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Kapitel 114

Sleeping At Last - Already Gone

Seine Augen sind zu. Er wirkt so friedlich. Fast, als würde er nur schlafen. Fast, als wären die Geräte nicht da, die ihm das Atmen abnehmen. Fast, als wären seine schönen Hände nicht bedeckt und befleckt von Blutergüssen für die ganzen Untersuchungen, die er gar nicht mitbekommt. Er hat das nicht verdient. Er hat kein einziges seiner Schicksalsschläge verdient. Er verdient das Beste dieser Welt und wenn ich dafür leiden und bluten müsste. Und doch wirkt er selbst jetzt in einem Zustand der Bewusstlosigkeit so beruhigt, so zufrieden. Seine Lider verschließen mir den Anblick seiner so klaren, grünen Augen, die mehr Trauer als Freude in sich getragen haben. Unter seinen Augen sind einige winzige Petechien, die durch den Zwischenfall entstanden sind. Ardans Körper ist schwach. Er muss heilen. Immer, wenn ich daran denken muss, verschwimmt meine Sicht. Es tut mir weh. So weh, ihn so sehen zu müssen. Es tut mir im Herzen weh, dass er vor Glück geweint hat, endlich ein Spenderherz zu kriegen und dann im Sterben lag. Ich verstehe nicht, wie ungerecht diese Welt ist. Wieso er? Wieso muss es ausgerechnet ihm passieren? Sein Blut musste wieder gereinigt werden. Er hatte innere Blutungen. Als Mama reinkam und seine Reflexe getestet hat, wurde mir bei dem Anblick seiner sonst so schönen Augen schlecht. Große Blutergüsse umrahmen das Grün seiner Augen. Ardan, mein Herzensdieb. Ich nehme seine Hand in meine, drücke unzählige Küsse drauf, in der Hoffnung, sie fördern den Heilungsvorgang. Es kann länger als eine Woche dauern und ich bin schon tausend Tode gestorben, als die zwei Tage rum waren, um ihn endlich besuchen zu können.

Ich weiß nicht, was ich machen soll. Ich kann nur warten, aber ich habe Angst. Angst, dass es noch länger dauert. Angst, dass es noch schlimmer wird. Was ist, wenn er nicht erwacht? Was ist, wenn das Koma dem Herzen nicht guttut? Ist das möglich? Was ist, wenn durch das Koma nicht erkannt wird, wenn etwas mit dem Herzen nicht stimmt? Er wird untersucht. Mama lässt jede Stunde jemanden nach ihm schauen, wenn sie selbst im Moment nicht kann, aber ich habe trotzdem unheimliche Angst um ihn. Ihn anzusehen, macht es nur noch schlimmer. Er ist doch mein Herzensdieb. Er hat mein Herz. Er hat meine Seele und jede einzelne meiner Tränen. Mein Gesicht verzieht sich unter seiner Hand weinend. Er weiß nichts. Er weiß nicht, dass ich hier gerade wieder zu weinen beginne. Er weiß nicht, dass die grünen Augen seiner Eltern rot vor Trauer sind. Er würde nicht wollen, dass wir trauern, aber ich bin mir sicher, dass sich ein kleiner Teil gestärkt fühlen würde, wenn er wüsste, dass seine Freunde trauern und sich um ihn sorgen werden. Aber es ist vorbei. Du musst dich nie wieder mehr vor dem Tod fürchten, Ardan. Du hast es geschafft. Du musst nur noch erwachen. Die Frage ist nur: wann? Ich komme mit dieser Überforderung kaum klar. Meine Brust tut weh. Es sticht immer wieder extrem. So sehr, dass ich schon zusammenzucke. Ich kann mich nur beruhigen, wenn Mama auf mich einredet und mir verspricht, dass alles wieder gut wird, aber wenn ich Ardan so sehe, steigen die größten Ängste in mir auf. Ich will doch nur meinen Herzensdieb zurück. Mehr nicht.

Elif tritt aus dem Badezimmer. In ihrer Hand ist der Waschlappen und die zwei Schüsseln mit Wasser und mit Seifenwasser. Sie tut mir am meisten leid. Sie muss zusehen, wie ihr einziger Sohn im Koma liegt nach all den Versuchen, ein Kind zu zeugen. Nach all den Jahren, in denen sie zusehen musste, wie sich der Zustand ihres einzigen Kindes verschlechterte. Sie stellt alles auf dem desinfizierten Tisch ab, desinfiziert sich ihre Hände und zieht sich dann Handschuhe an. Ich krempele die Ärmel seines T-Shirts über seine Schultern, streichele zärtlich über seinen Bizeps. Wie sehr sich mein Herz eine Regung dadurch erhofft. Ein kleines Zucken, eine sachte Gänsehaut, aber es passiert nichts. Sie darf bei ihm bleiben. Ihr wurde ein Bett zugestellt für das Privatzimmer. Cihan kümmert sich um alle Dokumente für die Gerichtsverhandlung mit diesem Assistenzarzt. Es hat schon die Runde in ganz Hamburg gemacht. Die Nachrichten berichten vom anonymisierten 19-Jährigen, der durch das unprofessionelle Handeln von R. Buckard in Lebensgefahr gebracht wurde. Die Nachrichten zerreißen sich das Maul um diesen Wichser und werfen ihm vor, dass er aufgrund seiner politischen Einstellung sogar dementsprechend gehandelt hätte. Mir ist es recht. Ich will, dass er leidet. Er ist schuld daran. Er ist schuld daran, dass eine Mutter fast verstummt ist und innerhalb zwei Tagen kaum Nahrung und Schlaf bekommen hat. Er ist schuld daran, dass sich ein Vater wieder mit der ganzen Krankheitsgeschichte seines Sohns auseinandersetzen muss. Er ist schuld daran, dass beide sich mental darauf vorbereiten müssen, mit ihm in einem Gerichtssaal zu stehen und erdulden müssen, wie er von einem Anwalt in seiner Tat verteidigt wird.

Elif taucht den Lappen in das lauwarme Seifenwasser, wringt es leicht aus, um dann über Ardans rechten Arm zu fahren. Wie leer ihr Blick doch ist. So leer und doch gefüllt mit Tränen. Am liebsten würde ich seine andere Hälfte waschen, aber ich will Elif diese Bindung nicht wegnehmen. Ich weiß, dass sie das gerade braucht. "Ich habe manchmal komische Gedanken", setzt sie an. "Ich will ihn jetzt kneifen. Ich will ihm einen kleinen Schmerz zufügen, in der Hoffnung, dass er es bemerkt und sich regt." Noch bevor sie ihren Satz zu Ende führen kann, bricht ihre Stimme. "Aber es ist besser so, dass er im Koma ist. Sein Körper muss heilen. Mein Sohn, mein Herz muss heilen." Ihr zittriges Atmen füllt meine Augen mit Tränen. "Aber wie lange er braucht, wissen wir nicht. Es kann doch länger als eine Woche sein. Es kann vielleicht doch länger als ein Monat sein", wispert sie. Der Lappen gleitet so sanft über seinen Oberarm. Selbst diese simple Arbeit wirkt durch seine sanfte Aura wie eine Bereinigung für mein Herz. Seine Lippen sind gespalten durch den Tubulus, der ihn beatmet. Und auch wenn ihm durch Mund und Nase Schläuche gelegt wurden, können sie nicht ein Bisschen seiner Schönheit bedecken. Keines der kleinen Blutergüsse, keines der Elektroden. Nichts. Ich streiche über seine Finger. Meine Hände drücken seine, vermissen den Druck seiner. Der selbst eingeleitete Druck tröstet mich nur schwach.

Elif fährt mit dem Lappen über seine Schulter hinauf zu seinem Hals, bedacht, keine Tropfen auf die Wundverbände fallen zu lassen, die Ardans komplette Brust bedecken. "Selbst jetzt hat er eine beruhigende Wirkung auf mich. Ich muss ihn nur sehen und mir wird ganz warm ums Herz. Ich fühle mich umarmt, wenn ich ihn sehe. Mein Ardan." Sie streicht ihm mit ihrer nassen Hand die Haare zurück. Ich würde so gerne etwas sagen wollen, aber mir bleibt alles im Hals stecken. Ich bin seit der Operation nur im Bett, hoffe und bete, dass es ihm bald besser gehen wird. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich fühle mich so ausgelaugt. Ich kann mir nicht einmal mehr vorstellen, zur Schule zu gehen, wenn er hier noch liegt. Ich will und werde mein Zimmer nicht verlassen, selbst wenn die ganze Familie wieder zu Besuch ist an Silvester. Ich werde niemals ausgelassen feiern und lachen wollen, wenn er hier im Krankenhaus liegt. Ich will den Tag bei ihm sein. Ich hebe sein Kinn an, damit Elif ohne Hindernisse seine Haut reinigt. Selbst dort sind die kleinen Einblutungen. Soll der Mann, der dafür verantwortlich ist, für jeden kleinen Bluterguss von Gott bestraft werden. Für jeden Tag, jede Stunde, jede Minute und jede Sekunde, die Ardan im Koma bleiben muss. Ich will doch nur, dass Ardan den Frieden in seinem Herzen erreicht. Ich will doch nur, dass sein Herz nach all den Jahren seine Ruhe findet. Ich will doch nur, dass unsere Herzen ihre Ruhe in einer gemeinsamen Zukunft finden.

Ich ziehe die Decke zu mir, als Elif den zweiten Lappen in das normale Wasser taucht und noch einmal über seine Haut fährt. Ihre Augen füllen sich mit Tränen, als sie seine Beine sieht. Die Einblutungen sind dort stärker. Mama hat mir erzählt, dass er Glück hatte, dass nichts abgestorben ist. Mein Kopf war gefüllt mit Szenarien, in denen Ardan sich voller Selbstzweifel zurückzieht und sich schämt, weil er ein amputiertes Bein hat. Ich bin so dankbar, dass Schlimmeres vermieden werden konnte. Yasmin, Ramzi und den anderen habe ich nichts erzählt. Ich hatte nicht die Kraft dafür. Es ging alles so schnell. Erst hatte er die Nachricht bekommen, dass er ein Spenderherz kriegt, dann hat er sich von uns verabschiedet und dann ... dann kam es zum Zwischenfall und Koma. Adam weiß Bescheid. Ich habe mich bei ihm ausgeweint, als ich auf mein Zimmer ging am Tag des Geschehens. Es weiß jeder, außer Baba und Aiman im Haus Bescheid. Wann Baba es erfahren soll, weiß ich nicht. Ich fürchte mich ein wenig davor. Wäre er sehr sauer auf mich? Ich könnte mich nicht gegen Ardan entscheiden, so sehr ich meinen Vater auch liebe. Aber würde er mir denn jemals das Ultimatum stellen? Mama würde das nicht zulassen. Sie steht hinter mir. Und Elif steht auch hinter mir. Ich will mir nicht noch mehr Stress machen. Gerade steht Ardan im Fokus.

Elif fährt mit dem ersten Lappen über sein Bein. Sie gibt nach. Sie hat keine Kraft, setzt sich auf den Stuhl und legt ihren Kopf auf seinen reglosen Schenkel, als sie über sein Schienbein fährt. "Ich habe Schuldgefühle, Cana. Ich hätte mir mehr Zeit nehmen sollen. Ich hätte mehr Projekte zu Hause bearbeiten sollen. Ich hätte mehr Vorsorgen machen sollen. Ich hätte früher bemerken sollen, dass er in der Schule ausgegrenzt wurde. Ich ..." Ihre Hände zittern, ihre Stimme ist nichts als ein kleines Schluchzen im Raum. Ich beuge mich zu ihr vor, lege meine Wange auf ihren Kopf. Ich kann meine Tränen nicht halten, als ich ihr Beben durch meine Hand auf ihrem Rücken spüre. "Es hätte mich treffen sollen, nicht ihn, ya Allah!" Sie weint bitterlich los. Ihr Körper krampft sich schmerzlich zusammen, als sie ihren Sohn umschlingt. Mein Herz tut weh. Es tut so weh. Ich kann das Stechen gerade noch so aushalten, weil ich sie nicht loslassen will. Es tut mir im Herzen weh, sie so zu sehen. Es tut mir im Herzen weh, ihr weinen zu hören. "Nimm mich, Allah. Nimm mir nicht meinen Sohn. Sollte was passieren, nimm meine Seele, aber nicht seine. Er hat erst jetzt leben können." Meine Finger verfangen sich in ihrem Pullover. Ich kann kaum atmen. Es tut mir so unfassbar weh, ihr Leid zu hören. Ich kann das nicht. Ich halte weder die psychischen noch die physischen Schmerzen aus, als es mich wie ein Strahl durchzuckt.

