Chào các bạn! Vì nhiều lý do từ nay Truyen2U chính thức đổi tên là Truyen247.Pro. Mong các bạn tiếp tục ủng hộ truy cập tên miền mới này nhé! Mãi yêu... ♥

6] Das Ende vom Anfang

Clemens war fest davon überzeugt, dass sein Tag nicht noch grässlicher werden konnte.
Damit fehlte er weit- sehr weit sogar.

Versunken in dröhnendem Schmerz und dem Samt einer Ottomane, hockte er im Berliner Schloss, während um ihn herum das Chaos herrschte.

Mochte Karl von Prittwitz auch die Umgebung des Schlosses konsequent von Barrikaden und Aufständigen gereinigt haben, so herrschte kopflose Endzeitstimmung in den prächtigen Gemäuern, die Andreas Schlüter als Zeichen der Kunst, nicht als Festung umrandet von Straßenschlachten, entworfen hatte.

Beamte, der Kastellan und selbst der Polizeipräsident Julius von Minutoli debattieren lautstark über die Situation, über Lösungen und eine Zukunft, die noch in ihren Fingern zu zerfallen schien.
Aber vorallem Minutolis fast schon friedliche Ansätze knallten gegen die radikalen Ansichten der Kamarilla und Militärs, die keine Kompromisse kannten, sondern bloß Sperrfeuer, Haubitzen und ausnahnslose Vernichtung.

Clemens hatte schon lange aufgegeben, in die Diskussion einsteigen zu wollen. Er war Soldat, kein Diplomat. Als solcher gehorchte er Befehlen und seinem König.

Vorallem traute er keinem seiner eigenen Gedanken mehr, seit ihm ein verängstigter Student der Pépinière und angehende Sanitätsoffizier den verletzten Arm verbunden und ihn mit dem Teufelszeug Laudanum abgefüllt hatte.
Schon nach der dritten Barrikade war die Klinge des Damoklesschwerts auf ihn herabgesaust. Dabei war es ohnehin schon schwer genug gewesen, die Pferde seines Schwadrons durch diesen Wirbelsturm zu navigieren, da hatte man ihn noch als Kommandeur ausgemacht, ihn gepackt, an ihm gezerrt und wie geifernde Hyänen vom Pferd gerissen, während seine Untergebenen die Säbel hatten schneiden und die Gewehre ihr bleiernes Lied singen lassen. Rote Flüssigkeiten klebte an Wänden, Rauch machte jeden Atemzug zu einer brennenden Qual und Scherben bohrten sich in Clemens Haut.
Irgendwo neben ihm erstarb ein nach Leben ringendes Röcheln.
Gestalten waren vor seinen Augen aufgetaucht, verschwommen und mit vor Hass verzogegenen Fratzen. Über pochende Glieder und schwirrenden Schädel hinweg hatte er blind nach seiner Perkussionspistole getastet, da rammte man ihm eine Mistgabel in den Arm.
Er hatte sein eigenes Blut sprudeln sehen, entsetzt auf die in seinem Fleisch versunkenen Zinken gestarrt ... Dann hatte Schmerz durch jede Faser seines Körpers gepeitscht.
Jemand schrie-er schrie und dann... Nun das nächste, an das er sich erinnerte waren die zitternde Finger des Subchirurgen und der pelzige Geschmack der Opiumtinktur.
Unfähig auch nur auf ein Pferd zu steigen hatte das Schicksal ihn dazu verdammt zu warten. Zu warten, bis Licht in diesen Nebel kam.
Das Berliner Schloss war wohl der beste Ort dafür-näher an das panisch schlagende Herz und Zentrum dieses Aufstands käme er nicht. Und es war besser als Zuhause ertragen zu müssen. Alles war besser als sein Zuhause ertragen zu müssen.

Also starrte er nur finster auf ein Porträt von Friedrich dem Großen, dessen Blick in zu tadeln schien wie einen Angehörigen der Sexta und knirschte unzufrieden mit den Zähnen.
Hinter den großen Fenstern herrschte tiefste Nacht, illuminiert von blitzendem Mündungsfeuer und am Horizont lodernden Flammen.

Doch während ihn dieser Anblick der blanken Zerstörung bloß resignierte, musste er mehrfach blinzeln, als eine bekannte Person in den Salon schlitterte.
Für einen Moment hielt er er sie nur für eine Illusion des Laudanums, aber tatsächlich stand dort seine braunhaarige Quelle der Kopfschmerzen, keine zehn Meter von ihm entfernt und mit dem Ausdruck grenzenloser Überforderng auf dem Gesicht.

Es brauchte zähe Sekunden, bis auch Ruben ihn in der verwzeifelnden und zuckenden Menge auszumachen schien.
Bei Clemens Anblick würde er aschfahl, dann stürzte er auf ihn zu.

Der Premierleutnant wollte aufstehen, seinen Freund in Empfang nehmen, aber seine geschundenen Glieder protestierten mit brennenden Schmerz und er sackte erschreckend kraftlos zurück in das Polster, während Ruben atemlos und mit fiebrigen Blick vor ihm stehenblieb.

"Was ist passiert?", sprudelte es aus ihm. "Du siehst so aus, als wärst Du im Zoologischen Garten unter den Fuß eines Elefanten geraten."

"Na vielen Dank auch", brummte der Offizier, antwortete dann aber zerknirscht. "Ich bin eher unter mein Pferd und die Mistgabel einer dieser revolutionären Zecken gekommen."

Scharf zog Ruben die Luft ein, dann biss er sich auf die Unterlippe.
"Tut es sehr weh? Kann ich etwas für dich tun?", hakte er dann vorsichtig nach.

Clemens schüttelte matt den Kopf.
"Außer du kannst was zu Essen aus seinem Ärmel zaubern. Ich habe seit Stunden nur Brot und Branntwein erhalten und davon nicht mal viel."

Und dann hörte er es. Den leisen, melodischen Klang Rubens Lachen. Es kratzte etwas, war unsicher und doch meinte Clemens, glücklich in seiner Wärme ertrinken zu wollen.
Schnell schob er den Gedanken beiseite.

"Sieh uns doch an", schmunzelte er. "Wir sehen aus, als kämen wir aus der Jauchegrube gekrochen."
Erst dann fielen Clemens die Spuren von Ruß und Schmauch auf Rubens adretter Kleidung auf, auch sein Vatermörderkragen klappte ohne Halsbinde traurig hinab.
Der distinguierte Justizkommissar hatte klare Verluste zu verzeichnen.
Aber in seinen Augen erkannte er das unsichere Flackern des Scham, gemeinsam mit dem Gefühl, ein Schmutzfleck auf einem erlesenen Gewand zu sein.
Er wirkte falsch vor einem Hintergrund, wo prächtige Krinoline, steife Uniformen und edle Fracks im Licht der Lüster schimmrrten.
Also schnaubte Clemens:"Du bist der charmante  Schornsteinfeger, mich hat die Völkerschkacht bei Leipzig erbrochen. Wir passen einfach zusammen."

Sein Gegenüber schmunzelte müde, dann meinte er:"Zumindest deinem Hunger kann ich Abhilfe verschaffen."

Fast mühelos trat Ruben zur Seite und nahm etwas Gebäck von einem Silbertablett von einem Tisch.

Perplex betrachtete Clemens das Stück Teig, das frisch in seiner Hand lag.
Was stellte Laudanum mit seinem schier vibrierenden Schädel an, dass selbst seine Umgebung kaum mehr für ihn Sinn ergab?
Schaudernd schüttelte er den Kopf. Er hasste diesen Verlust der Kontrolle, genauso wie das Ausbleiben der Sicherheit. Er verachtete es regelrecht und diese gesamte Situation, deren Ende irgdndwo in der Trübnis eines dichten Nebels schwamm.

"Weißt du", setzte Ruben zögernd an und ließ seinen Blick schweifen, während Clemens ohne Rücksicht auf Verluste einen Spritzkuchen nach dem anderen zwischen seinen Zähnen eliminierte- ähnlich wie Friedrich der Große die Österreicher bei der Schlacht bei Leuthen, nur definitiv schmackhafter. "Mein Vater wollte, dass ich hierher komme... Hast du ihn gesehen?"

Bei den Worten glitt automatisch ein frostiger Schauder über Clemens Rücken.
Sein Vater möchte ihn wenigstens bei sich  haben...
Der Gedanke war knapp, irrational und doch löste er ein schmerzhaften Ziehen in Clemens Brust aus. Automatisch presste er seine Lippen stärker aufeinander, bevor er den Kopf schüttelte.

"Vielleicht ist er ja bei seiner Majestät?", vermutete Ruben schulterzuckend, dann konnte er sich ein leichtes Grinsen kaum verkneifen. "Die beiden sollen ein gutes Verhältnis gehabt haben. Zumindest hat sich Vater immer romantische Werke aus seinem Privatbesitz ausgeliehen."

Aber Clemens machte die Hoffnung verneinend zunichte.
"General und Stadtgouverneur Karl von Prittwitz bezieht die Position schon. Seit Mitternacht diskutiert er hinter versiegelten Türen mit dem König."

Im goldenen Licht des Schlosses schien Rubens Gesicht noch fahler zu werden. Clemens meinte für einen Wimpenrschlag, in eine Marmorbüste zu starren.

Es war klar, was Ruben mit dem General  verband.
Hatte sich der vorherige Gouverneur Ernst von Pfuel noch zwischen Gewehre und Demonstranten gestellt, befahl von Prittwitz die Musketen zu laden. Grimmig, ein Feind des Kompromiss. Ein Feind des Liberalismus und Verfechter des Alten.
Bei von Prittwitz dachte man an Kartätsche, an zerfetzte Körper und keinen Skrupel vor ausgebombten Städten, die Rauch weinten.

"Er ist unser König. Als solcher ist er zweifelsfrei in der Lage die vernünftigste Entscheidung zu treffen", wandte er rasch ein, dazu gewillt, daß Thema damit abzusägen. Ruben und er würden dort niemals übereinstimmen. Sie mochten Freunde sein, sich über alle Barrikaden hinweg vertrauen und doch führten sie zwei drastisch verschiedene Leben, waren Angehöriger unterschiedlicher Klassen und unterschiedlichen Glaubens. Sie hatten eine unterschiedliche Vergangenheit und eine unterschiedliche Zukunft. Ruben war Jude, er Junker. Er war ein sozialer Aufsteiger, Clemens konnte sich auf eine schillernde Ahnengalerie stützen.
Sie trennte mehr als sie einte. Und doch war er dankbar dafür, dass sich ihre Schicksalstränge miteinander verflochten.
Stattdessen ergänzte er  also gedanklich Auf von Prittwitz zu hören ist die einzige vernünftige Vorgehensweise.
Wer vor Radikalen einknickt und Macht demonstriert, kann schon direkt die weiße Fahne hissen... oder nicht?
Noch  einmal warf er einen Blick nach draußen. Dumpf klang Kampflärm in das Schloss, eine Erschütterung jagte durch den Boden. Zweifelsfrei ein Werk der schweren Artillerie.
Er schluckte, dann griff er nach Rubens Hand und zog ihn neben sich auf die Ottomane.

"Wir können doch nicht einfach zusehen, wie Menschen sterben!", beschwerte sich Ruben und fuhr sich verzweifelt durch die dunklen Locken.  "Wir sind hier, können wir da nicht etwas verändern?"

"Der Gedanke ist ziemlich gutgläubig", erwiderte Clemens blechern, gestand aber ein:"Trotzdem bis du jetzt am Kern der Macht. Näher kommst du nicht."

Schritte drangen dumpf schlagend an sein Ohr und Karl Ludwig von Prittwitz marschierte mit klirrenden Epauletten und perfektem Schnauzer in den Saal.

Ein Licht huschte über Rubens Gesicht.
"Eine Audienz", murmelte er. "Ich könnte bei seiner Majestät erbitten. Wenn ich ihm dann die katastrophalen Umstände schildere.... er wird auf die Liberalen hören müssen!"

"Das sind aber keine Liberalen, die da auf die Barrikaden gehen, sondern wilder Pöbel", zischte er zurück. "Die sind aus der Oranienburger Vorstadt gekrochen, nicht aus einem deiner tollen Lesekabinette oder literarischen Salons. Sie sind auf Krawall aus, nicht auf Veränderung."

"Aber sie haben die selben Wünsche und Probleme wie die Liberalen, wenn nicht sogar noch schlimmere", konterte der Advokat. "Man gibt ihnen keine Chance ihrem Schicksal zu entfliehen und über die Politik mitzubekommen, deswegen entlädt sich ihr Frust jetzt an der staatlichen Gewalt und den Soldaten, weil sie keine andere Art kennen, ihre Meinung so einzubringen, dass man sie ernst nimmt! Der König hat aber die Möglichkeit, ihren Stimmen dieses Gewicht zu geben. Durch Wahlen, die nicht nach einem Zensuswahlrecht verlaufen. Durch  Förderung der Gewerkschaften."

Clemens schnaubte, doch ein Teil von ihm lauschte dem Kampflärm, der dumpf durch die großen Rundbogenfenster drang. Erneut wanderten seine Gedanken zu den Gefechten der letzten Stunden. Zu dem rostigen Gestank von Blut, zu der Zerstörung und den Leichen.

Ruben schnellte hoch, doch Clemens Händedruck verstärkte sich.

"Warte!", stolperte es über seine Lippen.
Verwundert blickte sein Freund aus diesen wundersamen blauen Augen auf ihn.
Alles in Clemens versteifte sich und er brachte hervor : "Lass mich dich begleiten. Ein Offizier an deiner Seite konnte dein Einlass zu seiner Majestät vereinfachen."

"Das musst du nicht für mich tun", protestierte Ruben. "Ich weiß, du teilst meine Meinung keinesfalls, das musst  du auch gar nicht. Denkst du etwa, ich würde dich weniger mögen, wenn du meine politischen Ansprüche nicht unterstützt? So bin ich nicht."
In diesem Moment schien der Mann vor ihm weniger wie ein Justizkommissar und knallharter Liberaler, sondern wie ein klatschnasser Welpe.

Der Offizier seufzte.
"Du hast recht, ich teile deine Meinung nicht. Nicht wirklich. Aber du bist mein Freund", erklärte er nüchtern. "Außerdem kannst du mir so zeigen, inwiefern diese Volksvertretung überhaupt funktionieren soll. Erwarte aber nicht, dass ich den König für dich bequatsche."

Ein Glühen flackerte im Blick seines Gegenübers auf. Besorgniserregend erfreut über Clemens doch eher eingeschränktes Versprechen zog der mit dem Offizier direkt hinter sich los, nachdem er seine überhestreifte Robe auszog und neben seiner Ausgabe des preußischen Landrechts auf ihrer Ottomsne geparkt hatte.
Das Laudanum kann der einzige Grund sein, warum ich das mit mir machen lassen, dachte er martialisch,

"Ruben!"
Die beiden wollten gerade den Korridor Richtung König einschlagen, da kam ihnen ein gedrungener Mann mit stahlgrauem Haar, piekfeinen Frack und  warmen Rehaugen entgegen.
Es war zweifelsfrei  Jakob Salzmann, Bankier, Vater und fast so etwas wie ein Freund von Friedrich Wilhelm IV.
Bei diesem Anblick hellte ein Lächeln das Gesicht seines Freundes auf.

Als Jakob jedoch  Clemens erkannte, neigte er rasch seinen Kopf und murmelte "Hochwohlgeboren", dann wandte er sich wieder  seinem Sohn zu und legte seine Hände erleichtert auf dessen Schultern. Der Premierleutnant hingegen wurde zu einem Schatten degradiert.
"Ein Glück, dass du da bist!"

"Ja, aber wieso sollte ich denn überhaupt hierher?"

Der Vater seines Freundes biss sich auf die Unterlippe.

"Ich habe den Verdacht, dass Friedrich Wilhelm im Begriff ist, einen gewaltigen Fehler zu begehen. Du weißt aber, wie die Bewegung aussiehst, die da unten tobt. Ich glaube, du kannst am besten darüber berichten. Außerdem..." Der kleine Mann rang sichtlich mit den Worten. "Deine Wohnung im Scheunenviertel ist riskant. Du steckst zwischen mittellosen Dienstboten, Gesellen, verarmten Handwerkern  und Hilfsarbeitern. Also die, die gerade Barrikaden errichten. Denn in den Provinziallandtagen sind sie unterrepräsentiert. Und selbst bei  dem ersten Vereinigten Landtag waren wir als Bürgertum nicht vertreten... und sogar der wurde aufgelöst. Ich habe mir einfach Sorgen gemacht. Im Schloss bist du sicherer, genauso wie Mutter und die Zwillinge im Palais." Der Mann seufzte schwer. Erst jetzt fielen Clemens die dunklen Ringe unter seinen den Augen auf, genau wie die seltsame Art, wie er Scheunenviertel aussprach. Wie ein Muttersprachler, der nach Jahren im Ausland in die Heimat kam und über jedes Wort stolperte, das ihm vor Jahren noch bis  in die Knochen gebrannt war.

Verwirrt runzelte er die Stirn, da hakte Ruben noch nach: "Dass heißt, du willst, dass wir mit dem König sprechen?"

Noch während der Bankier widerwillig nickte, fiel Clemens ihm frostig ins Wort: "Und genau dies hatten wir auch vor. Vielleicht sollten wir uns auch darauf fokussieren."

Gott, er wollte diese erniedrigende Erfahrung einfach hinter sich bringen. Zumindest zwang er sich, das als inneren Grund zu nennen.

Wahrscheinlich ertrug er nicht den Anblick von Jakob, der seinen Sohn so normal behandelte, so gleichgestellt. Er wollte, dass Ruben da war. Er vertraute ihm und seinen Fähigkeiten. Er sorgte sich um ihn, achtete ihn. Es war alles, was er in seiner Kindheit nicht gehabt hatte. Ein Nichts, das von all dem Geld, den Zinnsoldaten und endlosen Gutshöfen nicht ausgefüllt hatte werden können. Genau diese Leere und Kälte der letzten Jahren bohrte sich wie ein Splitter in sein Herz. Genauso wie die Gewissheit, dass alles anders hätte sein können.

In diesen Momenten konnte er verstehen, warum seine Mutter Ludovika sich nach der Heirat zu einer Alkoholikerin gewandelt hatte, die junge Frau aber , lachend und beherzt, jedoch im Garten vergraben. Erst war es ein Glas Wein am Abend, dann Hofmannstropfen für die Nerven. Ein halbes Jahr später eine ganze Flasche, dann noch eine. Wahrscheinlich ließ sie sich auch jetzt volllaufen. Mit Brandy, Riesling aus der Rheinprovinz  oder irgendeiner anderen überteuerten Spirituose, die ihren Geist in andere Welten katapultierte. Nur weg von hier. Weg von Vater, weg von Clemens, weg von allem, das ihr Leben ausmachte. Ertrinken im Rausch war besser als jeden Tag ein wenig in diesem goldenen Käfig  zu sterben.

Ruben lächelte noch entschuldigend, zog mit dem Premierleutnant weiter, da unterbrach sie ein heiseres: "Aber pass auf dich auf, ja?"

Ruben nickte, ergänzte ein "Natürlich", da fügte der Vater noch an: "Das meine ich Ernst. Wenn du zum König gehst, dann spricht mindestens einer vom Weltjudentum, von der jüdischen Weltverschwörung und dass du was weiß ich mit dem König anstellen wirst .Also gibt Acht auf dich, ja? Sie können nicht wissen, was in deinem Herzen ist."

Aber Ruben stieß nur ein Lachen aus. Ein schrecklich blechernes, zittriges Lachen. Clemens sah es, das Zucken in seinem Gesicht, das Blinken der Angst und des Zorns  in seinen Augen, als er spottete: "Dann müssen wir aber grottenschlecht darin sein, die Welt zu beherrschen, wenn Menschen wie Alphonse Toussenel ununterbrochen hetzen dürfen und leben. Von der Damaskusaffäre ganz zu schweigen." 

Die beiden lächelten sich noch ein letztes Mal wehmütig zu, da stapfte Ruben zittrig weiter- aber wohl nicht ganz so unverblühmt, wie gehofft.

Leise räusperte sich Clemens. "Wenn es dir nicht gut geht-", setzte er an, aber Ruben schüttelte heftig den Kopf. "Wir müssen das machen. Sonst macht das am Ende keiner."

Wahrscheinlich war es in diesem Moment ohnehin zu spät, um umzukehren.

Zwei Offiziere hatten sich vor ihnen aufgebaut und flankierten den Eingang zum Apartment seiner Majestät. Ihre Epauletten glänzten, die Bärte waren penibel gestutzt und die Augen hart glänzend wie Diamant. Vielleicht waren es die Flügeladjutanten des Königs? Der Premierleutnant bezweifelte es. Diese waren nämlich Feder und Stimme des Monarchen, verlängerte Arme. Sie hatten besseres zu tun, als starr und steif die Türflügel zu bewachen.

Sein Freund straffte die Schultern, richtete seine Weste und trat auf die beiden zu.

"Darf ich gestatten? Ich bin Ruben Salzmann, Justizkommissar dieses Staates. Mein Begleiter ist der Herr Premierleutnant und Freiherr Clemens Gottlieb von Hohenschönen. Wir erbitten dringend und mit großer Hoffnung eine Audienz bei seiner Majestät. Es geht um etwas, das unsere Zukunft besiegeln könnte."

Die Offiziere zuckten nicht einmal mit der Braue. Stattdessen schmetterten sie ihnen ein bloßes "Nein" entgegen.

Die Augen des Juristen weiteten sich, er wollte erneut ansetzen, da  fuhr ihn der kleinere der Offiziere entnervt an: "Denken Sie, der König wird sich mit Leuten wie euch abgeben? Zu dieser Zeit? Falls Sie es nicht mitbekommen haben unsere Stadt fackelt gerade ab und wir schießen die halbe Bevölkerung zusammen."

"Genau deswegen sind wir ja hier", betonte Ruben fast verzweifelt, aber er erntete nur zwei gerümpfte Nasen.

Hörbar knirschte Clemens mit den Zähnen, dann krampfte sich seine gesunde Hand zu einer Faust zusammen.
"Verziehen Sie sich endlich!", forderte der Größere nun barsch.

Das ging zu weit. Deutlich. Er war Clemens von Hohenschönen, Freiherr und in naher Zukunft eindeutig ein glorreicher General, dessen Namen man neben den von Gaius Iulius Caesar, Gustav Adolf von Schweden und Gebhard von Blücher gravieren würde.

Er war ein glänzender Rohdiamant, sie stanken wie Kuhfladen.

Und diese...  aufgeblähten Taugenichtse wagten es nicht nur seinen Stolz, sondern auch ihn und seinen Freund zu beleidigen.

"Haben Sie nicht zugehört, meine Herren?", zischte er zwischen zusammengepressten Zähnen hervor. "Ich bin ein Junker und Offizier, mein Begleiter ein wichtiger Beamte, der als Verteidiger im Jahrhundertprozess letztes Jahr gegen die Polen zugegen war. Uns gegenüber erwarte ich nicht nur etwas mehr Respekt, sondern auch Einlass zu seiner Majestät. Wir beide waren schon draußen vor den Barrikaden, haben die Meute gesehen und die Konsequenzen gespürt, aber Sie? Wo waren Sie? Denken Sie,  Sie könnten die Lage besser einschätzen?"

Doch während Clemens die zwei Herren zu Tode starren zu schien, in der festen Erwartung, die  drei magischen Buchstaben VON vor seinem Nachnahmen würden die Tür wie ein "Sesam" aufschnellen lassen, zogen die Offiziere nur unbeeindruckt ihre Augenbrauen in die Höhe.

"Clemens", raunte Ruben warnend, aber die Hybris des Premierleutnants schlug zu und jagte jede politische Vorstellung aus seinem Kopf. Sein ganzes Leben hatte er still und mit Demut zugelassen, dass man ihn abschob und ignorierte. Zuhause hatte man ihn nicht gewollt, erst hatte man ihn in die Plamannsche Erziehungsanstalt verbannt, dann in einer Kadettenanstalt vergessen.

Er würde nicht mehr schweigen, er würde niemals mehr weichen. Er war Clemens, mit Reichtum geboren, mit blauem Blut in den Adern aber ohne Sieg im Blut, ohne Liebe im Herz, ohne Zukunft. Aber wie Preußen hatte er sich entgegen aller Umstände selbst zu einer Macht gewandelt, die den Ton angab.

Also trat er unverwandt vor und klopfte gegen die Tür.

"Sind Sie wahnsinnig?", schnappte der Major, packte Clemens und schleuderte ihn einige Schritt zurück. Rubens beherzter Eingriff und seine Armee fingen ihn auf, bevor er gegen die Wand donnerte.

Aber hinter der Tür ertönte nur gereizt ein: "Herein! Was will man denn nun von mir?"

Die Offiziere starrten ihn nur entgeistert und perplex an, als der Blondhaarige an Rubens Ärmel zupfte und ein süffisantes Lächeln sich auf seinen Zügen ausbreitete wie ein ekelhaft süßes Parfum. Ihre Starre veränderte sich nicht einen Hauch, als die beiden Männer dem Befehl des Monarchen brav gehorchten und begleitet von einer knarzenden Tür in seine Wohnung traten.

Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro