13. Kapitel
Am nächsten Morgen schlief Anna zwar länger als gewohnt, wachte aber trotzdem recht früh auf. Wo sollte sie hin gehen? Vielleicht konnte sie ein Bad nehmen? Oder sich zumindest waschen? Nur die Frage, wo das Bad lag, konnte Anna sich nicht beantworten. Sie blieb also auf ihrem Zimmer, bis der Drang, das Badezimmer aufzusuchen dringlicher wurde. Sie musste jetzt für kleine Mädchen. Also öffnete sie ihre Zimmertür und erinnerte sich, in welche Richtung der Kaminsaal lag. Anna ging den Gang entlang. Und jetzt? Links oder rechts?
Anna entschied sich für links und fand nach einer Weile den Papagei von gestern wieder.
"Verlaufen, Mädchen?", fragte er.
"Bis jetzt nicht.", sagte Anna und ging weiter. Sie fand den Kaminsaal sogar wieder, doch es war niemand darin. Sie versuchte also, sich zu erinnern, wo der Ausgang aus dem Gebäude war. Vielleicht konnte sie dort draußen irgendwo....
Doch Anna fand den Ausgang nicht. Sie merkte sich, wo der Kaminsaal lag, um zurück zu finden, aber den Ausgang entdeckte sie nirgendwo. Plötzlich hörte sie hinter sich ein Schlurfen und drehte sich um. Dieser Ghul.
"Guten Morgen, Stelzfuß. Könntest du mir vielleicht zeigen, wo ich hier mein Geschäft erledigen kann?", fragte Anna höflich und versuchte, den Gestank des Ghuls zu ignorieren. Dieser grunzte jetzt und schlurfte voraus. Anna folgte ihm. Er bog nur um zwei Ecken, bis er ihr eine Tür aufhielt. Anna staunte nicht schlecht. Es gab eine eingelassene Wanne und ein Becken, das an der Wand hing. Daneben stand etwas an der Wand, das auch wie eine Schüssel geformt war. Es hatte einen Deckel drauf und einen Knopf drüber hängen.
"Danke.", sagte Anna zu Stelzfuß, der hinter ihr die Tür schloss. Anna sperrte ab, dann klappte sie den Deckel von der Schüssel hoch. Als sie fertig war, fragte sie sich, was jetzt und drückte kurzerhand auf den Knopf. Wasser rauschte in der Schüssel und Anna erschrak. Dann wandte sie sich den anderen Becken zu. Über beiden hingen gebogene Stäbe mit Teilen dran, die Anna den stillstehende Windräder erinnerten. Sie drehte aus Neugierde daran und ein Strahl Wasser schoss am Ende des Stabs heraus. Anna hielt ihre nicht wirklich sauberen Hände darunter und der Dreck ging langsam weg. Dann nahm sie von einer Steinschale ein Stück blaues Zeug herunter und drehte es in den Händen. Weißer Schaum bildete sich. Anna hielt ihre Hände nochmals unter das Wasser, damit der Schaum wegging und drehte in die andere Richtung an dem Rad. Das Wasser stoppte. Anna blickte auf ihre Hände, die blank und rosig aussahen und staunte noch einmal über die Erfindungen, die im dieser Zeit das Leben beeinflussten. Sie verließ das Zimmer und ließ sich von Stelzfuß in den Kaminsaal geleiten. Darin saß Pestilla und sagte:"Wo warst du?"
"Ich habe ein Stilles Örtchen gesucht.", sagte Anna.
"Du hast was?"
"Ein Stilles Örtchen gesucht."
"Was ist das?"
"Ein Ort, wo man sein Geschäft erledigt.", erklärte Anna. Hatten die Menschen in dieser Zeit denn die halbe Sprache verlernt?
"Ach, ein Klo. Sag das doch gleich.", brummte Pestilla. Anna sah sie erstaunt an. So offen redete man doch nicht!
"Stelzfuß, hol was zu Essen!", befahl Pestilla dem Ghul.
"Wir müssen uns etwas beeilen. In einer Dreiviertelstunde ist die Ratsversammelung.", erklärte sie Anna.
Schon eine halbe Stunde später trafen die ersten Mitglieder des Hexenrats ein. Anna begrüßte sie alle höflich und erkannte Magnolias Tante und Jörnas Mutter wieder. Alle schienen an ihr interessiert und einige merkten an, wie gute Manieren Anna doch habe. Schließlich war der Rat im Kaminsaal an der Tafel versammelt und alle sahen Anna an. Diese begann nun erneut, ihr Geschichte zu erzählen.
"Wie konnte so eine Verwechselung passieren?", fragte eine Hexe mittleren Alters.
"Das ist bei Anna nicht so leicht.", sagte Pestilla.
"Wenn sie wirklich auch fast zur Hälfte Heilerhexe ist, soll sie es beweisen!", verlangte eine schrumpelige Hexe am anderen Ende der Tafel.
"Lässt sich einrichten.", sagte eine weitere Hexe und hob den Zauberstab. Anna hörte nicht, was die Hexe murmelte, doch Sekunden später schwebte ein verletzter Hund in der Luft über dem Tisch. Anna wusste, was alle erwarteten. Sie legte die Hände auf den Hund und er verheilte, wie auch all die Tiere zuvor.
"So etwas ist mir in meinem ganzen Leben noch nicht untergekommen!", sagte eine scheinbar steinalte Hexe, bei der das wohl etwas bedeutete. Anna fand jedenfalls, dass ihre Begabungen jetzt genug gelobt worden waren und fragte:"Was passiert jetzt mit mir?"
"Gute Frage. Da wären wir beim eigentlichen Thema. Anna kennt nichts aus unserer Zeit, sie hat gerade eben zum Beispiel die Spülung vom Klo erforscht. Wer sie aufnimmt, hat also einiges zu tun. Außerdem muss sie irgendwie gemeldet werden und eine Schule besuchen.", sagte Pestilla. "Ich kann aber schon Lesen und Schreiben und Latein.", sagte Anna.
"Latein wird dir nur teilweise helfen, Schätzchen. Heutzutage lernt man Französisch und Englisch.", sagte Magnolias Tante.
"Außerdem brauchst du Mathe und allen möglichen anderen Kram.", schloss eine jüngere Hexe sich dem Gespräch an.
"Nun, Anna hat jedenfalls einigen Nachholbedarf.", beendete Pestilla die Diskussion über Schule.
"Wer wäre bereit, sie aufzunehmen?", fragte sie in die Runde. Wozu sitze ich hier eigentlich?, schoss es Anna durch den Kopf. Die Hexen redeten über sie, als wäre sie nicht da. Also unhöflich waren die Menschen aus dieser Zeit irgendwie alle.
"Da hat sie allerdings Recht.", krächzte eine Hexe.
"Worin habe ich Recht?", fragte Anna.
"Dass wir reden, als wärst du nicht hier.", erwiederte die Hexe. Als daraufhin einige Hexen kicherten,viele andere recht belustigt schauten, wurde Anna klar, dass alle den Gedanken gelesen hatten.
"Gut denn. Also?", sagte Pestilla. Einige Hexen hoben die Hand. Darunter Magnolias Tante, die Hexe, die gerade ihre Gedanken gelesen hatte und die jüngere Hexe, die Mathe erwähnt hatte, was auch immer das war.
Pestilla blickte ein wenig durch die Reihen und sagte dann:"Ich denke, es ist besser, wenn sie nicht gerade in einer Großstadt lebt."
Ein paar Hexen ließen die Hände sinken.
"Rauschwald wäre allerdings ein geeigneter Ort. Linette?", sagte Pestilla. Magnolias Tante war es, die antwortete:"Gut."
"Dann ist die Sitzung hiermit abgeschlossen. Linette, du kannst sie gleich mitnehmen.", sagte Pestilla. Vielleicht würde sie ja Magnolia etwas öfter sehen, überlegte Anna, wenn sie bei deren Tante wohnte.
Als nur noch Linette, Pestilla und Anna im Raum standen, fragte Pestilla Anna:"Hast du noch was auf dem Zimmer?"
"Nein.", sagte diese ohne zu überlegen. Ihrem Hexenmantel hatte sie an und ansonsten hatte sie nichts hier.
"Dann komm, Mädchen!", sagte Linette. Anna folgte ihr in den Schlosshof, wo sie mit einem Pfiff ihren Besen aus einer Ecke rief.
"Ein Moment noch!", rief Pestilla von der anderen Seite des Hofs.
"Anna, ich habe deinen Zauberstab und Besen noch nicht gefunden. Irgendwo in diesem Schloss stecken sie, aber ich weiß nicht wo und da das Zeug verhext ist, sodass ich es nicht einfach herzaubern kann, werde ich wohl in nächster Zeit mal vorbeikommen", sagte Pestilla.
"Dann los. Nach oben hinaus und nirgends an!", rief Linette und der Besen, auf dem Anna und Linette bereits saßen, stieg in die Luft.
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