Chào các bạn! Vì nhiều lý do từ nay Truyen2U chính thức đổi tên là Truyen247.Pro. Mong các bạn tiếp tục ủng hộ truy cập tên miền mới này nhé! Mãi yêu... ♥

sechs

- Bitte lass es nur ein Mal Wirklichkeit werden. -

Ich wusste auch durch die geschlossenen Vorhänge, dass die Sonne schien. Und trotzdem lag ich nun schon wieder seit Stunden im Bett und starrte in die Umgebung. Mein Kopf voller Gedanken. An ihn und an Cath. Und so sehr ich es versuchte zu verdrängen, auch an meine Mum. Ich wollte ihr das nicht an tun, aber ich konnte nun mal nicht einfach meine Einstellung und meine Gefühle ändern. Es war alles so viel schwieriger, als sie es überhaupt nachempfinden konnte. Eigentlich hatte sie mich immer verstanden. Seit dem ersten Tag, an dem mein Vater uns verlassen hatte, war sie für mich da gewesen. Sie hatte alle meine Fehler akzeptiert und mir auf den richtigen Weg geholfen. Sie hatte mich zu meiner Einschulung gezwungen nicht das furchtbare orange-pinke Kleid an zu ziehen, welches ich damals so sehr vergötterte. Sonst würde jetzt nicht das kleine süße Mädchen in ihrem schneeweißen Sommerkleid auf dem Foto in die Kamera lächeln und mit ihrem Platz im Flur jeden Besucher anstrahlen. Sie hatte mich begleitet, als ich mein Diagnose bekam. Sie hatte mir erklärt, was die Ärzte mit ihren verwirrenden Worten versuchten, mir schonend beizubringen. Sie war für mich da, als ich schwach war. Sie hatte mich aufgebaut und mich unterstützt, als es mir besser ging. Ich kann mich an keinen Tag erinnern, an dem sie nicht für mich da gewesen war. Außer heute. Es war verständlich, dass es ihr so ging. Keiner konnte jeden Tag stark sein und seiner sterbenden Tochter Mut machen. Auch sie brauchte nach sieben Jahren eine Auszeit. Egal, wie sehr es schmerzte, ich musste es akzeptieren.

Meine mittlerweile wieder versteifen Muskeln schmerzten, als ich mich nach mehren Stunden aufrichtete. Das Mittagessen lag abgekühlt auf dem Tisch. Ich wusste nicht was es gab, aber ich war sowieso noch viel zu satt vom Frühstück. Einen kurzen Moment blieb ich noch sitzen, damit sich meine Muskeln an die folgenden Bewegungen gewöhnen könnten. Dann schlüpfte ich in meine Hausschuhe und stand langsam auf. Ich fühlte mich, als hätte ich mal wieder eine Woche nur im Bett gelegen. Dabei waren es heute nur ein paar Stunden. Mit der Hand fuhr ich durch mein Haar, damit mir die nervigen Strähnen nicht mehr ins Gesicht vielen. In solchen Momenten wusste ich meine Glaze von früher zu schätzen. Nein, wirklich.
Früher war es für mich das schlimmste meine langen, braunen Haare weg zu geben. Heute war es mir egal. So vieles war mir egal. Nach sieben Jahren hatte ich mich langsam an all das gewöhnt. Auch wenn ich es noch immer nicht akzeptierte.

Langsam schlich ich zu dem weiß lackierten Kleiderschrank, wenn man das kleine bisschen Platz, welches sich hinter der schmalen Tür verbarg, überhaupt so nennen konnte. Ich öffnete die Tür und blickte auf die jämmerliche Ansammlung meiner Kleidung. Ungefähr fünf Jogginghosen, sieben Tshirts und eine Strickjacke. Das war eigentlich alles, was ich in den letzten Monaten getragen hatte. Weiter oben hatte ich paar Jeans und etwas alltagstauglichere Kleidung verstaut, die ich jedoch seit Ewigkeiten nicht mehr dort heraus genommen hatte.
Natürlich besaß ich zu Hause auch noch ein wenig Kleidung. Aber ob ich da überhaupt noch rein passte, wagte ich zu bezweifeln. Früher hatte ich Kleider über alles geliebt. Und nicht nur orange-pinke, wirklich alle jeglicher Art. Und ich glaube, mein Kleiderschrank bestand damals aus keinem anderen Kleidungsstück. Im Winter trug ich Kleider mit einem weißen Shirt drunter und einer Strumpfhose und im Sommer lief ich sowieso in nichts anderem herum. Vielleicht würde ich auch heute noch das ein oder andere schönere Kleidungsstück wieder finden. Und vielleicht nicht nur Kleider in meinem Schrank. Mein Zimmer verbarg bestimmt noch immer die ein oder andere Kleinigkeit und Erinnerung.
Ach wie sehr ich mich danach sehnte, wenigstens für eine Nacht dort sein zu können. Raus aus diesem Leben. Diesen monotonen Wänden und der Stille. Ich erinnerte mich noch genau daran, wie sich meine Matratze anfühlte. Der große beige Teppich auf dem dunklen Holzboden. Wie schön es war, wenn morgens die aufgehende Sonne durch das große Fenster schien. Und wie großartig es war, wenn Mum mir ihre göttlichen selbstgemachten Pancakes zauberte. Jetzt stand ich vor einem winzigen Stapel Kleidung, der wirklich jämmerlich im Vergleich zu meinen Erinnerungen an zu Hause war. Ich hob die unterste Jogginghose an und ertastete nahezu blind den kalten Rahmen. Ich wusste nicht mehr, warum ich ihn versteckt hatte.
Vielleicht um mich vor Erinnerungen zu schützen.
Nein, es war kein Bild von zu Hause. Das alljährliche kitschige Familienfoto, nur aus mir und meiner Mum bestehend, hatte ich in meinem Kopf. Sowie die ganzen anderen Erinnerungen an zu Hause und an Mum. Sie waren so tief in mir verankert, dass ich die Erinnerungen nie vergessen würde.

Das Bild zeigte Cath und mich. Wir waren eigentlich gar nicht so verschieden, wie ich zu nächst dachte. Wir möchten die selbe Musik, sahen die selben Filme gerne und auch sie vergötterte Schokomuffins. Und doch waren zwei völlig andere Personen auf dem Papier zu sehen.
Damals waren meine Haare noch um einiges kürzer. Das Bild war an meinem 16 Geburtstag entstanden, einige Monate vor meiner letzten Chemotherapie, kurz vor Caths Tod. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass das unser letztes gemeinsames Bild war. Und es war unfassbar, dass ihr Tod fast schon wieder ein einhalb Jahre zurück lag. Angespannt sah ich auf das Foto.
Ihre prachtvollen Haare reichten, trotz der zu dem Zeitpunkt andauernden Chemo, bis über die Schultern. Eine Perücke, ohne die ich sie nur ein mal gesehen hatte. Einen Tag vor ihrem Tod. Ihr ging es so schlecht, dass sie am Morgen zu schwach war, sie auf zu setzen. Sie hatte mich in ihr Zimmer gerufen und ich sollte ihr helfen, sie auf zu setzen.
Sie sagte, wenn sie sich schon wie eine lebende Leiche fühlte, wollte sie wenigstens nicht so aussehen. Und das sah sie wirklich nicht. Eigentlich sah sie tatsächlich ziemlich hübsch auf dem Bild aus. Ihre braunen Haare vielen in prachtvollen Wellen über ihre Schultern. Und auf dem Foto erkannte man deutlich den leichten, fast unscheinbaren Rotstich der Perücke. Auch ich war zurechtgemacht. Meine kurzen Haare waren ebenfalls leicht gelockt. Sie sahen damals viel gesünder aus. Zum Glück waren sie während der letzten Chemotherapie kaum ausgefallen. Sie wurden dünner, doch wuchsen trotzdem täglich weiter.
Auch meine Augen wirkten gesünder, zumindest glücklicher. Ich glaube seit ihrem Tod hatte ich mich nicht mehr gesehen. Weder im Spiegel, noch in mir drin. Ich wusste wirklich nicht, wie furchtbar ich aussehen musste. Aber eigentlich war mir das egal. Mein Körper und meine Seele waren ohne hin bereits leer und ausgefegt. Das war der alleinige Grund für mein Auftreten. Ich erinnerte mich noch ganz genau an Caths graue Augen. Sie waren so matt und zugleich intensiv, dass man gar nicht sagen konnte, ob sie strahlten oder traurig waren. Und sie passten auf der einen Seite so perfekt zu dem rötlichen Haar, auf der anderen Seite jedoch schienen sie sich nicht auch nur ein wenig zu ergänzen.
Ich ertappte mich dabei, wie mein Herz schneller schlug. Ich hatte sie nicht lange gekannt. Dafür hatte ich sie jeden Tag an meiner Seite. Die Monate, in denen ich täglich einen Sitzpartner zum Frühstück hatte.
Die Wochen, in denen ich nicht nur allein und stumm in meinem Zimmer saß. Denn sie saß bei mir. Auch wenn wir meist gemeinsam schwiegen, war es etwas ganz anderes. Und ich musste zugeben, dass ich oft an sie dachte. Mehr, als ich je erwartet hätte. Bei ihrer Beerdigung hatte ich nicht eine Träne vergossen. Keine Ahnung, woran es lag. Vielleicht weil wir nie gemeinsam weinten. Waren wir traurig schwiegen wir. Nie hatte ich sie weinen sehen und darum erschien es mir nicht mal nach ihrem Tod als richtig, diesem doch bestehenden, tiefen Verlangen nachzukommen. Ehe ich mich genauer betrachten könnte und mir womöglich mein Gesicht zurück in den Kopf rufen konnte, drehte ich das Bild um und schob es unter meinen Kleiderstapel zurück. Es zog in meiner Brust und doch befreite es mich, als ich meine Finger von dem mittlerweile angewärmten Metall des Rahmens nahm.
Stattdessen griff ich nach meiner schwarzen Jogginghose und einem der auffälligsten Tshirts. Inwiefern man es auffällig nennen konnte. Grau, locker und einer schwarzen geschwungen Aufschrift in der Mitte. Ich schloss die Tür des Schrankes, legte den Morgenmantel, von dem ich mich heute noch nicht getrennt hatte auf den kleinen Stuhl und zog mich um. Kein wirklicher Unterschied, nur, dass meine Hose um einiges weicher war.
Zwar war sie mit dickem Stoff gefüttert und wäre eigentlich eher für den Winter gedacht, aber für mich war sie perfekt. Ich hasste Kälte. Und noch mehr hasste ich es zu frieren, weil meine Haut nicht verdeckt wurde. Ich nahm mir ein Haargummi von dem Tisch und Band mir mein Haar zu einem lockeren Dutt zusammen. Noch viel mehr als es zu frieren, hasste ich im Moment allerdings meine kitzelnden Haare. Die, auch wenn ich sie nie im ganzen betrachtete, bestimmt furchtbar lagen.
Dann verließ ich mein Zimmer. Keine Ahnung warum. Mir war einfach danach. Ich wollte mich bewegen und herum laufen. Ich war überrascht von mir selbst, dass das noch mal passierte. Irgendwie schien sich alles im Moment zu ändern. Lautlos betrat ich den Flur. Keine Tür stand offen und wie fast immer war der Flur wie leer gefegt.
Ich durchquerte das halbe Gebäude und lief drei Runden um den Park. Für fünf Minuten setzte ich mich auf die Bank vor dem See, doch merkwürdiger Weise könnte ich einfach nicht stillsitzen. Mein Körper sollte es eigentlich nicht gewöhnt sein, so viel herum zu laufen. Darum dachte ich, es würde um einiges schneller gehen, bis ich eine Pause brauchte. Doch die sonst immer fehlende Energie war wie ausgelöscht. Ich hätte sogar rennen können. Doch bei dem bisschen, was ich noch vom Frühstück im Magen hatte, wusste ich nicht, ob das so eine gute Idee wäre. Die Sonne würde mit Sicherheit bald untergehen. Und schon wieder hatte ich nicht Mittag gegessen. Aber erst jetzt, als ich mich wieder bewegte, spürte ich, wie wieder eine gähnende Leere in meinem Magen herrschte. Ich hatte keine Ahnung, wie viel Uhr es war, doch das Abendessen in der Cafeteria könnte noch ein wenig dauern. Zögernd, ob ich schon wieder zurückkehren sollte, oder weiterhin die eigentlich gar nicht so unangenehme Sicht auf den Teich, bewundern sollte, ließ ich meine Beine ungeduldig hin und her baumeln. Ich musste zugeben, der See, welcher nun von der untergehenden Sonne in ein traumhaft schönes Licht geworfen wurde, war wirklich schön. Komisch, dass ich das bis jetzt nie wahrgenommen hatte. Ein paar Minuten saß ich noch da und sah auf das klare, jetzt wie orange gefärbte Wasser. Dann trieb mich das Knurren meines Magens doch zurück auf mein Zimmer.

Als ich den Flur entlang lief erklang aus einem gegenüberliegenden Zimmer, dessen Tür nur angelehnt war ein lautes Schluchzen. Ich hielt nicht an, verlangsamte meine Schritte nur. Darauf erklang eine warme Stimme. Etwas in meiner Brust zog sich zusammen. Energisch biss ich mir auf die Unterlippe, damit ich nicht doch stehen bleib. Es war schwer, aber ich musste mich daran gewöhnen. Wahrscheinlich kannte ich die Person nicht wirklich. Wahrscheinlich hatte sie die letzten Wochen nur in ihrem Bett gelegen. Wie ich. Nur mit dem Unterschied, dass ich zu mehr im Stande war. Vielleicht war es falsch einfach auf zu geben. Aber es ging nicht anders. Das versuchte ich mir zumindest immer wieder einzureden. Und ich kannte diese Unentschlossenheit. Immer, wenn ich dieses Weinen hörte. Und die darauffolgende Stimme. Ich wollte es so gut es ging verhindern, doch ich schaffte es nie diese Leute einfach zu verdrängen. Wie das andere Gerede der Leute.
Trotzdem bemühte ich mich, so schnell es ging meine Zimmertür zu schließen. Ich durfte das nicht an mich heran lassen. Egal, was in Zimmer 125 passiert war. Egal, wer dort gelebt hatte. Egal, welches Leben gegangen war. Es durfte mich nicht interessieren. Sonst würde ich zerspringen. Wie eine Vase, die man auf den Boden geworfen hatte. Tatsächlich, genau so fühlte es sich an. Eine Videoaufnahme in Zeitlupe. Der Moment kurz vor dem Aufschlag. Ich ging auf den kleinen Schrank zu und kramte mir eine Tafel Schokolade heraus. Mit Nuss. Meine Lieblingssorte. Jedoch kam bei mir nicht mal der geringste Appetit auf, als ich in die weiche Schokolade biss, dessen Haselnüsse sonst einen perfekten Kontrast dazu boten. Es war wirklich furchtbar hier. An jeder Ecke gab es etwas, dass dir den Tag von der einen Sekunde auf die nächste zerstören konnte. Vielleicht war es besser, als ich nicht den Drang hatte herum zu laufen. In meinem Zimmer war ich wenigstens allein. Dachte ich zumindest. Bis in Klopfen mich aufsehen ließ. Die Schokolade ließ ich in meinen Schoß sinken.

,,Scheiße, läuft das immer so depri ab?", fragte Davis zum Teil grinsend, als auch entschuldigend. So ein Blick, den ich nicht genau deuten konnte. Ich schluckte das Stück mittlerweile geschmolzene Schokolade herunter, damit ich ihm antworten konnte.

,,Wie wärs mal mit nem Hallo?", fragte ich grinsend und nickte auf den Stuhl, vor dem Tisch, damit er nicht weiter im Türrahmen herum stehen musste.

,,Wir haben uns heute doch schon gesehen", meinte er, folgte aber meinem Blick und setzte sich an den Tisch.

,,Was gibt es denn?", fragte ich, um seiner Frage auszuweichen. Ich wollte alles, außerhalb dieser vier Wände vergessen. Er zuckte nur gelassen mit den Schultern.

,,Langeweile." Eine kurze Pause. ,,Tod und...Langeweile." Ich grinste kopfschüttelnd. ,,Das trifft die Situation ganz gut", meinte ich und sah, dass auch er sich umgezogen hatte. ,,Wo ist denn dein Mantel?", fragte er darauf hin und ich blickte ihn zunächst nur schräg von der Seite an, dann schüttelte ich empört den Kopf. ,,Der wartet auf morgen", entgegnete ich nur und nickte auf seine Kleidung.

,,Du hast dich aber auch hübsch gemacht." Naja aus einer dunklen Jogginghose von heute morgen wurde eine blaue Sporthose und ein weißes Tshirt. So viel Unterschied machte das auch nicht. Aber er hatte seine Haare gemacht, dass war mich gleich aufgefallen. Sie saßen gestylt, wie gestern, bei seiner Ankunft. Ich musst sagen, sie gefielen mir fast noch besser, wenn sie einfach komplett zerzaust auf seinem Kopf lagen. Heute morgen zum Beispiel. Dann verdeckte hin und wieder eine etwas längere Strähne seine Stirn. Dann wirkte er nicht ganz so perfekt. So oder so verdeckte sein dichtes Haar einen Großteil.

,,Man kann ja nicht ewig in seinen Schlafsachen rum laufen." Ich schüttelte schnell den Kopf. Ich brauchte nicht lange zu überlegen, wie viele Tage meines gesamten Aufenthalts hier, ich 24 Stunden in meinem Schlafanzug herum gelaufen war. So ziemlich mehr als ein Dreiviertel der gesamten Jahre, würde ich behaupten.

,,Oh, glaub mir. Das ist möglich", meinte ich. ,,Wie angenehm", grinste er und ich hatte keine Ahnung, ob er das in dem Moment ironisch meinte, oder er einfach versuchte lustig zu sein. Irgendwie traf keins von beidem zu.

,,Eigentlich wollte ich dich auch noch fragen, ob wir essen gehen wollen. Also in die Cafeteria. Nicht das du denkst, ich will dich einladen." Ein Lächeln huschte über seine Lippen, dass seine strahlenden Zähne zu sehen waren. Ich fragte mich wirklich immer mehr, in was für einer perfekten Familie er leben mochte, als ich an seine vermeintliche Mutter denken musste. Wobei auch perfekte, reiche Familien nichts gegen den Krebs tun konnten. Wir saßen nun mal alle im selben Boot. Und wieder fragte ich mich, warum er hier war. Doch ich war noch nie ein Mensch gewesen, der, zumindest nach außen hin, neugierig war. Innerlich vielleicht, aber ich hasste es, anderen private Fragen zu stellen. Vielleicht, weil ich es selbst nicht mochte über mich zu reden. Eigentlich wünschte ich mir nur Abwechslung. Gespräche, die diese verdammte Krankheit nicht mit einem Wort erwähnten. Das ging eigentlich mit niemandem. Und in letzter Zeit schon gar nicht. Mit Mum nicht. Mit meinen wenigen Freunden nicht. Und mit Dr. Cartney erst recht nicht. Cath war so ein Mensch. Ich glaube, wir haben tatsächlich nur nahe ihres Endes das Wort überhaupt benutzt. Sie nannte es damals ihr ,,kleines Haustier". Aber nie sagte sie auch nur ein mal das Wort Krebs. Wieder ein Punkt, weshalb ich sie so unfassbar gern hatte. Auch, wenn ich all das, erst nach ihrem Tod feststellen musste. Ich bemerkte, wie wichtig sie mir geworden war und wie sehr mich dieses Mädchen geprägt hatte.

,,Aber, wie ich sehe, bist du schon am Essen", erklang seine Stimme, wie aus dem Nichts. ,,Mmh?", verwirrt, da ich ihm nicht zugehört hatte, sah ich auf. Er nickte nur auf die Tafel Schokolade und legte den Kopf schief, als versuche er die Sorte zu erkennen.

,,Ach so", murmelte ich, fast schon ein bisschen verlegen. ,,Hatte kein Mittagessen. Willst du ein Stück?" Ich hob die Tafel hoch und mit dieser Bewegung, drehte auch er seinen Kopf wieder gerade.

,,Du redest hier mit Davis Halter. Natürlich will ich Schokolade." Halter, so war also sein Nachname. Immerhin wusste ich nun etwas. Und er klang nicht mal besonders edel. Schön, das hieß nichts. Vielleicht hatte ich einfach mit einem 'van' oder so gerechnet. Als ich ihn ansah, konnte ich mir ein leises Lachen nicht verkneifen. Nicht, weil dieser Spruch von ihm so unnormal lustig war. Viel mehr, weil sein Gesichtsausdruck in dem Moment unbezahlbar war. Seine großen blauen Augen starrten mich an, als würden sie mich, besser gesagt, die Schokolade in meiner Hand, über alles vergöttern. Sein Lächeln war dabei riesig und er strahlte fast so, als hätte man ihm gerade einen Lottogewinn mitgeteilt. Ich warf ihm die Tafel zu und sah begeistert dabei zu, wie er ein Stück nach dem anderen verschlang.

,,Tut mir Leid Loucy, aber dir wird nichts mehr übrig bleiben. Da hast du dem falschen deine Schokolade überlassen." Ich zuckte nur mit den Schultern und lehnte mich in mein Kopfkissen. Während ich meine Beine übereinander schlug, sah ich ihm schmunzelnd dabei zu, wie er die Schokolade verdrückte. Wir sprachen nicht. Es war nur lustig, wie vertieft er dabei war. Als müsste er sich wirklich konzentrieren sie zu Essen. Erst als er die Tafel fast komplett aufgegessen hatte, sah er wieder auf.

,,Eigentlich wollte ich ja Essen gehen", schien ihm wieder eingefallen zu sein, weshalb er mir die Schokolade zurückwarf. Toll, den kleinen Rest hätte er ja auch noch Essen können.

,,Gut, worauf warten wir? Jetzt wo mir ein gewisser Davis mein gesundes Abendessen weggegessen hat, brauch ich dringend eine Alternative."

Sofort sprang er auf. ,,Ist das Essen genau so vielversprechend, wie das Frühstück?", fragte er, während er auf die Tür zu lief und ich die Schokolade auf den Tisch legte. ,,Keine Ahnung. Ziemlich unterschiedlich."

Ich aß noch seltener am Abend in der Cafeteria, als zum Frühstück. Aber meistens gab dort es typisches Krankenhausessen. Nudeln, Fleisch, gelegentlich Suppe. Und eine Brottheke. Da ich aber Mittags fast nie etwas aß, war ich wenigstens froh, dass es auch abends noch etwas warmes gab. Auch, wenn es meist die Reste vom Mittag waren.
Während wir den Flur entlang liefen war es still. Es war kein Jammern mehr zu hören. Doch eine unangenehme Kälte durchzog den Gang. Davis hingegen schien das jedoch bereits vergessen zu haben, denn den ganzen Weg über zählte er seine Lieblingsgerichte auf. Schokolade lag natürlich auf dem ersten Platz. Ich fragte ihn, wie er zu Schokomuffins stand. Und er sagte nur lachen, dass diese direkt an zweiter Stelle kamen. Darauf folgten Pizza und Lasagne. Er erzählte mir, dass seine Mum die beste Lasagne der ganzen Welt zubereitete, auch, wenn sie eine Ewigkeit nicht mehr gekocht hatte. Ich dachte wieder an die Frau, die gestern nach ihm gerufen hatte. Leider konnte ich mich an nichts anderes, als an ihr viel zu blondes Haar und die riesige Handtasche erinnern. Eine Ähnlichkeit zu Davis hatte ich jedoch nicht bemerkt. Vielleicht war sie trotzdem die Weltbeste Lasagne Köchin der Welt. Und vielleicht würde ich sie ja irgendwann kennen lernen. Gut möglich. Er erzählte mir auch von seinem Hund Jelly, ein Carolina Dog oder so ähnlich. Ich hatte keine Ahnung von Hunden oder anderen Tieren. Dieser liebte die Lasagne genau so sehr, wie er mir erzählte. Was nicht gerade so toll war, da sich seine Mutter immer furchtbar aufregte, wenn er ihnen das gute Essen weggefressen hatte. Den ganzen Weg redete er und ich war so fasziniert von dem, was er mir zu erzählen hatte, dass ich erst, als wir uns wie beim Frühstück ganz nach hinten in die Cafeteria gesetzt hatten, bemerkte dass es Nudeln gab und ich mir gleich eine riesen Portion davon genommen hatte. Gut, solange man groß nicht mit seiner Portion verglich. Und ich hatte keine Ahnung warum, aber komischer Weise war es das erste mal, dass ich meinen Teller leer aß. Und das lag nicht daran, dass ich sowieso fast am verhungern war. Nein, aus irgendeinem Grund waren sie heute tatsächlich genießbar. Vielleicht dank meiner Begleitung.
Warum musste mir das zum zweiten Mal passieren? Ich musste vorsichtig sein. Denn ich erinnerte mich noch zu gut daran, was mit Cath passierte. Ich hatte sie in mein Herz geschlossen und verloren. Der größte Fehler meines Lebens. Andererseits die beste Zeit, die ich je hatte. Ich war glücklich.

Ich bin satt. Tatsächlich. Müde und satt liege ich in meinem Bett. Ich habe ein Lächeln auf den Lippen, dass einfach nicht mehr verschwinden will. Seit Gestern hat sich alles verändert. Und auch, wenn ich seit langem wieder das Gefühl habe Luft zu bekommen, habe ich auf der anderen Seite Angst zu ersticken. Angst vor einem weiteren Verlust. Vielleicht bin ich kurz davor einen Freund zu finden, auch wenn ich fast gar nichts über ihn weiß. Nur um es fest zu halten.
Carolina Dog, Lasagne Königin - oder ehemalige Lasagne Köchin als Mutter und unfassbar aufmunternd. Das war alles. Immerhin. Ich hatte nicht eines nachgefragt. Vielleicht würde uns noch ein wenig Zeit bleiben. Hoffentlich. Denn ich würde alles dafür tun, mehr über ihn zu erfahren. Und es ist verrückt, dass ich nach Cath wirklich noch jemanden getroffen habe, bei dem ich es nicht verhindern kann, ihn kennen zu lernen. Obwohl eigentlich alles dagegen sprechen würde. Aber es ist unmöglich mich auch nur annähernd dagegen zu wehren. Würde ich das tun, würde ich wahrscheinlich schneller zerspringen, als ich blinzeln könnte. Ich muss einfach hoffen - Dieses kleine fast unmögliche und aussichtslose Wort. Bitte lass es nur ein Mal Wirklichkeit werden.

Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro