8 - Shots auf leeren Magen
Patrick starrt mich ungläubig an. Er steht in der Tür und trägt einen Anzug, der zugegebenermassen gut an ihm aussieht. Gott sei Dank hat er keine Krawatte an, weil sonst hätte ich auf dem Absatz sofort kehrt gemacht und wäre abgehauen. Ich hasse Krawatten an Männern.
„Emma?", haucht er in die Nachtluft.
„Ich dachte ich komme doch noch", antworte ich mit einem künstlichen Lächeln.
Etwas schüchtern stehe ich vor seiner Wohnungstür in der kalten Nacht und habe die Arme vor mir verschränkt. Mein schwarzer Mantel ist eng um meinen Körper geschlungen und meine Zehen sind in den Pumps wahrscheinlich schon eingefroren. Es ist auch wirklich scheisskalt heute!
Meine Woche war so schrecklich, dass ich spontan entschlossen habe, Patricks Einladung anzunehmen – ohne ihn aber darüber in Kenntnis zu setzen. Ich muss mir dringend den Kopf mit Spirituosen klären und da kommt seine Einweihungsparty mehr als gelegen.
Er mustert mich überrascht. Seine grünen Augen schimmern irgendwie glücklich und mich überkommt bei seinem Anblick ein merkwürdiges Gefühl. Hege ich etwa Sympathien für dieses Schwein? Nein – sage ich mir. Ich bin nur hier wegen des Alkohols und der fettmachenden Snacks.
Selbst wenn ich bis ins Zentrum von Zürich gefahren bin, bloss um eine ausufernde Party zu feiern, habe ich mich für meine Verhältnisse dennoch total aufgebrezelt. Ich trage Mascara und Kajal und habe mich sogar mit einem Parfüm betupft. Midnight Rose von Lâncome. Riecht wirklich gut, ich finde mich selbst lecker. Der wadenlange schwarze Faltenrock und die blaue Bluse stehen mir auch gut.
„Na dann, komm rein", reagiert Patrick dann endlich.
Ich will eintreten, da schlingt er ganz unerwartet seine Arme um meinen Körper und drückt mich an sich. Patrick umarmt mich und ich bin so perplex, dass ich die Umarmung automatisch erwidere, auch wenn sich mein Magen dagegen sträubt. Was soll's, vielleicht begrüsst Patrick ja jeden so. Bisschen Körperkontakt mit einem Mann hatte ich seit Ewigkeiten sowieso nicht mehr.
Meine Nase registriert einen Geruch nach Pfefferminze und ich bin überrascht, dass dieser Schweinehund so frisch riecht. Ich lächle schief, als er sich endlich von der Umarmung löst und mich in seine Wohnung geleitet. Von Weitem höre ich den Bass der lauten Musik und das Stimmenwirrwarr der bereits anwesenden Partygäste.
Während ich von Patrick durch seine Wohnung dirigiert werde, fühle ich seine Hand auf meinem Kreuz. Der hat sie dort noch nicht weggenommen, sondern drückt mich in eine Richtung, die uns weg von den Gästen bringt. Wir biegen um die Ecke und gehen einen länglichen Gang entlang, an dessen Ende eine Tür halb offen steht. Der Gang ist dunkel und nur hinter der Tür leuchtet ein schwaches Licht. Unwillkürlich schlinge ich meine Arme um meinen Oberkörper. Seine Wohnung ist zwar modern, aber irgendwie wirkt dieser Gang unheimlich. Und vor allem ist es mir zu dunkel. Er stösst die Tür auf und ich erkenne, dass es sein Schlafzimmer sein muss.
„Dein Mantel?", sagt er.
Irgendwie habe ich das Gefühl, dass er viel zu nahe hinter mir steht. Hastig schlüpfe ich mit seiner Hilfe aus dem Mantel, den er dann elegant an einen Haken hinter seiner Zimmertür hängt. Ich sehe da nur meinen Mantel hängen und frage mich, wo die anderen Gäste denn ihre Jacken und Umhänge hingelegt haben.
Ich will gerade aus dem Zimmer gehen, da hält mich Patrick an der Hand zurück und zieht mich zu sich heran, sodass ich ihm ins Gesicht blicken muss. Seine grünen Augen glänzen. Er muss schon einiges getrunken haben, denn seine Wangen sind leicht gerötet.
„Es freut mich wirklich sehr, dass du da bist", raunt er und blickt mir tief in die Augen.
Ich lächle nur als Antwort, denn irgendwie bringe ich gerade keinen Ton aus mir heraus. Sein Blick wandert von meinem Gesicht über meinen Körper und jetzt fühle ich mich erst recht exponiert. Ich bereue es, mich so schick gemacht zu haben.
Meine königsblaue Bluse liegt eng an Tina und Nina und betont meine schmale Taille. Der Faltenrock kaschiert geschickt meinen etwas zu breiten Hintern und die dicken Oberschenkel. Ich erinnere mich daran, wie mein Ex dieses Outfit immer sehr heiss an mir gefunden hat. Dieselbe Wirkung muss es wohl auf Patrick haben, denn ein dunkler Schatten wirft sich plötzlich über sein Gesicht, als er mit den Augen an meinem grosszügigen Dekolleté hängen bleibt.
„Ich habe Durst", versuche ich das Knistern in der Luft zu löschen.
In diesem Zimmer herrscht eine sexuelle Spannung, die ich so nicht haben will. Ich möchte schleunigst hier raus und mich unter die Leute mischen. Mit Patrick ganz alleine fühle ich mich nicht wohl. Das scheint ihn aus seiner lüsternen Trance geweckt zu haben, denn er öffnet die Tür zu seinem Zimmer und nickt.
„Natürlich! Ich bin ein schlechter Gastgeber. Komm, lass uns in die Stube gehen. Wir haben Prosecco, Wein, Bier und Cola kaltgestellt. Was willst du trinken?", fragt er dann und begleitet mich den Gang entlang zurück ins Wohnzimmer.
Das flaue Gefühl in meinem Magen verfliegt, als wir uns zur Partymeute begeben. Mir stockt der Atem beim Anblick des grosszügig geschnittenen Wohnzimmers. Eine Fensterfront mit weiter Terrasse bietet uns einen atemberaubenden Ausblick über Zürich und den See. Wir drücken uns durch eine Gruppe von Männern, die uns im Weg stehen und alle offensichtlich aus dem Vertrieb sein müssen, denn sie tragen zu meinem Grauen rote Krawatten. Diese Menschen müssen in ihren Anzügen schlafen, denn noch nie habe ich jemanden aus dem Verkauf in Schlabberhose gesehen. Die wollen immer wie geschleckt aussehen. Echt widerlich.
Die Männer werfen mir den üblichen hungrigen Blick zu, mit welchem sie sich in ihren Köpfen vorstellen, wie ich wohl nackt aussehen muss. Ich grinse schief, denn ich weiss, dass das etwas ist, was sie garantiert nicht sehen wollen. Aber die Fantasie ist bekanntlich immer besser als die Realität. Und betrunkenen Männern muss man nichts vormachen. Die finden alles schön, was ein paar Brüste und zwei Beine hat.
Patrick läuft um die Kücheninsel mit dunklen Granitplatten. Ich wünsche mir auch irgendwann einmal eine Insel in meiner Traumküche. Auch wenn ich nicht wirklich gut kochen kann, will ich für das Chaos, das ich veranstalte, wenn ich mich mal in die Küche wage, genügend Freiraum haben.
Das Klirren der Flaschen im Kühlschrank lässt mich aus meinen Gedanken fallen.
„Also, was willst du?", fragt er, ohne mich anzublicken. Er schnappt sich selbst eine Bierflasche, öffnet den Drehverschluss mit der baren Hand und befördert den Aludeckel ins Spülbecken.
„Wodka", sage ich dann und kassiere dafür einen fragenden Blick seinerseits. Ich habe die Gorbatschow Flasche von Weitem schon erkannt. Das Blau ist unverkennbar.
„Du willst gleich zum harten Zeug greifen?"
„Oh ja! Ich habe es bitter nötig! Glaube mir."
Patrick legt den Kopf schief und mustert mich mit ernster Sorge im Gesicht.
„Alles okay?", fragt er dann und schenkt mir ein Shotglas Wodka ein.
Aus einem mir unerklärlichen Grund finde ich seine Fürsorge ganz niedlich. Schon wieder ertappe ich mich dabei, wie ich Zuneigung ihm gegenüber empfinde. Ich schüttle fest den Kopf und nehme ihm das Shotglas ab.
„Ehrlich gesagt. Nein. Habe vorgestern einen mächtigen Zusammenschiss von meinem Chef bekommen und wurde zu Verkaufsarbeit verdonnert. Ich muss meine Sorgen im Sprit ertränken!"
Patrick schüttelt grinsend den Kopf. Mir ist bewusst, dass er von seinem Vorgesetzten bereits über die frohe Neuigkeit informiert worden ist. Er muss sich im Gegensatz zu mir sehr darüber freuen, das verrät mir sein schelmisches Grinsen.
„Es ist gar nicht mal so schlimm im Vertrieb. Ich werde dafür sorgen, dass du dich im sechsten Stock wohlfühlst. Versprochen", sagt er dann.
„Das bezweifle ich zutiefst."
„Ich werde es dir beweisen. Aber gut, dass du hier bist. Es sind nämlich ein paar meiner Vertriebskollegen auch da. Kannst sie ja gleich kennenlernen, bevor du am Montag bei uns startest."
Bei den Worten grinst er und schon wieder erkenne ich diesen glücklichen kleinen Funken in seinen Augen, wie wenn er sich ehrlich über den Verlauf meines Schicksals freuen würde. Mein Blick schweift über die Gruppe von roten Krawatten, die unweit von uns steht und ich kann nicht anders, als dramatisch zu seufzen. Mit diesen Lackaffen werde ich mich abgeben müssen und es fällt mir wirklich schwer, irgendwas an denen zu finden, das ich mögen könnte.
Das kleine Glas halte ich zwischen zwei Fingern, lege meinen Kopf in den Nacken und spüle mir den Wodka die Kehle runter. Es brennt in meinem Hals und ich muss husten. Mit der Faust klopfe ich mir auf die Brust. Das tut höllisch weh! Diese blöde Rauchvergiftung muss meine Luftröhre verätzt haben, anders kann ich es mir nicht erklären, aber sonst hat Trinken nie so weh getan.
„Hey, hey", sagt Patrick und kommt näher.
Er legt seine Hand auf meine Schulter und klopft sanft auf meine Schulterblätter, bis mein Husten abklingt. Seine Hand fühlt sich warm an. Ich blicke mit tränenerfüllten Augen zu ihm hoch, während ich keuche.
„Diese Raucherlunge macht mir zu schaffen", witzle ich, aber er scheint das nicht lustig zu finden.
„Du solltest aufpassen. Ich will nicht, dass du dir noch mehr weh tust", meint er liebevoll.
„Hä, was meinst du?"
„Es war schon schlimm genug, dass ich dich da in der Schleuse zurücklassen musste und du dir deswegen eine Rauchvergiftung geholt hast."
Sein Blick ist ernst. Er sieht fast ein bisschen böse aus, wie wenn er mir damit vorwirft, von ihm davongerannt und deswegen in der Schleuse gelandet zu sein. Aber das kann er gar nicht wissen. Ich schlucke leer.
„Ist ja nichts passiert." Ich zucke mit den Schultern und schnappe mir die Wodkaflasche. Das Getränk schwappt über, als ich mehr von dem Wässerchen in mein Glas giessen möchte.
Mit einem Ruck spüle ich mir gleich zwei Shots den Hals hinunter und kneife vor Schmerzen die Augen zusammen. Scheisse. Als ich mir bei meinem heissen Bad den Wein gegönnt hatte, spürte ich dieses Brennen in meinem Hals noch nicht. Ich vermute, es lag an den Schmerzmitteln, die man mir im Krankenhaus noch eingeflösst hatte. Diese sind jetzt logischerweise abgeklungen.
Patrick will mir schon die Flasche aus der Hand nehmen, da reisse ich sie an mich und führe sie an meine Lippen. Während er mich nur kopfschüttelnd beobachtet, trinke ich weitere drei Schlucke direkt von der Flasche, in der Hoffnung, das heisse Brennen in meiner Kehle klinge irgendwann ab. Aber es fühlt sich immer noch so an, als würde ich mit dem Getränk gerade eine offene Wunde desinfizieren wollen. Meine Augen tränen.
Als ich die Flasche absetze, schwanke ich ein wenig und Patrick schafft es endlich, mir den Wodka aus den Händen zu nehmen.
„Hey!", wehre ich mich, aber er schlägt nur meine Hand weg.
„Du solltest nicht so schnell trinken, Emma. Hast du überhaupt schon was gegessen?"
„Nope", antworte ich und unterdrücke den kleinen Rülpser, der mir in den Hals steigt.
„Wenn du so weiter säufst, muss du noch hier übernachten."
„Uh, ja. Das wollen wir ja nicht", zwinkere ich.
Fuck! Warum tue ich das? Mein Verstand schlägt Alarm und versucht mir zu sagen, dass ich mit diesem Idioten keinesfalls auf Flirtkurs gehen darf. Aber manchmal passiert mir das einfach. Ich fordere andere verbal gerne heraus.
„Ich habe das Gästezimmer noch nicht eingerichtet. Dann müssten wir uns das Bett teilen."
„Oh Gott", rutscht es mir raus.
„Ist die Vorstellung so schlimm?", fragt Patrick dann forschend und setzt seine Lippen an die Bierflasche.
Ich beobachte seinen Adamsapfel, wie er sich mit jedem Schluck auf und ab bewegt und mustere sein Profil etwas genauer. Patrick ist eigentlich recht attraktiv. Er hat kurze, schwarze Haare, die im starken Kontrast zu seinen grünen Augen stehen. Sein Bart hat er ganz rasiert, was seine nicht so eckigen Gesichtszüge hervorhebt. Er ist gross und scheint gut gebaut zu sein. Zumindest kann ich das durch das Jackett seines marineblauen Anzuges nur erahnen. Nein, muss ich gestehen, die Vorstellung wäre gar nicht so schlimm. Aber das kann ich ihm nicht sagen.
„Naja. Es gibt Schlimmeres", sage ich dann und finde, dass das ein relativ neutrales Statement ist. Es wäre falsch von mir, diesem Typen irgendwelche Hoffnungen zu machen. Denn ausser mich körperlich zu ihm hingezogen zu fühlen, weil er nun mal nicht scheisse aussieht, ist da nichts.
Wir werden plötzlich von ein paar anderen Partygästen unterbrochen, die sich zu uns gesellen. Sie stellen sich mir zwar mit Namen vor, die habe ich aber in der Nanosekunde danach gleich wieder vergessen. Ich bin wirklich nicht gut im Merken von Vornamen wildfremder Menschen. Da verhält sich mein Gehirn wie ein grobmaschiges Nudelsieb. Aber offenbar sind das zwei meiner zukünftigen Arbeitskollegen.
Ich lächle höflich, während sie sich gegenseitig davon erzählen, wie sie einen Kunden einmal mehr um den Finger haben wickeln können. Ich persönlich verstehe zwar nicht, wie man auf manipulatives Verhalten stolz sein kann, aber eben – dafür arbeite ich noch nicht lange genug im Vertrieb.
Wir quatschen eine ganze Weile lang, ehe ich mich ans Buffet wage und mich mit Chips, Mini-Speck-Croissants und Butter-Flûtes vollstopfe. Man sollte mir nie so viel ungesundes Essen vor die Nase stellen, denn bei einem solchen Angebot schlemme ich hemmungslos. Man weiss ja wirklich nie, wann man wieder die Gelegenheit auf gratis Essen bekommt!
Patrick geht seinen Pflichten als Gastgeber nach und lässt mich in Ruhe. Ich schlendere zu dem grossen Esstisch rüber, an welchen ganze acht Personen Platz hätten, aber die Stühle wurden zur Seite geschoben. Eine Männerhorde spielt Beer Pong. Sie feuern sich gegenseitig mit lautem Grölen an, sodass man den Bass der Musik kaum noch hört.
Ich setze mich auf einen der Stühle, welche an die Wand gestellt wurden und beobachte die Jungs dabei, wie sie sich langsam aber zielstrebig mit Bier betrinken. Sie erinnern mich irgendwie an Schimpansen, so wie sie sich gerade verhalten. Das laute Gebrüll und die übertriebenen Siegesposen machen es wirklich nicht besser.
Ich grinse vor mich hin, als mir ein anderer Typ ein Glas Prosecco vor die Nase hält. Ganz automatisch nehme ich das Glas entgegen. Woher kommt der plötzlich? Er setzt sich auf den Stuhl neben mich und betrachtet mit mir die wildgewordene Affenbande.
„Du sahst durstig aus. Ich dachte, ich bringe dir etwas, um deine schönen Lippen zu befeuchten."
Mir kippt die Kinnlade runter. So grottenschlecht wurde ich seit Langem nicht mehr angegraben. Ich muss meine ach so trockenen Lippen an den dünnen Rand des Proseccoglases heben. Den Schampus exe ich runter und strecke ihm das Glas gleich wieder hin.
„Dann bring mir gleich noch eine Ladung. Ich bin wirklich staubtrocken", sage ich dann.
Der Kerl erhebt sich wieder und läuft kopfschüttelnd davon. Na immerhin habe ich einen in die Flucht schlagen können und diesmal mit voller Absicht.
Der Frauenanteil in dieser Wohnung ist definitiv viel zu niedrig. Die Männer werfen sich an mich wie lästige Fruchtfliegen, die den einzigen süssen Apfel im Raum entdeckt haben. Nebst meiner Wenigkeit sind gerade mal drei andere Frauen anwesend, die allesamt von verzweifelten Männern in die Zange genommen werden.
Neben mir befindet sich eine kleine Kommode auf der etliche Schnapsflaschen verstauben. Ich erkenne den guten Röteli-Schnaps und schnappe mir die Flasche. Damit marschiere ich zurück in die Küche, auf der Suche nach einem Schnapsglas. Ich will mir heute gehörig die Lampe füllen. Mein Leben nervt mich und Alkohol ist – um die starke Botschaft der Toten Hosen zu unterstreichen – manchmal schlichtweg die einzige Lösung für alle Probleme.
Da ich kein Shotglas finde, gebe ich mich mit einem gewöhnlichen Whiskeyglas zufrieden. Selbst wenn das viel zu gross für mich ist, es wird seinen Zweck erfüllen. Da es mir bei den Beer Pong Schimpansen zu laut wird, gehe ich auf die Terrasse.
Kleine Laternen hängen am Geländer und eine Feuerschale mitten auf dem Platz wirft ein warmes Licht in die Dunkelheit der Nacht. Der Himmel ist sternenklar und ich muss gestehen, dass mich der Ausblick auf die Stadt schwer beeindruckt. Im Wasser des Zürcher Sees glitzern die Lichter der Metropole wie kleine Sterne. Diese Wohnung muss unglaublich teuer sein und ich will mir gar nicht vorstellen, wie viel Miete Patrick für diese Bleibe draufgehen lässt. Der junge Mann muss sich wirklich eine goldene Nase verdienen.
Ich fülle mein Whiskeyglas mit dem süssen Bündner Kirschenlikör und nehme einen grossen Schluck. Die Flüssigkeit schlucke ich nicht gleich runter, sondern lasse sie auf meiner Zunge zergehen, so dass sich der Geschmack von Zimt, Nelken und Vanille in meinem Mund ausbreitet. Es ist zwar erst Spätsommer, aber ich freue mich jetzt schon auf Weihnachten. Die Flasche stelle ich auf den Boden und lehne mich ans Geländer, um den schönen Ausblick zu geniessen.
Lärm hinter mir lässt mich einen Blick über die Schulter werfen. Eine Gruppe von Partygästen tritt in die Kälte und schart sich gleich um die Feuerschale. Die Kälte kriecht mir auch schon in die Knochen, aber der Alkohol in meinem Bauch lässt mich das ignorieren.
„Ist dir nicht kalt?", höre ich plötzlich Patricks Stimme hinter mir.
Was will der schon wieder? Ich unterdrücke den mürrischen Seufzer und drehe mich um, dabei merke ich, dass mir vom Alkohol schon bisschen schwindelig geworden ist. Ich sollte vielleicht weniger schnell saufen, sonst ende ich mit dem Kopf in seiner Toilette. Mein Kreuz lehne ich ans eiskalte Geländer.
„Nein, warum?", sage ich.
Er kommt ein paar Schritte auf mich zu und deutet mit seinem Finger auf mich.
„Weil es gerade mal fünfzehn Grad hier draussen sind und du nur einen Rock und eine dünne Bluse anhast."
Erst huscht sein Blick zu den anderen Partygästen bei der Feuerschale, dann wendet er sich mir wieder zu und kommt näher. Bedrohlich nahe, sodass ich meinen Oberkörper über das Geländer lehnen muss, damit sich unsere Nasen nicht berühren. Sein Atem streift mein Kinn. Er platziert seine Hände links und rechts von mir am Geländer und kesselt mich ein.
Was soll das jetzt?
„Patrick ...", bringe ich hervor.
Seine Augen sind gläsern. Ein deutliches Zeichen, dass er – genau wie ich – deutlich zu viel getrunken hat. Er hat eine Alkoholfahne, was mich die Nase rümpfen lässt. Das wird mir hier gerade etwas unangenehm.
„Ich könnte dich wärmen", haucht er.
Diese Verkaufsheinis sind auch wirklich schamlos. Patrick ist auf Frontal-Aufreisserkurs und merkt nicht, dass seine Beute – ich – nicht gefangen genommen werden will. Mein Fluchtinstinkt setzt ein und ich drücke mich seitlich an ihm vorbei, bevor er noch was machen könnte, das ich bereuen würde. Dennoch höflich schüttle ich den Kopf, ich will ihn ja nicht erzürnen – er ist schliesslich der Gastgeber hier und ich sein Gast.
„Nein, danke, aber der hier", sage ich und hebe die Röteli-Flasche vom Boden auf, „wird mich genug einheizen. Willst du auch einen Schluck?"
Still bete ich, dass er mir mein Ausweichmanöver nicht übel nimmt und den scherzhaften Unterton, den ich absichtlich eingeschlagen habe, um die Situation zu entspannen, auch hört. Er schüttelt nur den Kopf und kramt dann etwas in seinem Anzug hervor.
Zigaretten.
Lässig zündet er sich eine Kippe an und saugt daran. Er denkt wohl, er sehe cool dabei aus, denn er legt den Kopf schief und mustert mich von Kopf bis Fuss. Glücklicherweise kommt ein anderer Kerl von der Gruppe bei der Feuerschale zu uns und schnorrt Patrick eine Zigarette. Ich hasse Raucher. Ich finde es richtig eklig, dass man sich freiwillig die Lungen verkohlen kann und dann stinken die auch noch so fürchterlich.
Ich zucke mit den Schultern und fülle mir mein Whiskeyglas mit dem Kirschlikör nochmals auf, bis es fast überschwappt. Das wird eine lange Nacht und ich will meine Sinne betäuben.
✵✵✵
Hallo meine Lieben
Ich hoffe, ihr seid gut in die Woche gestartet.
Habt einen schönen Abend!
Eure Fleur
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