II
Tief in den Katakomben eines schon seit Urzeiten erloschenen Vulkans regte sich plötzlich etwas. Ein dumpfes Grollen erschütterte die Wände der unterirdischen Höhle und Staub rieselte herab, während die Kreatur aus ihrem ewigen Schlaf erwachte. Sie war wütend. Und vor allem hungrig. Sie wollte Rache.
Man hatte sie hier unten gnadenlos eingesperrt, den Körper ihres Wirtes verbrennen lassen. Sie hatte ihn stark gemacht, schneller, sterblicher. Da ihr gemeinsamer Bund nach der Attacke dieses Anfänger - Helden zerstört wurde, musste einer von ihnen den Löffel abgeben. Und da sie nun mal die Oberhand gehabt hatte, hatte sie sich für den raschen Tod ihres Wirtes entschieden. Was im Grunde genommen nicht leicht gewesen war. Sie hatte ihn gemocht.
Innerlich verfluchte der Parasit sich, dass er den unwissenden Freund dieses Studenten nicht länger besetzt hatte. Nicht länger besetzen konnte.
Er brauchte unbedingt einen neuen Host. Der Beste war gestorben und nun würde er selbst nicht mehr lange leben, wenn er keinen fand.
Seine Existenz war förmlich zum Scheitern verurteilt.
Blind vor Zorn schälte er sich aus seinem Grab und sondierte die düstere Umgebung. Es war totenstill in dem Berg, hin und wieder drang das leise Plätschern eines Baches an sein Gehör. Moment...hieß das, dass er nicht alleine war? Wo eine Quelle war, befanden sich schließlich auch Menschen - und ganz viele Wirte. Zielstrebig kroch das Wesen los, immer seinem exzellenten Gehör folgend.
Nachdem er sich eine gefühlte Ewigkeit durch die Finsternis gebahnt hatte, bemerkte der Parasit schwaches Licht am Ende des Tunnels. Gedämpfte Stimmen sprachen wild durcheinander und hallten von der steinigen Wand wider wie tausend Echos gleichzeitig. Mit dem fließenden Bach vermischte es sich zu einer geisterhaften Szenerie. Oder - war es gar keine richtige Quelle? Neugierig bog er um eine Ecke und sah sich einem gewaltigen Strom aus brodelnder Lava gegenüber, der in undefinierbare Tiefen stürzte. Darunter befand sich ein schmaler Vorsprung, auf dem eine reglose Gestalt hockte und anscheinend meditierte. Jedenfalls hatte sie die Augen geschlossen und ihre Brust hob und senkte sich gleichmäßig. Ein perfekter Wirt, zum Greifen nah.
Die Kreatur leckte sich über die scharfen Reißzähne und schwappte näher auf sein wehrloses Opfer zu, wurde eins mit der Dunkelheit. Fuhr die langen Tentakel aus, bereit zum Angriff...als die Gestalt sich abrupt erhob und verwirrt umsah. Hatte er ihn entdeckt?
Wenigstens konnte der Parasit sie jetzt genauer betrachten: Es handelte sich um einen jungen Mann, dessen nackter Oberkörper mit tiefen, blutigen Wunden übersät war. Seine Haut war leichenblass und schimmerte im Licht der umstehenden Fackeln rötlich, während er mit scharfem Blick die Umgebung musterte. Dem Drachen entschlüpfte ein Laut, der ihn nach Luft schnappen ließ.
Dieser Kerl sah dem Freund des Möchtegern - Riders zum Verwechseln ähnlich! Aber wie war das möglich?
Okay. Wenn er die Möglichkeiten gegeneinander abwägte, kam er genau auf zwei Optionen: Entweder konnte er diesen Typen - wer immer er auch war - in Besitz nehmen, wann er wollte. Oder er machte schleunigst kehrt, da er ihm überhaupt nicht geheuer war, gar unheimlich. Letzteres kam anscheinend mehr in Frage.
Gerade wollte er sich also aus dem Staub machen, da spürte er auf einmal kalte Finger um seine Substanz krallen. Sehr kalt. Losreißen ging ebenfalls nicht, was er auch versuchte. Er schnappte rasend vor Wut nach der Hand des Übeltäters, hoffend, dass diese abgetrennt wurde. Das Gegenteil trat ein.
„Gib auf!“, knurrte eine Stimme in sein Ohr, gefolgt von eisiger Kälte. Der Atem des Unbekannten ließ den Parasiten frösteln, seine nicht vorhandenen Glieder taub werden. Er wusste noch nicht einmal, wo oben und unten war. Obwohl er das selbst nicht einmal genau abschätzen konnte.
„Hast du eine Ahnung, mit wem du es zu tun hast?“, fauchte der Parasit, nahm die Gestalt eines mächtigen Adlers an. In dieser Erscheinung konnte er sich endlich los reißen und drehte einige waghalsige Manöver in der Luft, imponierte. Dann verwandelte er sich zurück in den Drachen. „Offensichtlich nicht!“
Der Fremde legte den Kopf schief, bevor er reagierte. Seine Stimme klang genauso kalt und schnitt wie tausend Eiszapfen in sein Gedächtnis: „Sehr wohl weiß ich, wer du bist!“ Und fügte mit einem finsteren Lächeln hinzu:
Willkommen zurück, alter Freund! Wir haben einiges zu bereden...“
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