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neun

- Und es ist in Ordnung, denn es sind schöne Erinnerungen. -

Ich hatte immer noch nicht die geringste Ahnung, wo Davis Zimmer war. Bestimmt würde ich es herausfinden können. Spätestens, wenn ich Dr.Cartney fragen würde. Doch mein Kopf und mein Geist waren viel zu überwältigt. Leider muss es erst Mittag gewesen sein. Zu früh, um schlafen zu gehen. Mich in mein Bett zu verkriechen und aus lauter Mitleid zu mir selbst nicht mehr heraus zu kommen.
Einen Mittagsschlaf machte ich nicht. Ich konnte nicht schlafen oder mich ausruhen und dann mit neuer Energie in den selben Tag starten.
Würde ich jedoch weiter einfach nur stumm in meinem Zimmer sitzen, dann würde ich womöglich verrückt werden oder doch in Selbstmitleid ertrinken. Also war der letzte und eigentlich einzige Ausweg Davis. Seitdem Mum das Zimmer nach einer letzten langen Umarmung verlassen hatte, hatte ich mich nicht von der Stelle bewegt. Ich trug meinen Morgenmantel, immer noch vom Frühstück. Das Rührei lag schwer in meinem Magen und ich schmeckte noch immer den Orangensaft in meinem Mund.

Als ich Aufstand, hatte ich das Gefühl, umzukippen. Viel zu überwältigt war ich von all dem. Vorsichtig stützte ich mich an meinem Nachttisch hoch und schlüpfte in meine Hausschuhe, die ich während dem Gespräch mit Mum von meinen Füßen hatte fallen lassen. Mit müden, schweren Schritten lief ich den, mir heute so endlos lang vorkommenden, Weg zu meiner Zimmertür. Mit einem schweren Atemzug drückte ich die Türklinke herunter. Dann zog ich sie langsam in meine Richtung auf und zu meinem Überraschen blickte ich nicht in den kalten leeren Flur. Der Anblick bereitete mir fast ein Lächeln auf die Lippen, ließ mich jedoch andererseits zusammenbrechen.

,,Davis", hauchte ich, als ich die große Gestalt in meiner Tür entdeckte. Er hatte seine Hand gehoben und war wahrscheinlich gerade dabei gewesen an zu klopfen. Warum wusste er so genau, wann ich ihn brauchte? Einen Moment starrte wir uns beide nur überrascht an. Auf seinen Lippen lag ein Lächeln. Ich wusste nicht, ob ich mich freuen sollte oder viel mehr an Mum denken sollte. An meine Trauer und meinen Schmerz. Meine Unterlippe zitterte. Wie angewurzelt stand ich da. Dann viel ich ihm in die Arme. Ohne Vorwarnung. Ich brauchte es einfach. Und mir war es egal, dass wir uns nicht kannten. Vielleicht konnten wir uns noch nicht ein mal Freunde nennen. Doch ich brauchte diese Umarmung mehr, als alles andere. Und so war es viel mehr ein Reflex, als ein Verlangen, denn als durch meinen Kopf nur der kleinste Fetzen dieser Idee gezuckt war, setzte ich es in eine Handlung um. Ich ließ meinen Kopf auf seine Schulter sinken und legte meine Arme um seinen kräftigen Rücken.
Für einen Moment schien er überrasch, fast schon verkrampft. Doch als ich ihn nach wenigen Sekunden noch immer nicht losgelassen hatte, spürte ich auch seine Hände an meinem Rücken.

,,Hey", flüsterte er. ,,Was ist denn los?" Er sah auf mich hinab, als Zeichen, dass ich auch ihn ansehen sollte. Langsam drehte ich meinen Kopf, um in sein Gesicht sehen zu können. Mein Mitleid erregender Ausdruck, der wahrscheinlich fast schon einem nörgelnden Kleinkind ähnelte, ließ ihn mich nur noch verwunderter ansehen. Ich schüttelte nur den Kopf.

