A C H T
Das Date lief, wie erwartet, super.
David hat für uns beide gezahlt und ich habe angekündigt, dass ich dann das nächste Mal ausgebe. Ich bin unglaublich froh, dass er sich in seinem männlichen Stolz nicht verletzt gefühlt und keine Diskussion vom Zaun gebrochen hat. Stattdessen hat er es erkannt, als was es ist: meine Zustimmung dafür, auf ein weiteres Treffen mit ihm zu gehen.
Ich denke, ich habe ihm ansehen können, dass das auch der Gedanke ist, den er hatte – zumindest könnte man das von seinem breiten Grinsen bei unserer Verabschiedung ableiten.
Außerdem bin ich auch wirklich froh, dass er nicht versucht hat, mich zu küssen oder sogar mit zu mir nach Hause zu kommen. Das wäre einfach noch viel zu früh für mich gewesen und das hat David glücklicherweise auch gemerkt.
Wir haben Nummern ausgetauscht, sodass wir uns nicht mehr über die Dating-App schreiben müssen. Mir hat sehr gut gefallen, dass er mich gebeten hat, ihm eine Nachricht zu schreiben, wenn ich sicher zu Hause angekommen bin (was vor etwa zehn Minuten der Fall war). Wir haben uns einen weiteren schönen Tag gewünscht, aber noch kein neues Treffen vereinbart.
Ich koche mir gerade Wasser für eine Tasse Tee und lasse mich von dem leisen Geräusch einlullen, das mein Wasserkocher macht.
Ich bin glücklich, endlich mal nicht die Arschkarte bei einem Date gezogen zu haben. Meine Pechsträhne der letzten Dates war ja schon lächerlich lang. Es fühlt sich so unglaublich gut an, endlich Zeit mit jemandem zu verbringen, der keine frauenfeindlichen Äußerungen tätigt, tatsächlich Ambitionen im Leben hat (er macht gerade seinen Master in Kommunikationswissenschaften), einfach nett ist und einen tollen Sinn für Humor hat. Mir ist durchaus klar, dass ich gerade das absolute Minimum beschreibe, das man von einem potenziellen Partner erwarten kann – was es umso trauriger macht, dass dieses Minimum scheinbar doch keine Selbstverständlichkeit ist.
Der Wasserkocher beginnt laut zu blubbern und reißt mich somit aus meinen Gedanken. Ich nehme meine Lieblingstasse, die in ihrer Form und Farbe ein wenig an einen Pfirsich erinnert, aus dem Schrank, werfe einen Pfefferminzteebeutel rein und gieße das Wasser hinein.
Eine Weile beschäftige ich mich noch mit Social Media und beantworte Kommentare, anschließend sammle ich mögliche Ideen für zukünftige Beiträge. Irgendwann blicke ich aus dem Fenster und sehe, dass das Licht draußen langsam einen bläulichen Stich bekommt. Ein Blick auf die Zeit verrät mir, dass es bald sieben Uhr ist. Urplötzlich verspüre ich das brennende Verlangen nach einem Karamellkaffee. Sie hätten noch eine Stunde geöffnet...
Ich schüttle den Kopf über mich selbst. Es ist wirklich nicht so, dass ich heute noch nicht genug Koffein gehabt hätte. Aber nun mal keinen Karamellkaffee.
»Sch!«, zische ich meine innere Stimme der Unvernunft an. Wow, man könnte fast meinen, ich ticke nicht mehr ganz richtig, wenn man mich so sieht. Gut, dass ich allein wohne.
Leider ist es immer so: Wenn man einen Gedanken besonders energisch wegdrängen möchte, kommt er umso stärker zurück. Karamellkaffee regiert jetzt mein Hirn und ich kann nichts dagegen tun.
Eigentlich wäre es doch überhaupt kein Problem, mir jetzt meinen Lieblingskaffee zu holen, wenn all das mit Silas nicht gewesen wäre. Warum lasse ich diese... Sache darüber entscheiden, ob es in Ordnung ist, mir jetzt dieses Getränk zu kaufen? Das ist doch Blödsinn!
Entschlossen erhebe ich mich von meinem Sofa und marschiere zu meiner Garderobe, wo ich mir schnell eine gesteppte sonnengelbe Jacke anziehe, die meine Stimmung vor allem bei schlechtem Wetter immer zuverlässig hebt. Es ist zwar nicht so, dass es gerade in Strömen regnet, aber gutes Wetter sieht auch anders aus. Zudem kann ich eine Stimmungsaufhellung gerade wirklich gut vertragen.
Während ich den Weg entlanglaufe, den ich schon unzählige Male entlanggelaufen bin, klingelt mein Handy in der Tasche. Ich ziehe es heraus und mein Atem stockt kurz, als ich Susanns Namen darauf sehe. Flüchtig spüre ich einen Anflug schlechten Gewissens, weil ich sie nicht schon eher angerufen habe, doch dann schiebe ich das beiseite und hebe ab.
»Susann, hallo!«, grüße ich sie lächelnd. Ich höre daraufhin ein Geräusch in der Leitung, das wie ein schweres Ausatmen klingt. Dann sagt sie: »Hey. Hast du kurz Zeit?«
Meine Schritte werden langsamer, bis ich schließlich ganz stehen bleibe und an den Wegrand trete. »Klar, was gibt's?« Sie macht mich gerade wirklich nervös.
»Okay, ich mach es kurz: Irgendwie hatte ich bei unserem letzten Telefonat das Gefühl, dass du ein paar Sachen, die ich gesagt habe, nicht so toll fandest. Ich meinte es wirklich nur gut und falls bei dir irgendein anderer Eindruck entstanden ist, tut es mir leid.«
Ich stutze. Ihre Gesagtes verwirrt mich. Meine nächsten Worte wähle ich mit Bedacht. »Ehrlich gesagt habe ich eher das Gefühl, dass es umgekehrt war.«
»Wie jetzt?«, schnappt sie.
»Naja, mir kam es so vor, als hätte dich eher meine Reaktion auf deine Worte enttäuscht.«
»Wie kommst du denn darauf?«
»Du hast ziemlich kurz angebunden reagiert und dann einfach aufgelegt.«
»Ich hatte es eilig!«
»Okay, dann habe ich das falsch verstanden. Auf jeden Fall kann ich dich beruhigen: Du hast mich nicht verletzt, oder sowas. Ich war nur verwirrt, das ist alles. Davon, dass du es gut mit mir meinst, gehe ich aus.«
»Okay, dann... passt es ja.« Merkwürdigerweise klingt sie fast schon enttäuscht. Ich habe keine Ahnung, was sie sich von mir erhofft hat.
Wir verabschieden uns kurz später und legen dann auf. Ich stehe noch immer komplett verwirrt am Rande des Gehwegs, mein Handy in der Hand, und starre angestrengt in die Hecke neben mir, die irgendeinen privaten Garten vom Fußgängerweg abgrenzt. Am Rande meines Bewusstseins wird mir klar, dass es vielleicht nicht die beste Idee ist, mit dem Rücken zur Straße zu stehen...
»Kann man dir irgendwie helfen?«
Ich erschrecke so sehr, dass ich um ein Haar mein Handy in die dichte Hecke geworfen hätte. Mit rasendem Herzen fahre ich herum... und sehe Silas vor mir stehen. Er sieht tatsächlich ein wenig besorgt aus. Kein Wunder, bei dem Anblick, den ich gerade abgeben muss.
»Was machst du denn hier?«, entfährt es mir. Er runzelt nur irritiert die Stirn. »Naja, ich komme gerade von der Arbeit. Und was machst du hier?« Er deutet in einer unbestimmten Geste zur Hecke und hebt ironisch eine Braue. Warum, verdammt nochmal, sieht alles was er tut, so heiß aus?
Angestrengt versuche ich, mir irgendeine gute Entschuldigung für mein bizarres Verhalten einfallen zu lassen, doch ich gebe schnell auf. Resigniert antworte ich ihm schließlich: »Ich hatte ein komisches Telefonat mit einer Freundin, die sich... verwirrend benommen hat.«
»Inwiefern?«
»Tun wir das hier jetzt wirklich?«, will ich ein wenig genervt von ihm wissen. Noch im selben Augenblick tut es mir leid. Er wollte nur nett sein. Also alles wie immer.
Plötzlich habe ich keine Lust mehr, mich auch nur eine Sekunde länger mit Silas zu unterhalten. »Also, ich muss weiter. Hat mich gefreut!« Seine Antwort warte ich gar nicht ab, sondern presche nach vorn an ihm vorbei.
Er hat auch irgendwas gesagt, doch erst, als ich vor dem Café stehe, wird mir klar, was es war.
»Schade.«
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