50
Nach ein paar Minuten krallte Heaven die Finger in meinen Rücken. Sie keuchte und drückte das Gesicht in mein Haar. Vielleicht um sich vor meinem Blick zu verstecken. Ein Zittern durchlief ihren Körper und sie stöhnte leise in mein Ohr.
Warme Feuchtigkeit klebte an meiner Hand, ich zog die Finger aus Heaven zurück und drückte einen Kuss auf ihre Schläfe. Nach einer Weile blickte Heaven auf, der Blick verschwommen, ein zufriedenes Lächeln hing auf ihren Lippen. Sie lehnte an der Kabinenwand und zerrte mich an meiner Jacke zu sich her, um meine Lippen im Kuss zu finden. Wir küssten uns lang und langsam.
Als wir uns voneinander lösten, nahm ich meine Hand aus ihrem Slip. Heaven seufzte und runzelte die Stirn. Sie strich die Hände locker über meine Schultern und zupfte an der Spitze am Ausschnitt meines Kleides.
Ich streckte mich zur Seite, um nach der Klopapierrolle zu angeln. Mit den ersten paar Blättern wischte ich meine Finger ab, dann rupfte ich ein paar für Heaven ab und hielt sie ihr hin.
Heaven blinzelte müde und streckte sich ausgiebig. Anstatt das Papier zu nehmen, zog sie mich in eine Umarmung.
„Sei nicht so hektisch.", beschwerte sie sich leise.
Tatsächlich quälte mich eine gewisse Unruhe. Weil mich das Gefühl beschlich, ich hatte mir schon zu viel Zeit mit Heaven gestohlen und jeden Moment würde die grausame Realität zuschlagen und uns wieder entzweien. Ich war glücklich wie nie und wollte sie nur in meinem Armen halten. Doch ich traute dem Frieden nicht.
Der Moment, der unsere gemeinsame Zeit beendete, kam, als ich es wagte mich wieder ganz auf Heavens Umarmung einzulassen.
Ein lautes Knarren zerriss die Stille im Raum, als jemand die Tür zum Waschraum aufschob. Heaven erstarrte in meinen Armen. Ihr hektischer Blick fuhr zum Riegel der Kabinentür, der noch offenstand. Ich griff neben mich und schloss ab.
Gelächter erklang, Stimmengewirr und Füße scharrten über den Boden. Eine ganze Gruppe hatten den Raum gestürmt.
Heaven bohrte die Finger in meinen Rücken und starrte mich mit in Panik weitaufgerissen Augen an.
„Is schon gut. Wir warten einfach. Die Verschwinden sicher gleich.", murmelte ich.
Türen knallten und Wasser gurgelte. Die fremden Mädchen unterhielten sich auch über die Kabinen hinweg.
Mit beiden Händen drückte Heaven gegen meine Schultern und schob mich weg.
„Geh jetzt raus. So lang die auf dem Klo sind.", zischte Heaven.
Sie löste den Riegel an der Tür und stieß sie auf. Vollkommen überrumpelt, ließ ich mich ohne Gegenwehr nach draußen schubsen. Dann knallte Heaven direkt hinter mir die Kabinentür zu. Ein leises Klicken erklang, als sie den Riegel zudrückte und mich aussperrte. Sie hatte mich buchstäblich rausgeschmissen. Wer war jetzt hektisch?
Für einen kurzen Moment des Unglaubens, starrte ich auf die geschlossene Kabinentür. Heaven hatte keine Sekunde gezögert mich loszuwerden. Die fiese Kuh.
Tatsächlich wartete kein weiteres Mädchen im Waschraum auf eine Möglichkeit sich zu erleichtern.
Unschlüssig darüber, wie ich mich verhalten sollte, ging ich erstmal zum Waschbecken. Ein prüfender Blick in den Spiegel zeigte mir mein zerzaustes Spiegelbild. Die Friseur war nur noch ein Schatten ihrer selbst. Irgendwo hatte ich die Herzspange verloren. Ich hatte keine Lust, meine Haare zu richten. Die einzige Person, für die ich mich schick gemacht hatte, versteckte sich ohnehin in der verfluchten Klokabine direkt hinter mir. Ich schickte einen verletzten Blick durch den Spiegel, direkt auf die immer noch verschlossene Tür. Als ob Heaven mich sehen würde. Wahrscheinlich spielte sie wieder seelenruhig an ihrem Handy.
Zwar ließ ich meine Haare so wild sein, wie sie wollten, aber ich wischte mir das Gesicht mit einem angefeuchteten Papiertuch sauber. Alles glitzerte von Heavens Lipgloss. Und ich wusch mir die Hände, um anständig zu sein. Das fiel mir ein bisschen schwer.