,,Ich glaubs einfach nicht.", ich versuchte meine Stimme nicht in ein quietschend hohen Ton kommen zu lassen. ,,Ich kann nicht...", ich brach ab. Ich wollte nicht weinen. So war ich nicht und so wollte ich nicht sein. Ich musste stark bleiben. So wie ich es immer tun musste. Und in den letzten Monaten war es okay gewesen. Ich hatte mich an dieses langweilige Leben gewöhnt. Nicht akzeptiert, aber ich hatte gelernt die Dinge einfach so hinzunehmen, wie sie kamen. Und auch wenn ich mir immer ein wenig Abwechslung gewünscht hatte, wollte ich jetzt mein altes Leben zurück. Das Leben, in dem Mum stark gewesen war oder zumindest so gewirkt hatte. Ich wollte sie in den Arm nehmen, wenn sie Samstags zu mir kam. Nachdem ich Davis kennengelernt hatte dachte ich, es würde vielleicht besser werden. Wenn ich mich selbst nur davon überzeugen konnte, mich mit ihm anzufreunden. Vielleicht würde alles ein kleines bisschen besser werden, dachte ich. Doch ich hatte mich getäuscht. Das Neue kam, das alte gewohnte - meine Familie - ging.
Und es tat weh. Sehr sogar.

,,Hey, Loucy", flüsterte er erneut. ,,Rede mit mir." Ich legte meinen Kopf zurück auf seine Schulter. ,,Mum", murmelte ich nur völlig abwesend und biss mir auf die Unterlippe. ,,Ich habe niemanden mehr." Ich spürte, wie Davis mit dem Kopf schüttelte.

,,Ich bin da und hör dir zu." Mit seiner Handfläche strich er vorsichtig tröstend über meine Rücken. ,,Lass uns raus gehen." Mit seiner dunklen Stimme beendete er die verwirrende und zugleich angespannte Situation. Er ließ seinen Arm um meiner Schulter. Der Weg in den Park schien heute ebenfalls eine Ewigkeit zu dauern. Ich kannte den Weg und dennoch achtete ich heute mehr auf die Umgebung als sonst. In Davis Arm fühlte ich mich zugleich sicher, als auch hilflos. Ich hatte das Gefühl einfach keine Kontrolle zu haben. Davis führte mich nicht durch den Haupteingang - zu meiner Freude. Ich wollte nicht in die kranken Gesichter sehen, keine gequälten Stimmen hören, mich nicht auch noch von dem Schmerz anderer herunter ziehen lassen. Wir schlichen durch die Flure, einen Weg entlang, den ich nur selten lief. Sollte ich mir allerdings merken.

Ich merkte, wie neugierig er war. Immer wieder öffnete der den Mund einen kleinen Spalt, als wollte er etwas sagen. Dann schien er jedoch jedes Mal doch lieber warten zu wollen. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Mir war es zwar ehrlich gesagt ziemlich egal, was er von mir hielt, auch wenn ich verzweifeltes, nicht mehr sieben Jährige Mädchen ihm erzählen würde, dass meine Mum mich verlassen hatte. Ich wusste, dass er mich verstehen würde. Wahrscheinlich taten das nicht viele. Dr. Cartney vielleicht. Vielmehr aus Mitleid. Jeder andere würde mich belächeln. Sechs Monate, würden sie sagen. Keiner würde verstehen, dass sechs Monate mein Leben bedeuten könnten. Und ich hatte das Gefühl durch diesen Abschied, dem Ganzen wieder ein mal viel näher gekommen zu sein. Ich dachte Davis hätte mich ablenken können. Vielleicht hätte er mich vor dem Absturz retten können. Ich hätte tatsächlich glücklich seien können, nur für einen einzigen Tag. Doch jetzt schien ich mich, nur noch mit einer Hand am Klippenrand festhalten zu können. Meine Finger schmerzten. Jeder Muskel war angespannt. Ich brauchte dringend jemanden, der nach ihr griff. Ihr Halt bot. Bis ich mich selbst zurück ziehen könnte. Doch ich hatte das Gefühl, dafür war es längst zu spät.
Das letzte Mal, dass ich so nah am Abgrund war muss eine Weile her gewesen sein. Aber auch, wenn ich mich erinnern könnte, war ich mir sicher, jetzt selbst für Hilfe zu weit unten zu sein. Ich fragte mich, ob es besser wäre zu fallen.
Es war, als würde ich seitdem Mum das Zimmer verlassen hatte, nichts mehr fühlen, außer diesen Schmerz. Ich war genau so leer, wie die Wände. Alles um mich herum passierte, doch ich schien nicht mit zu passieren. Wie ein Gegenstand, der sich nur Bewegte, wenn man ihn schob. Und so fühlte ich mich. In seinem Arm. Würde er ihn auch nur kurz beiseite nehmen würde ich fallen. Zu tief, um aufzustehen.

