13
Ein wahrgewordener Traum in einer kalten Herbstnacht. Wie in Trance wandelte ich die Straße entlang. Heavens Hand in meiner, die ich inzwischen so fest umklammerte, dass sie mich nicht mehr loslassen konnte, selbst wenn sie gewollt hätte. Sie versuchte es nicht.
Stattdessen blieb sie dicht bei mir und suchte vorsichtig ihre Schritte. Ein entzückender Storch. Ich stützte sie ohne den Arm um sie zu legen. Weil ich versuchte Grenzen einzuhalten. Ihr, aber vor allem mir zuliebe.
Unter dem Titel „freundschaftlicher Hilfsbereitschaft" betrank ich mich an ihrer Nähe. Ohne meine Hand stolperte sie und verletzte sich. Unverantwortlich, grausam sogar, sie loszulassen.
Ich wünschte mir der Weg würde sich ewig ziehen, damit sie mir ihre zerbrechlichen Finger nicht entzog.
Unsere Hände passten perfekt ineinander. Gleich groß, ähnlich schlank. Ihre Fingernägel mit Glitzer bemalt, länger und rund gefeilt. Meine kurz, ohne Nagellack. Auf alles vorbereitet.
Wahrscheinlich fühlte Heaven sich wohler, wenn starke Finger an breiten Handflächen, ihre Hände besitzergreifend umschlossen.
Doch für diesen Moment berührte sie mich allein und ich bestand nur aus dem bisschen Haut, dass sich im schweißigen Griff mit ihr verband. Alle meine Sinne auf Heaven gerichtet, strengte ich mich an unberührt zu wirken. Cool und sicher, wie jemand dessen Gefühlen nicht eben eine Party feierte. Party feiern ließ ich sowieso besser erst Mal bleiben.
„Ist noch weit der Weg. Oder?"
Ich schreckte auf. Ihr Wunsch zu reden kam unerwartet. Bisher wollte sie mich nur anschweigen oder beleidigen. Es gab kein Zwischendrin.
„Schon noch ein Stück. Wir können auch Pause machen. Wenn du magst."
Sie schmetterte mein Angebot mit einem Kopfschütteln ab und ich seufzte innerlich. Die Zeit unseres Zusammenseins verkürzte sich mit jedem Schritt.
„Bist du vorher auch hergelaufen. Oder wurdest du auch zurückgelassen?"
Woher kam dieser plötzliche Wille sich mit mir zu unterhalten? Heaven ignorierte mich immer. Eine sichere Gewohnheit und der größte Schutz, den sie mir vor meiner eigenen Begierde bot. Eine verbale Mauer, die uns trennte, nutzte uns beiden am Meisten.
„Ich bin mit meinen Freunden hergelaufen. Und irgendwie wurde ich auch ein wenig zurückgelassen. Ja."
„Wie grausam.", murmelte Heaven.
Sie strich mir mit dem Daumen über den Handrücken. Meine Finger kribbelten und ich verkrampfte sie. Heaven merkte es und bewegte ihre Hand. Sofort ließ ich locker.
„Nein. Das ist ok eigentlich. Meine eine Freundin hatte gute Gründe und mein anderer Freund, nun...ich hätte ihn Fragen können, er wär vermutlich mitgekommen."
Aydin hätte mich nach Hause gebracht, wenn ich ihn gefragt hätte. Schlecht gelaunt und sexuell frustriert, hätte er mir sicherlich allen möglichen Mist aufgedrängt, den ich nicht wissen wollte.
Auf einen Vortrag darüber, warum ich seine Libido gefährdete, konnte ich nicht nur heute gut verzichten.
Ein schönes Mädchen, bot eine viel bessere Begleitung. Selbst wenn sich mich ebenfalls beschimpfte.
„Du bist viel zu nett. Poppy."
Und mein Herz fuhr Achterbahn. Heaven hielt mich für nett.
„Nö. Nicht so.", murmelte ich.
