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Kapitel 26

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Nach unserem verheerenden Kuss fuhren wir zurück zu Julians Zuhause.

Julian sprach kaum mit mir.

Wir müssen reden und Steig auf waren die einzigen Worte, die er zu mir sagte.

Die Fahrt nach East Rock kam mir unendlich lange vor, als verginge ein halbes Leben. Ich fühlte mich schrecklich und doch spürte ich noch immer Julians weiche Lippen auf meinen. Seine Hände überall auf meinem Körper. Die unbändige Lust auf mehr, die er in mir hervorgerufen hatte.

Kaum dachte ich über seine Berührungen nach, überfiel mich wieder eine solche Hitze, der ich nichts entgegenzustellen wusste.

Was stellte dieser Mann nur mit mir an?

Die Tatsache, dass wir während der gesamten Fahrt auch noch eng aneinander gepfercht dasaßen, machte die ganze Sache keineswegs besser. Im Gegenteil. Eine Mischung aus Bedauern, Verlangen und Schuldgefühle rangen in meinem Innern miteinander. Trugen einen Kampf aus, dessen Ausgang ich nicht vorhersagen konnte.

Die Krönung jedoch war, als wir schließlich in der Livingston Street ankamen und einen schwarzen SUV neben Julians Pick-Up in der Einfahrt entdeckten.

Ich hörte Julians Fluchen selbst über den Fahrtwind und den lärmenden Motor hinweg. Offenbar hatte er nicht mit Besuch gerechnet und seiner Reaktion nach zu urteilen, war es kein erfreulicher Besuch.

Als wir abstiegen und uns unserer Helme entledigten, warf ich ihm einen fragenden Blick zu, aber er schenkte mir kaum Beachtung. Er starrte nur angespannt zum Haus. Ein ungutes Gefühl beschlich mich. Die Art ungutes Gefühl, die man empfand, wenn man beim Lügen erwischt wurde. Oder wenn in der Schule die Hausaufgaben kontrolliert wurden und man sie zu erledigen vergessen hatte.

Ich rechnete bereits damit, dass Julian mir jeden Moment mitteilte, dass Daphne - seine Exfrau - hier war, obwohl mir eigentlich hätte klar sein müssen, dass sie sicherlich keinen Haustürschlüssel mehr besaß. Stattdessen machte Julian einen Schritt in Richtung Haus, als plötzlich die Tür aufflog.

»Julian, warst du schon wieder auf diesem Ding unterwegs? Herrgott nochmal, irgendwann fährst du dich noch zu Tode! Wann hörst du endlich auf deine Mutter?«, eine kurvige Frau mit kurz rasiertem Haar und stechend grünen Augen erschien auf der Veranda. Sie schien noch relativ jung zu sein und machte einen sehr liebevollen Eindruck. Abrupt blieb sie stehen, als sie mich entdeckte.

»Meine Güte, Mom! Er ist fast dreißig Jahre alt, hört endlich auf Julian und mich zu bevormunden! Ihr seid richtige Helikopter-Eltern. Psychologisch gesehen hemmt uns das in unserer Entwicklung und sorgt für Unselbstständigkeit! Außerdem...«, hinter Julians Mutter erschien ein Mädchen in etwa meinem Alter, die so rein gar nichts mit Julian oder der Frau vor sich gemeinsam hatte. Sie war dürr, zierlich und ein musterhaftes Beispiel für südländische Schönheit. Auch sie hielt mitten im Satz inne, als ihre Augen meine fanden. Ein überraschter Ausdruck glitt über ihr hübsches Gesicht. Rabenschwarzes Haar unrahmte ihre neugierig dreinblickenden Augen mit langen Wimpern, die jedes Mädchen vor Neid erblassen ließen. Ihr rundes Gesicht war geprägt von sanften Zügen, üppigen Lippen und einer hervorstechenden Stupsnase. Obwohl ich sie anhand ihrer Aussage sofort als Julians Schwester ausmachte, hatte sie äußerlich rein gar nichts mit den Wrights gemeinsam.

»Schließ nicht von deiner Mutter auf mich. Ich war schon immer der Coolere von uns beiden«, auch mit dem Mann mittleren Alters, der nun ebenfalls über die Schwelle trat, hatte sie nichts gemeinsam. Dafür war Julian ihm allerdings wie aus dem Gesicht geschnitten. Dieselbe gerade Nase, die vollen Lippen, hohe Wangenknochen. Eindeutige Merkmale, die ihn als Julians Vater identifizierten. Lediglich das Blau seiner Augen wich von Julians Grün ab.

Sam, die vierte im Bunde, erschien hinter Julians Familie und kam in schwindelerregendem Tempo und wedelnder Rute auf uns zugerannt.

»Tja«, murmelte Julian neben mir missmutig, so leise, dass nur ich es hören konnte. »Scheint, als würdest du heute auch noch meine Familie kennenlernen.«

Julian klang alles andere als begeistert und ich konnte es ihm nicht verdenken. Ich war mindestens genauso wenig erpicht darauf, die Eltern meines Professors kennenzulernen, wie er. Davon einmal ganz abgesehen besaß ich nicht den Hauch einer Ahnung, was wir Julians Familie über meine Identität verraten sollten.

Nachdem wir Sam ausgiebig begrüßt hatten, liefen wir nebeneinander die Einfahrt hoch zu Julians Familie. Mein Herz klopfte aufgeregt gegen meine Rippen und Unsicherheit erfüllte mich bei jedem Schritt von Kopf bis Fuß. Ich unterdrückte den Impuls schreiend davonzulaufen und stellte mich den drei neugierigen Augenpaaren entgegen, die nun alle gar auf mich gerichtet waren, als wollten sie mich auf den Prüfstand stellen.

»Hey Mom, Dad«, Julian begrüßte die beiden mit einer Umarmung. Dann wandte er sich seiner Schwester zu.

»Komm her, du Nervensäge«, auch sie drückte er kurz an sich und wuschelte ihr einmal brüderlich durchs Haar.

»Lass das!« brummte sie und duckte sich unter ihm hinweg. Julian handelte sich einen bösen Blick ihrerseits ein.

Nach der Begrüßungsrunde wanderten erneut alle Augen erwartungsvoll auf mich. Allem Anschein nach war es für die Wrights nicht üblich, ihren Sohn und Bruder in weiblicher Begleitung anzutreffen.

»Bruderherz, willst du uns deine Freundin nicht vorstellen?«, quengelte das Mädchen, während ihre großen, braunen Augen mich regelrecht an Ort und Stelle fixierten. Ihre forsche Art erinnerte mich ein wenig an Caya. Die beiden würden sich sicherlich blendend verstehen.

Ich schenkte ihr ein vorsichtiges Lächeln.

»Ähm Laney, das sind meine Eltern Lydia und Joseph«, machte Julian uns miteinander bekannt. Sofort bot ich den beiden meine Hand an, um mich vorzustellen.

Lydia ergriff sie zuerst und schenkte mir ein freundliches, herzliches Lächeln.

»Hallo Laney, freut mich dich kennenzulernen, ich bin Julians Mom«, sie schüttelte mir sanft die Hand.

»Ich freue mich auch, Mrs. Wright«, entgegnete ich zaghaft und fühlte mich wie an meinem ersten Tag auf der High School, bei dem sich entschied, ob man der Kategorie der Beliebten angehörte oder als Nerd abgestempelt wurde. Jedoch machte Julians Mom einen sehr offenen und zugewandten Eindruck, was meine innere Nervosität sogleich zum Bröckeln brachte.

»Ach, nenn mich doch Lydia!«, sie machte eine wegwerfende Bewegung mit der Hand und lachte herzlich. »Bei Mrs. Wright komme ich mir so alt vor.«

»Oh, natürlich, Mrs. Wrig... Lydia«, mit einem letzten Lächeln in ihre Richtung wandte ich mich seinem Dad zu. Er besaß einen festen Händedruck und schüchterte mich mit seinen kalten, blauen Augen ein wenig ein, wenngleich der Ausdruck auf seinem Gesicht nicht im mindesten unfreundlich wirkte.

»Ich bin Joseph. Der Coolere von Julians Eltern«, er zwinkerte mir zu und entlockte mir ein lautes Lachen.

»Ich bin Laney. Laney Taylor.«

»Laney, ein sehr ungewöhnlicher Name«, stellte Julians Dad fest, legte den Kopf schief und warf mir einen fragenden Blick zu. Unheimlich, selbst Mr. Wrights Mimik und Gestik glich der Julians. Die beiden waren definitiv Vater und Sohn.

»Ja, meine Mom hat ihn ausgesucht«, erwiderte ich freundlich und lächelte zurück. Die Wrights waren wirklich nett.

»Aha. Das Beste also zum Schluss«, riss nun Julians Schwester das Gespräch an sich und drängte sich unmittelbar zwischen ihren Dad und mich, sodass sie im Zentrum meiner Aufmerksamkeit stand.

»Ich bin Reya!«, sie ignorierte meine dargebotene Hand und riss mich einfach in eine stürmische Umarmung. Völlig überrumpelt erwiderte ich sie.

»Schön zu sehen, dass mein Bruder doch nicht nur mit der Arbeit verheiratet ist und sich hin und wieder in weibliche Gesellschaft begibt. Das wirkt Wunder gegen schlechte Laune, habe ich gehört«, sie lehnte sich zurück und zwinkerte mir verschwörerisch zu.

»Reya!«, warnte Julian seine Schwester mit einem bösen Blick.

»Ihr loses Mundwerk hat sie nicht von mir«, flüsterte Julians Dad seiner Frau zu und ein humorvolles Lächeln trat in sein Gesicht. Es war offensichtlich, dass es sich um einen liebevollen Seitenhieb sowohl gegen Reya als auch ihre Mutter handelte.

»Von mir auch nicht«, gab diese trocken und mit hochgezogener Braue zurück.

Reya rollte über den Schlagabtausch ihrer Eltern nur mit den Augen, ehe sie sich wieder ein hundert Watt Lächeln auf die Lippen zauberte.

»Also«, nahm sie das Gespräch wieder auf, wandte sich nun direkt an Julian und strafte das Gezanke ihrer Eltern mit Missachtung. »Was verschafft uns das Privileg, deine Freundin kennenzulernen?«

»Oh, ich bin nicht...«, setzte ich sofort zur Widerrede an, aber Julian überging meine Aussage einfach und lenkte vom Thema ab.

»Was macht ihr hier?«, fragte er stattdessen und sein Gesichtsausdruck verdunkelte sich. »Ich habe euch doch gesagt, dass ich Sam später abholen komme.«

»Damit habe ich nichts zu tun«, Reya hob entschuldigend die Hände. »Ich bin nur hergekommen, um Asyl zu suchen, weil meine Mitbewohnerin mal wieder eine Party feiert. Kann ich vielleicht im Gästezimmer übernachten? Biiiitte, Bruderherz?«, Reya zog einen Schmollmund und ihre Augen wurden noch größer, als sie es ohnehin schon waren.

Julian stieß ein lautes Seufzen aus.

»Meinetwegen, aber nur wenn du morgenfrüh das Badezimmer nicht wieder stundenlang blockierst.«

»Du bist der Beste«, Reya machte einen Luftsprung und drückte Julian einen Kuss auf die Wange. Er rollte nur mit den Augen. Irgendwie fand ich es total süß, wie unbeschwert die beiden miteinander umgingen. Man merkte direkt, dass sie Bruder und Schwester waren. Sofort verspürte ich einen kurzen Anflug von Neid. Ich hatte mir auch immer schon Geschwister gewünscht.