Frische Luft strömte mir entgegen. Schrecklich. Kalt. Ich wollte umkehren. ,,Loucy", riss mich eine Stimme zurück. Wir waren stehen geblieben. Davis hatte seine Hände an meine Wangen gelegt und schüttelte sanft meinen Kopf, als würde er versuchen die Loucy, die er kennen gelernt hatte, heraus zu schütteln. Vergeblich. Ich war nur noch eine weiße, gerade Wand.

,,Lou." Ich riss meine Augen auf, auch wenn ich ihn schon die ganze Zeit über angesehen hatte. Es war nur so, als würde ich ihn jetzt das erste mal wieder wahrnehmen. Seine Augen glänzten. Ich hätte auf einem Hocker stehen müssen, um sie gerade ansehen zu können. So warf der Winkel meines Blickfeldes einen winzigen Schatten in die Ecke seines Auges. Die Ecke, die fehlte, um sie perfekt aussehen zu lassen.
Es war, als würden tausend Gedankenströme gleichzeitig durch meine Zellen pulsieren. Als hätten sie Minuten lang nicht gearbeitet. Als hätte er mich mit einem Wort zurück in die Realität gerufen.

,,Lou?", flüsterte ich und war erstaunt, dass er mich zu verstehen schien. Ein schmales, jedoch fast hilfloses Lächeln zuckte über seinen Mund. ,,Nie einen Spitznamen gehabt?", fragte er. ,,Nie." Ich schüttelte den Kopf. Kleine Geschwister waren dafür da. Nie gehabt, nie gewollt. Oder Väter. Dasselbe. Vielleicht Großeltern, doch bei der Anzahl der Besuche in den letzten Jahren war es nicht verwunderlich, dass auch sie mir fast fremd waren.
Die letzte Option waren Freunde. Ich konnte mich nicht erinnern, dass mich irgendwer jemals anders als Loucy genannt hatte.

,,Oh...mmh...Dann...", begann Davis. Ich nickte nur.

,,Er gefällt mir." Jetzt erschien ein volles Lächeln auf seinen Lippen. Das hatte ich bezwecken wollen. Ich zog vorsichtig an seinem Arm, als Aufforderung, dass er mir folgen sollte. Ich wollte jetzt nicht sprechen. Mir würden keine Worte einfallen. Ich zog ihn ein paar Meter am See vorbei, bis zur Bank. Erinnerungen zuckten durch meinen Kopf. Ich versuchte sie zu verdrängen. Langsam ließ ich mich au den Platz fallen. Davis folgte mir. Noch immer schien er zugleich verwirrt und besorgt zu sein.

,,Ein netter Platz", sagte er nur unbeholfen. Ich nickte. Eigentlich hatte ich vor zu lächeln, doch es gelang mir nicht. ,,Du müsstest ihn bei Sonnenuntergang erleben.", flüsterte ich mich rauer Stimme. Meine Augen wurden gläsern.

,,Alles in Ordnung?"

