29 | Vorgänger und Nachfolger
GRACE
In der Sekunde, in der Ethan durch die Tür tritt, packe ich ihn und presse meine Lippen auf seine. Ich kann nicht glauben, dass ich das jetzt wirklich tun darf. Seine Arme legen sich um mich und ich könnte heulen vor Glück.
Ethan lächelt in den Kuss hinein. „Hey Grace, ich habe dich auch vermisst."
Ich lache auf und greife nach seiner Hand, um ihn in mein Zimmer zu ziehen. Selena ist zwar gerade selbst in ihrem, trotzdem will ich vermeiden, eine Show für sie abzugeben. Außerdem will ich Ethan nur für mich.
In meinem Zimmer ist es Ethan, der mich auf das Sofa lenkt und als er sichergestellt hat, dass ich bequem an seine Seite gekuschelt bin, fragt er: „Geht's dir gut? Ich habe mir heute Morgen Sorgen um dich gemacht. Du sahst aus, als würde dich etwas beschäftigen."
„Brauchst du nicht. Mir geht es gut. Aber kann ich dich etwas fragen, Ethan?"
„Ja, natürlich."
„Warum hast du nichts gesagt, als Selena und ich zu spät gekommen sind?"
„Es war das erste Mal und man konnte euch ziemlich deutlich ansehen, wie unangenehm es euch war. Von daher war es nicht wirklich nötig, dass ich etwas sage, oder?"
Ich schüttle den Kopf und vergrabe mein Gesicht für ein paar Sekunden an seiner Brust. Er hat recht, es war verdammt unangenehm.
Als ich ihn wieder ansehe, sage ich leidend zu ihm: „Owen hat das ganz bestimmt nicht so gesehen. Ich bin mir sicher, dass es noch ein Nachspiel hat."
„Hmm", erwidert er schmunzelnd, „vielleicht solltest du die Tagträume zukünftig um ihn herum zumindest lassen."
„Hey", sage ich gespielt empört, „ich war nur abgelenkt, wegen meinem Boss."
Im nächsten Moment liege ich auf dem Rücken, Ethan über mir. Er hat seine Arme rechts und links von meinem Gesicht aufgestellt und sieht mich mit Lachfältchen um die Augen an.
„Weißt du, da war diese Frau heute in einem Meeting. Sie ist die Schönste, die ich je gesehen habe und ich konnte meine Augen nicht von ihr lassen."
Auch wenn er humorvoll angefangen hat, zum Ende ist seine Stimme ernst geworden und er sieht mich so intensiv an, dass ich meine Augen nicht von seinen lösen kann. Seine Worte lösen ein seltsames Gefühl in meiner Brust aus. Kein Schlechtes, eher bin ich komplett überwältigt. Ist das wirklich mein Leben, dass Ethan Tyrell jetzt solche Dinge zu mir sagt?
Ich lege meine Hand an seine Wange und strecke mich ihm entgegen, damit er mich endlich wieder küsst. Es dauert nicht lange, da liegen seine Lippen wieder auf meinen und ich werde von ihm in das Polster des Sofas gedrückt.
Meine Hände landen auf seinen Schultern, die nur von dem dünnen, weißen Hemd bedeckt sind. Sein Jackett hat er im Auto gelassen. Meine Gedanken an heute Morgen kommen wieder hoch, wie ich mir vorgestellt habe, ihm genau dieses Hemd aufzuknöpfen.
Ich hätte mich nie als jemand bezeichnet, der sich, wenn es um Sex geht, nicht im Griff hat, aber hier bin ich, bereit diesem Mann seine Kleidung nur so von seinem Körper zu reißen. Ethan ist purer Sex ... und alles andere, was ich mir wünsche. Er ist zärtlich, einfühlsam und seine Küsse katapultieren dich in eine andere Welt.
Ohne es gemerkt zu haben, habe ich wirklich damit begonnen, sein Hemd aufzuknöpfen. Die ersten drei Knöpfe stehen bereits offen und seine harten Brustmuskeln kommen zum Vorschein. Meine Atmung beschleunigt sich und als Ethan seinen Mund an meinen Hals legt, seufze ich auf. Er lässt seine Lippen über meine Haut fahren und hinterlässt eine feuchte Spur, die sich einbrennt.
