Kapitel 19
„Hoheit, wir treffen in ungefähr einer Stunde am Hof ein!“, rief Markus, welcher, soweit ich mich erinnern konnte, der Anführer von Killians persönlicher Garde war. „Danke, Markus.“, antwortete Kilian und schaute weiterhin unbeirrt den Weg entlang. Auch, wenn die meisten es wahrscheinlich nicht gemerkt hatten, war seine Stimmung gesunken und auch seine Haltung war angespannter. Je näher wir dem Palast kamen, desto mehr veränderte er sich. Jedoch fiel mich das auch nur aufgrund meiner trainierten Augen auf. Seit meinem kleinen Trainingsausflug in den Wald hatten wir nur ein paar kleinere Gespräche geführt, die hauptsächlich meine Aufgaben als seine Zofe betrafen. Mein Zimmer würde im selben Gang wie seine Gemächer liegen und ich würde für ihn auch einige Botengänge machen. Das anfänglich vertraute Verhalten mir gegenüber hatte er abgelegt und hatte die Maske des bekannten und berechnenden Kronprinzen aufgezogen, für welchen ihn alle hielten. Auch die letzte Stunde unserer Reise sprach er nur einzelne Sätze mit mir, um mich aufzuklären, was direkt nach unserer Ankunft passieren würde. Zum einen wollte er ein Bad nehmen, welches ich ihm einlassen sollte, außerdem würde ich dem König vorgestellt werden. Aufgrund dessen sollte ich mich auch frisch machen, bevor ich zu seiner Majestät gebracht werden würde.
Zum Glück hatte ich am Vormittag den Trainingsanzug durch die Kleidung der Bediensteten ersetzt, da sich enorme Menschenmassen versammelt hatten, als wir durch die Straßen der Stadt schritten. Ab jetzt lag meine Aufgabe darin, so unsichtbar wie möglich zu sein und den Palast zu erkunden, um meinen Auftrag erfolgreich abzuschließen. Kinder liefen neben den Pferden, während manche Frauen sich kichernd die Hand vor den Mund hielten, als ihnen der Prinz einen Blick zuwarf. Andere brachten uns Blumen oder jubelten einfach nur, da ihr Prinz wieder daheim war. Als wir zum Palast kamen, lösten sich die Massen wieder auf und wir ritten in den Hof ein, wo die Dienerschaft und der König mit seinen engsten Beratern stand.
„Es ist mir eine Freude, dich wieder wohl erhalten bei uns zu wissen.“, begrüßte der König seinen Sohn, als dieser von seinem Pferd abstieg und in eine kurze Verbeugung überging, welche die Etikette erforderte. „Hallo, Vater. Es freut mich auch, dich hier zu sehen.“, erwiderte Kilian neutral, während er sich kurz im Hof umblickte. „Ich hörte, dass es viel zu besprechen gibt?“, wollte sich der König vergewissern, während er seinen Sohn die Treppen zum Palast hinaufführte. Wie auf Befehl saßen alle ab und die Bediensteten des König widmeten sich irgendwelchen Aufgaben. Kurze Zeit blickte ich verwirrt um mich, ohne zu wissen, was ich nun machen sollte. Also fasste ich den Entschluss, die Gemächer von Kilian aufzusuchen und das Bad vorzubereiten, nachdem er verlangt hat. Immerhin sollte ich als seine Zofe genau dies tun…. Nachdem ich bei Markus erfragt hatte, wo sich des Prinzens Gemächer befanden, machte ich mich auf direktem Weg dorthin.
Der Palast sah noch genau so aus, wie ich ihn in meinen Erinnerungen hatte. Nur die Gemächer des Prinzen waren vom Westflügel in den Ostflügel verlegt worden, nachdem seine Mutter gestorben war. Ich konnte mich noch gut an Königin Sophia erinnern… Ihre liebevolle Art hatte immer im Kontrast zu König Julius Ernsthaftigkeit gestanden, weshalb Kilian und ich immer zu Königin Sophia gegangen sind, wenn wir etwas angestellt hatten. Traurig dachte ich daran, wie es Kilian wohl ergangen war, nachdem die Königin an einer schweren Krankheit gestorben war. Kilian und sein Vater hatten noch nie ein sonderlich gutes Verhältnis zueinander gehabt im Gegensatz zu seiner Mutter und ihm. Während König Julius von seinem Sohn willenlosen Treue einforderte, ließ Königin Sophia Kilian seine Freiheiten. Ich hatte nur durch Gerüchte mitbekommen, dass der König etliche Lehrer eingestellt hatte, um den Prinzen zu unterrichten. Auch war Kilian in des Militär eingetreten und hatte seine Ausbildung als Heerführer abgeschlossen, während er immer wieder an die Grenzen zum Reich des Mondes reisen musste. Zwar wusste ich, dass noch kein Krieg ausgebrochen war, es aber schon des Häufigeren Auseinandersetzungen an der Grenze gegeben hatte. Der König versuchte zwar, die Angst vor einem Krieg zu dämmen durch Feiern und Feste, doch war jedem im Reich der Sonne bewusst, dass es nicht mehr lange dauern konnte, bis unser Feind einmarschieren würde. Seufzend lief ich die Treppen zum Ostflügel hinauf und ließ meinen Blick über die kahlen Wände gleiten. Anscheinend war dieser Teil des Schlosses frei von jeglichem Prunk, denn die Verzierungen, teuren Gemälde und Vasen waren verschwunden. Kühl blickten mir die kahlen einfarbigen Wände entgegen und nur der rote Teppich auf den Treppen und im Gang ließ ein wenig Farbe zu. Als ich endlich die letzte Stufe hinter mir ließ, hatte ich die Gemächer von Kilian erreicht.
Vorsichtig öffnete ich die Tür, jedoch kam ich keinen Schritt weiter, denn ich blieb erstaunt stehen. Eigentlich hatte ich mehrere Zimmer erwartet, welche voll mit Prunk und den feinsten Möbeln und Stoffen war, doch Kilians Zimmer war sehr schlicht gehalten. Zwar waren mehrere teure Vorhänge und Gemälde in dem großen Zimmer verteilt, doch war alles sehr schlicht gehalten und auch die knalligen Farben, welche ich von den Adeligen kannte, waren nicht aufzufinden. Seine Einrichtung bestand aus eine großen Bett, einem Tisch mit einem Stuhl, einem großem Schrank und einer kleinen Sitzgelegenheit am Kamin. Neugierig nahm ich alles in Augenschein und ging ins Bad, welches nur aus einer Badewanne, einem Spiegel und ein paar Schränken bestand. Ein paar Momente stand ich einfach nur mitten im Raum und ließ die Eindrücke auf mich einwirken, bis mich die Erinnerung an meine Aufgabe wieder wach rüttelte. Aufgrund einer auf einmal aufkommenden Motivation wirbelte ich geradezu durch den Raum und versuchte, dass Bad herzurichten, welches sich der Prinz gewünscht hatte. Zwar hatte ich die letzten Jahre nicht wirklich die Erfahrung gesammelt, wie man ein Bad herrichtete, doch konnte ich mich noch an meine alten Zofe erinnern, welche ich immer dabei beobachtete hatte, wenn sie ein Bad für mich eingelassen hatte. Geschwind hatte Thymian, Rosenwasser und andere Düfte und Lotionen gefunden, welche ich in meinem alten Leben verwendet hatte. Ich hoffte nur, dass es auch dem Prinzen genügen würde. Nachdem ich heißes Wasser herbeigeschafft hatte und das Bad fertig gestellt hatte, verließ ich Kilians Gemächer und lief den Gang entlang zu meinen Zimmer.
Anscheinend waren meine Räume mit Kilians Gemächern die einzigen Zimmer in diesem Stockwerk. Seufzend ließ ich mich neben meinen Sachen fallen, welche netterweise von jemanden hergebracht worden waren. Ich wollte es mir selbst zwar nicht eingestehen, doch hatte mich die Reise etwas erschöpft und mein Hintern tat weh von der ganzen Zeit im Sattel. Nach einer kurzen Verschnaufpause fing ich an, mein Zimmer zu durchforsten. Überrascht stellte ich fest, dass ich in einem kleinen Kämmerchen auch eine Wanne hatte, um mich zu waschen. Das war wahrscheinlich mehr, als das meiste, was den anderen Dienern zur Verfügung stand. Summend holte ich mir etwas warmes Wasser und richtete meine neue Kleidung her, die Kleidung einer Zofe. Danach zog ich meine dreckige und durch geschwitzte Kleidung aus, welche ich später noch reinigen musste, und stieg in die Wanne. Die Wunde, welche noch von dem gescheiterten Auftrag mit John war, war mittlerweile fast ganz verheilt, weshalb sich die gesunde Haut leicht gerötet von meinem hellen Hautton abhob. Nachdem ich den Schweiß und den Dreck der letzten Tage abgewaschen hatte, stieg ich aus der Wanne und zog mich sauber an. Frisch bekleidet setzte ich mich auf mein Bett und begann damit, aus meinen braunen Wellen eine angemessene Frisur zu basteln. Gerade, als ich die letzte Strähne weggesteckt hatte, klopfte es an meiner Tür, weshalb ich eilig aufsprang und diese öffnete. Ein junges Mädchen blickte mir schüchtern entgegen und musterte mich von oben bis unten. „Seine Majestät erwartet Eure Anwesenheit!“, sagte sie nur monoton, drehte sich um und ging davor. Da ich keine Ahnung hatte, wo ich hin musste, folgte ich ihr durch den Palast, bis wir vor einer großen Tür stehen blieben. „Seine Hoheit wird mit einem anständigen Knicks begrüßt und es ist dir nur gestattet, zu sprechen, wenn du aufgefordert wirst.“, erklärte sie mir knapp, bevor sie die Tür öffnete und mich hinein schob. Überfordert blickte ich ihr hinterher, als sie wieder die Tür hinter mir schloss. Zögernd drehte ich mich in die Richtung um, wo ich den König vermutete. Meine Augen erfassten hohe Regale, welche mit einer enormen Anzahl an Büchern befüllt waren. Als ich meinen Blick weiter schweifen ließ, erblickte ich Kilian mit seinem Vater an einem Tisch, von wo aus sie mich mit kühlem Blick aus musterten.
Mit bedachten Schritten ging ich auf beide zu, während der Blick des Königs mich regelrecht durchlöcherte. Ich konnte spüren, wie er jeden meiner Schritte genauestens beobachtete, als würde er anhand von ihnen all meine Geheimnisse herausfinden können. Doch anhand seines Blickes konnte ich sofort sagen, dass er mich nicht erkannte… König Julius hielt mich für eine einfache Zofe, der er zeigen wollte, wer hier das Sagen hatte. Früher hätte ich solche Blicke als eine Beleidigung oder gar eine Herausforderung gesehen, weshalb ich mich häufig Ärger eingefangen hatte. Ich konnte mich noch sehr gut daran erinnern, als ein alter Herr bei meinem Vater und meiner Mutter vorsprach und mich während des ganzen Gesprächs mit Blicken drangsaliert hatte, weshalb ich irgendwann aufgestanden war, obwohl mir meine Eltern davor eingebläut hatte, dass ich ruhig und still sitzen bleiben sollte, und ihm gesagt hatte, mich gebührend anzuschauen. Nach diesem Vorfall hatten meine Eltern eine Lehrerin für die Etikette kommen lassen und mich mit Unterrichtseinheiten überschüttet, doch den Kampfgeist, den ich schon immer besessen hatte, hatten sie nicht ausmerzen können. Jedoch war dieser Kampfgeist in der jetzigen Situation kein Segen sondern ein Fluch, weshalb ich mich weiterhin in meine Rolle als brave Zofe zwang und in einen tiefen Knicks vor dem König sank.
„Du kannst dich wieder erheben.“, erwiderte der König nach einer Weile. Gespielt schüchtern blickte ich weiterhin nach unten, als ich mich aufrichtete und ließ es nur zu, die Schuhe des Königs zu betrachten. Für alle anwesende Personen wirkte ich schwach, eingeschüchtert und gebrechlich und genau das, war mein Ziel gewesen. „Wie lautet dein Name?“, wollte Julius wissen, während er mich weiterhin von oben bis unten musterte. Unwohl bewegte ich mich von einem auf den anderen Fuß und Gänsehaut bildete sich in meinem Nacken. „Lillith, Hoheit.“, erwiderte ich und hielt weiterhin meinen Kopf geneigt, doch beobachtete ich Kilian aus dem Augenwinkel. Der Prinz hatte, seit ich den Raum betreten hatte, den Blick nicht von mir genommen. Mit strenger Position saß er neben seinem Vater und wirkte wie ein Vorzeigeprinz, doch das Zittern seiner linken Hand verriet seine Anspannung, was mich leicht lächeln ließ. Ich wollte ihm zu flüstern, dass alles in Ordnung sie, doch dann würde ich seine Schwäche vor seinem Vater offenbaren. Also ließ ich es bleiben und richtete meine Aufmerksamkeit wieder auf den König. „Arbeite gut und sei treu, ansonsten kannst du dir ja denken, was dich erwartet. Du bist hiermit entlassen!“, sagte er mich düsterer Stimme und ernstem Blick, welchen ich erhaschen konnte, als ich mich zum Abschied verbeugte. Kurz bevor ich durch die Tür verschwand, warf ich nochmal einen Blick zu Kilian, welcher mir traurig hinterher blickte. Verwirrt runzelte ich die Stirn, nachdem ich die Tür ins Schloss gefallen war. Es war doch alles ganz gut gelaufen…
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