,,Erinnerungen", entgegnete ich nur und seufzte. ,,Mein ganzes Leben hat hier stattgefunden. Auf dieser Bank habe ich so ziemlich jeder Situation der Welt miterlebt." Ich sah an seinem Blick, dass er mich aufforderte weiter zu reden, ihm alle meine Geschichten zu erzählen. Aus ihm sprach die reine Neugier. Ich wollte nicht sprechen, konnte jedoch nicht verhindern, dass die Worte und Bilder in meinen Sinn kam. Es war, als würden sie mich überschwemmen.
Ich erinnerte mich daran, wie Cara und Mason mich besuchen kamen. Wie wir selbst an kalten Tagen gemeinsam auf der Bank saßen. Manchmal, als wir noch kleiner waren, fuhren ihre Eltern sie zu mir, oder Mum holte sie ab. Dann spielten wir. Das bestand daraus, dass sie aktiv waren und herum liefen und ich ihnen dabei zu sah. Ich war zu schwach, um mitzuspielen. An schlechten Tagen war ich selbst zu geschwächt mit ihnen Karten zu spielen. Oh, wie oft ich sie beim Memory geschlagen hatte. Immer nahmen wir uns unendliche Decken aus meinem Zimmer mit und setzten uns vor die Bank ins Gras. Manchmal brachten sie Futter für die Enten und Fische mit. Ich hatte das Gefühl, mich an jedes Lachen zu erinnern. Jeder glückliche, nahezu unbeschwerte Moment, den ich mit ihnen erleben durfte. Obwohl es mir so fürchterlich ging. Und selbst wenn sie fangen spielten und ich ihnen einfach zu sah, war ich glücklich. Über die Ablenkung. Über das Gefühl, Freunde zu haben. Leider hatte sich das verändert. Ich kann gar nicht sagen wann, es passierte einfach. Natürlich wurden sie älter, natürlich veränderten sie sich. Irgendwann spielten sie nicht mehr Fangen auf der Wiese oder brachten unzählige Kartenspiele und Kissen mit. Ich gewann nicht mehr im Memory. Wir saßen nur noch da und redeten. Doch auch diese Momente scheinen mir wie eine Ewigkeit entfernt. Aber ich kann nicht behaupten, dass sie die Einzigen waren, die anders wurden. Ich gab ihnen keine Schuld dafür, wie es sich entwickelt hatte, dass sie alle paar Wochen mal vorbei schauten. Natürlich machten sie nächstes Jahr ihren Abschluss, sie mussten lernen, gingen feiern. Egal. Denn ich weiß, sie htten mich trotz alldem nicht so allein gelassen. Der Grund, dass sie mich nicht mehr täglich besuchten war ich. Ganz allein.
Und weil ich mir dem so sicher war konnte ich es ihnen einfach nicht übel nehmen. Die Blumen nahm ich jedes mal mit einem Lächeln an. Die Ausreden, weshalb sie sich erst jetzt wieder blicken ließen belächelte ich ebenfalls.
Denn ich war die, die sich verändert hatte. Ich wurde stiller, trauriger und hoffnungsloser. Ich lachte nicht mehr über ihre Späße. Ich freute mich nicht ein mal mehr darüber, wenn Cara mir mit einem strahlen im Gesicht verkündete, wie glücklich sie war.  Und obwohl ich mir nichts sehnlicheres, als ihre Freude wünschte, konnte ich meine eigenen Probleme nicht überspielen. Doch anstatt mit ihnen darüber zu reden und sie unnötig damit zu belasten, zog ich mich immer mehr zurück. Seit der Sache mit Cath immer mehr. Es war nicht mal so, dass ich es wollte. Ich konnte nur einfach nicht anders. Ich konnte keine Menschen an mich heranlassen. Ich war wie eine Zeitbombe, die jeden Moment explodieren und alles um sie herum zerstören könnte. Ich wollte nicht, dass sie weinten, wenn ich starb. Ich wünschte mir manchmal, dass sie mich einfach vergaßen. Mich und diese wunderbaren Erinnerung, die hochkamen, wenn ich auf den See blickte. Wenn ich meine Augen schloss und daran dachte, wie glücklich ich war.
Selbst Mum hatte ich von mir gestoßen. So oft hatte ich es versucht. Mittlerweile wusste ich, dass sie der einzige Mensch war, dem ich die Trauer nicht nehmen könnte. Selbst wenn sie mich hasste oder auf die andere Seite des Kontinents zog, würde ich nicht den Schmerz verhindern können, den sie fühlte, wenn ich starb. Das hatte ich lernen müssen in den letzten Jahren. Ich musste erwachsen werden und, so schwer es mir auch viel, alle Leute, die ich liebte, gehen lassen. Ich gestand es nicht oft vor mir selbst. Aber es tat weh. Mehr als jeden Schmerz, der mir die Krankheit je zugefügt hatte. Das Gefühl allein zu sein.
Ich sah zu Davis, der es mittlerweile aufgegeben hatte, mich hoffnungsvoll anzustarren. Sein Blick war auf das Wasser gerichtet.
Eine Weile sah ich ihn an, dann schien er meinen Blick bemerkt zu haben. Langsam lehnte er sich nach vorne, damit er sich zu mir drehen konnte. In dem Moment zogen die Worte, wie bei einem Geistesblitz innerhalb von Sekunden an meinem inneren Auge vorbei. Ihre Worte.
Ich starrte stumm auf die winzige Inschrift auf der Bank, die sichtbar wurde, als er sich nach vorne gelehnt hatte.
Ein L und ein A.

Unsere Initialen. Ich erinnerte mich noch genau an den Tag. Ein Samstag. schlechtes Wetter. Bewölkt, regnerisch und kalt. Ich hatte eine dicke, viel zu schwere Wolldecke über meinen zerbrechlichen Schultern liegen. Mein Kopf lag auf ihrer Schulter. Ihre Lippen küssten sanft meine Stirn. ,,Wie geht es dir?", hörte ich ihre Stimme in meinem Kopf flüstern. ,,Es ist schön hier", flüsterte meine kindlich klingende Stimme, die damals noch viel höher und weicher war.
,,Mum?", flüsterte ich. ,,Mir geht es gut." Ich sah, wie sie lächelte. Wirklich und wahrhaftig. Nichts gespielt. Sie lächelte, denn sie war glücklich. Glücklich, dass es Hoffnung gab. Dass ihre Tochter lebte. Eine Weile blieben wir sitzen und sahen gemeinsam auf den dichten Nebel über dem See. Ich wusste noch genau, dass Mason und Cara an dem Tag nicht zum spielen vorbei kamen. Es war zu kalt und ihre Eltern wollten sie lieber zu Hause behalten. Aber das machte mir nichts. Ich wusste, dass sie vorbei kämen, wenn die Sonne wieder schien. Das war alles, was ich brauchte, um mich zu entspannen. ,,Weißt du was, ich glaube ich habe eine Idee." Ruckartig hatte Mum sich aufgesetzt. Ebenso wie Davis. Mit dem Unterschied, dass Stelle hinter ihrer linken Schulter unbeschriftet war. Das dunkle Holz der, damals noch neuen, Bank glänzte, selbst unter den dunklen Wolken. Ich war gespannt, was sie mir sagen wollte. Neugierig und aufgeregt. Ein normales, kleines Mädchen. ,,Warte", meinte sie und griff nach ihrer dunklen Handtasche, die sie auf den feuchten Boden gestellt hatte. Ich wusste, dass er nass war, denn ich konnte mich genau daran erinnern, wie witzig ich es fand, als Mum, nachdem sie die Tasche auf ihren Schoß gestellt hatte, einen lustigen Abdruck, auf der hellblauen Jeans hatte. Gespannt starrten meine Augen auf ihre Hände, die schnell, aber sicher in der Tasche herumwühlten, bis sie schließlich einen kleinen silbernen Gegenstand hervorholte. Ich wusste nicht, was es war. Heute frage ich mich, wozu in aller Welt Mum ein Taschenmesser in ihrer Handtasche aufbewahrte. Viellicht für solche Momente.
Sie klappte es auf und etwas glänzendes kam zum Vorschein. Langsam drehte sie sich zur Seite. Ihre Augen überflogen die Holzleisten, als suchte sie nach einer geeigneten Stelle. Dann setzte sie die spitze an. Auf ihren Lippen lag noch immer das Lächeln. ,,Was machst du da?", fragte ich und starrte mit großen Augen auf die Stelle, in die Mum einen winzigen Strich hineingeschrieben hatte. Sie setzte das Messer erneut an. Ein weiter strich, quer an den anderen dran. ,,Was ließt du?", fragte sie mich. Ich rückte näher an sie heran. Die Decke war längst von meinen Schultern gerutscht. ,,Weiß nicht...Ein L vielleicht?", murmelte ich und sah mit großen Augen auf den winzigen Buchstaben. Sie nickte. ,,Loucy", bestätigte sie und setzte das Messer erneut an. Wieder ein langer Strich, dieses mal war er schräg. ,,Mum, was machst du da? Das ist verboten", rief ich entsetzt und dennoch aufgeregt. Sie Lächelte nur. Immer mehr. ,,Du musst es ja keinem sagen." sie verknüpfte mit dem lagen Strich einen Spiegelverkehrten und keinen Kurzen, waagerechten. Ein A für Amy Ich musste kichern und hielt mir die Hand vor den Mund. ,,Hörst du Loucy, das ist unser Geheimnis." Ich nickte aufgeregt. ,,Versprochen. Ab heute ist das unsere Bank." Wieder kicherte ich leise in die kühle Luft hinein. ,,Unsere ganz allein", sagte sie leise. Dann griff sie nach der Wolldecke, legte sie zurück auf meine Schulter und schloss mich wieder in ihren Arm. Stille.
Ich glaube es war damals das erste Mal, dass sich in meinem so jungen Leben diese eine Stille über mich legte. Schweigen, indem mir so viele Gedanken durch den Kopf gingen, dass ich sie noch heute förmlich anfassen konnte. Und dann kam sie. Das aller erste mal in meinem Leben. Die Angst. Ich begann zu zittern. Plötzlich und ohne dass ich es kontrollieren konnte. ,,Hey.", flüsterte Mums weiche Stimme ein mein Ohr. Sie legte meinen Kopf an ihre Brust und zog die Decke enger um mich. ,,Was is los?" Ich sah auf. Ich hatte das Gefühl zu weinen, aber meine Augen waren staubtrocken. ,,Ich...", begann ich stotternd. ,,Ich habe Angst." Und es war nicht die Angst, wenn ich mal wieder ein Monster unter meinem Bett vermutete und nach Mum rief, damit sie das Licht anmachte. Sich neben mich legte und wartete, bis ich eingeschlafen war. Es war auch nicht die Angst, vor dem ersten Schultag oder vom Einmeterbrett zu springen. Etwas war anders. Etwas viel größeres. Viel mächtigeres. Ich hatte keine Kontrolle darüber. Das Einzige, was ich wollte, war sie loszuwerden. Abzuschütteln und mich zu befreien. Aber es ging nicht. Sie umschloss alles von mir. Bishin zu meinem Herzen. ,,Wovor?", Mums Stimme war nur noch ein schwaches hauchen. Es viel mir schwer die Worte über meine Lippen kommen zu lassen. Langsam öffnete ich meinen Mund. Ich wusste nicht ein mal, ob ich überhaupt dazu in der Lage wäre etwas auszusprechen. ,,Angst davor zu..."

