Goldene Augen. Ich hasse goldene Augen
Die Selkies bemerkten mich erst, als ich mitten unter ihnen war. Blitzschnell waren alle verfügbaren Waffen auf mein Herz und meinen Kopf gerichtet. Ich drückte den Speer, der nur ein paar Millimeter von meiner Stirn entfernt war, herunter. Die Selkies runzelten die Stirn. "Bist du auch ein Zauberer?"
"Ja. Nun ja, nein. Fast." War ein Gott eine Art Zauberer?
"Was denn jetzt?" Ein düsterer Selkie trat vor. "Wenn ja, bringen wir dich zu den Grindelohs."
"Hübsche Aussicht.", murmelte ich. "Aber mal was anderes. Habt ihr nun Jonny verletzt oder nicht?"
"Nein! Und wir lassen uns nicht als Sündenbocke für die Zauberer manipulieren.", knurrte der Selkie düster. Ich hob die Hände. "Wow, wow, okay. Ich habe euch nichts unterstellt, ich habe euch nur etwas gefragt."
Auf einmal zupfte mich eine kleine Hand an der frisch geflickten Hose. "Das sieht lustig aus.", verkündete eine kleine Selkie. Ihre schwarzen, wohl kinnlangen Haare schwammen um sie herum. Ich lächelte sie verlegen an. "Ja, stimmt wohl."
"Merna, halt dich da raus.", befahl der düstere Selkie der Kleinen. Diese schmollte. "Immer darfst du mit den Gästen reden, Dad. Ich sitze nur in meiner Hütte und sammle Muscheln. Mir ist langweilig, und der da ist lustig!" Merna ließ sich auf den Boden plumpsen, was mit Schwerkraft sicherlich eindrucksvoller gewesen wäre. Die Falten auf der Stirn des Selkies glätteten sich, aber er gab nicht nach. "Ich prüfe, ob er lustig ist, ja?"
"Nein!" Merna sah ihren Vater mit vorgeschobener Unterlippe an. "Du hast gesagt, du willst ihn zu den Grindelohs bringen. Die sind aber nicht nett."
Ihr Vater stöhnte, während einige andere Selkies kicherten. Eine junge Kriegerin strich der Kleinen über's Haar. "Ich pass auf, dass Grundé ihn nicht zu den Grindelohs bringt, bevor du nicht mit ihm gespielt hast, ja, meine Kleine?"
"Ja.", nickte Merna. "Aber ich bin schon groß!" Sie schwamm einige Zentimeter über dem Kopf der Meerfrau. Dann drehte sie ab und huschte zu einem Stein, hinter dem sie sich versteckte. Ich grinste ihr zu.
"Kiel? Bring sie zu ihrer Hütte, ja?", sagte der Selkie seufzend. Als die beiden weg waren, wandte er sich mir zu. "Also, was bist du jetzt?"
"Percy Jackson."
"Nicht wer, was."
Ich fand, mein Name konnte schon als was durchgehen. Zum Beispiel als Titel. Trotzdem sagte ich nichts dazu. "Ehemals Halbgott, Sohn des Poseidon, Gott der Treue und des Wassers.", ergänzte ich mich.
Die Kriegerin von vorhin zog eine Augenbraue hoch. "Ein Gott."
"Ein Sohn des Poseidon, der zum Gott erhoben wurde, ja.", erklärte ich.
Die Augen der Kriegerin wanderten noch höher. "Wir kennen Poseidon persönlich. Und als er hier war, war noch kein Halbgott der zum Gott erhoben wurde da."
"Wann war das denn?"
"Vor hundert Jahren? Ich bin nicht sicher.", kam auf einmal eine krächzende Stimme hinzu. Eine alte, sehr sehr faltige Meerfrau schwamm auf mich zu. Dann packte sie mein Kinn und drehte es hin und her, wobei ihre Finger sich in meine Haut bohrten. Sie lächelte mich verschwörerisch an, während ich immer verwirrter wurde. Was passierte hier gerade eigentlich?
"Er ist wirklich ein Gott, und auch ein Sohn des Poseidon.", verkündete sie mit ihrer Raucherlungenstimme. "Heil Perseus, Gott der Treue und des Wassers!"
"Heil Perseus.", wiederholten die Selkies. Die Kriegerin sah mich immer noch argwöhnisch an, ließ sich aber mitreißen. "Und warum seid Ihr hier, Lord Perseus?", fragte sie dann. Einige Selkies sogen scharf die Luft ein, aber ich grinste nur breit. Endlich mal jemand, der sich nicht gleich von der Göttlichkeit umwerfen ließ. Ich mochte sie sofort.
"Wie gesagt. Jonny behauptet, ihr hättet ihn angegriffen. Grave behauptet, infolgedessen hätte Jonny seine Schwester Nella entführt. Nella hingegen hat aber eine Beziehung mit Jonny. Jonny denkt aber immer noch, dass ihr ihn angegriffen hättet, und hätte mich benahe umgebracht, weil er dachte, ich wäre einer von euch. Und jetzt würde ich gerne wissen, was hier eigentlich los ist.", brachte ich die Sache auf den Punkt.
Die Selkies überlegten.
Lange.
Verstohlen gähnte ich.
"Ich glaube, ich weiß etwas!" piepste dann eine Stimme völlig außer Atem. Hinter Merna schwamm Kiel, ebenfalls außer Puste.
"Ich habe den Neuen gesehen, wie er zu Jonny geschwommen ist. Danach habe ich einen Lichtblitz gesehen, und Jonny hat losgebrüllt. Er hat meine Muschelburg kaputt gemacht!", sagte Merna wütend. Sie verschränkte die Arme.
"Der Neue?"
"Ja, letztens ist ein Meermann zu uns gekommen.", beantwortete Mernas Dad meine Frage. "Er sagte, er bräuchte Hilfe. Wir haben ihn aufgenommen, unter der Bedingung, dass er auf uns hör - Vorsicht!"
Eine Schuppe blitzte am Rand meines Augenwinkels auf. Erschrocken warf ich mich zur Seite und konnte dem Hieb des Meermannes nur knapp entgehen. Der Meermann heulte auf und griff mich erneut an. Immer wieder wich ich aus und gab den Selkies einen Wink sich in Sicherheit zu bringen. Als der Meermann Merna nur knapp verfehlte, als sie auswich, brüllte ich meinerseits auf. Eine Kraft, die ich bisher nicht kannte, erfüllte mich. Eine angenehme Kühle sowie Ruhe breitete sich in meinem ganzen Körper aus. Ich fing den Speer des Meermannes zwischen meinen Handflächen auf. Knisterndes Eis breitete ich auf dem Speer bis zum Meermann aus. Der Mann rang nach Luft. Gold blitzte in seinen Augen auf. "Nei - nein!", keuchte er. "Nicht schon wieder." Doch zu spät. Bis auf seinen Kopf war sein gesamter Körper mit Eis umschlossen.
Ruckartig ließ ich den Speer los, blickte desoriertiert zur Seite. Was war hier passiert?
"Lord Perseus?", sprach mich die junge Kriegerin an. "Was habt Ihr mit ihm gemacht?"
"Ich weiß es nicht.", entgegnete ich. "Das mache ich zum ersten Mal."
"Wie lange seid Ihr schon ein Gott?"
"Entweder zwei Jahre oder ein paar Monate." Gleichgültig tippte ich die Eisstatue des Meermannes an. Es klirrte dumpf.
"Ihr wisst es nicht?"
"Ich lag im Koma."
Die Kriegerin schien mehr als verwirrt. "Als Gott?"
"Na ja. Da bin ich mir eben nicht sicher. Also, entweder hat mein Körper länger gebraucht um mich an das Ichor zu gewöhnen, dann ein paar Monate, oder ich lag unter Machtschock im Koma, dann zwei Jahre.", erklärte ich und klopfte jetzt gegen das Eis. Wieder knisterte es, nur löste es sich dieses Mal auf.
Erschrocken wichen die Selkies zurück.
"Stirb, Perseus Jackson!" Nun leuchteten die Augen des Meermannes eindeutig golden. Nur schien er nicht darauf gefasst du sein, dass ich neben ihm stand.
"Hm?"
"Ein Eidolon!", entwischte es mir hingegen entsetzt. Ich hasste diese Dinger und bemitleidete den Meermann. Dann breitete sich ein Grinsen in meinem Gesicht aus. Mal gucken, ob ich auch Charmsprech kann.
Nein.
Chaos? Was meinst du mit 'Nein'?
Du kannst nicht Charmsprech. Einzig Aphrodite, ein paar ihrer Töchter und die Chariten können es.
Wer?
Piper oder Drew.
Nein, ich meine die Chariten.
Dienerinnen der Aphrodite. Göttinnen der Anmut, glaube ich.
Ich nickte und musterte den Meermann, der sichtlich erstaunt war, dass ich mich nicht bewegte oder anderweitig versuchte ihn zu töten.
Wie kann ich ihn dann besiegen?
Entweder du tötest den Meermann,
Nein!
Oder du sagst deinen Titel auf, was du von ihm willst und nutzt deine Magie. Wenn ich so darüber nachdenke reicht auch nur die Magie, aber Titel wäre eindrucksvoller.
Ich verdrehte die Augen. Dann hob ich die Hände und spürte tief in mich. Das hatte mir schon beim erlernen der einfacheren Götterspielereien viel geholfen. Grün-Blaue Funken knisterten um meine Finger. Aus einem Impuls heraus fasste ich dem Meermann an Handgelenk und Herz, was ziemlich seltsam für alle Umstehenden aussehen mochte.
Der Mann fing an zu zittern und sackte schließlich in sich zusammen. Gleichzeitig stieg goldener Rauch aus seinem Mund und seinen Augen auf.
"Was hast du getan?", heulte der Eidolon. "Wie hast du das geschafft? Du bist nur ein Halbblut! Ein schwaches, wertloses Halbblut!"
"Danke auch.", murmelte ich und schickte ihn in den Tartarus.
Der besessene Meermann öffnete flatternd die Augen.
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