Kapitel 2
Er grinste mich an und es schien, als wollte er mit mir flirten. Ich starrte nur irritiert zurück.
"Das ist Janine. Meine Freundin." erklärte Marcus tonlos.
Jetzt kam er näher, nahm sich einen Stuhl und setzte sich zwischen Zoë und mich, ohne mich weiterhin mit diesem Blick anzusehen.
"Hey, Marcus, du Stecher! Das letzte Mal als ich hier war, warst du noch Jungfrau und jetzt lädst du schon Ladies zu dir ein. Ich wusste, du kannst noch was von mir lernen." meinte er.
"Ach lass mich doch in Ruhe." Marcus' Stimme hob sich nicht an, sie war immer noch genauso monoton wie davor. Entweder sein älterer Bruder langweilte ihn oder er versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, dass er ihn wahnsinnig machte. Ich tippte auf Option zwei.
"Iss doch was mein Schatz." bat Zoë und erst als Tyler sich eine eine Portion Lasagne holte, bemerkte ich, dass sie ihn meinte. Sie schien ein nahezu gegensätzliches Verhältnis zu ihrem ältesten Sohn zu haben, als die restliche Familie.
Ich wollte ihn nicht anstarren, weshalb ich meinen Blick abwendete, aber in Gedanken versuchte ich sein Gesicht zu rekonstruieren.
Er sah gut aus, da gab es keinen Zweifel. Er musste schon über 20 sein, aber genau wollte ich mich nicht festlegen. Er hatte dunkelbraune, abstehende Haare und einen Dreitagebart. Auf die genauen Details konnte ich leider noch nicht achten. Ich hätte zu gerne gewusst, welche Farbe seine Augen haben. Sind sie braun wie Schokolade? Grün wie ein Smaragd? Oder doch eher blau wie das Meer?
Meine Gedanken wurden gestört durch Tyler, der auf einmal wieder aufstand.
"War ausgezeichnet, Mom. Ich hau mich jetzt mal ins Bett, ich bin ganz schön fertig." Zoë nickte und lächelte.
"Bleibst du länger oder musst du bald wieder zurück?" wollte Rob nun wissen und klang dabei eher genervt als interessiert.
"Den Abschluss hab ich, also was will ich da noch? Und wer würde ein Apartment an der Upper East Side aufgeben, wenn man doch eine Studentenverbindung in Miami hat?" Er verdrehte die Augen und ging ohne ein weiteres Wort nach oben.
Von da an war die Situation angespannt. Keiner sprach mehr, wenn es nicht unbedingt nötig war und jeder saß so starr und gerade auf seinem Stuhl, dass man meinen könnte, sie warteten auf ihre eigene Hinrichtung.
Man musste kein Einstein sein, um zu erkennen, dass eindeutig Tyler der Grund dafür war. Tyler, das Rätsel an sich. Langsam hatte ich das Gefühl, dass die Bennets mehr Geheimnisse hatten, als ich gedacht habe.
∞∞∞
Nach dem stillen Abendessen, mussten die Zwillinge ins Bett und die Jungs konnten Fernsehen. Sport. Obwohl ich nicht total Sport uninteressiert bin, half ich lieber Zoë in der Küche. Vielleicht konnte ich bei ihr ein paar Informationen über Tyler herausfinden.
"Also stimmt das? Tyler ist der älteste Bruder?" fing ich vorsichtig an und Zoë nickte.
"Wieso habt ihr noch nie über ihn geredet?" fragte ich nun weiter.
"Er war seit drei Jahren auf dem College in Miami. Davor hing bei uns der Haussegen schief und auf einmal war alles in Ordnung. Die drei Jahre könnte man sagen, war eine Auszeit für uns als auch für ihn. Ich hoffe nur, dass sich jetzt alles regelt." meinte sie.
Drei Jahre von zuhause weg? Dieser Tyler musste ja besonders nervtötend sein, wenn seine eigenen Brüder nicht einmal vermissen. Geschweige denn seine Eltern. Obwohl ich das Gefühl habe, dass Zoë öfter mit ihm Kontakt hatte als die anderen.
"Hör mal, Janine...bitte urteile nicht vorschnell über Tyler, ja? Ich weiß, er ist schwierig, aber er ist kein schlechter Mensch. Also gib ihm eine Chance, okay?" Sie sah mich fast schon flehend an und ich nahm die Bitte nur zu gerne an.
Zwar kannte ich ihn etwa fünf Minuten, aber ich war mir sicher, dass sie Recht hatte. Okay, er war jetzt auch alles andere als schwierig gewesen. Aber wie schlimm konnte er schon sein?
∞∞∞
Gegen neun Uhr setzte ich mich zu den Jungs und sah mir das Spiel mit an und als es zu Ende war, gingen Marcus und ich nach oben. Er gab mir eine neue Zahnbürste und ein paar Sachen, die ich als Schlafanzug benutzen konnte.
Wir lagen in Bett, bevor wir eigentlich müde waren, aber wenn er bei mir war, machten wir es genauso. Wir redeten so lange, bis wir einschliefen.
"Tut mir leid, dass du das mitbekommen hast." entschuldigte er sich.
"Wieso entschuldigst du dich? Immerhin weiß ich jetzt, dass du noch einen Bruder hast. Wieso hast du mir das nie erzählt?"
"Das ist kompliziert Janine..."
"Vertraust du mir nicht?"
"Doch, es ist nur... ich wollte nicht über Tyler reden."
"Aber er ist doch dein Bruder. Und du hast ihn jahrelang nicht mehr gesehen."
"Na und? Er ist ein Arsch! Ich war froh, als er weg war. Können wir jetzt das Thema wechseln?"
Ich war bestürzt, dass er so von seinem eigenen Bruder sprach. Klar, ich verstand mich auch nicht so gut mit meiner älteren Schwester, wir stritten die ganze Zeit, aber wenn es drauf ankam, hielten wir zusammen.
Was war nur mit Tyler los, dass er nicht einmal in seiner eigenen Familie Unterstützung fand? So schlimm konnte er doch wirklich nicht sein.
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