Cyrus Latimer
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Vorsichtig sah ich mich auf der öden, dunklen Fläche der Insel um, während Sol hinter mir unruhig hin und her lief, seine Umgebung nicht aus den Augen lassend. Lokis musste Aiden entweder begleitet oder an einer anderen Stelle abgesetzt haben, denn es fehlte jegliche Spur von ihnen.
Dunkler Staub wurde durch den leichten Wind aufgewirbelt und an einer anderen Stelle wieder abgesetzt. Steine lagen vermehrt auf dem toten Boden, der sich ausgetrocknet vor uns erstreckte. Ich hatte ein Licht in meiner Hand formen müssen, da die Sonnenstrahlen durch die schwarzen Wolken und dem dichten Nebel nicht hindurch kamen.
Mors war einst Teil von Alderon und Glaceres gewesen. Man hätte Mors auch als Brücke zwischen Feuer und Eis bezeichnen können, denn dort trafen sich beide Elemente. Aber als der Krieg ausbrach, wurde er auf jener Brücke geführt, die so groß wie eine eigene, fast schon zu große Insel war.
Als der Krieg vorbei war, trennte man das von Dunkelheit zerstörte Land, das als Schlachtfeld hatte dienen müssen, von den zwei Königreichen und seitdem trug jene Insel den Namen Mors, da auf ihr nicht nur der Kampf stattgefunden hatte, sondern sich auch die Ruinen von Abaddons Burg befanden, welches er als Zeichen der Verhöhnung hatte erbauen lassen.
Hier hatten die früheren Träger der Elemente ihre Leben gelassen und man hatte geglaubt, der Krieg gegen die Todesgötter wäre vorbei. Doch es war eine Täuschung gewesen. Aber aus welchem Grund bloß hatte Abaddon nicht schon vor hundert Jahren den Krieg fortgeführt, sondern stattdessen gewartet?
Fragen um Fragen und keine Antworten, doch sie mussten hier verborgen sein, denn Mors war nicht nur das Grab der Krieger und unzähliger Soldaten gewesen, sondern die Ruinen des Schlosses verbargen vielleicht etwas, das uns helfen konnte, zu verstehen. Hier lagen zahlreiche Geheimnisse versteckt, die er unweigerlich zurückgelassen haben musste, vielleicht hatte er sogar geglaubt, sie vernichtet zu haben.
Plötzlich breitete sich in meinem Herzen ein mir bisher unbekanntes Gefühl aus. Es war warm und gleichzeitig stechend, was in sich widersprüchlich war. Beinahe schien es mir wie eine Warnung, wodurch ich mir zögernd die Hand auf die Haut setzte, um meinem Herzen näher zu kommen, da wurde ich von etwas langem erfasst und mit Schwung zur Seite auf den Boden geschlagen.
Ein dumpfer Laut entstand. Ich stöhnte auf, nicht vor Schmerz, sondern vor Verwunderung. Irritiert sah ich mich um und vernahm ein gefährliches Knurren. Sofort richtete ich mich auf und formte einen Lichtkreis über meinem Kopf. Sol, der Zähne fletschend auf mich zugekommen war, bedeutete ich, sich in die Lüfte zu begeben und auf mein Pfeifen zu warten. Sogleich breitete er die Flügel aus und schwang sich mit kräftigen Hieben hinauf in den Himmel, bis er im dichten Nebel aus meinem Sichtfeld verschwand.
Ich konnte nicht kämpfen, wenn ich mich gleichzeitig noch auf mein Herzenstier konzentrieren musste und wollte es in Sicherheit wissen. Langsam und knurrend bewegten sich aus dem Schutz des Nebels fünf Gestalten auf mich zu, bei deren Anblick mir fast das Herz vor Schock stehen blieb: Mordaxe.
Aus Aidens Bericht hatte ich einiges erfahren können, aber er hatte ihre Gefahr mehr als nur einmal betont und welche Verluste sie durch jene Bestien hatten erleiden müssen. Es war nicht der Mordax allein, der mir ein Gefühl der Flucht vermittelte, sondern ihre Anzahl.
Noch nie in meinem Leben hatte ich gegen eine solche Kreatur kämpfen müssen und nun sollten es gleich fünf auf einmal sein. Nicht nur, dass durch die Dunkelheit mein Licht an sich schon geschwächt war, ich war nicht auf vertrautem Boden wie Aiden gewesen, um mir diesen zum Nutzen machen zu können. Stattdessen befand ich mich in ihrem Territorium.
Ich versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen, um mir eine Strategie zu überlegen, doch in meinem Kopf schwirrten so viele Gedanken umher. Wo war Aiden? Ging es ihm gut? Hatte Iylias meine Nachricht verstanden? War er bereits auf dem Weg hierher?
Und noch so viele weitere quälten mich, doch ich hatte keine Zeit mehr, darüber nachzudenken, da sprang einer aus der Reihe direkt auf mich zu.
Wie von selbst formten meine Hände eine Lichtkugel und ließen sie explosionsartig gegen ihn prallen. Eine kleine Druckwelle entstand, durch welche der Mordax zurückgeschleudert wurde. Aber die Verletzung war so gering, dass er sich im nächsten Moment wieder auf seine Pranken stellte und noch wütender zu sein schien.
Das hatte ja fantastisch funktioniert. Drang es aus meinem Unterbewusstsein zu mir hervor, aber ich blendete die selbstverachtende Stimme aus und fokussierte mich auf die Kreaturen, welche mich nun umzingelten. Schließlich griff ich mit einer flinken Bewegung zu der Waffe, die an meinem ledernen Gürtel befestigt war. Sie war ein aus Gold hergestellter Griff, an dem eine lange goldene Kette befestigt war, die an ihrem Ende eine gespreizte goldene Klinge hatte. Ihr wurde der Name Todesschwinge gegeben, denn sie brachte dem Gegner durch einen kräftigen Schwung in der Luft den Tod.
Jahrelanges Training war erforderlich gewesen, um sie perfekt anwenden zu können und ich hatte es geschafft, der Beste aller mit jener Waffe zu werden.
Die Kette begann, unter meiner Führung zu leuchten und die Klinge glühte golden. Etwas in meinem Herzen veränderte sich und ein Gefühl von Kraft breitete sich bis in den letzten Zentimeter meines Körpers aus. Es hüllte mich ein und umgab meine Sinne - schärfte sie aufs Äußerste und ich spürte eine Stärke wie nie zuvor. Meine Haut begann, wie die Sonne selbst zu leuchten und plötzlich waren jegliche Zweifel und Ängste verschwunden, so, als würde das Licht mir sagen wollen, dass alles in Ordnung war.
Mit einer schwungvollen Bewegung durchdrang die Klinge das Herz des ersten Mordax, als jener aus der Formation ausgebrochen war, um mir den Tod zu bringen. Er heulte vor Schmerzen auf und sackte leblos zu Boden. Ich zog die Klinge zurück und ein schwarz blutendes Herz landete vor meinen Füßen.
Nur noch vier. Machte sich mein Unterbewusstsein erneut aufmerksam, doch dieses Mal ignorierte ich die Stimme nicht, sondern pflichtete ihr bei, nur noch vier.
Ich spürte ein Kribbeln in den Händen und ein Verlangen, diese Biester zu töten, überkam mich. Es war eine Seite an mir, die mich erschreckte, doch ich konnte nicht lange darüber nachdenken, da sprangen zwei gleichzeitig auf mich zu. Schnell schwang ich erneut die Kette mit der tödlichen Waffe am Ende, allerdings wich einer von beiden aus und riss mich mit seinen Klauen zu Boden.
Immer tiefer bohrten sich seine Krallen in mein Fleisch und innerlich lobte ich meine Unsterblichkeit und dass ich durch sie von den vernichtenden als auch tödlichen Schmerzen verschont blieb. Dennoch spürte ich die Gefahr, denn im Sturz hatte ich den Griff meiner Waffe losgelassen und war den drei übrigen Mordaxen schutzlos ausgeliefert, wenn ich es nicht schaffte, seinen Klauen zu entkommen.
Die anderen kamen auf uns zu und der Mordax beugte sich über mich, seine Zähne gefletscht, während eine Pranke mich am Boden hielt, so kam die andere mit ihren tödlichen Krallen meinem Herzen immer näher. Das Blut rauschte in meinen Ohren und kräftig pumpte mein Herz die Flüssigkeit durch meinen Körper. Ich hatte die Situation unterschätzt, würde ich sie nicht wieder unter Kontrolle bekommen, wäre es mein Ende.
Ich zwang mich, die in mir aufkommende Angst im Keim zu ersticken und ließ die Kraft des Lichts zum Teil freien Lauf. Ihre Macht umschloss mich erneut, dieses Mal um einiges stärker als zu Beginn und ich begann, noch heller zu leuchten. Ich wusste, dass ich lediglich die Hand heben musste und das Licht würde in Strömen kommen, also tat ich es. Mit einer Leichtigkeit, die mich faszinierte, zugleich entsetzte, fraß sich das Licht durch die Haut und durch das Fleisch des Mordax, bis es das Herz der Kreatur erreicht hatte und ließ es in tausenden von Funken explodieren.
Es war ein geradezu verzaubernder Anblick, nur sollte man die Ursache seiner strahlenden Funken lieber nicht kennen. Leblos sackte auch jener Körper zu Boden und ich hatte gerade so Zeit, ihn von mir zu schieben und somit seine Krallen aus meinem Fleisch zu ziehen, da sprangen die nächsten beiden auf mich zu.
Ich setzte gerade an, erneut dem Licht freies Geleit zu geben, da wurden die beiden von hinten von etwas durchbohrt. Aus einem ragte die Spitze eines rot glühenden Schwertes hervor, während das Herz des anderen Mordax unter seinen schrillen Schreien zu Eis gefror. Als die Leiber der Kreaturen leblos zu Boden fielen, landete mein Blick auf Iylias und Aiden, die gerade ihre Waffen verstauten.
Erleichtert atmete ich aus und ließ meine Hand, die ich unbewusst über meinen Kopf gehalten hatte, fallen. Den Göttern sei Dank, die beiden lebten. Aiden kam mit einen Grinsen auf mich zu und reichte mir seine Hand, die ich dankend annahm.
,,Du siehst ja aus wie eine Leiche," entkam es ihm und sein musternder Blick legte sich auf mein vom silbernen Blut durchtränktes Hemd. Das Leder meiner Kutte war zerrissen und drei große Löcher waren zurückgeblieben. Wenigstens war von der Wunde nichts mehr zu sehen. Augenverdrehend schüttelte ich über seinen Kommentar den Kopf und wandte mich ihm zu, dieses Mal mit der Intention, ihn zur Rede zu stellen.
,,Was hast du dir nur dabei gedacht, Aiden?" Meine Stimme klang streng und vorwurfsvoll sah ich ihn an, bevor ich erneut ansetzte, etwas zu sagen:
,,Wahrscheinlich hast du dir überhaupt nichts dabei gedacht, bei den Göttern, Aiden, dir hätte sonst etwas geschehen können." Noch lange nicht fertig, ihm meine Predigt aufzutischen, unterbrach er mich, indem er mich an den Schultern packte und vor mir zu Wort kam.
,,Du weißt gar nicht, was Iylias und ich gefunden haben, als wir auf der Suche nach dir waren. Da ist eine Ruine ganz in der Nähe, dort werden wir Antworten finden." Fassungslos starrte ich die beiden abwechselnd an, Aiden, der begeistert vor mir stand und Iylias, welcher hinter ihm die Umgebung im Auge behielt. Wer wusste schon, ob überhaupt etwas in einer Ruine zu finden war, wenn diese schon mehrere hundert Jahre alt war? Es war ein schlechter Witz und ich gab die Hoffnung auf, außer Mordaxen Antworten zu begegnen.
Doch bevor ich Einwände erheben konnte, zog mich Aiden mit sich fort und der Lichtkreis erlosch. Schnell zündete ich ein neues Licht in meiner freien Hand und spendete uns auf diese Weise immerhin etwas Helligkeit in der erdrückenden Dunkelheit.
Es dauerte nicht lange, da erkannte ich bereits einzelne Umrisse, die ungleichmäßige Schatten warfen. Je näher wir dem zerstörten Ort kamen, desto sichtbarerer wurde die Größe jener Ruine, die uns um Köpfe übertrumpfte. Langsam überquerten wir den Hof und steuerten auf eine breite mit kaputten Stellen versähte Treppe zu, die den Eingang an ihrem Ende aufwies.
Der Torbogen war in sich zusammengefallen und dessen Steine lagen zerstreut um die Burg herum. Staub lag in der Luft, der durch eine kühle Brise in mein Gesicht gefegt wurde. Angeekelt strich ich mit der Hand übers Gesicht, welche Aiden inzwischen losgelassen hatte.
Wachsam traten wir über die großen Steine hinweg und nährten uns dem Inneren der Burg. Es gab weder ein Dach noch ganz gebliebene Wände, überall klafften kleine und große Löcher, manchmal war nicht einmal mehr eine Steinwand vorhanden, derart eingefallen und zerstört war jener Ort.
Unsere Schritte wurden von einem leisen Heulen des Windes begleitet. Wir passierten die breite Halle, um welcher an Wänden noch einzelne Stufen angebracht waren, welche einst zu hochgelegenen Gemächern geführt hatten.
Von den sechs Türmen der Burg war nur noch einer übrig geblieben, der ebenso aussah, als würde dieser jede Sekunde in sich zusammenbrechen. An einer Wand hing ein verstaubter, zerrissener roter Teppich mit dem Wappen eines Schädels auf diesem, alle anderen lagen verstreut und unter Steinen begraben auf dem Boden. Als wir schließlich den Ausgang der Burg erreicht hatten, stockte uns der Atem.
Entsetzt starrten wir auf die unzähligen Überreste von Knochen, ganze Berge waren zustande gekommen und überall lagen Schädel verteilt auf der öden Ebene. Dieser Bastard hatte die Leichen stapeln lassen und wie Müll hinter seiner Burg verstaut. All den Leben, welche hier ihr ein Ende nehmen mussten, hatte er die Würde genommen, was mir den Magen beinahe zum Umdrehen brachte.
Aiden hatte einen Schädel aufgehoben und betrachtete ihn mit trauriger Miene. Ob er hier genauso lag? Wiederholt drang die Stimme zu mir hindurch und dann konnte ich den bitteren Nachgeschmack nicht länger verdrängen. Automatisch beugte sich mein Körper zur Seite und ich erbrach. War das - dieser schreckliche Ort - sein Ende gewesen? Allein, entwürdigt. Ob er Angst gehabt hatte? Was sind seine letzten Gedanken gewesen?
Tränen bahnten sich ihren Weg, aber ich musste sie zurückhalten und stark bleiben, auf keinen Fall durfte mich meine Vergangenheit einholen und dermaßen beeinflussen.
Eine Hand legte sich beruhigend auf meine Schulter und im ersten Moment glaubte ich, dass es Aiden war, doch die Kälte, welche von der Berührung ausging, bewies mir das Gegenteil. Seine weißen Haare fielen ihm vereinzelt in die Stirn und aus seinen türkisfarbenen Augen musterte mich jener Iylias, der sich sonst von Allem fern hielt. Und auch wenn er kein einziges Wort sprach, reichte seine Geste aus, um mich wieder klare Gedanken fassen zu lassen.
Dankbar nickte ich ihm zu und richtete mich wieder zur vollen Größe auf. Meine Gefühle, die ich sonst so perfekt zu verstecken wusste, hatten mich überrannt und er hatte eine verletzliche Seite an mir gesehen, die ich verabscheute. Doch egal, wie oft ich versuchte, mit der Vergangenheit abzuschließen und Ruhe zu finden, es gelang mir nicht, denn da gab es ein Gefühl, welches noch tief in einer Ecke meines Herzens schlummerte: Hoffnung.
,,Cyrus, Iylias, kommt hierüber, ich glaube, ich habe etwas gefunden." Aidens Stimme riss mich aus den Gedanken und eilig gingen wir zurück in die große Halle, aus welcher wir den Ruf vernommen hatten. Er stand an der linken Seite, an welcher der letzte Teppich hing und zeigte mit dem Finger hinter eben jenen. Durch den Wind wurde der Stoff sacht zur Seite geschoben und ein Gang wurde sichtbar. Zur Sicherheit hatte Aiden sein Schwert gezogen, was nun rot aufleuchtete und ihm als Lichtquelle diente.
Ohne auf uns zu warten, verschwand er hinter dem dunklen Rot des Teppichs und ließ uns zurück. Ohne zu zögern, zogen auch wir unsere Waffen, welche unter unserer Führung zu leuchten begannen und gingen ihm nach. Iylias Hand umfasste einen langen, silbernen Stab, an dessen jeweiliges Endes zwei Klingen in Form eines Diamanten befestigt waren, um welche sich kleine, spitze Zacken befanden. Seine Waffe glühte in einem eiskalten Blau und verkörperte das Eis in seinem Herzen. Sein Blick war starr nach vorn gerichtet und beinahe wirkte es so, als befände bloß er sich in diesem kalten, dunklen Gang, dessen Steine von Schimmel überdeckt waren.
Von der Decke fielen Wassertropfen auf uns nieder und eine frostige Feuchtigkeit lag in der Luft. Da unten musste sich eindeutig Wasser befinden. Nach wenigen Minuten, die sich viel länger angefühlt hatten und in denen wir zahlreiche Stufen hinabgestiegen waren, kamen wir schließlich in einer großen Grotte an, in deren Mitte sich das Wasser an den Steinen über uns spiegelte.
Leise hörte man das sachte Plätschern von Wassertropfen, die auf der glatten Oberfläche des Sees aufprallten. Aiden, der bereits hier war, bedeutete uns, ihm zu folgen und erneut durchquerten wir einen Gang, doch dieses Mal nur wenige Sekunden, dann hatten wir eine Art Grotte erreicht, an dessen feuchten Wände verrostete Fackelhalterungen angebracht waren. Aber das war nicht das Besondere.
An den Wänden befanden sich nämlich verschiedene Malereien. Iylias und ich tauschten für einen Moment fragende Blicke miteinander aus und wandten uns anschließend einer Malerei zu. Irritiert betrachtete ich das Ereignis vor dreihundert Jahren, welches sich am Anfang der linken Seite des Raumes befand. Auf ihr waren die damaligen Krieger abgebildet und wie sie im Kreis ihre Kräfte gegen Abaddon bündelten, der sich in ihrer Mitte befand. Man hatte geglaubt, an jenem Tag hatte der grausame Krieg ein Ende genommen, doch es war eine Lüge.
Langsam ging ich zur Zeichnung daneben, welche Abaddon zeigte und wie er über den Leichen der Krieger triumphierend seinen Arm hob, aus welcher sich Schatten bildeten und ihn umkreisten. Das nächste Bild zeigte jedoch Abaddon und wie er ein Herz in seinen Händen hielt, neben ihm der leblose Körper eines Mädchens.
Fragend sah ich mich um, aber es war die letzte Malerei gewesen. Auch Aiden und Iylias standen Fragen ins Gesicht geschrieben. Wie aus dem Nichts breitete sich eine Wärme in meinem Herzen aus und ich hatte das Bedürfnis, jenes Gebilde zu berühren. Vorsichtig streckte ich meine Hand aus und ließ meine Finger behutsam über die Farben gleiten. Meine Sicht verschwamm daraufhin und die Schwärze umhüllte mich.
Das Licht des Vollmondes schien durch das dichte Blätterdach hindurch und die Laute des strömenden Regens durchdrangen die Stille des Waldes. Ich hatte früher oft im Wald von Natero Zeit verbracht und die unterschiedlichsten Orte ausfindig gemacht, doch diesen kannte ich nicht.
Etwas an jenem Platz kam mir fremd und neuartig vor, so, als wäre hier noch niemals ein Elementar gewesen oder derjenige, der diesen Ort entdeckt hatte, nicht mehr dazu gekommen, es weiter zu erzählen. Plötzlich bemerkte ich eine Gestalt, die schnellen Schrittes auf mich zu eilte.
Aus Reflex tastete ich nach meiner Waffe, die sich seltsamerweise nicht mehr in meiner Hand befand, aber ehe ich etwas machen konnte, lief die in einen grünen Mantel verhüllte Person durch mich hindurch, als wäre ich ein Geist.
Geschockt taumelte ich zurück und fasste mir ins Gesicht. Wieso fühlte und sah ich mich selbst, doch kein anderer? Fragend sah ich der Gestalt nach, die mit einem Male langsamer wurde und stehen blieb. Schnell drehte sich die Person um und als ich das Gesicht erkannte, weiteten sich meine Augen.
Es war kein geringerer als der mächtigste Zauberer Atherton DeLaughtrey, dessen graue Augen sich in die Schwärze der Nacht bohrten. Sein Mantel war durchtränkt vom Regen und vereinzelte, nasse Strähnen seines Haares fielen ihm in die Stirn, welche von Falten überzogen war.
Eine Träne entwich ihm und ich konnte dem Ganzen, was sich gerade vor mir abspielte, nur schwer glauben. Atherton DeLaughtrey war verschlossen wie ein Buch mit tausenden Siegeln, so eine Seite von ihm hatte noch keiner zu Gesicht bekommen. Niemand wusste etwas über seine Vergangenheit, doch jeder kannte sein Ausmaß an Magie, welche in seinem Blut floss und sein Herz stark machte. Es wirkte so, als hätte er gerade etwas mit an erlebt, das ihn innerlich die Seele zerrissen hatte.
Das Schreien eines Kindes durchbrach seine Gedanken und ich war überrascht über das Baby in seinem Arm, denn ich hatte es zuvor nicht bemerkt. Das Kleine war in eine ebenso grüne Decke gewickelt, um vor der trügerischen Kälte des Unwetters bewahrt zu werden. Beruhigend legte der Mann seine Stirn an die des Kindes und murmelte leise Worte vor sich hin.
Die Schreie verstummten und nervös blickte Atherton erneut um sich. Noch immer suchte mein Gehirn verzweifelt nach einer Verbindung für die sich mir ablaufenden Ereignisse, aber ich fand keine. Fürsorglich strich der Zauberer dem Säugling über dessen Stirn und seine folgenden Worte brachten mein Innerstes in Aufruhr:
,,Eines Tages wirst du der Bestimmung deines Herzens folgen und Aeternitas den langersehnten Frieden bringen, doch bis jener Tag kommen soll, werde ich auf dich achtgeben." Sanft streichelte er dem Kind über die Wange und seine Lippen formten sich zu einem traurigen Lächeln.
,,Dein Herzensfluch wird ihre Rettung sein, Martha DeLaughtrey." Allmählich löste sich das Geschehen vor mir in der Finsternis des Waldes auf und ich bekam das Gefühl, in ein leeres Nichts zu fallen.
,,Cyrus!" Ich setzte mich ruckartig auf, noch immer verstört von dem Ereignis, das ich mitangesehen hatte. Die Vergangenheit hatte mich gepackt und mir wie kaltes Wasser die Tatsachen vor Augen geführt. Alles ergab nun einen Sinn und die Verbindungen knüpften sich in Sekundenschnelle zusammen.
,,Cyrus!" Aidens besorgte Stimme drang zu mir hindurch und erschrocken zuckte ich zusammen. Er und Iylias hatten sich neben mich gekniet. Aiden sah mich teils wütend, teils erleichtert an, während Iylias sein Blick undurchdringlich war. Dennoch glaubte ich, einen Funken Erleichterung in seinen Augen hatte aufblitzen sehen, aber vielleicht täuschte ich mich auch.
Plötzlich wurde mir bewusst, dass wir schon viel zu lange weg waren und so schnell wie möglich zurückkehren mussten. Schnell stand ich auf, wodurch kurz kleine Sterne begannen, vor mir zu tanzen, doch ich zwang mich, mich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren.
,,Cyrus, bei den Göttern, wenn du mir nicht gleich eine Antwort gibst, verfrachte ich dich höchstpersönlich wieder ins Traumland!", knurrte Aiden und seine Augen blitzten rötlich. Kurz suchte ich nach den richtigen Worten, welche nur so aus mir heraussprudelten:
,,Es ist der Mensch, sie ist die Tote neben Abaddon und wenn wir sie nicht finden und töten, unser Untergang."
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