XXV
Es dauerte nicht lange und über den Dächern von Köln graute der nächste Morgen, die dunklen Wolken verzogen sich. Die strahlende Sonne erwachte aus ihrem Schlaf und vertrieb mit ihrem grellen Licht die Schrecken der gestrigen Nacht, schien in jede Ritze. Schon bald war heiteres Vogelgezwitscher zu hören und in der Ferne tuckerten Busse durch die Straßen, Menschen fuhren zur Arbeit. Niemand kümmerte es, dass direkt unter den Füßen der Gewöhnlichen etwas im Gange war - etwas, dessen Existenz sehr bald gelüftet werden würde...
Alija erwachte verkatert. Zumindest fühlte er sich so. Er hatte die restliche Nacht auf einer harten Matratze verbracht, die in einem Hinterhof zum Abtransport bereit gelegt worden war. Besser als nichts, wenn man nicht gerade auf dem nassen Asphalt schlafen mochte.
Einige Dellen hatte sein Schlafplatz schon gehabt und aus dem Stoff ragten Sprungfedern heraus, die ihm schmerzhaft in den Rücken gedrückt waren...aber alles in allem: Besser als nichts!
Irgendwann hatte ihn dann der Besitzer des Hauses gefunden und ihn schimpfend vom Grundstück vertrieben, an die wüsten Beleidigungen des Mannes wollte sich Alija gar nicht erinnern.
So schön es auch gewesen war, endlich eine Mütze voll Schlaf bekommen zu haben, er war seinem Ziel immer noch nicht näher gekommen. Der Bahnhof lag immer noch mindestens drei ganze Blocks weiter, wenn nicht sogar vier oder fünf. Er würde den ganzen Tag mit Suchen verbringen müssen...
Und wenn schon, er war ja nicht aus Zucker. Wenn es sein musste, würde er sich grün und blau suchen, um Jay wieder zu sehen - koste es was es wolle!
Kurzentschlossen stapfte Alija los, nach wenigen Metern rannte er. Er spürte die leichte Brise durch seine Locken wehen, die der süße Duft der Freiheit mit sich brachte und fühlte sich immer besser. Es war besser, von Malik weg zu kommen. Es war besser, von allem anderen weg zu kommen. Es war besser, frei zu sein.
Plötzlich vernahm er hinter sich ein Rascheln und Alijas Hand fuhr automatisch in seine Hoodie - Tasche, packte das Messer. Seine Sinne schärften sich und Adrenalin pur floss durch seinen Körper, bereit, sich auf dieses Etwas zu stürzen.
Das Rascheln kam immer näher und Alija machte sich bereit, umklammerte die Stichwaffe. Wer auch immer du bist, zeig dich! Du treibst keine Spielchen mehr mit mir!
Er fletschte die Zähne und schlich an das Etwas so nah wie möglich heran, hob das Messer. Und wurde im nächsten Moment im hohen Bogen durch die Luft geschleudert.
Wenige Minuten, nachdem er sich frisch geduscht und ein spärliches Frühstück aus Toast mit Marmelade hinunter geschlungen hatte, saß Malik schon in dem Privatjet, auf dem Weg ins Ungewisse.
Da der Pilot nicht sehr gesprächig war, vertrieb Malik sich die Zeit mit seiner Missmutig - aus - dem - Fenster - starren - und - beten - Methode.
Niemand in seiner Familie war je religiös oder so gewesen, doch er hatte seine Mutter oft beten gehört.
Jedes Mal hatte sie gebetet, dass ihr Sohn aus ihrem Leben verschwinden und sich mit seinen Kräften zum Teufel scheren sollte - sie hatte, was sie wollte.
Malik Johnson war ein Monster, mit zerstörerischen Fähigkeiten gesegnet und musste beseitigt werden.
So hatte er über sich selbst gedacht, als ihn seine Mum noch nicht einmal mehr ins Bett bringen wollte. Sie hatte Angst gehabt, dass er sie womöglich verletzen könnte, wenn er seinen Willen nicht bekam. Sie hatte jede Nacht gebetet, während ihr die Tränen unaufhörlich übers Gesicht geströmt waren. Er hatte nichts tun können, selbst sein Vater nicht.
Es ist besser so, mein Kleiner!, hatte er gemeint und ihm liebevoll über die Haare gestrichen. Sie wird es irgendwann verstehen. Also sei tapfer und lass dich von deinem Herzen leiten!
Und kurz darauf war sein Dad gestorben.
MediaCom hatte mit der ganzen Sache die ganze Zeit über nichts zu tun gehabt, sondern diente nur als Fassade, um Alija nicht noch mehr unnötig zu verstören. Irgendwann...Irgendwann würde Malik es ihm sagen. Doch bis dahin musste er sich so unauffällig wie möglich verhalten und vor allem unangenehmen Fragen aus dem Weg gehen. Die Wahrheit zu sagen, tat oft weh - aber sie zu vertuschen, all die Jahre, war wie ein tiefes Loch in der sonst so reinen Seele.
Langsam setzte die Maschine zum Landeanflug an und Malik keuchte überrascht auf. Er war zurück in Chicago! Hatte sein ehemaliger Vorgesetzter etwa hier seine Basis errichtet - und wenn ja, wie lange schon?
Doch ihm blieb keine Zeit mehr, sich darüber den Kopf zu zerbrechen, denn er wurde von dem grummeligen Piloten kurzerhand aus dem Flugzeug nach draußen gescheucht. Das Erste, was ihm auffiel, war die sengende Hitze und nach wenigen Sekunden begann ihm Schweiß von der Stirn zu rinnen. Oh Mann, hätte er sich doch lieber über die aktuelle Wetterlage informiert...
Malik zog sein Stirnband aus und wickelte es um sein Handgelenk, das war das mindeste, was er gegen diesen förmlichen Backofen tun konnte. Seine Jeansjacke, unter der er lediglich Unterwäsche trug, musste er notgedrungen an behalten.
Die Maschine stand auf einer staubigen Landebahn, die früher bestimmt mal als Teststrecke genutzt worden war. Rundherum erstreckte sich ein dichter Wald.
„Beweg dich!“, knurrte der eben noch stumme Pilot und schubste Malik unsanft vorwärts, der tat wie ihm geheißen. Egal, was sein ehemaliger Vorgesetzter von ihm verlangte - es würde nichts Gutes sein.
Zielobjekt unschädlich gemacht! Eliminieren?, tauchte im Blickfeld des Cyborgs auf, während er den schlaffen Körper zu seinen Füßen betrachtete. Die Person, die in seinem Register unter Alija Grant eingetragen war, hatte sich als ziemlich angriffslustig heraus gestellt. Bestimmt eine Gehirnwäsche seines Schöpfers, anders konnte er es sich nicht erklären. Deshalb hatte er ihn vorläufig in einen ungefährlichen Tiefschlaf versetzt und die Tatwaffe sicher gestellt. Leider hielt das Narkosemittel nur für mindestens zwei Minuten, weswegen Alija Grant nun erwachte. Für einen Moment schien er nicht zu wissen, wo er sich befand, dann jedoch schrie er entsetzt auf: „DU! OH MANN, WIESO VERFOLGST DU MICH UND WARUM...WARUM SIEHST DU AUS WIE JULIEN BAM?“
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