Fertig damit, stand ich bei den Waschbecken herum, bis das erste Mädchen wieder aus der Toilettenkabine trat. Dann verließ ich den Waschraum, um nicht verdächtig herumzulungern. Vermutlich würde Heaven so schnell nicht mehr aus ihrem Versteck hervorkommen. Sie wollte ganz sicher nicht, dass ich auf sie wartete.
Jedes Mal brachen unsere Begegnungen auf die Art und Weise ab, dass ich nicht wusste, wann und ob wir uns jemals so intim wiedersehen würden, oder ob unsere Verbindung genau jetzt endete.
Ich besiegte den Drang, vor den Toiletten noch etwas Zeit zu schinden, in der Hoffnung Heaven würde mir wieder in die Arme laufen. Vermutlich würde sie mich einfach ignorieren. Wenn sie eines hasste, dann wir beide zusammen in der Öffentlichkeit, ungeschützt allen Blicken ausgeliefert.
Also trödelte ich den Weg zurück zur Tanzfläche in der Hoffnung Heaven würde mich irgendwann überholen. Vielleicht stehen bleiben. Nochmal kurz mit mir reden. Nichts davon geschah. Stattdessen gabelte mich Dani auf, die verärgert die Hände in die Hüften stützte und mich von oben bis unten musterte. Sie wirkte erstaunlich nüchtern und fixierte mich mit klarem Blick.
„Kannst du dir abgewöhnen einfach so zu verschwinden. Du hast ein Handy. Ich hab ein Handy. Ne kurze Nachricht sollte nicht so schwer sein.", rügte sie mich.
Ich nickte betreten. Ja, es klang nicht schwer kurz Bescheid zu geben, aber Heaven ließ es mich einfach vergessen. Als ob der Rest der Welt nicht mehr existierte, wenn sie die Bühne betrat.
Dani trat näher und wisperte:
„Selbst wenn du mit Heaven zusammen bist, ist das nicht so schwer."
Meine Freundin kannte mich zu gut.
Ich seufzte betreten.
„Was hat mich denn verraten?"
Dani kicherte.
„Absolut alles."
Sie tippte auf meine Nase und grinste. Dann nahm sie meine Hand im stahlharten Griff gefangen. Damit ich ihr nicht mehr verloren gehen konnte.
Nur wenig später verließen wir den Festsaal, der sich bereits deutlich geleert hatte. Ob beim Tanzen, oder als ich mit Heaven zusammen in der Toilettenkabine rumgemacht hatte, irgendwo hatte ich ein paar Stunden verloren und den Zeitpunkt überschritten, an dem das Valentinstags Fest offiziell für beendet erklärt worden war. Es spielte keine Musik mehr und die Schüler des Festtagskomitees stellten bereits die Stellwände zusammen und sammelten die Dekoration ein. Damit würden die sicher noch die ganze Nacht beschäftigt sein.
Ich machte mir Sorgen, ob Heaven immer noch auf der Toilette festsaß, bis ich beim Gehen, im Gewühl der ins Freie strömenden Schüler, einen Blick auf sie erhaschte. Mit Jamie am Arm strebte sie ebenfalls dem Ausgang entgegen. Eifersucht brodelte in mir hoch und ich beobachtete die Szene vor mir genau. Sah so eine gespielte Beziehung aus? Dafür hielt Heaven den Arm ihres Freundes zu fest und er führte sie zu sicher durch die Menge. Oder konnte ich gerade darin die Höflichkeit zwischen ehemaligen Partnern entdecken, die sich vorher nie so freundlich behandelt hatten? Die vorgetäuschte Zuneigung überzeugender als die Wirklichkeit.
Zum Glück entschwanden sie schnell meinem Blick, denn ich schaffte es nicht von allein wegzuschauen.
Spät nachts im Bett, analysierte ich die Szene immer noch. Wie ein Detektive zerlegte ich sie in ihre Einzelteile, suchte nach Indizien und Beweisen und fand keine Antwort. Vielleicht spielte mir Heaven etwas vor. Vielleicht hatte sie mir die Wahrheit gesagt. Ich wusste es nicht.
Doch viel mehr als die vermeidliche Lüge, dachte ich an Heaven in meinen Armen, ihren Kuss und ihre Wärme an meinen Fingern. Die Gedanken daran entzündeten meinen Körper und ich berührte mich selbst, wie ich sie berührt hatte und stellte mir dabei ihre Finger vor, die mich sanft erkundeten.