Gott, es fühlt sich so gut an. Er fühlt sich so gut an. Ich schlinge meine Beine um seine Hüfte und hole ihn näher an mich heran. Ethan stöhnt leise an mein Ohr, als unsere Mitten aufeinandertreffen. Aus meiner Kehle löst sich ein Keuchen, als ich seine Härte spüre. Der Druck zwischen meinen Beinen wird schlimmer und ich presse mich weiter gegen ihn.
Wie genau konnte das eigentlich so schnell zwischen uns eskalieren? Aber das ist vermutlich keine Frage. Das Verlangen nach ihm ist schon so viel länger da, als ich ihn wieder habe.
Ethans Bewegungen mit seinen Händen werden schneller und drängender. Ich biege meinen Rücken durch und strecke ihm so meine Brüste weiter entgegen. Ich will, dass er mich anfasst. Nein, alles in mir schreit danach, dass er mich anfasst.
Er scheint den Hinweis verstanden zu haben, denn seine Hand wandert von meiner Seite weiter nach oben. Sein Mund liegt wieder auf meinem und unsere Zungen umspielen sich drängend. Wir stöhnen beide auf, als seine Hand endlich meine Brust umfasst und er sie mit seinen Fingern sanft massiert und an der Stelle mit seinem Daumen Kreise malt, an der meine harte Brustwarze in den Stoff drückt.
Doch dann ist es plötzlich Ethan, der Abstand zwischen uns bringt. Er stützt seine beiden Hände wieder neben meinem Gesicht ab und stemmt sich ein Stück nach oben.
„Shit, Grace!", bringt er atemlos hervor. „Wir müssen damit aufhören. So sehr ich dich auch will, wenn wir das zum ersten Mal wieder tun, will ich die ganze Nacht mit dir verbringen können und nicht nach einer Stunde wieder gehen müssen."
Zunächst ist es Enttäuschung, die sich in mir breitmacht, doch dann wird mir klar, dass es auch das ist, was ich will. Ich will keine schnelle Nummer mit ihm. Ich will ihn, so wie er gesagt hat, die ganze Nacht.
Ich seufze auf, lächle ihn dann aber schwach an. „Du hast recht. Ich will auch die ganze Nacht mit dir haben."
Wir setzen uns wieder in unsere alte Position. Ich an Ethans Seite gekuschelt und er seinen Arm um mich gelegt. Er platziert sanft seine Lippen auf meinen Kopf und sagt dagegen: „Es fühlt sich so gut an, dich endlich wieder so bei mir zu haben. Danke, dass du für uns gekämpft hast. Wir werden es schaffen. Es ist nicht einfach, aber wir sorgen dafür, dass es funktioniert."
Tränen treten mir in die Augen bei seinen Worten. Es sind Tränen der Erleichterung, dass er auch an uns glaubt. Dass er auch dafür sorgen will, dass es funktioniert.
„Ich habe dir gesagt, ich werde uns nie wieder einfach so aufgeben", erinnere ich ihn an meine Worte von gestern. „Höchstens du bittest mich darum."
Er lächelt und seine Augen sind so voller Emotionen, wie ich mich fühle. Sanft drückt er mir noch einen kurzen Kuss auf die Lippen.
„Grace", sagt er dann mit ernster Stimme und ich sehe ihn mit großen Augen an. „Ich muss mit Annalynn sprechen. Wenn du das nicht willst, werde ich das akzeptieren und nicht sagen, dass ich es weiß, aber ich kann nicht so tun, als wäre das alles nicht passiert und einfach so weitermachen."
Ich schlucke tief. Bei all den schönen Entwicklungen in den letzten vierundzwanzig Stunden hatte ich Annalynn komplett verdrängt.
„Nein, ist schon okay. Du kannst es ihr sagen. Aber ich erwarte nicht von dir, dass du etwas an eurer Freundschaft änderst."
Er seufzt traurig. „Aber ich will das."
„Es tut mir so leid, Ethan", sage ich mit Tränen in den Augen, die nicht für mich gedacht sind, sondern für ihn, dafür, wie es sich für ihn anfühlen muss und was er verloren hat.
Ethan zieht mich näher an sich und gibt mir einen Kuss auf die Schläfe. Flüsternd sagt er: „Es ist okay. Ich habe dich, richtig?"
„Du hast mich", wispere ich gerührt zurück. „Immer."
Ein Lächeln erscheint auf seinem Gesicht, während er seine Finger mit meinen verwebt. „Ist das in Ordnung für dich, wenn wir uns erst einmal nur bei dir treffen? Es ist nicht so, dass ich nicht will, dass du Noah kennenlernst, oder dass ich denke, du wärst schlecht für ihn. Aber ... es ist nicht ganz einfach mit seiner Mutter. Ich befürchte, dass er sich ziemlich schnell an dich klammern würde und–"
„Wenn es nicht funktioniert?", beende ich den Satz für ihn.
Er schüttelt den Kopf. „Wie ich eben gesagt habe, ich glaube an uns, aber ... aber ich denke, dass wir uns erst einmal etwas Zeit dafür nehmen sollten."
Ich lächle ihm beschwichtigend zu. „Natürlich ist das okay. Ich würde nie etwas anderes von dir verlangen. Ich freue mich, wenn ich ihn irgendwann kennenlerne, und ich bin mir sicher, dass er ganz wundervoll ist, aber erst, wenn du es für richtig hältst."
„Das ist also ...", Ethan zögert, bevor er weiterspricht: „Es stört dich nicht, dass ich einen Sohn habe, oder?"
„Nein", rufe ich entsetzt aus, dass er so etwas überhaupt denken könnte.
Ethan schließt seinen Arm fester um mich und ich werde noch näher an ihn gedrückt. „Ich dachte, dass ich zumindest einmal fragen sollte."
„Der Gedanke, dass du einen Sohn hast, hat mich nie gestört. Allerdings dachte ich zu Beginn, als ich es mitbekommen habe, dass du verheiratet bist und ja ich gebe zu, ich war schrecklich eifersüchtig auf sie, dass sie das alles mit dir hat. Auch wenn ich nicht einmal wusste, wer sie ist."
Trocken erwidert Ethan: „Glaub mir, Grace, da gibt es nichts, worauf du eifersüchtig sein müsstest."
Ich sehe ihn an und mir entgeht nicht der Schatten, der sich bei diesen Worten über sein Gesicht gelegt hat.
Zaghaft frage ich: „Wirst du mir von ihr erzählen? Von Noahs Mutter."
Im nächsten Moment bereue ich die Frage schon. Ich habe sie wirklich gestellt, weil ich mehr über sein Leben wissen will und nicht aus irgendeiner verdrehten Eifersucht. Ich will alles wissen, was ich in den letzten zehn Jahren verpasst habe. Ich hoffe, dass die Frage nach seiner Ex nicht falsch bei ihm ankam. Er soll nicht denken, dass es ein Problem ist. Das ist es nicht.
Als Ethan zunächst schweigt, bestätigt es nur meine Befürchtung. „Tut mir leid, wenn das zu früh war", sage ich daher schnell. „Du musst das nicht beantworten."
„Grace", erwidert er ernst, „du kannst mich alles fragen. Es ist einfach kein allzu schönes Thema, das mir noch dazu viel zu häufig Kopfschmerzen beschert."
Zärtlich lasse ich meine Hand über seine Wange gleiten. „Wie gesagt, du musst nicht darüber reden."
„Nein, ist schon okay. Ihr Name ist Aubrey und wir waren vor etwa vier Jahren für eine Weile zusammen. Wenn man das überhaupt so nennen kann ... Vermutlich war es eher eine Affäre, bis klar war, dass sie schwanger ist. Wie du dir denken kannst, war das so nicht geplant."
Ich nicke bloß und warte, was er weiter sagen wird.
„Als ich davon gehört habe, war ich im ersten Moment geschockt. Aber trotz allem, ich habe dieses Kind von der ersten Sekunde an geliebt, ab der ich wusste, dass es existiert. Aubrey war ziemlich am Durchdrehen. Ich habe ihr gesagt, dass wir das hinbekommen und dass ich sie heirate, dass wir eine Familie sein können für das Kind."
Mit aller Kraft bemühe ich mich, dass ich es nicht an mich heranlasse. Er hat sie gefragt, ob sie ihn heiratet ... Aber sie sind nicht verheiratet! Es gibt keinen Grund so zu fühlen. Er ist hier mit mir. Trotzdem ... jup ich bin eifersüchtig.
„Ab diesem Zeitpunkt war sie tatsächlich besser drauf", erzählt Ethan weiter. „Allerdings nicht aus dem Grund, aus dem ich es erst dachte. Etwa zwei Monate später bin ich früher, als sie dachte nach Hause gekommen. Sie war im Bad und hat mit einer Freundin telefoniert. Ich habe gehört, wie sie zu ihr gesagt hat, dass sie überhaupt keine Lust hat, eine Mutter zu sein, aber dass sie es schon auf sich nehmen würde, weil es mich dazu gebracht hätte, dass ich sie heirate und sie somit eine reiche Frau wird."
„Oh mein Gott", sage ich erschrocken. „Das tut mir so leid, Ethan."
Sämtliche Eifersucht, die ich eben noch empfunden habe, ist verschwunden. Das ist einfach nur grausam.
Ein trauriges Lächeln umspielt seine Lippen. „Schlussendlich war es gut, dass es so gekommen ist. Ich dachte, ich tue das Beste für Noah, aber mit etwas Abstand betrachtet, es wäre nur in einem Desaster geendet. Ich habe sie nicht geliebt und wie sie sehr deutlich bewiesen hat, sie mich auch nicht. Das ist kaum eine Atmosphäre, in der ein Kind glücklich aufwachsen kann. Wir haben gerade mal für etwa einen Monat zusammengelebt und auch wenn ich es versucht habe zu verdrängen, habe ich es da schon gehasst."
Der Gedanke, dass Ethan in einer lieblosen Ehe gefangen wäre, löst direkt den nächsten Stich in meinem Herzen aus. Mal abgesehen von allen selbstsüchtigen Gründen, warum ich erleichtert bin, dass er diese Aubrey nicht geheiratet hat, will ich überhaupt nicht wissen, was das mit ihm gemacht hätte.
„Auch wenn es zwischen meinem Vater und mir gerade etwas schwierig ist, hatte ich eine schöne Kindheit und er war ein toller Dad für mich. Manchmal habe ich es vermisst eine Mutter zu haben, insbesondere wenn ich meine Freundinnen mit ihren Mütter gesehen habe. Aber dann ist mir auch immer aufgegangen, dass ich dafür andere tolle Sachen mit meinem Dad mache. Ich bin mir sicher, dass Noah das auch so sehen wird."
Ein sanftes Lächeln erscheint auf Ethans Gesicht. „Ich hoffe es."
Selbst wenn ich mir sicher bin, dass das noch nicht die ganze Geschichte war, frage ich nicht weiter nach. Er hat selbst gesagt, dass es ihm noch häufig Kopfschmerzen bereitet und dann war da auch dieses Telefonat, das ich gehört habe. Aber darüber zu reden hat noch Zeit. Ich bin schon unglaublich dankbar, dass er sich so bereitwillig geöffnet hat.
Ethan drückt meine Hand und sagt: „Nachdem wir jetzt meine Vergangenheit im Bezug auf Frauen durch haben, würde mich natürlich brennend interessieren mehr über meine Vorgänger – oder sollte ich Nachfolger sagen? – zu hören. Allerdings müssen wir das wohl auf ein anderes Mal verschieben. Ich muss leider los, wenn ich Noah wenigstens noch ein wenig sehen will, bevor er ins Bett muss."
Er löst seinen Arm um mich und steht auf. Es fühlt sich sofort kalt ohne ihn an, doch ich lasse mir nichts anmerken. Er soll nicht das Gefühl bekommen, dass er ein schlechtes Gewissen haben muss, weil er geht.
Stattdessen sehe ich ihn mit einem liebevollen Lächeln an. „Es wird sowieso ein sehr langweiliges Gespräch werden, denn keiner hat wirklich etwas bedeutet. Keiner war du."
Im nächsten Moment bin ich doch wieder in Ethans Armen. Er drückt mich fest an sich und sagt leise gegen mein Ohr: „Keine war du, Grace. Nur um das nochmal klarzustellen."
Er lässt mich los und zum zweiten Mal schlägt die Kälte auf meinen Körper. Ich weiß nicht, wann es so weit sein wird, aber ich kann es jetzt schon kaum erwarten, in seinen Armen einzuschlafen und aufzuwachen.
„Wie lange bist du wach? Kann ich dich später noch anrufen?", fragt er mich und mein Herz geht einmal mehr auf für ihn.
Ein Lächeln breitet sich auf meinem Gesicht aus. „Ich bin wach. Ruf einfach an."
Auch er lächelt und zieht mich an sich ran, um mir einen letzten Kuss zu geben.
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