1.
„Weiße Vampire?", fragte er, während er etwas auf einen Block kritzelte und mich nicht ansah, wie immer. „Sie meinen blaß, nicht wahr?"
„Nein, weiß. Richtig weiß, wie...Schnee. Oder Vampire in den Filmen, nur ohne das Schwarz."
„Wie, ohne schwarz? Sie trugen weiße Kleidung?"
„Gar keine. Sie waren einfach nur weiß!" Ich seufzte.
„Hat es etwas mit Rasse zu tun?", fragte er nun, während er immer noch schrieb.
Ich stöhnte und schaute aus dem Gitterfenster. Draußen fielen die Blätter von den Bäumen, meine liebste Jahreszeit. Im Innenhof der Anstalt gingen einige weiß gekleidete Wärter mit diversen Insassen spazieren, andere Insassen saßen auf den Bänken.
„Miss Lowenherz?", weckte mich der Nervenarzt Dr. Hiddleston mit seinem entzückendem britischen Akzent aus meiner Träumerei.
Ich schaute ihn an, er blickte schnell auf den Block und ich schmunzelte. Angst, dass der Funke überspringt...
„Hat ihr weißer Kittel etwas mit Rasse zu tun, oder die Kleidung der Wärter?", entgegnete ich amüsiert.
Nun schmunzelte er ebenfalls.
„War keine sehr schlaue Idee, oder? Man sieht jeden Fleck darauf. Ist wohl eher psychologisch gedacht gewesen, es wirkt „sauber" und steril...", murmelte er, mehr zu sich selbst und schrieb wieder.
„Damit kennen sie sich ja aus", konterte ich lächelnd, obwohl er es nicht sah.
Er runzelte die Stirn.
„Vielleicht haben ihre Vampire auch einen psychologischen Effekt?", überlegte er. „Wie ging es weiter?"
Ich seufzte. „Ich würde lieber den Nachmittag nutzen, Dr. Hiddleston. Es wird so früh dunkel..."
„Unsere Stunde ist noch nicht vorbei und ihr Mann zählt auf uns, wollen sie nicht irgendwann nach Hause zu ihren Kindern?"
Ich blinzelte die Tränen fort, die schon bei dem Wort „Mann" in meine Augen geschossen waren.
„Was soll der Traum dabei helfen?", schnappte ich. „Es wird sich nicht ändern!"
„Die Medikamente schlagen an."
„Woher wissen sie das? Sind sie nachts in meinem Zimmer und schauen in meinen Kopf?", brummte ich.
Er räusperte sich. „Nun, die...Vorfälle werden weniger, wie mir die Schwestern berichten."
Ich rollte mit den Augen.
„Nun gut, wenn sie so wollen, der Traum: Die Vampire haben die alte Frau ausgetrunken und danach waren sie hellblau, weil das Blut der Frau blau war. Sie war überall damit beschmiert, als sie mit ihr fertig waren und dann standen sie plötzlich vor meiner Tür und rüttelten daran", erzählte ich schnell.
„Blaues Blut? Wie blau, indigoblau oder ozeanblau?"
„Ist das relevant? Ich weiß noch nicht mal, wo der Unterschied ist." Ich stöhnte genervt, während ich wieder das Treiben im Hof beobachtete.
Helen hatte sich ausgezogen und ein Wärter jagte die nackte Frau quer durch den Park. Sie spielte mit ihm, die flinke, dünne Frau, neckte ihn hinter einem Baum, er war ganz rot und schon aus der Puste. Nun, er sollte besser das fettige Essen weglassen!
„Indigo ist ein wenig mehr rot und Ozean grünlich", erklärte der Arzt.
„Weder noch", murmelte ich. „Dann wären die Vampire ja lila oder türkis geworden. Sie waren einfach hellblau, wie...der Himmel."
Ich deutete hinauf.
„Also Azurblau."
„Was auch immer."
„Haben die Vampire es geschafft, zu ihnen hinein zu kommen?"
„Nein, ich bin aufgewacht und habe festgestellt, dass nicht Vampire, sondern Schwester Reynard an meiner Tür gerüttelt hat. Wahrscheinlich ist das Schloss wieder verzogen. Denn wie sie wissen, können wir uns nicht selbst einschließen, nur umgekehrt."
Er nickte, aber er hörte nicht zu, sondern dachte nach, ich kannte diesen Blick gut. Traumbilder...Um ihn zurückzuholen, fragte ich: „Sagen sie, Dr. Hiddleston, stimmt es eigentlich, was man über Schwester Reynard und sie sagt?"
Nun zog er die Stirn noch krauser, was ihm ein wirklich gruseliges Aussehen bescherte, seine Augen, sonst wunderbar blau, verdunkelten sich noch mehr- sein Behandlungszimmer war furchtbar düster, wie alles, an diesem Gebäude. Hillside Asylum. Gebaut für diesen Zweck, und man hatte nicht bedacht, dass Verrückte ein wenig Sonne brauchten?
Er antwortete nicht, natürlich. Anstalt- Gossip. So wahr wie meine Vampirstory, aber ich war immer auf der Suche nach neuem Stoff! Ich ärgerte mich, dass er mich immer so hinsetzte, dass nur er die Uhr im Blick hatte. Nun, ich dafür den Park, und ich sah, dass langsam das Zwielicht über ihn fiel. Seufzte.
„Hatten sie Angst?", fragte der Arzt.
„Was?"
„Ob sie Angst hatten, als die Vampire an ihrer Tür zugange waren?"
