man nicht besonders viel sehen, die weißen Vorhänge und Rollos waren zu- und heruntergezogen. Vermutlich war er einer von diesen paranoiden Menschen, die sich vor Einbrechern fürchteten. Oder er eher vor Todessern. Zurecht.
Die auffallend blaue Tür reagierte kein bisschen auf Ginnys Zauber.
„Gesichert. Naja, der Typ ist ja auch Auror", meinte Bellatrix genervt und löste nacheinander die Schutzzauber, die auf dem Haus lagen. „So, versuch es nochmal."
„Alohomora!"
Die Tür schwang fast geräuschlos auf. „Gut geölt", kommentierte Rod gespielt anerkennend. Seine Kollegen ignorierten ihn.
Ohne auch nur ein einziges Geräusch zu machen, betraten sie den schmalen Hausflur. Im Wohnzimmer lief der Fernseher. In der nächsten Sekunde nicht mehr. Der Mann im Sessel stand verwirrt auf und ging zu dem Gerät hin.
„Avada Kedavra", sagte Bellatrix zufrieden.
Antonius Hatch wirbelte entsetzt herum, Erkennen blitzte in seinen Augen auf – und dann waren sie leer.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro