Martha DeLaughtrey
⊱⋅ ──────❪♡❫────── ⋅⊰
Ich stehe vom Bett auf und setze mich an den aus Holz angefertigten Schreibtisch. Lose Blätter liegen auf diesem und zerknüllte Versuche eines Briefes liegen zu meinen Füßen. Tage sind bereits vergangen, in denen mich Albträume plagen und ich langsam an mir selbst anfange, zu zweifeln.
Ich möchte erst gar nicht an sie denken, denn sie bringen in mir ein Gefühl auf, was ich nicht zuzuordnen weiß. Aber eines haben sie alle gemeinsam: Am Ende finde ich mich mitten im stürmenden Meer wieder und drohe, zu ertrinken, ehe eine Hand nach mir greift, um mich vor meinem todbringenden Schicksal zu bewahren.
Doch es ist nicht dieser immer wiederkehrende Albtraum, der mich ängstlich meine Augen schließen lässt, sondern das, was nach ihm geschieht. Als wäre ein ständiges Ertrinken nicht schon genug, so werde ich vom Wasser aus meinem Traum geweckt, welches hustend meiner Kehle entkommt und mich spüren lässt, gerade wirklich fast ertrunken worden zu sein.
Wer jene Person ist und warum ich überhaupt bei einem solchen Unwetter auf offenem Ozean bin, kann ich mir nicht erklären, ebenso wenig das Wasser in meinen Lungen.
Leider ist Vater nicht hier, um ihn fragen zu können oder seinen Rat einzuholen. Aber jeder Versuch, meinen Schlafmangel zu beschreiben, scheitert kläglich. Entweder hören sich die Worte wie wehleidige Hilferufe an oder ich selbst halte meine Sorgen für unbegründet und absurd. Jeder hat Albträume, warum also beunruhigen mich diese so sehr?
Vielleicht aus jenem Grund, dass ich mittlerweile vor dem Schlaf zu flüchten versuche und jedes Mal erneut daran scheitere. Dass ich Dinge sehe, die keinen Sinn mehr ergeben, mir allerdings eine Antwort verwehrt bleibt. Selbst die silberne Münze lässt in mir Zweifel aufkommen, ob ich an einer Grippe leide oder mir mein Geist versucht, Streiche zu spielen.
Nicht einmal habe ich es über mich gebracht, Terran von meiner Plage zu berichten, obwohl wir gute Freunde sind und das schon seit mehreren Jahren. Zu meinem Nachteil jedoch ist er der persönliche Leibwächter meines Vaters und so oft aus dem Königreich wie er. Ich muss lächeln, als ich an den gut aussehenden Jungen denke, dessen Augen und Haar einen neidisch werden lässt. Seine dunklen Locken und warmen, braunen Augen, ja, ich bin durchaus neidisch.
Mir selbst Mut machend, nehme ich eine Schreibfeder und ein Blatt Papier zur Hand. Aber das einzige Wort, das ich schreibe, ist ,,Vater". Von mir selbst genervt, zerknülle ich das Blatt und schmeiße es in eine Ecke des Zimmers. Nicht einmal weiß ich, wann Vater wieder zurück sein würde, geschweige denn, ob ich es solange aushalten könnte, jede Nacht an Schlafentzug zu leiden.
Es ist ein Wunder, dass mein Maß an Geduld noch nicht seine Grenze erreicht hat, wobei das bestimmt nicht mehr lange auf sich warten lässt.
Erschöpft stütze ich meinen Kopf mit meinen Händen und sehe hinaus zum Fenster. Inzwischen ist die Sonne untergegangen und die Nacht legt ihren Schleier um Aeternitas. Sobald ich den Griff des Fensters zur Seite schiebe und es öffne, ertönt das Zirpen der männlichen Grillen.
Ich lehne mich der frischen Nachtluft entgegen, die sacht meine Haut berührt und lausche den Geräuschen. Mein Blick wandert hinauf zu dem mit Sternen benetzten Himmel. Manchmal gibt es Momente in meinem Leben, in denen meine Gedanken um meine unbekannte Herkunft kreisen. Ein Kreis, der kein Ziel hat und dessen Weg stets derselbe ist.
Ich habe viele Fragen, aber niemand kann sie mir beantworten, nicht einmal Vater, dessen Magie mächtiger ist, als die meisten erahnen können. Jedes Mal, wenn er versucht hat, mehr über mich herauszufinden, hat sich das Wasser, in welchem er nach Bildern sucht, blutrot gefärbt. Dafür brauche ich keine Bücher, um zu verstehen, wofür das Rot steht.
Willhelm taucht neben mir auf und setzt sich auf meine Schulter. Seine blauen Augen sehen zu den Sternen, die sich in ihnen spiegeln. Auch er ist von seiner Art getrennt worden und kennt weder seine Herkunft, noch weiß er, ob es an dem Ort, von wo er stammt, Wesen wie ihn gibt. Allerdings scheint ihn das nicht sonderlich viel auszumachen, denn er ist glücklicher als alle zusammen.
Wenn er mal nicht den kleinen Zwerg zur Weißglut treibt, verbringt er seine Zeit damit, wild durch die Gegend zu wuseln, sich bei mir auf der Schulter ein Schläfchen zu gönnen, welches er nebenbei bemerkt den halben Tag lang macht und zufrieden seine Portion Kekse zu essen und sie aus der Küche des Schlosses zu stehlen.
Sacht kraule ich ihm sein Köpfchen und blicke zum Garten des Schlosses, der sich vor mir erstreckt. Glühwürmchen fliegen durch das Grün und leuchten um die Wette. Eines fliegt nah an mein Fenster heran. Ich strecke meine Hand nach ihm aus, doch wie aus dem Nichts wird mir eine fremde hand vor den Mund gehalten, eine andere packt meine linke Hand und ich werde an eine Brust gedrückt.
Ein erstickter Laut entkommt meiner Kehle. Willhelm schreckt auf und greift den unbekannten Angreifer an. Ich schlage um mich, nicht in der Lage, rational zu denken oder meine wenigen Kampflektionen anzuwenden. Schnell gehe ich in meinem Kopf all meine wenigen Trainingsstunden mit Terran durch, in denen er mir gezeigt hat, wie ich mich in gefährlichen Situationen verhalten soll.
Dies ist so eine Situation, in welcher ich entweder kämpfe oder mich der Gefahr beuge. Jedoch kann ich keinen klaren Gedanken fassen und panisch winde ich mich in den Armen des Fremden.
Der Griff des Unbekannten wird stärker und er versucht, meine Hände zu umklammern. Angst macht sich in mir breit und mein Herz schlägt wild in meiner Brust. Mit aller Kraft ramme ich meinen Ellenbogen in die Seite des Angreifers, was ihn scheinbar überrascht hat, da sich sein Griff lockert.
Das nutze ich, um erneut einen Schlag zu landen. Allerdings fängt er meinen Arm ab, den ich habe von vorn in sein Gesicht schlagen wollen, tritt mit seinem Knie gegen meine Kniekehle und bringt mich zu Fall.
Ich versuche, nach Luft zu schnappen, was mit der Hand auf meinem Mund nicht leicht ist. Wenn ich nur sein Gesicht sehen würde, könnte ich mich besser verteidigen, doch so ist es für mich fast unmöglich, dem Fremden zu entkommen. Ich habe zu wenig Erfahrung, um einem solchen Kampf gewachsen zu sein, was meine Hoffnung, zu entkommen, mehr und mehr schwinden lässt.
Auf dem Bauch liegend, setzt er sich auf mich, packt meine Handgelenke und drückt sie fest auf meinen Rücken. Ein ziehender Schmerz breitet sich in meinem Körper aus und ich schreie auf, woraufhin er mich noch fester zu Boden zwingt. Auch der Versuch, ihn mit den Füßen zu treffen, scheitert und das Brennen breitet sich weiter und weiter aus.
Schmerzerfüllt stöhne ich auf, wissend, er könnte mir die Arme auskugeln.
,,Bitte...", wimmere ich ängstlich und schreie erneut. Warum hört mich niemand?
Willhelm, der auf ihn zu fliegt, beißt sich an seiner Hand fest.
,,Mistvieh!" Die Stimme des Fremden klingt tief und jagt mir einen kalten Schauder den Rücken hinunter. Er ist so stark, dass es nahezu unnatürlich ist, wie unterlegen ich ihm bin.
Nicht nur, dass keines der Elemente in meinem Herzen schlägt, ich bin sterblich und der körperliche Schmerz ist ein Teil dessen. Fragen schwirren in meinem Kopf herum, welche ich versuche, zu ordnen. Warum habe ich ihn nicht bemerkt? Wie hat er überhaupt in mein Zimmer gelangen können?
Die Türen, zu welchen mein Blick gerichtet ist, sind geschlossen. Erneut frage ich mich, warum niemand meine Schreie hört, immerhin stehen draußen Wachen. Aber die brennendsten Fragen, die meine Gehirnzellen vereinnahmen, sind, wer er ist und warum er mich aufgesucht hat.
Erschöpft stelle ich immer mehr fest, wie meine Arme anfangen, vor Schmerzen taub zu werden und mein Körper, der zu wenig Luft bekommt, als wie er benötigt, seine Kraft verliert, dem Angreifer stand zu halten und zu trotzen. Schweißperlen haben sich auf meiner Stirn gebildet und laufen diese hinunter. Ich stöhne auf, bemerkend, wie Sterne beginnen, vor mir zu tanzen.
Der Unbekannte lehnt sich an mich und beugt sich nah an mein Ohr. Er setzt an, etwas zu sagen, da wird er plötzlich von mir gerissen. Gierig atme ich ein und lasse meine schmerzenden Arme sinken. Schnell setze ich mich auf, weiche zurück und sehe fassungslos mit an, wie Terran, der eigentlich in Stormeris sein sollte, dem Kerl sein Knie in die Magengrube stößt.
Er taumelt zurück, doch Terran packt ihn an den Schultern, drückt ihn gegen die Wand und schlägt mit der Faust in sein Gesicht. Erneut landet er einen Schlag, aber wird dabei durch einen Schlag an seine Schläfe selbst verletzt. Aber jene Verletzung ist so gering für einen Soldaten, dass sich seine aufgeplatzte Haut bereits beginnt, wieder zu verschließen und zurück bleibt lediglich das rote Blut.
Terran macht einen Schritt zurück und zieht ein Schwert aus der Halterung, die um seinen dunklen Mantel befestigt ist. Er wird ihn töten, stelle ich entsetzt und schockiert fest, auch wenn ich wenige Sekunden zuvor in Lebensgefahr geschwebt habe.
Der Unbekannte setzt erneut zum Angriff an, da rammt ihm Terran sein Schwert in die Brust. Nicht in der Lage, mich zu bewegen, sitze ich wie angewurzelt da und betrachte den Fremden, wie er Blut spuckend zu Boden sinkt. Mir wird schlecht, als Terran die Klinge umdreht und der Angreifer vor Schmerzen aufschreit. Doch es ist kein normaler Schrei, sondern ein schrilles Gekreische wie das eines Monsters. Vor Schreck weiten sich meine Augen, als ich feststelle, dass aus ihm pechschwarzes Blut hervorquillt, nachdem Terran ihm mit Schwung sein Schwert wieder aus der Brust zieht.
,,D-du wirst s-sterben...", offenbart er mir und grinst dreckig. Meine Miene wandelt sich in eine verstörte und ich ziehe die Brauen zusammen, ihn nicht aus den Augen lassend.
Seine Augen sind tief schwarz und seine Iris ist mit seiner Pupille vermischt. Die Haut von ihm ist grau und aus seinem Mund ragen spitze Zähne. Und je mehr Zeit verstreicht, in der er seinem Ende immer näher kommt, färben sich seine dunklen Haare grau und fallen zu meinem Entsetzen aus.
Ich habe das Gefühl, von meinen Emotionen erstickt zu werden. Angst, Wut, Schock und noch so viele weitere. Sie alle bringen mein Innerstes in Aufruhr, drehen mir meinen Magen um und lassen mich nicht mehr aus ihrem Griff. Schwach, aber gleichzeitig derart intensiv scheint es mir fast so, als würde sich sein Blick direkt in meine Seele bohren und mich lässt der Gedanke nicht los, dass er ganz genau weiß, wer ich bin - im Gegensatz zu mir.
Etwas an ihm beschert mir ein unangenehmes Gefühl, als würde mich sein Auftauchen an ein Geschehnis erinnern, das längst vergangen, aber noch lange nicht abgeschlossen ist. Ein leichtes Stechen macht sich in meiner Brustgegend breit und irritiert fasse ich mir an die Stelle, an der mein Herz schlägt.
Noch mehr Blut bahnt sich seinen Weg aus seiner Kehle, während sein schmerzerfüllter Husten den Raum erbebt.
Es gibt eine Methode, wie man einen Elementar nicht sofort tötet, sondern ihn stattdessen leiden lässt: Man sticht ihm eine Klinge in die rechte Seite des Herzens und trifft dabei gleichzeitig die Lunge. Dann dreht man die Kline im Körper des Elementars langsam um und verletzt es so stark, dass es sich versucht, zu heilen, nach wenigen Minuten jedoch aufhört, zu schlagen und der Elementar schließlich stirbt. Jene Methode hat Terran angewendet.