Ihr Körper auf mir, die süßen Lippen fanden meine zum Kuss. Keine Abwehr, keine Zweifel. In meiner Vorstellung war alles so einfach. Nach wenigen Minuten erreichte ich den Orgasmus, doch die Träumereien ließen mich nicht los und quälten mich bis tief in die Nacht.
Irgendwann döste ich in den Schlaf, bis mich ein leiser Klingelton rüde wieder aufschreckte. Ich tastete genervt nach meinen Handy, um es stumm zu schalten.
Wer riss mich so unverschämt aus dem Schlaf? Sicherlich Aydin, niemand sonst missachtete meinen wichtigen Schlaf auf solch unverschämte Weise. Entschlossen die Nachricht zu ignorieren, wischte ich über den Bildschirm meines Handys, um dem Geklingel dem Garaus zu machen. Fünf Uhr morgens. Hoffentlich kein Notfall.
Fetzen der Nachricht wurden mir auf meinem Telefon angezeigt. Darüber eine fremde Nummer. Trotz meiner Müdigkeit, siegte meine Neugierde.
„Hey Poppy. Ich möchte dich heute besuchen kommen. Schlaf gut. Heaven."
Immer wieder las ich die Worte. Ungläubig, überrascht und unglaublich aufgeregt. Heaven hatte mir endlich geschrieben. Sie fragte nicht, sie lud sich einfach zu mir ein und ich erlaubte es ihr ohne Zweifel. Ich freute mich so sehr darüber, dass ich das Handy an mein stürmisch schlagendes Herz drückte. Als könnte ich nur so auch meinem Herzen beweisen, dass das was ich las, tatsächlich die Wahrheit darstellte.
Das Telefon bebte in meinen zittrigen Fingern. Ich hielt es fest umklammerte, dass es nicht aus meiner Hand rutschte und auf meinem Gesicht landete. Denn ich starrte unentwegt darauf und konnte mich nicht lösen. Als würde die Nachricht verschwinden, wenn ich wegschaute.
Schon geisterten Antwortvorschläge durch meinen Kopf. Wie verzweifelte ich sein musste, ihr gleich zu antworten. Mitten in der Nacht. Zeig ein bisschen Stolz, Poppy. Lass sie auf dich warten. Ich legte das Handy zur Seite, starrte zur Decke und trommelte mit den Fingern auf meinen Bauch.
Immer wieder warf ich mich im Bett herum, von der einen auf die anderen Seite. Keine Lage fühlte sich bequem genug an, um in ihr zu verweilen.
Die Bettdecke raschelte zu laut bei jeder Bewegung und verfing sich dann auch noch in meinem Beinen. Ich kämpfte mit der Decke, bis sie mich wieder freigab.
Schließlich fuhr ich hoch. In meinem Zimmer herrschte zu viel Unordnung für so wichtigen Besuch.
Sofort sprang ich aus dem Bett, um früh morgens mit unkoordinierten herumräumen zu beginnen. Zehn Minuten später merkte ich, dass ich dadurch nur mehr Chaos anrichtete. Es war nicht mehr als ein nutzloser Versuch mich von einer Antwort abzuhalten.
„Grahh. Ich Depp.", fluchte ich
Ich warf mich zurück aufs Bett, biss verärgert in mein Kissen und trommelt mit den Fäusten darauf. Aufräumen konnte ich später. Aber die Antwort konnte eindeutig nicht warten. Nicht wenn ich heute Nacht noch etwas Schlaf bekommen wollte.
Also nahm ich doch wieder mein Handy zur Hand.
„Hey Heaven...Endlich, ich freu mich voll..."
Sofort löschte ich die Nachricht wieder. Ein bisschen weniger Verzweiflung würde sicher dabei helfen, mein letztes bisschen Stolz leben zu lassen. Noch zwei weitere Male begann ich und verwarf das Geschriebene. Dann, nach einigem Nachdenken, standen dort endlich Sätze, mit denen ich mich anfreunden konnte.
„Hey Heaven. Klar komm doch gern vorbei. Ich kann nachmittags, so ab drei. Passt das? Schlaf ebenfalls gut. Poppy."
Nachdem ich die Nachricht noch ungefähr 100-mal gelesen hatte, tippte ich auf Versenden und legte das Telefon zur Seite, nahm es wieder, legte es zur Seite und nahm es wieder auf.
Zu meiner Überraschung blinkte nur wenig später eine neue Nachricht auf.
„Gut. Dann komm ich um drei."
Oh mein Gott. Heaven würde mich besuchen kommen.
Ich sprang aus dem Bett und begann erneut aufzuräumen.
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