,,Lou, Alles klar?", Davis rüttelte an meiner Schulter. Ich blinzelte und bemerkte erst jetzt, dass die Sonne schien. In meinem Kopf war es nebelig. In meinen Gedanken saß Mum neben mir und ich hatte die Wolldecke über meinen Schultern liegen. Ich stand am Anfang und ich war kurz davor mein größtes Geheimnis zu offenbaren. Vielleicht war es gut, dass er mich aus meinen Erinnerungen gerettet hatte. Vergangenheit. Sie würde mich nur traurig machen.

,,Ja", entgegnete ich nur stumpf. Immer noch konnte ich die winzigen Buchstaben hinter seinem Rücken erkennen. Komisch, dass ich sie so lange nicht mehr wahrgenommen hatte.

,,Du wirkst so weggetreten.", murmelte er und legte seinen Kopf schräg. ,,Erinnerungen", hauchte ich nur erneut, wie benebelt. Mein Blick starrte auf die Gravur. ,,Schöne?" Er lehnte sich zurück. Ich atmete erleichtert aus. ,,Was?", fragte ich und es war, als würde ich ihn erst jetzt wirklich wahrnehmen. Er grinste nur. ,,Schöne Erinnerungen? Sag mal hab ich was an meinem Shirt? Einen Fleck?" Er drehte seinen Kopf soweit um, wie er konnte, als versuchte er tatsächlich Einen zu entdecken. Ich versuchte ein Grinsen zu erwidern und mich abzulenken.

,,Nein, ich war nur in Gedanken." Ich sah ihn an. In sein definiertes, makelloses Gesicht. Ich bekam eine Gänsehaut.
,,Woran?", fragte er ernst und klang nun plötzlich viel ruhiger, als noch vor wenigen Sekunden.

,,An den Anfang des Teufelskreises."

Sieben Jahre sind eine ganz schön lange Zeit. Komisch, dass ich mich noch so genau an diese Zeit erinnern kann. An die Worte, die Farben, selbst die Gerüche. Es ist wie ein besonders realistischer Film, den ich aus den tiefen meiner Schubladen herauskamen kann und mir in einer Dauerschleife immer wieder in meinem Kopf abspiele. Nicht, dass ich das will. Ich kann einfach nicht verhindern, daran zu denken. Immerhin bin ich nicht allein. Wäre ich das, würde ich wahrscheinlich verrückt werden. Es ist gut, dass Davis da ist. Er lenkt mich ab, mit den normalen Dingen.
,,Das das noch alltäglich für mich war, ist noch nicht lange her, Lou.", wie er sagt. Für ihn scheint es komisch zu sein. Aber für mich ist dieses Leben fremd. Sein Leben.
Lou. Es wirkt so merkwürdig, als hätte er mir einen neuen Namen gegeben. Vielleicht ist das gut so. Ich muss mit dem Vergangenen abschließen. Es macht keinen Sinn all das zu verdrängen. Vielleicht sollte ich einfach anfangen, es zu akzeptieren. Neu anzufangen. Nach vorne zusehen. Es bringt nichts, in meinem Zimmer zu sitzen und aus lauter jämmerlichem Kummer von den Wänden umarmt zu werden. Darum sitze ich hier. Auf der Bank. An meinem Lieblingsort. Unserem Platz. Und aus dem Grund drehe ich mich zur Seite und fahre über die sauberen Inschriften in dem verblichenen Holz. Und es ist in Ordnung, denn es sind schöne Erinnerungen.

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