I Dont Want To Be Alone
Ich hatte nie verstanden, warum Menschen dachten, Erfolg würde automatisch glücklich machen. Mein Leben war der Beweis dafür, dass es nicht so war.
Ich hatte alles: eine luxuriöse Wohnung im Herzen von Seoul, Geld, das mir Sicherheit bot, und eine Liebe, die mich auffing, wenn ich fiel. Und doch lag ich nachts wach und fragte mich, ob ich irgendwo auf dem Weg zu mir selbst verloren gegangen war.
Jisung blühte auf.
Sein Name war längst nicht mehr nur in den kleinen, versteckten Galerien zu finden, in denen er früher ausgestellt hatte. Jetzt waren es große Hallen, voller Menschen, die seine Kunst bestaunten und ihn als Genie feierten. Es war faszinierend zu sehen, wie sehr ihn das erfüllte. Und gleichzeitig schmerzte es.
Nicht, weil ich ihm seinen Erfolg nicht gönnte – sondern weil ich nicht mehr wusste, wer ich ohne ihn war.
Ich saß am großen, hölzernen Schreibtisch in unserem gemeinsamen Arbeitszimmer und starrte auf das geöffnete Dokument auf meinem Laptop. Die Worte, die ich schreiben wollte, blieben aus. Meine Finger lagen auf der Tastatur, bewegten sich aber nicht.
Früher hatte ich Geschichten geliebt. Schon als Kind hatte ich ganze Welten erschaffen, nur mit einem Stift und einem Notizbuch. Doch jetzt, da ich versuchte, mich wieder mit diesem Teil von mir zu verbinden, fühlte es sich an, als hätte ich verlernt zu atmen.
Hinter mir hörte ich Jisung summen. Er lag auf dem Boden, eine riesige Leinwand vor sich, seine Finger voller Farbe. Irgendein intensives Blau, das sich über seine Haut zog, als wäre es Teil von ihm. Ich beobachtete, wie er mit fast kindlicher Begeisterung eine Linie zog, dann innehielt, einen wenig zurückrutschte und mit zusammengekniffenen Augen überlegte. Er war in seinem Element. Vollständig.
Ich fragte mich, ob er mich je so sehen würde – versunken in meinem eigenen Schaffen, vollkommen in dem, was ich tat.
„Min?“ Seine Stimme riss mich aus meinen Gedanken. Ich blinzelte, als hätte ich vergessen, wo ich war.
„Hm?“
Jisung sah mich über seine Schulter hinweg an, ein kleiner blauer Fleck auf seiner Wange. „Warum guckst du so?“
Ich zuckte die Schultern, versuchte zu lächeln. „Ich bewundere dich. Das ist alles.“
Er lachte leise. „Du kannst mich auch bewundern, wenn du schreibst. Oder ist dein Laptop jetzt dein größter Feind?“
Ich schnaubte. „Fühlt sich fast so an.“
Jisung drehte sich um und kam auf mich zu. Er kletterte auf meinen Schoß, als wäre es das Normalste der Welt, und legte seine Hände auf meine Schultern. Die Farbe an seinen Fingern hinterließ Spuren auf meinem Shirt, aber das war mir egal.
„Dann mach eine Pause“, sagte er sanft. „Manchmal kommen die Worte nicht, weil du sie zu sehr erzwingen willst.“
Ich sah in seine Augen, die mich immer an warme Herbsttage erinnerten.
Tief, braun, voller Leben. Jisung wusste nicht, dass mein Problem nicht das Erzwingen war – sondern die Angst, dass es vielleicht nie wieder so werden würde, wie früher.
„Vielleicht hast du recht“, murmelte ich und lehnte mich ihm ein Stückchen näher. „Vielleicht brauche ich nur ein bisschen Zeit.“
Jisung schmunzelte. „Oder eine Ablenkung.“
Er ließ seine Finger über meinen Nacken wandern, sein Blick wurde schelmisch. Ich kannte dieses Lächeln. Und für einen Moment, nur für einen kurzen Moment, ließ ich alles andere los.
Denn wenn Jisung mich ansah, wenn er mich berührte, dann war ich nicht der Mann, der sich in seinem eigenen Kopf verlor. Dann war ich einfach nur Minho – und das reichte.
Später lag ich allein im Bett, während Jisung noch an seinem neuen Gemälde arbeitete. Die Dunkelheit war sanft, das Mondlicht fiel in Streifen durch die Vorhänge. Ich wusste nicht, warum mir gerade jetzt so übel war. Vielleicht hatte ich zu wenig gegessen. Vielleicht lag es am Stress. Vielleicht war es einfach nur einer dieser Nächte, in denen der Schlaf sich weigerte, zu kommen.
Ich drehte mich zur Seite, schloss die Augen. Mein Körper fühlte sich schwer an, aber mein Kopf war wach. Ein flüchtiger Gedanke schlich sich ein – etwas, das ich schnell wieder verdrängte.
Ich wusste nicht, wie lange ich wach lag. Die Minuten verstrichen langsam, das Ticken der Uhr an der Wand wurde lauter, je länger ich darauf achtete. Mein Körper war müde, aber mein Kopf war rastlos.
Ich hörte Jisung, bevor ich ihn sah – das leise Knarren der Badezimmertür, das gedämpfte Geräusch seiner nackten Füße auf dem Holzboden.
Ein Hauch von Wärme durchzog den Raum, als er sich mir näherte, ein vertrauter Duft nach frischer Seife und dem Lavendelshampoo, das er seit Jahren benutzte.
„Müde“, murmelte er kaum hörbar, während er die Decke zurückschlug und ins Bett kroch. Seine Bewegungen waren langsam, schläfrig, als würde er im nächsten Moment schon einschlafen.
Ich drehte mich zu ihm um und blinzelte in der Dunkelheit. Das Mondlicht fiel genau auf ihn und ließ seine Haut fast leuchten. Seine Haare waren noch leicht feucht, die Spitzen klebten an seiner Stirn. Ich bemerkte, dass er nur seine Boxershorts trug – wie fast immer, wenn er zu faul war, sich ein Shirt überzuwerfen.
Es war mir egal.
Ohne groß nachzudenken, rutschte ich näher zu ihm, ließ meinen Arm um seine Taille gleiten und zog ihn sanft an mich. Jisung brummte leise, aber er protestierte nicht. Stattdessen seufzte er tief, seine Atmung verlangsamte sich bereits.
Ich schloss die Augen.
Ich hatte nur darauf gewartet, dass er ins Bett kam. Ohne ihn konnte ich nicht mehr schlafen. Ich brauchte seine Wärme, seine Nähe, seinen Atem, der sich gleichmäßig hob und senkte. Es war fast erschreckend, wie abhängig ich von ihm geworden war – nicht nur von seiner Anwesenheit, sondern von diesen kleinen Dingen, die er tat, ohne darüber nachzudenken.
Ich brauchte seinen Oberkörper, um meine Arme um ihn zu schlingen.
Ich brauchte seine Hände, damit er sie in meinen Haaren vergrub, um mich sanft zu streicheln, damit mein Kopf endlich zur Ruhe kam. Und als ob er meine Gedanken hören konnte, bewegte Jisung sich im Halbschlaf und hob eine Hand.
Seine Finger fanden automatisch ihren Weg in meine Haare.
Ich spürte, wie meine Schultern sich entspannten, wie mein Herz langsamer schlug. Er wusste, dass es das war, was ich brauchte. Keine Worte, keine Versprechen – nur diese sanfte Berührung, die mir sagte, dass er hier war. Dass wir hier waren.
Sein Daumen strich in langsamen Kreisen über meine Kopfhaut, während ich mich noch enger an ihn schmiegte. Ich atmete tief ein, sog seinen vertrauten Geruch ein, ließ mich von seiner Wärme einhüllen.
„Schlaf“, murmelte er leise, seine Stimme kaum mehr als ein schläfriger Hauch.
Ich hätte geantwortet, aber ich war bereits zu weit fort. Zu weit in dieser Stille, in dieser Geborgenheit, die nur er mir geben konnte.
Mein letzter bewusster Gedanke, bevor der Schlaf mich endlich fand, war, dass ich nirgendwo anders sein wollte als genau hier – in seinen Armen, in seinem Atem, in seiner Welt.
🏵️
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro