Die gesellschaftliche Situation 1848
Erst einmal vielen Dank, dass ihr auf meine Geschichte gestoßen seid!
Hier möchte ich jedoch noch ein Art "Glossar" anfügen, das -wie der Titel schon suggeriert- die Lage 1848 schildert. Ich versuche zwar, viel in der Geschichte zu erklären, aber seht das hier als eine Art Nachschlagwerk und Geschichtsstunde in schriftlicher Form, damit manche, die in dem Thema nicht so versiert sind, nicht direkt von der Handlung erschlagen werden.
Wer nur für das Drama hier ist oder bereits historisch perfekt informiert, kann gerne diesen Text überspringen ^^. Auch teile ich gerne meine Quellen.
Viel Spaß beim Lesen!
Obwohl ich viel Mühe in Recherche gesteckt habe, bin ich offen für historische Korrektur. Sollte euch also ein Fehler auffallen, schreibt es bitte in die Kommentare.
Karte um 1848
-die rote Linie markiert die Grenzen des Deutschen Bundes-
(Seht ihr, wie das Herzogtum Holstein zum Deutschen Bund und gleichzeitig zu Dänemark gehört? Und Schleswig auch zu Dänemark, obwohl die Mehrheit der Bevölkerung deutsch(sprachig) ist? Das wird später nach wichtig (*hust*zwei Kriege und der letzte mit Bismarck *hust*)
Der Deutsche Bund:
Lose Konföderation aus den deutschen Teilstaaten, die Abgesandte in den Bundestag in Frankfurt schicken (offiziell auch Bundesversammlung genannt, anders als bei uns heute ist das eher ein Diplomatentreff, bei dem recht wenig geschieht)
In ihm ringen Preußen und Österreich um die Vorherrschaft -> deutscher Dualismus.
Der Deutsche Bund wurde nach dem Wiener Kongress 1815 und der "Neuordnung Europas" gegründet.
Jedoch ist er keinesfalls ein Nationalstaat, den wollen Liberale und Demokraten jedoch im Lauf der Revolution errichten.
Pentarchie:
Bezeichnung der fünf Großmächte Europas, nämlich das zaristische Russland, Großbritannien, Preußen, Frankreich und das Kaisertum Österreich.
Sie sorgen für eine "Balance of Power" und verhindern, dass es eine einzige Hegemonialmacht in Europa gibt.
Heilige Allianz:
Allianz zwischen den konservativen Großmächten Preußen, Österreich und Russland, die sich auf das Gottesgnadentum ihrer Herrscher berufen.
Februarrevolution:
Frankreich ist seit dem Wiener Kongress wieder eine Monarchie, in der es 1830 zur Julirevolution kam, in welcher der liberale Bürgerkönig Louis-Philippe an die Macht kommt. Mit dem Alter wird er jedoch zusehenst konservativer und will die Vorrechte des Adels wiederherstellen, wodurch er während der Februarrevolution (nicht mit der 1917 in Russland zu verwechseln ;D ) abgesetzt wird. Dieses Ereignis gibt den Startschuss zur Märzrevolution.
Lage in Preußen:
Staatsform: absolutistische Monarchie, obwohl man das bei dem kargen preußischen Hofleben kaum glaubt :'D
Auch gibt es noch keine Gewaltenteilung, wie wir sie kennen und der König ist oberster Befehlshaber über die berüchtigte preußische Armee.
König: Friedrich Wilhelm IV. aus dem Geschlecht der Hohenzollern (protestantische Linie), glücklich verheiratet mit Elisabeth Ludovika von Bayern, die seine intellektuellen und feingeistigen Interessen teilt.
Er residiert im Winter im Berliner (Stadt)schloss, oft aber auch im Schloss Sanssouci.
Zumindest teilweise schien er der liberalen Bewegung nicht vollkommen abgeneigt zu sein und wusste, wie er sie nutzen sollte, um sich selbst zu inszenieren
Auch hat man ihn zeitgenössisch als "Romantiker auf dem Thron" bezeichnet.
Missernten und wirtschaftliche Depression:
Wer sich sehr für Wirtschaftsgeschichte interessiert, sollte bei dem Thema wohl eher in die Werke des Historiker Hans-Ulrich Wehler schnuppern.
Aber um es kurz zu machen: 1845 existierte eine Kartoffelfäule, die bis zu 50% Ernteausfall führte (teilweise sogar bis zu 75%). Da die sehr hohe Nachfrage nach Kartoffeln auf so eine kleine Menge Kartoffeln fokussiert waren, schnellten die Preise in die Höhe, nämlich um ca. 60%. Da diese Phase von einer Missernte im nächsten Jahr sowie einem scharfen Winter 1846/47 gefolgt wurde, erreichten die Preise nun ein überkritisches Niveau z.B. hatten sich die Preise für Weizen und Roggen seit 1845 verdreifacht.
Durch diese hohen Preise mussten Familien den größten Teil ihres Einkommens auf Nahrungsmittel fokussieren und ihre anderen Kaufwünsche zurückstellen, wodurch die Nachfrage bei Handwerkern sowie anderen Gewerbe massiv einbrach. Besonders, da man durch beginnende maschinelle Massenproduktion den Handwerkern ohnehin weniger bedurfte. Die ohnehin hohe Anzahl der Arbeitslosen bedingt durch hohen Zuzug aus ländlichen Regionen in die Städte (Urbanisierung), die nicht genug Arbeitsplätze für so viele Leute hatte, stieg daraufhin z.B. verloren 1846/47 12.000 Weber in Krefeld ihre Arbeit, da sich fast niemand mehr neue Kleidung leisten konnte und die Verleger keinen Stoff mehr produzieren ließen, da es nicht rentabel war.
Es ist nicht schwer zu verstehen, dass die hungernden und verzweifelten Menschen unzufrieden waren und sich hilflos fühlten. Viele gaben auch der Regierung die Schuld, da diese dem industriellen Zeitalter keine neuen Entfaltungsmöglichkeiten bot und sie in ihrem Leid allein ließ.
Besonders Berlin ist im Frühjahr 1848 besonders stark verarmt. 1847 kam es dort auch zur "Kartoffelrevolution".
Preußische Judenedikt von 1812:
Dieses Edikt machte jüdische Preußen zu vollen Staatsbürgern, die jedes Gewerbe ergreifen und sich frei im Land bewegen konnten. Lange Zeit war dem nicht der Fall, da die meisten Juden bis ins 18. Jahrhundert in Ghettos oder Judengassen leben mussten (obwohl sie bei letzterem teilweise noch Entscheidungsfreiheit hatten). Vorher durften Juden z.B. Durch den Zunftzwang sowie das Verbot, eine eigene Scholle zu bestellen, nur Händler, Geldwechsler, teilweise Ärzte oder Bankiers sein (z.B. die Anfänge der Rothschilds oder Itzigs sind berühmte Vertreter dieser "Branche").
Trotz diesem Edikt gab es die Regel, keinen Juden in den öffentlichen Dienst oder über Offiziersränge der Armee zu lassen (obwohl Wehrpflicht für sie bestand).
Bei "höchster Protektion" durch einen Adligen gab es jedoch Ausnahmen z.B. Meno Burg, der im Volksmund auch "Judenmajor" genannt wurde und der erste jüdische Stabsoffizier in Preußen wurde. Aber selbst obwohl er Veteran der Koalitionskriege war und unter dem "Schutz" von Prinz August von Preußen stand sowie hohe Beliebtheit in seinem Regiment besaß, beförderten ihn seine Vorgesetzten viel langsamer als Christen mit seinen Leistungen und Qualifikation.
An ihm ist auch unser lieber Ruben inspiriert ^^
Hoffaktor:
Zu dieser Zeit auch Hofagent oder Hofjude bezeichnet, waren von einem Herrscher beschäftige Bankiers und Kaufmänner, die meist jüdischer Herkunft waren , da einerseits wegen dem Zunftzwang viele Juden in diesem Sektor arbeiten mussten, wenn sie nicht verarmen wollten und andererseits die katholische Kirche für eine lange Zeit Christen das Nehmen von Zinsen verbot, wodurch eine Marktlücke entstand.
Obwohl teilweise ein enges Vertrauen zwischen Hoffaktor und Herrscher bestand (immerhin verwalteten die meistens ihr Vermögen) gehörte ein Hoffaktor oft zur Paria der Hofgesellschaft, da er oder sie oft als Sündenbock für verfehlte Fiskalpolitik des Herrschers den Kopf hinhalten musste.
Ein berühmtes Beispiel ist dafür Joseph Süß Oppenheimer, den man nach dem Tod des Herrschers, dem er diente, hinrichten ließ (anders als von den Nazis in "Jud Süß" dargestellt, war Oppenheimer weder ein Feigling, noch schickte er Württemberg in den finanziellen Ruin. Sein einziges "Verbrechen" war es, dass er eine Liebesbeziehung zu Christinen hatte und ernsthaft, dass das ein Verbrechen sein soll ist aus heutiger Sicht mehr als nur zu bezweifeln)
Ebenfalls zu Berühmtheit in dieser Position hat es Madame Kaulla geschafft, die in ihrer Zeit die reichste Frau Deutschlands war und eine der reichsten Personen in Europa und in ihrer Gemeinde karitativ tätig war als auch eine Talmudschule stiftete.
Trotzdem stimmt das damals und heute weit verbreitete Stereotyp nicht, dass alle Juden reich waren. Es gab die Hoffaktoren zwar als kleine Elite, doch durch die oben genannten Einschränkungen lebten viele Juden kleinbürgerlich/ärmlich.
Justizkommissar:
Die Bedeutung des Justizkommissar schwankte in Preußen und je mehr Zeit verging, desto mehr Rechte bekam er vor Gericht - denn anfangs waren die Richter in Preußen quasi noch Anwälte. Da man diese Rechtssystem aber als unfair wahrnahm, wurde der Justizkommissar, der seine Partei vorher nur schriftlich vertreten hat, zum preußischen Äquivalent eines Anwalts oder Advokat.
Trotzdem war es eine staatliche Stelle, für die man nicht nur ein Jurastudium, sondern auch eine feste Anstellung seitens Preußen brauchte.
(Ich sags' euch, das preußische Rechtssystem zu recherchieren war ein ganz schöner Brocken... xD)
Viele der Justizkommissare (und Anwälte in anderen deutschen Teilstaaten) sind meist liberal eingestellt und gelten als Hoffnung für eine gerechtere Justiz und Gewaltenteilung.
Junker: Preußische Adlige und Rittergutbesitzer aus Ostelbien. Obwohl die meisten von ihnen Offiziere sind, kommt ihr Hauptprofit aus der Verwaltungen ihrer landwirtschaftlichen Güter.
Im Laufe der Zeit wurde bei den Liberalen "Junker" gleichbedeutend für konservativ und militärisch sowie ein Symbol für reaktionäre Politik im Allgemeinen.
Berühmte Junker sind z.B. Otto von Bismarck und Paul von Hindenburg.
Rheinprovinz:
Neben dem Hauptland besitzt Preußen seit dem Wiener Kongress noch die ressourcenreiche Rheinprovinz (Rheinland und Westphalen). Da es aber von Preußen getrennt ist, musste Preußen den deutschen Zollverein gründen, um ohne große Kosten sowie Zölle Waren aus der Provinz ins Kernland zu transportieren und für Industrialisierung zu sorgen. Jedoch lässt Preußen aufgrund seiner Konkurrenz mit Österreich dieses nicht in diesen Zollverein beitreten, was vernichtende Wirkung auf Österreichs Wirtschaft hat, den Mitgliedsstaaten aber wirtschaftlichen Aufschwung verspricht.
Die Bewohner der Rheinprovinz bezeichnen sich oft als "Musspreußen" oder "Beutepreußen", da sie mit den protestantischen Preußen recht wenig anfangen können und sich teilweise auch "kolonialisiert" fühlen.
Burschenschaft:
Studentenverbindungen, die meist politisch sind und einen deutschen Nationalstaat unter konstitutioneller Monarchie wollen.
Sie entstanden dadurch, dass viele Studenten während der Befreiungskriege gegen Napoleon sich für das Lützowsche Freikorps meldeten, wo sie den Wunsch gegen Kleinstaaterei in Deutschland entwickelten.
Durch sie kam es auch zum Wartburgfest 1817, wo die Studenten einen deutschen Nationalstaat mit Verfassung forderten und gegen reaktionäre Politik protestierten.
Karlsbader Beschlüsse:
Galten im Gebiet des Deutschen Bunds und schränkten die Meinungsfreiheit massiv ein, ließen Universitäten und Burschenschaften überwachen, sprachen Berufsverbote für liberale Professoren aus und waren ein Mittel zur Zensur der Presse.
Sie entstanden, nachdem der Student Karl Ludwig Sand den konservativen und Liberalsimus- feindlichen Schriftsteller August von Kotzebue ermordete.
Großherzogtum Posen:
Ein Großteil der Bevölkerung dort ist polnisch, obwohl Polen nur als Puppenstaat Russlands in Form eines Königreichs existiert.
Nach dem Wiener Kongress wurde Posen Preußen zugeschlagen. Manchmal wird das auch als die "Vierte Teilung Polens" bezeichnet (auch wenn dieser Begriff auch für die Folgen des Molotow-Ribbentrop- Pakts verwendet wird, durch den Nazi-Deutschland und die Sowjetunion 1939 in Polen einfielen und es unter sich aufteilen (Deutschland am 1. und die Sowjetunion am 17. September)
Die meisten Polen streben jedoch nach Unabhängigkeit und sind bereit, diese auch über militante Wege zu erreichen, da sie sich wie Bürger zweiter Klasse behandelt fühlen. Dies lässt sich auch an dem Polenprozess von 1847 erkennen, wo man den Angeklagten vorwarf, Polen wieder auf die Größe vor der ersten Teilung aufleben lassen zu wollen)
Bedeutende Personen des polnischen Widerstands sind z.B. Ludwik Mierosławski und Karol Libelt.
Homosexualität:
Während Homosexualität z.B. in Frankreich, dem osmanischen Reich und Süddeutschen Ländern wie dem Königreich Bayern legal ist, da besonders Bayern aufgrund seins Bündnis mit Napoleon den Code Civil angenommen haben(da Napoleon Bonaparte diesen geschrieben und 1804 in seinem Machtbereich verpflichtet hat, Bayern zB. Ist seit dem Bogenhausener Vertrag mit Napoleon verbündet gewesen und stieg nicht zuletzt durch ihn vom Kurfürstentum zum Königreich auf, 1806 wurde Homosexualität in Bayern und somit im ersten deutschen Land vollkommen straffrei) sind Beziehungen zwischen zwei (oder mehr) Männern in Preußen verboten (Paragraph 143 im Preußischen Landrecht, ab dem Deutschen Kaiserreich Paragraph 175)
Seit 1794 gilt für Homosexuell Beziehungen nicht mehr die Todesstrafe, sondern (je nach Fall) Verbannung, Zuchthaus oder eine Prügelstrafe.
Trotzdem waren viele prominente Preußen selbst schwul oder bisexuell zB. Friedrich der Große und sein Bruder Heinrich (später auch Personen wie der "Kanonenkönig" Friedrich Krupp, Philipp zu Eulenburg und sein Liebenberger Kreis -> siehe Harden- Eulenburg- Affäre im Kaiserreich, jedoch mussten die leider sehr viel grausames ertragen...)
Lesbische Beziehungen hingegen sind im Paragraph 143 nicht eingeschlossen, da diese von der Gesellschaft als weniger "bedrohlich" wahrgenommen werden und man Frauen häufig eigene sexuelle oder romantische Ambitionen nicht zutraute. Trotzdem gab es damals ein Begriff für Lesben, nämlich "Sapphistinnen", benannt nach der griechischen und lesbischen Dichterin Sappho, die auf der Insel Lesbos lebte.
Ungefähr in dieser Zeit lebte auch Anne Lister, deren lesbische Beziehungen gut dokumentiert sind.
Der Tiergarten und die Bälle von Karl Heinrich Ulrich gelten in Berlin in den 1840ern und danach als Treffpunkt für queere Menschen.
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