Ich schaute ihn an, nun hielt er meinem Blick stand, aber er war eh kaum zu sehen. Das fade Licht seiner Schreibtischlampe schaffte es nicht, den Raum hell genug zu erleuchten und draußen wurde es wie gesagt schon dunkel. Es ging so schnell! Ich dachte an Harry. „Bums, die Sonne fällt runter! Und Dunkel!", hatte er immer gesagt, als er noch klein war.
„Miss Lowenherz, bitte. Wir sind gleich fertig", hakte Dr. Hiddleston nach.
„Nein, ich wußte, es ist ein Traum und es gibt keine Vampire."
„Nun, Vampire stehen für Sexualität und Blut trinken für den sexuellen Akt", kam aus dem Dunkel.
Und Dunkel!
„Ist es so?", hauchte ich.
„Rot ist die Farbe der Aggression. Aber ihre Vampire waren rein und weiß, und später hellblau, wie der Himmel. Hat sich die alte Frau..."
„Es war Helen", murmelte ich und schaute nach ihr.
Der Wärter hatte sie gepackt- jetzt erst- und trug die nackte, faltige Frau zum Eingang. Dort wartete Schwester Anderson mit in die Hüften gestemmten Fäusten. Sie war dreimal so breit, wie der Wärter und größer als er, und sie stank immer nach Schweiß. Ich bedauerte Helen, als sie sie packte und mit ihr verschwand. Ich seufzte wieder.
„Helen? Meinen sie Mrs. Carter?", fragte der Arzt.
Ich wunderte mich, dass er so eine lange Pause gemacht hatte, und schaute wieder zu ihm. Erschrak, denn der Ohrensessel war leer. Dr. Hiddleston war aufgestanden und stand vor dem Bücherregal, schien etwas zu suchen.
„Ja. Was wollen sie über Helen wissen?"
„Hatte sie Angst? Und geschrien, als die Vampire sie...gebissen haben?"
„Sie haben sie nicht gebissen. Sie wurde von ihnen eingehüllt, wie von einer Wolke, aber die Wolke war nicht durchsichtig. Die Masse wurde hellblau und löste sich auf und Helen...ich kann mich an ihr Gesicht nicht mehr erinnern. Nur, dass ihr Körper überall blau verschmiert war. Azurblau, wenn sie es so wollen."
„Lag sie am Boden? Wenn ja, wie?", fragte er, während er in einem Buch blätterte und leise fluchte. „Muss doch hier sein!"
„Sie wissen, wie", antwortete ich leise.
Nun drehte er sich zu mir um. Schaute mich an- vermutete ich, weil er nun im Schatten stand und ich wunderte mich, wie er so lesen konnte!
„Nein, keine Ahnung. Ich kann nicht in ihren Kopf schauen, weder am Tag, noch in der Nacht, Mrs. Bur...Miss Lowenherz."
Ich stöhnte und schaute auf meine Hände. Sie lagen brav gefaltet auf dem Schoß, den das graue Leinenkleid zierte. Kein Haute- Couture!
„Sie hatte die Beine gespreizt", flüsterte ich.
„Sie war nackt?"
„Helen ist immer nackt."
„Die meiste Zeit, ja, wie auch immer sie es schafft, sich selbst in der Fixierung ihre Kleidung zu entledigen. Miss Lowenherz, kann es sein, dass die Vampire nicht gebissen haben, sondern...ähm..."
„Nein, es war Blut an ihr, ganz sicher." Ich seufzte. „Helen läßt sich manchmal Komtessa Carlotta nennen. Ich denke, ich habe es im Traum so übersetzt, wenn die Vampire mich überwältigt hätten, wären sie rosa geworden."
„Aber warum lag sie denn da, als ob..."
„Jemand sie bestiegen hat?", neckte ich.
Er stöhnte.
„Sie sind die Frau eines Politikers, Miss Lowenherz! Achten sie auf ihre Sprache."
„Ich kann nicht, ich bin krank. Wie nannten sie es? Hysterische Nymphomanie?"
Er seufzte.
„Miss Lowenherz, sie wissen nicht, wie ernst es für sie aussieht."
„Oh, Dr. Hiddleston, werde ich sterben, wenn ich das nächste Mal mit einem Mann schlafe?", fragte ich gespielt erschrocken und er schnaubte.
Klappte das Buch so geräuschvoll zu, dass ich zusammen zuckte, und schob es zurück in das Regal. Dann zog er ein anderes heraus und kam auf mich zu. Es war selten, dass er seine therapeutische Distanz durchbrach, weder physisch noch emotional, er war immer ziemlich ruhig, nun reichte er mir ein Buch und ich sah, dass er wirklich wütend war. Zögernd griff ich danach und sah, dass der Titel: „Behandlung des weiblichen Sexualtriebes" hieß.
„Letztes Kapitel. Letzte Möglichkeit", murmelte er und ich schlug das Buch auf.
Blätterte darin, während er sagte: „Es ist nicht meine bevorzugte Methode und ich versuche, sie davor zu bewahren, Miss Lowenherz. Aber ich befürchte, sollten wir beide nicht erfolgreich sein...dann wird ihr Mann darauf bestehen."
„Warum? Er hat mich längst ersetzt", erwiderte ich, immer noch blätternd.
„Eine Mutter kann nicht ersetzt werden!", erklärte er nun und legte seine Hand auf meine Schulter, ich hielt die Luft an.
Schloß die Augen. „Lassen sie Harry und Felicity da raus. Ich würde alles tun, um sie wieder zu sehen. Wird es weh tun?", hauchte ich.
„Eine Weile", murmelte er.
Ich öffnete die Augen wieder und starrte auf das Wort:
„Klitoridektomie"
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