22.
„Mrs. Burke?"hörte ich die sanfte Stimme des hübschen Arztes mit der Verräterseele.
Ich schlug die Augen auf, er saß auf der Bettkante, was ich schon im ersten Semester gelernt hatte, dass es verpönt sei!
„Leider haben unsere Kollegen aus dem Hillside uns verschwiegen, dass sie heute morgen noch die Medikamente genommen haben. Das hat sich nicht mit der Narkose vertragen und sie haben sehr lange geschlafen. Aber sonst ist alles gut verlaufen, es wird noch etwas bluten. Sie kennen das, haben ja schon eine Ausschabung hinter sich."erklärte er, ich schaute mich um, wir waren allein.
„Hören sie endlich auf mit dem Unfug!"knurrte ich.
Er schaute mich ernst an.
„Ich hoffe, ich kann mich auf sie verlassen."
„Was?"hauchte ich.
„Wenn sie nichts sagen, sage ich auch nichts."
Ich kapierte gar nichts. Doch dann konzentrierte ich mich auf das Wundgebiet und stellte fest, dass es sich so wie immer anfühlte, also, wie nach den Geburten oder der Ausschabung, die ich nach einer Fehlgeburt machen lassen musste, nach Harry war ich noch einmal schwanger gewesen. Vielleicht war das so nach einer Klitoridektomie? Im Buch war beschrieben, dass es brannte und beim Laufen weh tun könnte.
„Mrs. Burke, antworten sie mir!"verlangte der Verstümmeler.
„Ich verstehe sie nicht, sie wissen doch, ich bin Psycho."murmelte ich müde.
„Gut, ich komme später wieder."seufzte er. „Brauchen sie etwas gegen die Schmerzen?"
„Nein."hauchte ich.
Er kam nicht wieder. Kurze Zeit später spürte ich Blasendruck und mir wurde übel. Ich überlegte, ob ich klingeln sollte, aber andererseits wollte ich niemanden sehen. Also setzte ich mich erst einmal ordentlich auf. Es tat nicht schlimmer weh, als hätte ich meine Regel. Nach meinen Atemübungen stellte ich mich hin, spürte, wie etwas Blut in meine Einlage lief, aus mir. Hatte ich jetzt doch meine Regel bekommen? Na, das würde passen! Auf Toilette dann kapierte ich endlich, was der hübsche Arzt gemeint hatte. Nun war er für mich doch wunderschön! Er hatte mich tatsächlich nur ausgeschabt, mein äußerliches Genital war komplett unversehrt. Nicht das, was ich unterschrieben hatte! Vielleicht kassierte er jetzt für einen Schwindel, aber so lange ich dabei gut weg kam, war ich damit voll einverstanden! Ich versuchte, nicht allzu fröhlich zu wirken, wenn die Schwestern kamen, zum Glück hatte keine von ihnen Lust darauf, mir bei der Hygiene zu helfen. Und als fast fertige Ärztin konnte ich das gut alleine! Jodhi kam mich besuchen, mir brannte es unter den Nägeln, ihr die Wahrheit zu sagen. Sie erzählte, dass Tom tatsächlich gekündigt hätte.
„Dann wird sich dort nie was ändern."hauchte ich.
„Tim wird morgen entlassen."lächelte sie. „Und du bist endlich draußen, das ist doch schon mal ein kleiner Sieg."
Und dass ich noch einen errungen hatte, wußte sie nicht. Hatte ich Dr. Bomer letztendlich überzeugen können?
„Ach, Tom redet übrigens gerade mit deinem Doc."seufzte sie. „Die beiden kennen sich von einer Fortbildung. Es war kein Fehler, dass du die Medikation bekommen hast, eigentlich war die OP erst für morgen geplant. Der Professor der Gynäkologie sollte es machen, leider ist der heute Morgen beim Laufen gestürzt und so hat Matthew übernommen."lächelte sie und schaute mich eindringlich an.
Ich sagte nichts, sondern umarmte sie fest. Am nächsten Morgen holte mich eine Schwester ab zur Nachkontrolle. Nun, in meiner Akte stand ja „Ausschabung", so musste Dr. Bomer nicht mal so tun, als hätte ich eine bekommen, aber die Schwester brauchte er anscheinend nicht, er scheuchte sie raus.
„Ich verstehe jetzt."murmelte ich, während er mir zwischen die Beine guckte, ich schaute an die Decke.
„Gut."seufzte er.
„Was haben sie mit dem Anästhesisten gemacht?"flüsterte ich.
„Es ist leider zu einer unvorhergesehenen Blutung gekommen, durch das geschwollene Gewebe, sie waren ja kurz vor der Mens, also brauchte ich eine längere Narkose. Und die hat einen leichte Atemdepression ausgelöst, die seine ganze Aufmerksamkeit gefordert hat. Keine Sorge, sie waren nie wirklich in Gefahr."blinzelte er. „Und ich hoffe, dass Mr. Burke sich nicht mit der weiblichen Anatomie auskennt."zischte er nachträglich.
„Oh, seien sie unbesorgt, dieses Gebiet meidet er."
„Sie wissen, dass sie sechs Wochen lang keinen Geschlechtsverkehr haben dürfen?"sagte er nun, etwas lauter.
„Ja, darüber bin ich aufgeklärt. Danke, Doktor, sie haben mir sehr geholfen, ich fühle mich richtig befreit."
Er schmunzelte.
„Ich mag ihren Zynismus. Ziehen sie sich an, fahren sie nach Hause. Ich sehe sie in fünf Tagen zur Kontrolle."
Ich wurde ernst. Stand auf. „Kann ich nicht noch...bleiben?"hauchte ich.
Er schüttelte den Kopf. Ja, zu gefährlich, dass es doch noch aufflog und irgendjemand sah, dass ich keine äußere Naht hatte.
„Ähm, Mrs. Burke?"raunte er sanft, als ich mir hinter dem Paravent die Unterwäsche anzog.
„Ja?"
„Welche Fachrichtung hätten sie gewählt?"
„Psychiatrie, wie mein Vater."erwiderte ich.
„Komisch, ich wollte das auch machen, aber dann hat meine Mom Gebärmutterkrebs bekommen und ich habe umdisponiert. Ihr geht es gut, jetzt."
„Das freut mich."lächelte ich, er saß hinter dem Schreibtisch und schrieb.
Winkte mich heran, zeigte mir meine Karte. „Schräg, hm?"
Ja, er hatte die Wahrheit dokumentiert, weil natürlich niemand wissen durfte, dass man im modernen England Frauen beschnitt.
„Danke, nochmal."hauchte ich, er winkte ab.
„Wir können damit beide besser schlafen, denke ich. Und zu ihrer Frage von gestern- ich bekomme tatsächlich den normalen Satz bei einer Ausschabung. Den Rest"-er machte Gänsefüsschen- „Habe ich abgelehnt."
„Nun, damit hätten sie bestimmt nicht gut schlafen können."
Er lachte und nickte. „Ich denke, niemand möchte sich mit dem Gesundheitsminister anlegen."raunte er.
Ich jaulte leise und verzog den Mund: „Machen sie es gut, Dr. Bomer. Ich bin froh, dass sie kein Idiot sind."
„Das wissen sie doch gar nicht. Bis Dienstag."
Endlich war ich wieder zuhause. Meine Kinder waren nicht, wie in meinem Wunschdenken, dort, sondern im Internat. Auch Cedric glänzte mit Abwesenheit, was ich begrüßte, Mr. Cook mied mich und die Hausangestellten waren verhalten. Dennoch war es gut, dort zu sein, endlich in einem gemütlichen Bett zu schlafen und bei den Mahlzeiten nicht beworfen oder angeschrien zu werden. Ich erholte mich jeden Tag mehr. Hatte meine alten Unterlagen hervor gekramt und widmete mich meinen damaligen Studien, anstatt Fiktion zu schreiben- Dr. Bomer hatte mich angefixt. Ich merkte aber schnell, dass ich durch die Medikamente und meine Labilität- natürlich war jetzt nicht alles in Ordnung, ich hatte panische Angst vor Cedric-nicht aufnahmefähig war. In den Zeitungen stand, ich hätte eine seltene, gynäkologische Erkrankung gehabt, diese würde nun endlich behandelt, nachdem ich immer wieder ausgefallen wäre, und nach meiner Genesung könnte ich endlich wieder meinen liebenden Ehemann bei seinen Verpflichtungen begleiten. Cedric allerdings verkehrte nur über Mr. Cook mit mir. Der mir auferlegte, einmal pro Woche in die Klinik zu „Nachsorge" zu fahren, dann würde ich heimlich Psychotherapie bei Prof. Lutz machen, bis ich alle überzeugt hätte, dass die Kliteridektomie gewirkt hatte. Das könnte ich locker, denn Lutz würde ich im Leben nicht verführen!
Am Dienstag ging es mir wesentlich besser. Ich blutete kaum noch und durch den erholsamen Schlaf, die Spaziergänge mit meinem neuen Ersatzbaby, dem Mops Vinnie, hatte ich neue Energie gewonnen, jedoch machte mich der Anblick von Dr. Bomer sofort wieder panisch. Dabei lächelte er mich so hübsch an, unschuldig, er konnte ja nicht wissen, dass ich jeden Abend gegen meine Lust ankämpfte, mir verbot, an ihn zu denken und mich anzufassen. Abgesehen davon wußte ich nicht, ob das in Ordnung wäre, medizinisch gesehen.
„Wow, sie sehen richtig gut aus!"strahlte er.
„Danke, sie auch."seufzte ich, er riss die Augen auf: „Aber ihnen geht es nicht gut? Kommen sie, setzen sie sich. Die Wehen meiner Patientin haben aufgehört und ich habe etwas mehr Zeit für sie, als gedacht."
Ich lachte leise: „Wollen sie sich jetzt doch in Psychiatrie üben?"
„Mrs. Burke, Gynäkologen sollten manchmal auch Psychiater sein. Zumindest manchmal zuhören können. Also, denken sie dran, das bestimmte Thema zu umschiffen, ansonsten können sie mir alles sagen."
Ich wurde rot.
„Oh. Es geht um das bestimmte Thema?"
„Sehen sie Dr. Hiddleston noch?"fragte ich leise.
„Ja, sehr oft, seit er keinen Job mehr hat. Es tut mir total leid für ihn, er ist einfach brillant. Er sagte, er müsse sich von ihnen fern halten, sowie auch Miss Reynard, sie wären ständig von diesem Mr. Cook bewacht und alles geht sofort an ihren Ehemann, wenn irgendwas gegen die Auflagen verstößt. Es ist...hören sie, ich kann mir gut denken, warum es ihnen schlecht geht. Sie sind nur in ein anderes Gefängnis verlegt worden."
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