Langsam entweicht das Leben aus seinen Augen, die er auf mich gerichtet hat, bis schließlich sein Herz aufhört, zu schlagen und er leblos zur Seite kippt. Doch bevor der Tod seine Arme nach ihm ausgestreckt und ihn in seine tödliche Umarmung eingehüllt hat, habe ich noch ein leises Flüstern hören können und mit einem Male hat jene Gestalt nicht mehr gefährlich gewirkt, sondern gebrochen. ,,Aiden".
Jenes letzte Wort lässt mich unweigerlich die Frage stellen, wer ist Aiden?
Unbemerkt habe ich die Luft angehalten, welche ich nun zitternd ausatme. Mein Blick landet vom Angreifer auf Terran, der mich ernst ansieht, ehe er auf mich zukommt. Er reicht mir seine Hand, die ich mit kurzem Zögern annehme.
Mit einer flinken Bewegung zieht er mich auf die Beine und ich stoße gegen seine muskulöse Brust. Schnell wandert sein lauernder Blick meinen Körper auf und ab, bis er mich schließlich in den Arm nimmt. Der Duft von frischem Moos steigt mir in die Nase, Terrans Parfüm, welches mir verdeutlicht, dass er hier ist- bei mir. Ich bin in Sicherheit.
Als ich realisiere, dass es vorbei ist, schlinge ich erleichtert meine Arme um ihn. Seine Rüstung, die er sonst als Leibwächter trägt, hat er in einen schwarzen Mantel umgetauscht und sein Gesicht wird zur Hälfte von einem dunklen Tuch bedeckt, welches er sich nun mit der Hand unter sein Kinn zieht.
Noch immer hat sich mein Herz nicht beruhigt. Es tobt in meiner Brust und pumpt kräftig Blut durch meine Adern. Mein Brustkorb hebt und senkt sich in einem schnellen Rhythmus. Ich habe nicht bemerkt, wie sich Tränen in meinen Augen gesammelt haben, die mir nun die glühenden Wangen hinunterlaufen.
Fest drücke ich ihn an mich, während laute Schluchzer meinen Körper durchzucken. Das letzte Mal hat mich Terran vor den anderen Schülern gerettet, als diese mich im Keller der Akademie eingesperrt haben. Schon damals habe ich Angst gehabt und mich elend gefühlt, aber das Geschehen von heute ist zu viel. Langsam löst er sich von mir, um mir in meine roten Augen zu sehen.
Wie ein Häufchen Elend fühle ich mich und weiche seinem Blick aus.
,,Martha...", setzt er an, zu sagen, aber ich unterbreche ihn.
,,Wer war das?", frage ich leise, fast schon flüsternd. Willhelm, der mit weit aufgerissenen Augen neben mir fliegt, landet auf meiner Schulter und kuschelt sich eng an mich, Terran beobachtend. Er schüttelt den Kopf und nimmt meine Hände in seine.
,,Martha, ich werde dir alles erklären, aber jetzt müssen..."
,,Nein!", schreie ich schrill, was ihn erschrocken zusammenzucken lässt. Offenbar scheint Terran genau zu wissen, was hier vor sich geht, möchte es mir allerdings nicht verraten. Das macht mich wütend und ich entreiße mich ihm.
,,Wer weiß, was mit mir geschehen wäre, wenn du nicht da gewesen wärst! Ich verlange Antworten!" Grob wische ich mir über mein verweintes Gesicht und trete einen weiteren Schritt zurück. Etwas an dem Jungen, den ich kenne, hat sich verändert. Sein liebevoller Blick ist kühl geworden und seine Miene ernst. Sogar seine warme Stimme hat sich in eine tiefe und distanzierte verwandelt.
Nervös sieht er sich im Gemach um, sein Blick bleibt an einer aus der Wand ragenden Tür stehen, die ich zuvor noch nie gesehen habe.
,,Was bei allen..." Weiter komme ich nicht, da ertönen plötzlich mehrere Stimmen außerhalb des Zimmers. Ehe ich mich versehe, kommt Terran auf mich zu, packt meinen Arm und stößt mich in den geheimen Gang. Ich keuche auf, ihn fassungslos anstarrend.
,,Für all das, was vor wenigen Minuten passiert ist und von nun an geschehen wird, gibt es eine Erklärung.", stellt er mit sicherer Stimme fest und schließt hinter sich die steinerne Tür. Die Dunkelheit umgibt uns.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro