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16 - Kochkurs

„Ah, da kommt das letzte Pärchen!", ruft uns ein recht extravagant wirkender Herr mit knallgelber Hose entgegen. Ich vermute, dass das unser Kochlehrer sein muss.

Bei dem Wort „Pärchen" erröte ich leicht. Wir müssen so gut zusammen passen, dass man uns als Liebespaar verwechselt. Bei dem Gedanken werden meine Knie ganz weich. Wie schön wäre das denn! Ich steige die letzten Treppenstufen mit höchster Konzentration hinunter, denn ich will mich nicht vor Chris und den zehn anderen Teilnehmern flach auf den Bauch schmeissen.

Vor uns eröffnet sich ein grosser Saal, in dessen Mitte ein langer Tisch steht, der mich ein bisschen an eine königliche Tafel erinnert. Links und rechts davon stehen je drei Kücheninseln. Alle mit ihren eigenen Herden, Öfen und Waschbecken ausgestattet. Feinster Edelstahl glänzt uns im Schein des grellen Lichtes entgegen.

Offenbar sind wir die letzten Teilnehmer, die zum Rest dazustossen. Fünf andere Pärchen haben sich bereits um den Tisch versammelt und man blickt uns erwartungsvoll an.

„Die Garderobe ist da hinten, bei den Toiletten", flötet der Kochlehrer.

Er hat seine Haare kahl geschnitten und trägt einen goldenen Ohrring, der ihm vom linken Ohrläppchen baumelt. Zu seiner Augenkrebs-Hose hat er einen blau-weiss gestreiften Rollkragenpullover kombiniert. Zum Glück verdeckt eine schwarze Schürze sein interessantes Outfit. Im Vergleich zu den grauen Gestalten, die sich um den Tisch scharen, ist er in den Farbtopf gefallen.

Chris lenkt mich zur Garderobe, indem er mich mit seinen Fingerspitzen sanft am Ellbogen berührt. Bei den Kleiderhaken angekommen stellt er sich hinter mich und hilft mir, mich aus dem Blazer zu schälen. Das Jackett ist fürs Kochen äusserst ungeeignet, denn die Ärmel könnte ich locker in irgendeine Sauce tunken und dann sähe ich genauso bunt aus wie der Paradiesvogel, der uns heute durch den Abend leiten wird.

Ich schlüpfe gerade aus dem Kleidungsstück, da trifft Chris' heisser Atem auf meinen Nacken. Er steht mir so nahe, weil es im Gang der Garderobe unglaublich eng ist. Das ist mein Todesurteil, denn sowas jagt mir sämtliche Härchen auf meinem Körper in die Steillage. Chris merkt nichts von meinem körperlichen Wohlerguss und hängt den Blazer an einen freien Haken. Dann blickt er mich erwartungsvoll an.

„Bereit, was zu lernen?", fragt er mich und ich kann nicht anderes, als blöd aufzugrunzen.

„Du meinst wohl eher, ob ich bereit bin, tausend Tode zu sterben. In dieser Küche gibt es unendlich viele Möglichkeiten, wie ich mich selbst verletzen könnte."

„Ach was", winkt er ab. „Was will da schon passieren?"

„Oh, du wirst staunen. Ich überrasche mich immer wieder selbst."

Wir begeben uns zurück in den grossen Raum und gesellen uns zu den anderen Teilnehmern. Wie sich herausstellt, sind das alles verheiratete Pärchen. Nur Chris und ich sind hier die Ausnahme. Auf die peinliche Frage, woher wir uns denn kennen, haben wir beide eigentlich keine richtige Antwort. "Aus dem Supermarkt" klingt nicht kitschig genug für einige Teilnehmer. Irgendwie sind alle immer so scharf auf ultraromantisches Zeug, sodass sie dann ganz enttäuscht blinzeln, wenn man ihnen eine stinknormale Geschichte erzählt.

Der Weisswein, welchen Chris mit den Austern mitgebracht hat, wird kaltgestellt. Den Aperitif gibt es anscheinend erst später, zuerst müssen wir in die Welt des Kochens eingeführt werden.

Der Paradiesvogel – so nenne ich unseren Kochlehrer – beginnt mit einem halbstündigen Vortrag über die Herkunft des Wolfsbarsches. Offenbar werden wir heute alle zusammen Bärsche kochen und ich habe keine Ahnung, wie sich der von einer gemeinen Forelle unterscheidet. Fisch ist für mich Fisch, aber nicht für unseren Kakadu.

Etwas unsicher blinzle ich zu Chris hoch, der recht entspannt neben mir sitzt. Seine Ellbogen hat er auf dem Tisch abgestützt und er lehnt sich interessiert nach vorne. Immerhin einer von uns beiden scheint mitzuhören. Das ist wie bei den Gruppenarbeiten an der Uni. Solange einer bei der Sache bleibt, kann nicht viel schiefgehen.

Während alle dem Kochlehrer horchen, bemerke ich, wie eine andere Teilnehmerin, ein blondes Miststück mittleren Alters – trotz allem noch immer sehr attraktiv – Chris über den Tisch hinweg anschmachtet. Sie hat eine wilde, blonde Mähne und ist dezent geschminkt. Irgendwie erinnert sie mich an eine Löwin. Ihr Gatte mit schwarzem Schnauzer neben ihr merkt nichts von ihrem hungrigen Blick.

Ich aber schon. Dieses Raubtier starrt Chris an, als würde sie ihn verschlingen wollen.

Das lasse ich nicht auf mir sitzen. Unauffällig rutsche ich mit meinem Stuhl etwas näher zu Chris und berühre seinen Unterarm mit den Fingerspitzen. Seine Haut ist so schön warm. Er wendet sich mir zu und senkt fragend den Kopf. Meine kleine Annäherung muss ihn wahrscheinlich verwundern.

„Chris?", flüstere ich, denn ich will den sprechenden Papagei ja nicht in seinem Redefluss unterbrechen.

Er kommt noch etwas näher, damit er mich besser hören kann, denn die laute Stimme unseres Kochlehrers übertönt auch wirklich alles.

„Ja?", haucht er zurück.

Mein Gesicht ist seinem so nahe, dass sich beinahe unser Atem zu einem vermischt. Während ich ihm was zuflüstere, halte ich festen Blickkontakt mit dem blonden Weibsbild auf der anderen Tischseite. Ich muss hier mein Revier markieren! Die muss gar nicht meinen, dass sie meinen Chris mit ihren Blicken ausziehen darf.

„Ich möchte dir was sagen", murmle ich und senke gekonnt meine Lider.

Chris legt den Kopf schief und blickt mich interessiert an. Ach, ich liebe dieses Spiel. Mit den Wimpern klimpern funktioniert einfach immer. Ich bin gut darin, das leicht schüchterne Mädchen zu spielen, selbst wenn ich es eigentlich faustdick hinter den Ohren habe.

„Lass mich raten ... Du willst den Fisch nicht ausnehmen?", sagt er mit einem Schmunzeln auf den Lippen.

Ich hebe mit flatternden Lider meine Augen und blicke ihm direkt in die dunklen Schokodrops. Ein kleiner Funke leuchtet auf, als sich unsere Augen treffen und ineinander verlieren. Die Zeit steht für einen Moment still und mein Hirn setzt schon wieder aus. Wir sitzen einfach da, so nahe beieinander, meine Hand auf seinem Arm und unsere Seelen miteinander verbunden.

„Nein, das ist es nicht", sage ich flüsterleise.

„Was ist es dann?", fragt er weiter. Er senkt seinen Kopf noch weiter zu mir herab.

„Ich fürchte hier um dein Leben." Ich lenke meinen Blick zur Löwin uns gegenüber, die wütend die Lippen aufeinanderpresst.

Chris' Augenbrauen jagen überrascht in die Höhe als er meinem Blick folgt und die Raubkatze auf der anderen Tischseite mustert. Augenblicklich verwandelt sich ihre böse Ich-fress-dich-gleich-weil-du-neben-dem-heissen-Kerl-sitzt-Fratze in ein weiches Zähnefletschen. Zu meiner Enttäuschung zwinkert Chris der Dame noch zu und erwidert ihr Lächeln. Das gibt's doch nicht! Er flirtet zurück!

Die Löwin wackelt triumphierend mit ihren Schultern und sucht den Augenkontakt mit mir.

BITCH, WAS SOLL DAS?

Ohne es zu wollen, krallen sich meine Fingernägel in seinen Unterarm. Chris formt seine Hand zu einer Faust und ich sehe, wie er sein Gesicht leicht verzieht. Hoffentlich fühlt er Schmerzen, denn meine Nägel sind frisch geschnitten! Gerechte Strafe fürs Fremdflirten!

„Ich weiss nicht, was du meinst", sagt er schulterzuckend und schaut mich grinsend an.

Im schelmischen Funkeln sehe ich, dass er ganz genau weiss, was ich meine. Der Junge geniesst es, dass ich ein eifersüchtiger Mensch bin. Der hat das alles mit voller Absicht getan! Ich gehe augenblicklich auf Frontalkollisionskurs. Der liebe Chris wird sein blaues Wunder erleben.

Nicht mit mir, guter Mann!

„Was wäre dir denn lieber?" hauche ich nun und fahre zärtlich mit meinen Fingerspitzen über die Spuren, die meine Nägel in seinem Arm hinterlassen haben. „Von der alternden Katze dort gefressen zu werden ..."

Der letzte Teil des Satzes sage ich nicht und beobachte seine Reaktion. Ich merke, wie meine Worte und den sexy Hauch in meiner Stimme, den ich absichtlich angeschlagen habe, etwas in ihm auslösen.

„... oder?", will Chris weiter wissen.

Ich spanne ihn auf die Folter und seufze verträumt, während ich ihm weiterhin den Arm streichle. Den lasziv inszenierten Biss auf meine Unterlippe lasse ich auf ihn wirken. Sein Adamsapfel vibriert, als er trocken schlucken muss.

Gegen mich, Bursche, hast du keine Chance!

Ich will gerade zur Antwort ansetzen, da werden wir von unserem Kochlehrer unterbrochen.

„Hey, Turteltäubchen! Wir beginnen nachher gleich mit dem Kochen, aber ich wäre froh, wenn ihr euch noch nicht vernascht, ja? Ich weiss, ihr habt sicher riesigen Kohldampf, aber ihr müsst euch noch ein paar Minuten gedulden! Der Aperitif wird gleich serviert."

Die Tatsache, dass wir nun die ganze Aufmerksamkeit auf uns gelenkt haben, sorgt dafür, dass Chris seinen Arm zu sich zieht und den Abstand zwischen uns vergrössert. Dieser doofe Wellensittich hat uns recht unsanft aus unserem Flirtspiel rausgerissen.

Nachdem die Theorie beendet ist, geht's endlich ans Eingemachte: Der Praxisteil. Die Rezepte und Schürzen werden verteilt. Der Kochlehrer holt den kaltgestellten Weisswein aus dem Kühlschrank. Dabei lobt er Chris in höchsten Tönen, dass er einen ausgezeichneten Weingeschmack habe. Ich merke, dass in diesem Saal gefühlt alle mit meinem Feuerwehrmann flirten wollen, selbst der schwule Kochlehrer, der ihm mit dem Kompliment noch ein süsses Augenzwinkern schenkt.

Der Wein soll offenbar dazu dienen, mit mehr Mut an die Sache heranzugehen. Mut brauche ich jetzt definitiv, denn mir wird beim Gedanken ganz mulmig zumute, dass wir unseren Fisch ausnehmen und stopfen sollen. Mit baren Händen!

Chris und ich verziehen uns in die hinterste Küchenecke, dort, wo uns keiner stören kann und wo wir von den Blicken der anderen etwas geschützt sind. Zusammen studieren wir das Rezept. Während ich meinen Wein schlürfe, liest Chris laut vor, wie wir vorgehen sollen.

„Also. Zitronenwolfsbarsch aus dem Ofen mit Kartoffeln und Lauchgemüse."

„Oh Gott", stosse ich schon aus, bevor er weiter liest. „Das klingt unkochbar."

„Ich habe noch nicht einmal die Anleitung gelesen!", lacht Chris.

Ich zucke mit den Schultern. Der Kerl weiss wirklich nicht, wie schlecht ich kochen kann, der wird sich noch wundern. Ich bin eine Küchenkatastrophe auf zwei Beinen.

„Naja, nur schon der Titel schüchtert mich ein!", antworte ich. „Tut mir leid."

Er schüttelt ungläubig den Kopf und richtet seinen Blick wieder aufs Papier vor sich. In Gedanken frage ich mich, wann er es bereuen wird, dass er mich mitgeschleppt hat. Wenn ich mich wieder selbst verstümmle, oder noch schlimmer, das Messer in den Rücken eines anderen Kochteilnehmers hier schleudern werde.

„Mach dir keine Sorgen. Du bist bei mir in guten Händen", sagt er nur und fährt dann mit dem Vorlesen fort: „Als erstes müssen Sie den Fisch sorgfältig ausnehmen, dann waschen und trocken tupfen ..."

Während Chris konzentriert vorliest, beobachte ich ihn ganz genau. Seinen Worte höre ich nicht mehr zu, denn der sonore Ton seiner Stimme versetzt mich in eine andere Dimension, in welcher ich am liebsten meine Lippen auf seine drücken und mit ihm in dieser Küche ganz andere Dinge backen wollen würde, als diesen Wolfsbarsch.

Der Kochlehrer ruft durch den Saal und lässt uns wissen, dass alle Zutaten in den Kühlschränken stehen. Ich öffne unseren und erblicke den toten Fisch darin. Mein Blick muss Bände sprechen, denn schon spüre ich Chris' Aura hinter mir.

„Der ist für mich. Du schneidest das Gemüse", bestimmt er und greift an mir vorbei, um sich den Wolfsbarsch zu schnappen. Ich nehme die Zitronen und den Lauch heraus, obwohl ich überhaupt keine Ahnung habe, was ich damit anstellen soll, aber die zwei Dinge sehen am harmlosesten aus.

„Was soll ich damit?", frage ich Chris um Rat, der mir dann bloss antwortet, ich solle beides in Scheiben schneiden.

Als Erstes nehme ich mir die Zitrone vor, denn die gelbe Farbe gefällt mir besonders. Die passt so gut zur Hose unseres Kochlehrers. Vorsichtig nehme ich das Messer zwischen meine Finger und beginne zu schneiden. Augenblicklich steigt mir der frische Zitrusduft in die Nase.

„Also, Emma. Erzähl mir von dir", beginnt Chris unseren Koch-Smalltalk.

Etwas irritiert davon, dass ich gleichzeitig reden und Essen zubereiten soll, lege ich sicherheitshalber das Messer zur Seite, um mich auf mein Sprechorgan zu konzentrieren. Ich will ja nicht gleich in den ersten drei Minuten an mir selbst Harakiri begehen. Chris soll schliesslich noch was von mir haben.

„Ähm. Das ist schwierig, so ziellos was zu erzählen. Normalerweise werden mir schon konkretere Fragen gestellt", erwidere ich dann etwas unsicher.

Es geht mir wirklich so, denn ich weiss nie, was ich über mich sagen soll. Ich bin unspannend. Aber Chris lässt sich von meiner Unsicherheit nicht beirren. Er lächelt nur schon wieder so süss, dass meine Knie zu Butter werden wollen.

„Was findest du denn erzählenswert über dich? Was muss so jemand wie ich unbedingt über dich wissen?", hakt er nach und beginnt, den Fisch unter laufendem Wasser auszunehmen und die Schuppen zu entfernen.

Der Anblick des Wolfbarsches in Chris grossen Händen hat was Wildes, Animalisches. Ich hätte nicht gedacht, dass dieser Kerl es sogar schafft, attraktiv dabei auszusehen, während er vor einem Fischhasser (mir) einen Fisch von seinen Gedärmen befreit.

Ich will Chris ernsthaft auf seine Frage antworten, denn ich spüre, dass er ehrlich an mir interessiert ist und das gibt mir wieder Zuversicht. Das passiert mir viel zu selten, dass jemand solches Interesse zeigt.

„Was du wissen solltest über mich ... hm ... also ich bin fünfundzwanzig und für mein Alter noch viel zu verloren im Leben. Ich bin ein sehr zerstreuter Mensch und dazu noch tollpatschig. Das heisst, egal wo ich bin, was ich tue, ich bringe mich immer selbst in Lebensgefahr. Das konntest du ja mittlerweile sogar selbst bezeugen. Meine eigene Dummheit hat mich da in die Schleuse gebracht."

Chris schmunzelt, während ich in meiner Selbstbeschreibung fortfahre.

„Und naja ... was noch? Ich arbeite bei der Assekura im Schaden, aber das wollte ich eigentlich nie. Den Job habe ich nur angenommen, weil der sich besser angehört hat, als Telefonsexarbeiterin."

Bei dem Schlagwort hebt er den Kopf und blickt mich mit gerunzelter Stirn an.

„Du hast dir ernsthaft überlegt Telefonsex anzubieten, um Geld zu verdienen?"

„Ich war jung, verzweifelt und brauchte das Geld. Was soll ich sagen? Aber dann kam die Assekura und hat mich gerettet. Jetzt muss ich als Dank den Rest meines Lebens dort verbringen. Wenn ich so zurückdenke, hätte ich besser ins Prostitutionsbusiness einsteigen sollen. Ist viel profitabler und die Kunden sind glücklicher."

Chris lacht leise und alleine das stimmt mich fröhlich. Mein Redefluss ist nicht mehr zu bremsen.

„Als Geschwister habe ich nur einen älteren Bruder. Ich mag ihn eigentlich, aber jetzt will der ein Monster heiraten. Dabei finde ich das Konzept der Heirat absolut veraltet und verstehe nicht, wie Leute sich der Illusion hingeben können, dass sie ein Leben lang nur einen Menschen lieben werden! Ich meine, stell dir das mal vor. Der durchschnittliche Mensch heiratet so bevor er dreissig wird. Homo Sapiens hat eine Lebenserwartung von 83.6 Jahren. Angenommen du heiratest mit achtundzwanzig, dann musst du die doppelte Zeit deiner bisherigen Lebenszeit auf der Erde mit ein- und demselben Menschen verbringen. Ganze fünfundfünfzig Jahre! Das sind zwei mal 27.5 Jahre! Das schafft doch kein normaler Mensch! Natürlich werden wir mit siebzig alle dement. Wir treiben uns wahrscheinlich gegenseitig in den Wahnsinn!"

Jetzt merke ich selbst, dass ich etwas abschweife und zu viele Details meiner verwirrenden Gedanken verrate. Chris hört mir aber weiterhin aufmerksam zu und nickt ab und an. Meine Ansichten scheinen ihn nicht zu schockieren, was mich beruhigt.

„Ich nehme an, deine Eltern sind nicht mehr verheiratet?", kommt der kluge Kopf zur richtigen Schlussfolgerung.

Ja, ich bin von der Scheidung meiner Eltern traumatisiert, oder fürs Leben gezeichnet, wie ich das lieber nenne. Ich bin in der Hinsicht halt einfach Realist. Monogamie war für den Menschen schon immer unmöglich und wird es auch bleiben. Da können wir uns noch so den zivilisatorischen Quatsch einreden, unsere Biologie verdirbt uns den Plan. Wir sind wollüstige Affen, ob wir es wollen oder nicht.

„Korrekt. Scheidungskind. Meine Eltern liessen sich gewaltsam scheiden als ich zwei Jahre alt war. Mein Vater ist ein Mistkerl", antworte ich ihm schulterzuckend.

„Das tut mir leid", meint er und trocknet sich die Hände ab. Er ist offensichtlich schon mit dem ersten Schritt fertig, dabei habe ich die Zitrone noch nicht einmal angeschnitten.

„Muss es dir nicht. Meine Eltern sind glücklicher geschieden als verheiratet. Aber ich merke, ich hab zu viel geredet ... müsste hier mal vorwärtsmachen", murmle ich und mache mich an die Zitrone.

Normalerweise verrate ich nie so viel von mir selbst und meinem triefenden Sarkasmus, weil das kaum einer ertragen kann – ich selbst manchmal auch nicht.

„Nein, hast du nicht. Ich höre gerne zu. Bitte, rede nur weiter", meint Chris und wäscht sich die Hände sauber.

„Wenn ich so ziellos schwafle, kommen wir nie zu unserem Abendessen", seufze ich.

„Du brauchst eine konkrete Frage?"

„Ja, bitte."

„Also gut. Dann sag mir doch, was deine Leidenschaft ist?", fragt er weiter und macht sich daran, die Kräuter für die Marinade und die Füllung zuzubereiten. Er mischt verschiedenste Gewürze und Kräuter in eine Schale mit Olivenöl.

Ich zögere erst, bevor ich Chris von meinem grossmütterlichen Hobby erzähle. Die meisten Menschen, die von meiner Freizeitbeschäftigung und Anti-Aggressions-Therapie hören, finden es eher belustigend als faszinierend. Stricken ist nicht die typischste Leidenschaft einer Fünfundzwanzigjährigen.

„Ich stricke für mein Leben gerne", platzt es aus mir heraus.

Chris blickt mich an und ich kann aus seinen Augen keinen Witz herauslesen. Überraschung liegt aber dennoch auf seinen Gesichtszügen und ich entscheide mich dafür, ihm mein kleines Geschenk jetzt schon zu präsentieren, bevor ich mich selbst erdolche. Ich muss ihm ja zeigen, dass ich nicht scherze, sondern zu den Strick-Profis gehöre.

„Ich hab dir was mitgebracht. Hier, der Beweis, dass ich keine Witze mache", sage ich, krame das kleine Päckchen aus meiner Handtasche hervor und strecke es ihm hin. Er trocknet sich die Hände ab und nimmt es vorsichtig entgegen.

„Ein Geschenk? Warum das denn?" Seine Augen glitzern positiv überrascht.

„Na, weil du mich gerettet hast und dann noch zum ... zum Essen eingeladen hast." Ich merke, dass ich etwas erröte und schiebe mir die lästigen Strähnen hinters Ohr.

Das Packpapier, in welches ich das Gestrickte halbherzig gewickelt habe, raschelt leise, als er es auspackt und die rosa Maschen mustert. Er dreht die Wolle in seinen Händen. An seinem konzentrierten Blick erkenne ich, dass er nicht weiss, was ich ihm da gestrickt habe. Ist auch wirklich schwierig zu erkennen.

„Das ist für deine Eier", sage ich selbstbewusst.

Seine Stirn kräuselt sich nur tiefer und er blinzelt verwirrt. Hat der Mann denn noch nie Eierwärmer gesehen? Das ist das Küchengadget schlechthin!

„Für meine Eier", murmelt er und an seinem Mund sehe ich, dass er ein Lachen unterdrückt.

Was ist denn daran so lustig?

„Ja, damit die warm bleiben", erkläre ich weiter. „Habe dir extra zwei gemacht."

„Mehr als zwei würde ich auch nicht brauchen", sagt Chris und grinst mich so breit an, in der Erwartung, dass ich den Witz erkenne. Und da fällt endlich der Groschen.

„Oh!", stosse ich aus. „Ich ... Ich meine Hühnereier."

„Ja, das merke ich jetzt auch."

„Welche Eier meintest du denn?", frage ich gespielt neugierig und gebe mir die grösste Mühe, nicht die Fassung zu verlieren. Warum müssen unsere Gespräche auch immer so zweideutig sein?

„Ach, nicht so wichtig." Chris schüttelt schmunzelnd den Kopf und betrachtet die rosa Hütchen.

„Dann wäre aber blaue Wolle vielleicht besser gewesen", stelle ich fest.

„Warum? Rosa kann Männern auch gut stehen."

„Das bezweifle ich zwar, aber ich kann jetzt schlecht behaupten, dass ich den Beweis dafür sehen möchte."

Chris lacht laut auf und ich mache gleich mit. Wir lachen ausgelassen über dieses kleine Missverständnis, sodass sich die anderen Kochteilnehmer die Frage stellen müssen, wer von uns hier der Witzmeister sein muss, denn wir sind ständig am Kichern.

Ich bin froh, dass Chris auch so schamlos ist und über solche Dinge lachen kann. Mit einem anderen Mann wäre diese Situation möglicherweise merkwürdig geworden. Nicht aber mit meinem Feuerwehrmann. Er scheint den gleichen Humor zu haben wie ich.

„Danke, Emma", sagt Chris, nachdem er wieder zu Atem kommt. „Ich werde deine Eierwärmer sicher gut gebrauchen können."

Er legt sie zur Seite, sodass wir mit der Zubereitung unseres Abendessens weiterfahren können.

Ich zwinkere ihm als Antwort zu, denn das passt jetzt gerade so gut, da kommt der Kochlehrer und unterbricht unsere Turtelei. Der Flamingo versucht uns etwas mehr Feuer unterm Hinter zu machen, damit wir vorwärtsmachen, denn die anderen Teilnehmer scheinen sich mehr aufs Kochen zu konzentrieren, als auf intime Gespräche. Ich fühle mich hier fast wie in der Schule. Man wird im Leben von Lehrern auch wirklich immer nur gestresst.

So widmen wir uns wieder dem Essen. Dabei lasse ich aber Chris von sich erzählen, denn nachdem er meinem Monolog zugehört hat, ist nun er an der Reihe, mir mehr von sich zu erzählen.

„Und was gibt es erzählenswertes über dich, Chris?"

Er tupft den Fisch trocken und zieht die Schale mit der Kräuter-Öl-Mischung näher zu sich.

„Naja, ich bin bei der Feuerwehr. Das finden alle immer sehr spannend. Davor habe ich lange Zeit in einem Büro gearbeitet. In einer Führungsposition. Das wurde mir irgendwann zu langweilig und so bin ich zur Feuerwehr gegangen. War vielleicht auch schon immer ein Bubentraum von mir, einmal Feuerwehrmann zu sein. Ich verdiene zwar beachtlich weniger als davor, aber ich könnte glücklicher nicht sein. Der Job erfüllt mich. Mit meinen vierunddreissig Jahren ist das auch wirklich alles, was zählt."

Ich nicke.

„Schön zu hören, dass du deine Bestimmung gefunden hast. Ich suche noch verzweifelt danach und kriege täglich Panikattacken deswegen."

Chris schnaubt belustigt durch die Nase. Es muss ihm wohl gleich gegangen sein, als er so alt war wie ich.

„Die Bestimmung wird jeder irgendwann finden. Aber dafür muss man halt erst Erfahrungen sammeln. Das hört niemand gerne. Man sollte nicht die Erwartung haben, dass der erste Job gleich der Traumjob wird. Das ist es nie. Das kommt erst mit der Zeit", sagt er, als hätte er gespürt, dass das genau einer meiner Schmerzpunkte im Leben ist.

Ich hätte gerne jetzt schon meinen Traumjob, selbst wenn ich nicht weiss, was das eigentlich sein soll. Während ich dem Gedanken nachgehe und die Zitrone so sorgfältig wie möglich zerschneide, fährt Chris in seiner Erzählung fort.

„Der grösste Dämpfer in meinem Leben, den ich bisher erlebt habe, war wohl meine eigene Scheidung. Darum kann ich deinen Punkt mit der Monogamie nur unterstreichen. Aber vielleicht mehr von der Opferseite her, als die des Täters. Wobei ich mich eigentlich nicht beklagen sollte, denn am härtesten hat es meinen Sohn getroffen und für ihn tut es mir einfach nur leid."

Beim Wort Sohn rutscht mir die Hand aus und ich zerdrücke die Zitrone etwas zu doll. Das hat zur Folge, dass der Saft in alle Richtungen spritzt – ein Strahl direkt in mein Gesicht.

„AH SCHEISSE!", rufe ich und kneife augenblicklich das getroffene Auge zu.

Der Zitronensaft brennt höllisch und ich drücke mir den Handballen in die Augenhöhle. Der Schock über seine Aussage kann sich gar nicht erst ausbreiten, denn der Schmerz in meinem Auge übertönt jegliche Gefühle.

Chris lässt alles stehen und liegen und kommt zu mir.

„Was ist passiert? Hast du dir weh getan?", fragt er und will mir die Hand vom Gesicht ziehen.

Ich drücke aber fester zu, denn auch wenn es keine Abhilfe verschafft, versteckt es doch die peinliche Tatsache, dass ich es tatsächlich geschafft habe, beim Zitronenschneiden zu erblinden.

„Nichts, nichts", murmle ich unbeholfen und suche nach einem Tuch. „Nur bisschen Säure ins Auge bekommen."

„Lass mich sehen", insistiert er und schiebt meinen Arm zur Seite.

Ich gehorche, denn von ihm lasse ich mich gerne anfassen. Mit einer Sanftheit, die ich noch nie erlebt habe, legt er seine Hand an meiner Wange ab und fährt mit seinem Daumen meinem Wangenknochen entlang. Dabei blickt er mir so direkt ins Auge, dass ich Angst habe, er könnte meine zerfetzte Seele und dunklen Geheimnisse dahinter erkennen. Ich blinzele verunsichert.

„Und?", frage ich und starre fest auf die Stelle zwischen seinen Augenbrauen.

Ich schaffe es im Moment nicht, ihm bei dem intensiven Blick auch in die Augen zu blicken. Er sieht so heiss aus, wenn er sich fürsorglich gibt, dass ich für nichts garantieren könnte.

„Bisschen gerötet. Am besten tupfst du das mit Wasser ab", gibt er mir die Anweisungen.

Wasser? Dann wäre mein ganzer Mascara und Kajal verschmiert, die ich mit grosser Sorgfalt aufgetragen habe.

„Ach was, wird schon gehen", winke ich ab und wische mir mit dem Handrücken übers Auge.

Es brennt immer noch und mein rechter Tränensack hat beschlossen, die Notflutung einzuleiten. Mein Auge tränt unaufhörlich. Der natürliche Schutzmechanismus hat nicht mit einberechnet, dass man nicht weinen möchte, wenn man geschminkt ist. Ich sehe mich schon, wie ich nur noch mit halb geschminkten Gesicht Chris von meiner Attraktivität zu überzeugen versuche.

Chris widmet sich wieder seinem Fisch, nachdem ich ihm eingeredet habe, dass ich es auch einäugig schaffen kann, das Gemüse zuzubereiten. Ich bin froh darum, dass er sich von mir abwendet, denn so viel konzentrierte Aufmerksamkeit von ihm auf einmal zu bekommen, war ein bisschen viel für mich. Damit können meine Eierstöcke noch nicht umgehen. Insbesondere, weil sie gerade mehr als verwirrt sind. Der Kerl hat bereits ein Kind gezeugt und ich weiss nicht, ob ich das abstossend oder anziehend finde. Irgendwie beides. Schon wieder bin ich so unglaublich zwiegespalten, dass es fast weh tut.

„Ich behalte aber ein wachsames Auge auf dich. Nicht, dass dir noch was Schlimmeres passiert", meint Chris und rührt die Marinade.

„Ach, schon in Ordnung. Ich hacke mir beim Kochen regelmässig irgendwelche Körperteile ab. Also. Wo waren wir? Ahja, bei deinem Sohn. Du ... Du hast ein Kind?"

Ich gebe mir Mühe, nicht zu irritiert zu klingen. Meine Brust zieht sich bei dem Gedanken zusammen, dass Chris schon so weit mit jemandem war, dass er eine Familie gründen wollte. Etwas, wozu ich wahrscheinlich niemals bereit sein werde.

„Ja, Emil heisst mein kleiner Junge. Er ist sechs."

Der Stolz in seiner Stimme ist unüberhörbar und ich muss schmunzeln. Es ist eben schon knuffig, wenn Eltern von ihren Kindern sprechen. Man spürt die Liebe, die sie für diese monströsen Kreaturen fühlen, selbst wenn man diese Gefühle nicht nachvollziehen kann. Man spürt es auf jeden Fall.

„Wow. Dann warst du aber doch relativ jung, als du ihn bekommen hast, nicht wahr?", stelle ich fest.

Chris nickt und legt den Fisch in die vorbereitete Ofenform.

„Es war nicht wirklich geplant. Wir wollten noch keine Kinder, aber wie es geschieht, werden Frauen manchmal schwanger und ich wollte nicht von ihrer Seite weichen. So haben wir beschlossen, das Kind zu behalten und halt gleich zu heiraten."

„Tut mir leid, dass es nicht geklappt hat", antworte ich.

Das meine ich so, denn Chris hat in meinen Augen ein glückliches Leben verdient. Egal mit wem. Er zeigt mir ein vorsichtiges Lächeln zum Dank. Auch wenn er es zu überspielen versucht, ich erkenne, dass ihn die Erinnerung an seine gescheiterte Ehe schmerzt. Sowas kann keiner vor mir verstecken. Ich erkenne seelische Brandwunden von Weitem.

„Was muss ich jetzt machen?", lenke ich vom Thema ab, denn ich merke, dass ich mich hier auf dünnem Eis bewege. Das Thema geht ihm an die Substanz. Ich will ihn nicht leiden sehen.

„Jetzt kannst du den Lauch schnippeln und danach die Kartoffeln schälen", antwortet er mir und ich nicke ganz enthusiastisch. Lauch und Kartoffeln können ja wohl kaum schwieriger sein als die Zitrone. Oder als Karotten.

Die Zubereitung unseres Wolfsbarsches nimmt so langsam Form an. Chris beginnt damit, den Fisch mit der Marinade einzumassieren, während ich das Gemüse schneide. Da lässt meine Konzentration nach.

Meine Augen sind nämlich auf Chris Finger gefallen, die von der Marinade ganz ölig geworden sind und würzig glänzen. Sie fahren so zärtlich über die Haut des Fisches, dass ich mir dabei vorstellen kann, an der Stelle des toten Barsches zu liegen und von Chris mit Massageöl eingeschmiert zu werden.

Sein Daumen zeichnet verführerische Kreise auf dem zarten Fleisch und schon merke ich dieses verräterische Kribbeln zwischen meinen Beinen. Als zwei seiner Finger dann in den Schlitz der Bauchhöhle des Fisches flutschen und er mit voller Hingabe die Innenwände zu massieren beginnt, wird mir endgültig zu heiss und ich muss mir Luft zufächeln.

Gott, ich bin viel zu untervögelt!

„Woher kannst du das so gut? Fische massieren, meine ich?", frage ich ihn, denn ich kann nicht ruhig dastehen und ihm tatenlos beim Fingern des Fisches zusehen.

„Mein bester Freund, Teo, hat mir das beigebracht. Seine Eltern besitzen ein Restaurant in der Dominikanischen Republik. Er hat es mir da mal gezeigt, wie man einen Fisch richtig stopft. In der Karibik essen sie täglich aus dem Meer."

Ich kann bloss nicken, während ich weiterhin seine Hände dabei beobachte, wie sie dem Wolfsbarsch ein Wohlfühlprogramm schenken, das eigentlich ein lebendes Wesen eher verdient hätte. Ich zum Beispiel.

„Dein bester Freund Teo", wiederhole ich.

„Kennst du eigentlich das King's?", fragt Chris weiter. Er scheint nicht gemerkt zu haben, dass ich von seinen öligen Fingern absorbiert bin. Ich schüttle den Kopf, um mich aus meiner Geilheitsstarre zu befreien. Der Vibrator muss heute Abend Abhilfe verschaffen, sonst gibt es noch Verletzte.

„The King's Chamber meinst du?", hake ich nach. Die Bar, welche in der Nähe der Assekura steht und regelmässig für Feierabendbiere, Mitarbeiterfeste und Netzwerkanlässe hinhalten muss.

„Ja genau die. Die gehört Teo. Er hat sie vor zwei Jahren gekauft."

Ich bin ehrlich erstaunt darüber und in dem Moment erscheint mir Chris wieder viel älter als ich. Er ist irgendwie so viel weiter im Leben, obwohl gerade mal neun Jahre zwischen uns liegen. Er hat Freunde, die eine Bar besitzen. Wer kann schon sowas von sich behaupten!

„Die kenne ich. War aber noch nie wirklich dort", sage ich schulterzuckend und schäle die Kartoffeln. Mit diesem hochmodernen Schäler, den mir Chris hingelegt hat, geht das auch ganz einfach von der Hand, ohne dass ich mich selbst häute.

Chris nimmt die geschnittenen Zitronenscheiben und legt sie in die Form zu dem Wolfsbarsch. Unser Abendessen sieht mittlerweile wirklich lecker aus, muss ich selbst gestehen.

„Du warst noch nie dort?", fragt er nach.

„Nein."

„Dann nehme ich dich das nächste Mal mit."

„Das nächste Mal?", frage ich stirnrunzelnd.

„Na, das nächste Mal, wenn wir uns wieder sehen."


✵✵✵


Guten Morgen meine Lieben

Dieses Mal gab es ein extra langes Kapitel für euch. Ich hoffe, es hat euch gefallen.

Soweit hat sich Emma recht zurückhalten können. Nichts Schlimmes ist passiert. :-)

Was denkt ihr über Chris Familiensituation? Exfrau und Kind. Klingt nach viel Ärger, nicht?

Wünsche euch einen tollen Wochenstart!

Eure Fleur

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