Mein Körper fällt angespannt zurück auf den Stuhl. Ich halte die Luft an, als das Stechen in meiner Brust anhält. Es tut weh. So unfassbar weh, dass ich mich kaum bewegen kann. Mir wird heiß. Als ich nach Luft schnappe, zieht es nur noch fester. Es tut weh. Ich brauche Mama. "Cana?" Ich schaue angestrengt zu Elif. Ich will sie nicht verängstigen, aber ich habe unheimliche Schmerzen in meiner Brust. Es drückt unfassbar. "Cana, was ist los?" Sie kommt panisch auf mich zu. Ich kann kaum sprechen. Es tut so weh. Mir ist heiß. "Mama", flüstere ich. Ich brauche Mama. Elif rennt schnell los, schreit schon fast panisch den Namen meiner Mutter. Ich muss tief durchatmen, aber selbst das tut so schlimm weh. Als würde mir jemand ein Messer in sie Brust rammen. Die vergangenen Tage hatte ich immer wieder Brustschmerzen, aber noch nie waren sie so unerträglich. Als ich Mama sehe, sehe ich auch das rote Haar von Susi, die mich damals während den Untersuchungen betreut hat. "Was ist los?" Sie kommt auf mich zu, fährt mir über mein beträntes Gesicht. "Sie wirkte verkrampft und total angespannt. Ich weiß nicht, was passiert ist." Ich schiele von Elif zu Ardan und zurück. Ich habe Angst, dass sich in dieser Unruhe die Werte verändern könnten und keiner es mitkriegt. "Cana, hast du Brustschmerzen?" Ich nicke. Starke. Extrem starke. Ich wage es wieder, einmal atmen zu wollen und schon wieder zucke ich voller Schmerzen zusammen. Die kleinen Atemstöße lassen meinen Kopf kreisen. Ich brauche mehr Luft. "Susi, einmal Nitrolingual. Schnell." Mama fährt mir besorgt über mein Gesicht.

"Alles wird gut, Süße. Das ist nur Stress." Meine Kurzatmigkeit bleibt. Ich traue mich nicht, richtig zu atmen. Es tut zu sehr weh. "Hier." Mama nimmt das rote Fläschchen aus Susis Hand, sprüht es dreimal in die Luft. "Cana, versuch so tief wie möglich einzuatmen und halte die Luft an. Du darfst das Spray nicht inhalieren, okay?" Ich nicke, atme so vorsichtig wie möglich ein. "Gut, Mund auf und Zunge hoch." Der erste Stoß erfolgt. Ich fühle mich unwohl. Mein Blick gleitet immer wieder zu Ardan. Er bemerkt nichts und ich bin so dankbar jetzt dafür. Sein Gesicht ist zu mir gedreht. Mir steigen schon wieder die Tränen auf. Es zieht in meiner Brust, aber dieser Schmerz ist nicht mit dem meiner Seele zu vergleichen. "Du kannst ausatmen." Ich tue es angestrengt. Mama dreht mein Gesicht zu sich. "Atme ein wenig durch, dann gebe ich dir noch einen Stoß, okay? Mach dir keinen Stress. Ihm geht es gut, Cana." Wenn es doch nur so einfach wäre, Mama. Ich atme tief durch, spüre aber immer wieder das Stechen. Es ist aber nicht mehr so stark. Der nächste Sprühstoß erfolgt und langsam spüre ich, wie ich mich entspannen kann. "Geht es?" Ich nicke müde, hebe die Zunge für den dritten Stoß an. "Okay", flüstert Mama beruhigend, als sie mir über meinen Arm fährt. "Du kannst jetzt wieder ausatmen." Ich tue es, nur um danach einen tieferen Atemzug zu nehmen. Mir ist noch ein wenig schwummrig. "Soll ich einen EKG-Raum bereitmachen?", fragt Susi, was Mama nickend bestätigt. "Trink etwas, Cana und dann gehen wir runter." "Was ist mit ihr passiert?" Elif fährt mir besorgt über mein Haar. Ich will sie nicht noch weiter belasten.

"Stress. Das hat sie leider von ihrer Mama", lächelt Mama traurig. "Ich nehme dich danach direkt mit nach Hause. Das tut dir nicht gut, Süße." Ich will nicht gehen. Ich will Ardan nicht verlassen. Ich schüttele den Kopf, als Mama mich bemitleidend ansieht. "Du kannst morgen wieder zu ihm. Jetzt gerade bist du belastet. Komm." Sie hilft mir auf, als sie mir ein Glas Wasser gibt, schaut sich noch einmal Ardan und seine Werte an, beugt sich zum Urinbeutel vor, der noch rot ist. "Sieht besser aus. Es wird schon wieder." Es wird schon wieder. Ich hoffe es so sehr. "Wirklich? Ist das nicht ungesund?", fragt Elif besorgt. Mama winkt ab. "Seine Nieren leisten perfekte Arbeit. Er weiß, dass er seine Schwiegermutter mit guter Organarbeit beeindrucken muss", schmunzelt sie und ich bin ihr so unfassbar dankbar, dass sie sowohl Elif als auch mir ein kleines Lächeln schenken kann. Schwiegermutter. Das erleichtert mich. "Mach dir nicht allzu viele Sorgen. Ich weiß, es ist schwer und es ist unerträglich, sein Kind so zu sehen, aber das wird schon wieder." Mama drückt Elifs Hände. "Weißt du, wann er wieder aus dem Koma erwacht?" "Ich lasse die Tage wieder Blut abnehmen und die Untersuchungen wieder verordnen. Ganz genau kann ich es nicht sagen, aber seine Organe haben sich gut erholt. Leber- und Nierenwerte sind gut. Ein wenig erhöht, aber das liegt an der akuten Entzündung, die stattfand. Es ist alles in bester Ordnung. Wir müssen nur Geduld haben." Geduld. Ich habe keine Geduld. Diese Ferien werden sich ziehen und trotzdem werde ich kein bisschen davon genießen können.

Ich schlinge meine Arme um ihn, will ihn gar nicht loslassen, als ich die kleinen Küsse auf seinem warmen Hals platziere. Ich will mich am liebsten zu ihn legen und ich beneide Elif dafür, dass sie hier bei ihm schlafen darf. "Kommt Cihan gleich?", fragt Mama im Hintergrund. "Ja. Also, wenn er darf." Ich weiß, dass Mama eine abwinkende Geste macht. "Er darf alles hier. Ich habe schon auf Station Bescheid gegeben. Solange es die anderen Patienten nicht mitbekommen, ist alles gut." Es wird still. Mama wartet. Ich muss runter mit ihr. Ich streiche ein letztes Mal über seine glatten Wangen, drücke ihm einen letzten Kuss auf seine Nase, ehe ich mich gänzlich von ihm trenne und Elif noch umarme. "Bis morgen, Cana." Ich nicke, zu bedrückt, um zu reden. Beim Austreten fühle ich mich schuldig, weil ich nicht noch ein letztes Mal nach Ardan schaue. Ich will wieder zurück zu ihm. Ich will meinen Kopf auf seinen Arm legen und über seinen Unterarm fahren. Mama fährt mir tröstend über meinen Rücken. Im EKG-Raum ziehe ich mir schon wissen den Pullover aus. Mama hat meine Jacke mitgenommen, wie ich erst jetzt bemerke. "Willst du ihr auch Blut abnehmen lassen?", fragt Susi. "Ja, Katecholamin. Mach auch LDH-Werte. Mach einfach alles." Schon wieder diese abwinkende Geste, die mich jetzt sogar ein wenig schmunzeln lässt. Während Susi mir das Blut abnimmt, übernimmt Mama das Anlegen der Elektroden. "Danach machen wir noch ein Echo", sagt sie zu Susi und lächelt mich beruhigend an.

"Hast du eigentlich schon gegessen?" Ich verneine es kopfschüttelnd. Ich habe gar nicht ans Essen gedacht. Nicht einmal, als Ardan wieder die Spezialnahrung über die Sonde zugeführt wurde. Mama schnalzt tadelnd mit der Zunge. "Cana, das ist nicht gut. Was willst du gleich essen?" Ich habe keinen Appetit. Meine Schultern zucken ahnungslos. Vielleicht ein wenig Puffreis. Die Tüte liegt seit Tagen neben mir auf meinem Bett. "Wir gehen danach schön etwas essen oder zumindest trinken. Dein Vater hat mich früher immer versucht zu mästen. Er mag seine Frau dick und weich." Ihr kleines Kichern lässt mich lächeln. Es tut gut, dass sie mich aufmuntert und das tut sie über die ganzen Untersuchungen über. Mein Herz sieht gut aus. Das EKG ist laut Mama in Ordnung. Sie will mich aber die nächsten Tage trotzdem untersuchen. "Aber erzähl deinem Vater nichts von dem Vorfall heute. Er wird sonst vor Sorge wieder Fieber kriegen." Ich nicke. Den Grund könnte ich ja sowieso nicht nennen, sonst wäre er wahrscheinlich der Nächste, der von Mama behandelt werden muss. Ich sitze mit Mama wieder an unserem Stammtisch im Restaurant. So wirklichen Hunger habe ich nicht. Vielleicht nehme ich einfach Süßkartoffelpommes oder so. "Du trägst eine neue Kette. Hat Ardan sie dir geschenkt?" Ich nicke und sie lächelt. "Sie ist schön. Sehr sogar. Schon einmal ein Pluspunkt", grinst sie. Mein Lächeln ist dieses Mal stärker. Mit Ardan als Freund kann man nur Pluspunkte sammeln. Er ist der perfekte Schwiegersohn. "Dein Vater hat mir auch diese Kette geschenkt. Er hat sie sogar selbst geformt." Sie hält stolz ihren goldenen Rosenanhänger hoch. "Ardan hat eine Blüte seiner ersten Rose in der Phiole verewigt." Ich räuspere mich einmal, als ich nun meine aller erste Kette hochhalte. Ihre Augenbrauen heben sich überrascht.

"Ach, die ist nicht von Yasmin und so?" Ouh, oje. Mir wird warm. Mich beruhigt einzig und alleine die Tatsache, dass sie belustigt schmunzelt. "Du kleine Lügnerin. Du bist ja schlimmer als ich." Hätte ich gewusst, dass sie doch so entspannt reagiert, hätte ich es niemals so weit kommen lassen müssen. Hätte ich es ihr gesagt, dann hätte sie eventuell nie erfahren, dass ich schon Sex hatte. Oh Gott, wenn ich wieder daran denke. Ich fahre mir schon verlegen über mein Gesicht. Mama ruft einen Kellner zu uns. Ich weiß immer noch nicht, was ich essen will und nenne die Süßkartoffelpommes mit Mayo, Samuraisoße und Cola. "Für mich auch und hol uns bitte einen großen Teller Sweet-Chili Garnelen. Danke." Mama lächelt nachträglich und wendet sich wieder mir zu. "Woran denkst du?" Ich weiß es nicht. Ich denke an Ardan, aber ich denke auch an nichts. Ich denke daran, wie ich an ihn denken soll und was. "Keine Ahnung. Das Ganze ist einfach so viel für mich." Mama nickt mitfühlend. "Ich verstehe dich, Cana. Dass du das in deinem jungen Alter durchmachen musst, ist bemerkenswert. Ihr schafft das. Von dem Schmerzensgeld, das er bekommt, könnt ihr euch ja einen schönen Urlaub machen, wenn ihr verheiratet seid", hustet sie am Ende. Ich schmunzele wieder. Es tut so gut, endlich eine bessere Laune zu haben. Heiraten. Ein Begriff, mit dem ich eigentlich bis zum Einschreiben an der Uni und selbst nach mehreren Semestern nichts zu tun haben wollte, bis ich grüne Augen in mein Herz gelassen habe. "Wann sollten wir denn heiraten?", frage ich unsicher. Ich habe keine Ahnung, wie es sein wird, aber ich will es trotzdem.

Mama entweicht nur ein Seufzen. "Macht nicht denselben Fehler wie dein Vater und ich und heiratet bitte früh islamisch. Für die Hochzeitsfeier danach ist noch viel Zeit." "Was empfiehlst du?" Ihr Lächeln wirkt einen kleinen Moment verzweifelt, als sie ihren Kopf schief legt. "Cana, Süße, ich hätte dir empfohlen, erst nach dem Studium oder im letzten Abschnitt zu heiraten, aber du hast ja jetzt schon Gedanken. Sobald er wieder komplett stabil und ansprechbar ist, können wir weitersehen. Ein wenig Geduld, meine Liebe. Ich sehe da deutlich die Gene deines Vaters", merkt sie am Ende neckend an. Mama greift über dem Tisch nach meiner Hand. "Es wird schon wieder. Wichtig ist es, sich jetzt nicht allzu sehr stressen. Dass tut dir überhaupt nicht gut. Morgen kannst du ja wieder zu ihm, aber jetzt isst du etwas." Passend dazu werden uns die Süßkartoffelpommes und die Garnelen gebracht. Die Getränke folgen darauf. Sobald Ardan wieder gesund ist, werde ich wieder mit ihm hier essen kommen. Wenn Mama wüsste, dass ich hier mit ihm ein Gespräch über Sex hatte ... oh Gott. "Aber er hat dich nie zu etwas gedrängt oder?" Wohl eher andersherum, Mama. Ich verneine es. "Du wolltest alles aus freien Stücken?" Jetzt nicke ich. "Ich war diejenige, die es wollte", nuschele ich und sofort weiten sich ihre Augen. Oje, war das zu viel? "Du kommst eins zu eins nach deinem Vater, unglaublich!", lacht sie fassungslos auf. Ich weiß nicht, ob das gut oder schlecht ist und ich will es gerade auch ehrlich gesagt lieber gar nicht wissen.

Mama hat mich gut ablenken können. Wir haben noch etwas getrunken und jeweils ein Stück Schokokuchen gegessen. Jetzt liege ich mit seinem Büchlein im Bett, lese mir all seine Zitate durch bis ich wieder auf der letzten Seite ankomme. Ich will auch etwas schreiben, aber ich will keine Seiten in seinem Büchlein verschwenden. Es ist immerhin seins. Deshalb habe ich mir kleine Zettel in der entsprechenden Größe der Seiten ausgeschnitten, die ich befüllen und beilegen will. Ich weiß nicht, was ich schreiben will. Ich weiß nur, dass ich schreiben will. Nur ein wenig, um mir Trost zu verschaffen. Träumt er? Ich will nicht, dass er so lange im Koma ist. Ich will seine Stimme hören. Ich habe in die Gruppe geschrieben, was passiert ist. Yasmin war schon drauf und dran, zu mir zu kommen, aber ich habe es auf morgen verschoben. Ich brauche gerade Zeit für mich. Zeit, um mir Gedanken zu machen, was ich schreiben könnte. Ich blättere wieder vor und zurück, fahre zärtlich über seine Schrift, die ganz anders ist als die seiner Notizen oder Klausuren. Viel ordentlicher. Viel schöner. Und kein Tag soll vergehen, an dem ich nicht ihren Herzschlag auf meiner Haut spüren darf. Und keine Nacht soll vergehen, in der ich nicht ihre Stimme genießen darf. Ich sehne mich genau danach. Ich will keinen Tag mehr vergehen lassen, an dem ich nicht seinen Herzschlag auf meiner Haut spüren darf und keine Nacht, in der ich nicht seine Stimme genießen darf. Ich will nie wieder eines dieser Sachen missen wollen.

Erinnerst du dich noch an all die Sachen, die wir wollten? Was wir alles geplant haben? Vom Zusammenziehen bis zum gemeinsamen Studieren an derselben Universität? Bis vor kurzem hätte ich all das nicht angezweifelt. Nur einen Moment. Ich glaube immer noch daran, aber ich habe unbeschreibliche Angst um dich, Ardan. Du hast dich von mir verabschiedet und ich habe auf dich gewartet. Ich warte immer noch auf dich. Ich sehe dich, aber ich höre dich nicht. Ich spüre dich, aber du spürst mich nicht. Es tut so unglaublich weh, dein Mopsi nicht hören zu können. Ich vermisse dich so sehr und doch gönne ich dir die Ruhe, die du jetzt verspüren darfst. Ich habe mir erst untersagt, so zu denken, aber du befindest dich jetzt in einem Zustand, in dem du nichts spürst, nichts denkst, nicht siehst. Du musst dir keine Sorgen machen. Du musst dir keine Gedanken machen. Du musst dich nicht verstecken. Sieh es als kleine Kur, auch wenn es für uns alle die Hölle ist. Du darfst das. Soll ich weitere Tage mit Weinen und Schmerzen erleiden, wenn es bedeutet, dass du glücklich und unbeschwert bleibst. Niemand könnte und kann mich so lieben wie du. Niemand könnte und kann mich so behandeln wie du. Durch niemanden könnte und kann ich so fühlen wie du. Ich will es auch nicht. Ich will nur deine grünen Augen wieder glänzen sehen.

Ich will dich wieder anmeckern, weil du mich in Verlegenheit bringst und was ich jetzt alles dafür tun würde, um dein Lachen zu hören. Dein so sanftes, melodisches Lachen. Deine so sanften Worte. Deine so schöne Wortwahl. Ich blättere seit Tagen in deinem Büchlein herum, habe deine Stimme im Kopf, die deine bedachten Worte durchliest und du kannst mir gar nicht glauben, wie mir jetzt bei der Erinnerung wieder die Tränen aufsteigen. Es ist ein schöner Schmerz, den ich mir antue. Er leistet mir Gesellschaft, jetzt, wo du weg bist. Ich werde dich morgen wieder besuchen. Ich werde dich jeden Tag besuchen bis du deine Augen wieder öffnest und eigenständig atmest. Solange nehme ich dir all das ab. Ich vermisse dich. Ich vermisse dich so sehr, dass es mir im Herzen wehtut. Du bist mein Herzensdieb. Du hast dich in mein Herz geschlichen, ohne meine Zustimmung. Du warst plötzlich da. Ich stelle mir dein Eintreten in mein Herz wie das Eintreten in unser Gewächshaus vor. Ich habe immer den Moment vor Augen, wie du vor mir stehst, umgeben von so viel sattem Grün und doch sticht nur die Farbe deiner Augen hervor. Immer und immer wieder. Es ist das Licht meiner Dunkelheit. Das Licht, das mein Herz erwärmt. Alleine der Gedanke an sie sorgt für Tränen in meinen Augen. Ich fühle mich so verbunden zu dir, Ardan. Ich kann mir nicht erklären, wie du es geschafft hast, aber ich bin dir dankbar dafür. So sehr.

Du wirktest immer so unerschütterlich, wenn ich mal keinen unanständigen Witz gebracht habe. Deine Ruhe ist mein Sedativum. Deine Berührung wirkt besser als jedes Schmerzmittel. Ich will mich niemals von dir trennen wollen. Nicht temporär. Nicht für immer. Ich will im Paradies wieder auf deine grünen Augen treffen und ich gehe jedes Opfer dafür ein. Ich stelle mir schon vor, wie wir gemeinsam in unserer Wohnung leben, islamisch verheiratet und du mir hilfst, die Philosophie des Islams zu verstehen. Ich stelle mir vor, wie du mit meinem Opa darüber redest, während wir im grünen Garten meiner Eltern sind. Ich stelle mir vor, wie deine Grübchen hervorstechen, weil du zu zufrieden lächelst. Die Zufriedenheit in deinen Zügen beruhigt jede Stelle meines Herzes. Es ist so faszinierend, dass du selbst in einem Zustand der Bewusstlosigkeit genau das ausstrahlst. Und dennoch kann ich nicht anders, als bei deinem Anblick zu weinen. Es tut mir weh, dich so zu sehen. Ich will dich nicht so sehen, auch wenn ich weiß, dass es nur das Beste für dich ist. Ich würde dich am liebsten zu mir nehmen und dich nie wieder loslassen wollen. Ich liebe dich. Ich brauche dich. Ich habe trotz der ärztlichen Absicherung Angst um dich. Ich will dich nicht verlieren und bei jedem Besuch und jedem Anblick, den ich jetzt durchhalten muss, habe ich genau diese Angst.

Du hast gesagt, sobald du aus der Narkose erwachst, heiraten wir, Ardan. Du musst dein Versprechen halten.

Es hat mit dem perfekten Kuss angefangen und jetzt wird es mit unzähligen Tränen fortgeführt bis wir es geschafft haben.

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Funfact: als ich auf das Lied gestoßen bin, hatte ich plötzlich ein anderes Ende im Kopf. Ein ganz anderes Ende. Ich hatte Ardans Beerdigung im Kopf und wie eine Wiedergeburt von ihm in Canas Leben tritt, aber dann dachte ich mir so: neeeee

- Helo

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