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Ich verharrte ein paar Minuten in meinem Versteck, während mir meine Freunde über die Bewegungen der Mädchen berichteten. Wie immer in den letzten Wochen, ignorierte mich Heaven auch diesmal.
„Die schwimmt nur hin und her. Und quatscht ihre Freundinnen voll. Alles gut, die Hexe guckt nicht.", hielt mich Aydin auf dem Laufenden.
Am liebsten hätte ich mich auf der Stelle in Luft aufgelöst. Nur damit ich dieser Situation ohne weitere Narben entkommen konnte. Im Gegensatz zu Heaven, schaffte ich es nicht ihre Anwesenheit zu ignorieren. Ich wischte meine feuchten Augen am Handtuch ab.
Heaven hatte also Spaß und genoss ihr Leben. Wie schön für sie. Ich konnte es kaum erwarten aufs College zu gehen, damit ich einen neuen Lebensabschnitt weit fort von hier beginnen konnte. New Brighton bot nicht ausreichend Platz, um Heaven nie wiederzusehen. Ich brauchte ein paar Staaten und hunderte Kilometer zwischen uns, um Frieden zu finden.
„Das Biest schwimmt immer noch. Wollen wir auch nochmal ins Becken?"
„Aydin.", rügte Dani.
„Was? Nicht zu denen ins Becken. Ich meinte hier ins Kleine zum Planschen. Da sind die ja nicht. Ich bin ohnehin dafür, dass Poppy der Alten zeigt, dass sie sehr wohl allein Spaß haben kann."
Aydin hatte zwar Recht, aber meine Gefühle hinkten allen klugen Einfällen Meilen hinterher. Ich genoss im Moment überhaupt nichts. Meine Traurigkeit hinter gespielter Freude zu verstecken, lag mir nicht. Dazu besaß ich zu wenig schauspielerisches Talent, und zu wenig Lust daran, mich zu verstellen.
Mit einem enttäuschten Seufzen knüllte ich mein Handtuch zusammen. Nicht einmal in Ruhe Schwimmen gehen war mir vergönnt.
„Geht nur Schwimmen. Ich packs nach Hause."
Dani sprang auf. Sie riss ihre Badetasche vom Boden hoch.
„Gut. Dann gehen wir auch."
Ich griff ihre Hand und schüttelte den Kopf.
„Bleibt ruhig noch. Ich würde jetzt eh nichts mehr anderes tun, als Heaven anzustarren. Deshalb geh ich. Aber ich möchte euch das Schwimmen nicht versauen. Ich meld mich morgen. Ok?"
Meine Freundin verzog betroffen das Gesicht. Meine Lösung gefiel ihr ganz und gar nicht. Aber sie brachte zu viel Verständnis für mein Leid auf, um mir zu widersprechen. Stattdessen zog sie mich in eine Umarmung.
„Ok. Ich versteh schon. Ist noch zu früh, um vorzutäuschen, dass es dir super geht. Schreib mir aber, falls du doch nicht allein gehen magst. Ja?"
Mit einem Nicken löste ich mich aus ihren Armen.
„Ich meld mich.", wiederholte ich und wusste nicht, ob ich es wirklich tun würde. Vielleicht war es doch noch Zeit für zwei Wochen Serien und Süßkram.
Dann stopfte ich mein Handtuch in die Badetasche und schwang sie mir über die Schulter. Währenddessen funkelte Dani wütend in Richtung der Cheerleader.
„Ich wünschte, ich könnte die hier rausschmeißen.", knurrte sie.
Aydin tätschelte meinen Arm und lächelte mich aufmunternd an.
„Dann Bye-bye. Bis morgen. Denk nicht über die Zicke nach. Sie ist es nicht wert. Guck dir den wabbeligen Hintern an. Ugh. Davon kriegt man Alpträume."
Leider kannte ich Heavens sehr sexy Hintern aus nächster Nähe, aber ich schätzte Aydins Versuch mich aufzuheitern.
Mit einem falschen Grinsen nickte ich ihm zu und Dani drückte mich ein weiteres Mal zum Abschied.
„Schreib mir, wenn du gut zu Hause angekommen bist. Ja?"
„Ja. Mum.", zog ich sie auf.
„Ich meins ernst. Du Kuh."
Ihr beleidigter Gesichtsausdruck brachte mich zum Kichern. Ich winkte meinen Freunden ohne viel Elan und ging. Eher huschte ich davon, denn ich hoffte Heaven und Konsorten würden meinen Abgang nicht bemerken. Den Triumph, mir beim Flüchten zuzusehen, gönnte ich ihnen nicht.
Bei einem letzten Rundumblick entdeckte ich die Cheerleader immer noch im großen Becken. Heaven schickte einen Schwall Wasser in Richtung einer ihrer Freundinnen, die wie ein Wal prustete und darin versank. Ein wundervolles, helles Lachen hallte durchs Schwimmbad und stach mir direkt ins Herz. Wie grausam, dass Heaven noch so einfach lachen konnte.
Ich spurtete hinter dem Kiosk vorbei und verschwand durch die Glastür direkt gegenüber, die zu den Duschen führte. Zwar wollte ich so schnell wie möglich weg, doch ich würde es mir nicht nehmen lassen, mir das Chlor vom Körper und besonders aus den Haaren zu spülen. Die Chemikalie besaß die besondere Fähigkeit, mein Haar nach nur einen Tauchgang in grobes Stroh zu verwandeln. Außerdem machte mich das Duschen im Schwimmbad glücklich. Und ich brauchte wenigstens irgendetwas heute, das mich glücklich machte.
Ich suchte mir eine Dusche ganz hinten im Raum, dort verdeckte mich die Trennwand vor allen ungewollten Blicken. Eine alte Dame trottete gerade davon, als ich meine Badetasche auf einem Regal verstaute. Die Glastür fiel mit einem leisen Scheppern hinter ihr zu. Selige Einsamkeit und heißes Wasser. Alles was ich jetzt brauchte.
Bewaffnet mit Duschgel und Shampoo, stellte ich die Dusche an. Ein zu Beginn eiskalter Wasserstrahl schoss hervor und prasselte wie Regen auf die hellen Fliesen. Schon bald stieg Dampf auf und versprach angenehmere Temperaturen. Ich schloss die Augen und hielt mein Gesicht in den Wasserstrahl.
Meine Liebe für die Duschen in Schwimmbädern stammte von den vielen glücklichen Erinnerungen, die ich als Kind hier gesammelt hatte. Der leichte Chlorgeruch, der in der Luft hing und die Stimmen der Badegäste, die vom Schwimmbereich dumpf in den kleinen Raum hineinhallten, zauberten mich in meine eigene kleine, warme Welt. Weit weg vom Trubel im Schwimmbad und doch geborgen und sicher, mitten unter Menschen. Eine kleine Pause, wenn man zittrig und frierend vom Schwimmen kam und sich ein letztes Mal mit einer heißen Dusche aufwärmte, bevor es in die langen Gänge zu den Garderoben ging, wo es noch viel kälter war.
Die Dusche schenkte mir ein kurzes Vergessen, so verweilte ich, auch nachdem ich mich gewaschen hatte, und ließ mir das warme Wasser über den Körper rinnen. Bis der Wasserstrahl versiegte und ich ein weiteres Mal die Hand auf den Knopf presste, für eine Minute mehr Rauschen und Plätschern, das den Herzschmerz im Zaum hielt.
„Poppy."
Mein Name, nicht mehr als ein Wispern. Trotzdem fuhr ich erschrocken herum.
Ihr Blick aus grünen Augen brannte wie Feuer. Heaven krallte die Hand um die Trennwand und leckte sich nervös über die Lippen. Wasser tropfte aus ihrem dunklem Haar und rann über ihre Brust, die sich unter heftigen Atem hob und senkte. Ihre Haut glänzte feucht. Eine Wassernixe hatte mich gefunden.
„Wa-was tust du hier?"
Ich hatte mich so vorsichtig davongeschlichen, aus Angst plötzlich Heaven und ihrem Gefolge gegenüberzustehen. Ein Schreckensszenario, indem die Mädchen auf mich zeigten, kicherten und wie wild miteinander tuschelten. Nicht einmal hatte ich daran gedacht, dass Heaven mir allein begegnen würden. Aber vor allem hatte ich nicht erwartet, sie hier in der Dusche anzutreffen. Sonst hätte ich nicht gewagt, so lange hier zu verweilen.
Heaven trat zu mir unter den warmen Wasserstrahl. Zu überrumpelt von ihrem Erscheinen, ließ ich sie einfach gewähren. Sie strich mit den Händen über meine Wangen, hielt mein Gesicht fest und küsste mich. Ihre Hände und Lippen kalt, auf meiner aufgeheizten Haut.
Vielleicht halluzinierte ich. Die heiße Dusche hatte meinem Kreislauf den Rest gegeben und ich lag ohnmächtig auf dem nassen Boden und träumte.
Sie küsste mich und lächelte und küsste mich wieder. Ihre Finger strichen durch mein nasses Haar. Das Wasser plätscherte auf meinen Rücken.
Nein. Ich träumte sicher nicht. So wundervoll fühlte sich keiner meiner Träume an.
Die zärtlichen Berührungen löste eine kleine Explosion in meinen Kopf aus und fegte alle klare Gedanken fort. Wie sehr ich Heaven vermisst hatte. Ich schlang die Arme um sie.
Heaven strich über meine Seite zu meinem Bikini Oberteil. Sie kitzelte über meine Rippen und ich keuchte. Dann legte sie die Hand über meine Brust. Ganz sanft, ohne die Finger hineinzudrücken. Ich atmete scharf aus, während sie federleicht Küsse auf meinem Gesicht verteilte.
„Heaven.", flüsterte ich ihren Namen. Wie eine Bitte mir zu erklären, was gerade geschah.
Ich verstand nicht, warum sie mich so überfiel. Hatten wir nicht ausgemacht uns wie Fremde zu begegnen? Nun klammerte sie sich an mich, als würde sie ertrinken. Als würde sie mich nie wieder gehen lassen.
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