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Malik betrachtete ehrfürchtig die reglose Gestalt vor ihm auf dem OP - Tisch, irgendwie fühlte er sich wie Doktor Frankenstein. Dies war seine erste Leiche, die er ins Leben zurück holen würde, ganz egal ob es illegal war oder nicht. Wenn es jedoch die Trauer stillen konnte... Einigermaßen.
Er musterte den Roboter von Kopf bis Fuß, erst jetzt fiel ihm sein Gesicht auf. Wie eine Maske verbarg es sorgfältig die zahllosen Kabel und Drähte, die den Prozessor mit den nötigen Informationen versorgten und erinnerte ebenfalls an einen richtigen Menschen. Der einzige Unterschied war, dass dieser Typ keine Haare besaß, nur der blanke, blasse Schädel gähnte ihm entgegen. Trotzdem - beim genaueren Hinsehen würde absolut jeder unter Tausenden erkennen, wer diese Person gewesen war. Die vertrauten, mandelförmigen Augen waren am meisten ausschlaggebend. Julien Bam war wieder da.
Zeit für einen Test.
Der Student holte tief Luft und tippte erneut auf dem Laptop herum, das mechanische Herz vibrierte kurz. Er konnte es bereits dumpf in der Brust pochen hören, die Apparatur pulsierte heftig. Und während dieser Prozess lief, ertönte ein leises Surren. Der Cyborg öffnete ganz, ganz langsam, seine Augen.
Malik durchströmte pures Glück. Endlich. Endlich hatte er etwas vollbracht, worüber man noch in etlichen Jahren staunen würde. Und er fühlte sich exzellent dabei.
Er beobachtete, wie der Bot sich - etwas ungeschickt - auf richtete und sein Gegenüber ausdruckslos musterte. Eisiges Schweigen herrschte zwischen den beiden, eine ganze Weile lang. Der Mech starrte ihn an. Malik starrte zurück. Er begann sich zu fragen, ob er überhaupt die Sprach - Funktion aktiviert hatte...
Die dunklen Pupillen des Roboters huschten im Raum umher, wahrscheinlich verarbeitete sein „Gehirn“ gerade die neuen Ströme von Eindrücken. Was erstaunlicherweise sehr schnell vonstatten gehen musste.
Einige Sekunden später heftete er seinen Blick wieder auf Malik, der wie eine Salzsäule da stand. Und hob die Hand.
„Hallo.“
Der Student konnte es nicht fassen, sein erstes Wort! Er hatte doch nichts falsch gemacht.
Er lächelte und erwiderte die Geste: „H - Hey!“ Und fügte etwas zaghaft hinzu: „Weißt du...wer ich bin?“ Das Duplikat ließ den Kopf sinken, als Anzeichen, dass es verstanden hatte. In dieser Stellung konnte man die vielen Kabel sehen, die ihm aus dem Nacken ragten und ihn mit dem Computer verbanden. Er richtete sich wieder auf.
„Du bist mein Schöpfer!“, meinte es in einem blechernen, androiden Tonfall und nickte erneut. „Was ist meine Aufgabe?“
Der Student überlegte kurz. Darüber hatte er sich noch nicht so richtig Gedanken gemacht... Aber er wusste es auch so. Nach einer Pause erwiderte er: „Wenn es soweit ist, sollst du jemanden ersetzen! Verstehst du?“ Der Cyborg schüttelte ruckartig den Kopf. „Nein. Warum?“ Standard. Malik musste Geduld haben.
Er seufzte und zog ein vergilbtes Foto aus seiner Jacke, hielt es ihm hin: „Das warst du. In...einem anderen Leben, du...warst ein Held! Du hast gekämpft, um deine Freunde vor dem Tod zu bewahren, obwohl du nicht gerade mutig warst...dein Name war Julien!“ Zu dumm. Er hätte die Erinnerungen einspeisen sollen.
Sein mechanisches Gegenüber legte die Stirn in angestrengte Falten, schloss kurz die Augen. Die Status - Anzeige auf dem Monitor blinkte, während die Informationen in den Prozessor geleitet wurden. Das Herz schlug immer noch gleichmäßig. Später wollte Malik das Skelett mit Klamotten ausstatten, damit gewisse Leute sich bei dem Anblick nicht in die Hose machten. Er schlug die Augen auf.
„Meine Programmierung erlaubt es mir leider nicht, diese Art von Erinnerung abzurufen! Warum hast du mich gebaut?“
Malik knetete verlegen seine Hände, was sollte er bloß antworten? Ob es eine Erklärung dafür gab, dass der
Ju - Bot, wie er ihn jetzt nennt, ihm dieselbe Frage nochmal stellte? Merkwürdig.
Ruhig bleiben, okay? Er räusperte sich und besann sich auf die Antwort: „Wie ich bereits sagte, du...“, er stockte abrupt, hatte plötzlich ein schlechtes Gewissen. Das, was er hier gerade tat, war in den Augen der Regierung illegal. Er sprach mit einer Maschine, die eigentlich gar nicht existieren sollte. Und trotzdem tat er es. Was war falsch mit ihm?
Der Roboter sah ihn mit diesem Blick an, der ihm durch Mark und Bein ging. Er forderte erneut.
„Warum bin ich hier, Malik? Sag es mir...“
Sein überlanger Faden an Gelassenheit drohte, zu zerreißen. Shit. Schweiß bildete sich auf seiner Stirn, perlte die Wange hinab. Der warme Dunst im Zimmer nahm ihm jegliche Luft zum Atmen, so fühlte er sich in diesem Moment. So gefühllos diese Stimme auch sein mochte - sie trieb ihn in den Wahnsinn. Und sie fuhr fort.
„Ich habe einen Auftrag, stimmt's? Du musst es mir sagen...“, flehte seine Kreation tonlos, was machte er überhaupt noch hier?
Ohne wirklich zu wissen, was er tat, schlug Malik mit der Faust auf den Tisch: „SEI JETZT MAL STILL! ICH MUSS MICH KONZENTRIEREN!“ Der Bot legte die fein gearbeiteten Finger aneinander, sein Blick wurde starr. Er brütete über irgendetwas - die Frage war nur, ob es der Student wissen wollte. Schließlich verkündete er:
„Es wird Krieg geben! Warne deinen Freund und die anderen, bevor es zu spät ist...“
Wenige Minuten später rührte er sich nicht mehr. Test gescheitert, die Verbindung abgebrochen. Er hatte sich abgeschaltet. Energie sparen, nichts weiter. Und dennoch wurde Malik das Gefühl nicht los, dass diese Worte bald schon äußerst wichtig sein würden. Er wusste nur noch nicht, warum.
Wieder zurück in der Küche wurde er von Alija empfangen, der bereits mit dem Essen fertig war. Ein Rest Sirup klebte ihm an den Lippen und er schmatzte noch genüsslich, während der Teller von Malik unangetastet auf dem Tisch stand. Als er sich erschöpft auf den Stuhl fallen ließ, schob der Klon ihm den Teller grinsend zu: „Ich hoffe, du magst kalte Pancakes...“ Sein Mitbewohner schüttelte nur den Kopf, ihm war der Appetit gehörig vergangen. Erinnere mich daran, dass ich die Auswahl neu programmieren muss.
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