Sie lachte. Krampfhaft versuchte ich nicht zu erschaudern, als sie mich mit diesen süßen Tönen quälte.
Wenn sie sich so verhielt, wenn wir zusammen waren, bestand die Gefahr, dass ich mich wirklich verliebte.
Als ich Heaven anblickte, lächelte sie. In meiner Brust flatterte ein eingesperrter Vogel. Unbeholfen lächelte ich zurück.
Ich wollte sie in den Arm nehmen. Ganz fest. Und sie beschützen vor der Kälte, den viel zu hohen Stöckelschuhen und ihrem dämlichen Freund. Stattdessen drückte ich ihre Finger und grinste weiter, wie ein Vollidiot.
Nachdenklich schaute sie mich eine Weile an, als wollte sie mich lesen. Sicher offenbarte sich auf meinem Gesicht alles was sie wissen musste.
„Du erwischt mich immer in komischen Situationen. Oder..."
Sie legte den Kopf zur Seite und blinzelte mich an.
„...läufst du mir nach?"
Jeder Gedanke in meinen Kopf verpuffte, lang genug, dass eine peinliche Stille zwischen uns entstand.
Als nächste fiel mir eine giftige Antwort ein, die mich aus der Situation befreien konnte.
Doch ich knallte Heaven nicht entgegen, dass sie den totalen Vogel hatte.
Stattdessen räusperte ich mich laut.
„Ich stalk dich nicht. Ich bin kein Creep."
Mit ruhiger Stimme klärte ich gar nichts auf. Spätestens jetzt ahnte sie vermutlich, dass ich für sie schwärmte. Wenn meine Küsse, das vorher nicht klar gemacht hatten.
„Nein, du stalkst mich nicht. In der Schule schaust du mich nie an."
Durch Heavens Antwort wurde mir bewusst, dass sie mit mir spielte. Aydin hätte mich bestimmt ausgelacht, dass ich das erst jetzt kapierte. Nichts konnte unsere Küsse aus der Realität tilgen und wir beide erinnerten uns zu deutlich daran. Ich unterschätze wie gefährlich Heaven war, weil mich ihr Lächeln so verzauberte.
Aber mit ihrer Behauptung hatte sie sicher irgendeine Reaktion aus mir herauskitzeln wollen. Nur welche und warum?
„Nein. Ich schau dich nicht an. Ich muss ja auch im Unterricht aufpassen."
Stur starrte ich nach vorne. Sie würde nicht bekommen, was sie von mir wollte.
„Ah so!"
Heaven drückte sich näher an mich und hauchte:
„Auch in den Pausen? Was bist du fleißig."
Wie sehr ich mir Dani her wünschte, um mich zu beschützen.
„Meinst du ich hab nichts Besseres zu tun, als Leute anzustarren.", fuhr ich Heaven an.
Mit drei Schritten nach vorne, weg von ihrer Seite, brachte ich mich in Sicherheit.
Sie kicherte und ich verschränkte die Arme vor der Brust. Als Barriere zwischen uns.
Dann streckte sie ihre Hand nach mir aus.
„Schon gut. Sorry, kleine Poppy. Ich bin nicht so nett wie du."
Mit ihren langen Fingern spielte sie in ihren Haaren. Die Straßenlaterne über ihr, zauberte goldene Lichter in ihre dunkle Mähne. Das Gesicht offen und freundlich, lockte sie mich mit ihrer Hand. Jetzt war der Moment gekommen, wegzulaufen. Mit ihren Füßen zementiert in als Gehbehinderung getarnte Schuhe, konnte sie mich nicht einholen.
Trotzdem kam ich zurück zu ihr und nahm ihre kalte Hand.
„Vielleicht könntest du einfach trotzdem nett zu mir sein.", bat ich leise.
Sie stützte sich auf mich und murmelte:
„Ja. Das könnte ich."
Ihre Worte verwirrten mich. Sie klangen nicht nach einem Versprechen, mich netter zu behandeln.
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