»Was ist eure Ausrede?«, wandte Julian sich nun an seine Eltern.

»Wir wollten dir den Weg nach Hartford ersparen und sind noch bei Freunden in der Nähe zum Essen eingeladen«, Joseph warf einen gehetzten Blick auf seine Armbanduhr. »Weshalb wir eigentlich schon unterwegs sein sollten.«

»Na dann, lasst euch nicht aufhalten. Wirklich schade«, kommentierte Julian ironisch. Er schien es richtiggehend eilig zu haben, seine Eltern loszuwerden. Ich warf ihm einen vielsagenden Seitenblick zu, um ihm zu signalisieren, dass seine Aussage ziemlich gemein war.

Entweder entgingen Lydia und Joseph Julians Sarkasmus oder aber sie ignorierten ihn schlicht.

»Ja«, bekräftigte Lydia und ihr grüner Blick wanderte neugierig zu mir. »Wir wären gerne noch etwas geblieben und hätten dich kennengelernt, Laney. Vielleicht können wir das ja nachholen?«

»Oh ähm...«, wieder geriet ich in Erklärungsnot und stammelte nervös vor mich hin. Julian neben mir versteifte sich, als hätte er einen Besen verschluckt. Doch noch bevor ich mir eine schlechte Ausreden einfallen lassen konnte, übernahm Julian dieses Problem für mich.

»Mom, das wird nicht passieren. Laney ist nur meine Studentin«, hörte ich ihn plötzlich und zu meiner Überraschung sagen.

Bei seinen Worten versteinerte ich. Ich hätte nicht erwartet, dass er seiner Familie die Wahrheit anvertraute. Aber das war es auch nicht, was mir einen Pfeil durchs Herz jagte. Nein, es war die Aussage, dass ich nur seine Studentin sei, auch wenn ich wusste, dass Julian das hatte sagen müssen. Schließlich konnte er seinen Eltern schlecht mitteilen, dass er in einem unsittlichen Verhältnis zu einer seiner Studentinnen stand. Oder?

»Ach ja?«, Lydias Blick hatte plötzlich etwas Wachsames an sich und streifte erst über Julian, dann über mich hinweg. Die Art und Weise, wie sie ihre Worte betonte, klang keinesfalls überrascht, als hätte sie sich bereits denken können, was Julian aussprach.

»Na na, Bruderherz«, warf Reya nun mit einem verschmitzten Grinsen ein. »Nur deine Studentin? Bist du dir da sicher? Wusste gar nicht, dass man Studentinnen neuerdings mit Motorrädern imponieren muss, um sie zum Lernen zu animieren?«, sie stieß Julian spielerisch den Ellbogen in die Seite, während sie mir gleichzeitig ein vielsagendes Zwinkern zuwarf. Es war nicht schwer zu erraten, dass Reya ihr Herz auf der Zunge trug. Ich errötete bis zu den Haarwurzeln und blickte ertappt drein. Julian dagegen wirkte völlig unbeeindruckt, als hätte er bereits mit einer solchen Aussage gerechnet.

»Halt die Klappe, Nervensäge«, zischte er seiner Schwester leise zu. Jedoch nicht leise genug, denn Julians Eltern standen viel zu nahe, um seine oder gar Reyas Bemerkung überhört zu haben.

Peinlich. Oh ja, dieses Wörtchen beschrieb die Situation ziemlich treffend.

Ich wagte es kaum, in die Richtung von Julians Eltern zu schauen. Was dachten die beiden jetzt bloß über mich? Dass ich mich an meinen zehn Jahre älteren Professor ranmachte, um bessere Noten zu bekommen? Dass ich ein naives kleines Mädchen war? Oder glaubten sie womöglich, dass ich Julian ins Verderben stürzen würde? Denn die Zeit, die wir heute miteinander verbracht hatten, war alles andere als angemessen in Hinblick auf das Verhältnis, in dem wir standen. Oder besser gesagt: stehen sollten. Aber diese Zeit war noch etwas: sie war begrenzt. Das wussten wir beide. Dieser Tag würde irgendwann ein Ende finden und mit ihm auch das, was zwischen uns entstanden war...

Lydia räusperte sich und überging die unangenehme Stille, die für ein paar Sekunden auf der Veranda geherrscht hatte. Wenn Julians Geständnis ihre Meinung über mich geändert hatte, so ließ sie sich jedenfalls nichts anmerken.

»Nun, Laney, wir müssen los. Es war dennoch schön, dich kennenzulernen«, Lydia riss meine Aufmerksamkeit wieder auf sich und als ich mich dieses Mal überwand, sie anzusehen, besaß ihr Gesicht einen vollkommen neutralen Ausdruck. Zwar konnte ich noch immer einen Hauch Neugierde erkennen, den man ihr natürlich nicht absprechen konnte, aber wie es schien, erlaubte sie sich kein Urteil.

»Ich stimme meiner Frau zu«, Julians Dad sah mich aus strahlend blauen Augen an und kleine Lachfältchen ringelten sich um seine Augen. Ich erwiderte sein Lächeln und fühlte mich sogleich ein klein bisschen weniger unwohl.

»Julian«, Lydia richtete sich an ihren Sohn und ein strenger Ausdruck huschte über ihre Gesichtszüge. »Bring das Mädchen sicher nach Hause. In deinem Auto. Nicht auf diesem... Ding«, sie deutete in Richtung Motorrad.

»Wow, Mom, ich glaube das war die mit Abstand subtilste Art und Weise ihm zu sagen, dass er sein Bett nicht mit seiner Studentin teilen soll«, Reya gluckste vergnügt. Ich unterdessen erstarrte zur Salzsäule. Reya verstand sich definitiv darin, jemanden in Verlegenheit zu bringen.

»Reya! Es reicht jetzt mit diesen Bemerkungen«, Lydia warf ihrer Tochter einen bitterbösen Blick zu. Reya hob entwaffnend die Arme in die Luft, nur um gleich darauf eine Hand an ihren Mund zu führen und so zu tun, als würde sie ihn verschließen und den Schlüssel weit, weit wegwerfen.

Obwohl Reyas Kommentare teilweise vollkommen unter der Gürtellinie waren, so waren sie doch auf absurde Weise lustig. Reya besaß einen sehr schwarzen Humor, so viel stand fest.

Lydia und Joseph verabschiedeten sich und liefen zu ihrem Wagen. Wir sahen ihnen noch hinterher, bis sie hinter den Häusern verschwanden.

»Also«, erklang eine enthusiastische Stimme hinter uns. Julian und ich drehten uns beide um und blickten in Reyas grinsendes Gesicht. »Habt ihr beide Hunger? Ich könnte mein weltberühmtes Dahl machen und...«

»Nein danke, wir waren schon essen«, fiel Julian ihr harsch ins Wort. »Außerdem wollte ich Laney ohnehin zurück ins Wohnheim bringen. Es ist schon spät.«

»Mann«, Reya zog einen Schmollmund und wirkte ehrlich beleidigt. »Du willst sie echt nur für dich haben, was?«

Julian stieß ein genervtes Seufzen aus.

»Ich bereue es jetzt schon, dich zu beherbergen.«

»Nein tust du nicht, Bruderherz. Du bist insgeheim froh, mich bei dir zu haben«, sie boxte ihm spielerisch auf die Schulter, ehe sie sich wieder zu mir umdrehte.

»Also Laney, schön, dass wir uns getroffen haben! Vielleicht begegnen wir uns ja mal auf dem Campus. Ich studiere auch in Yale.«

»Ja, Psychologie, richtig? Julian hat mir davon erzählt«, stimmte ich ihr zu, was sie mit einem hastigen Nicken bekräftigte. Irgendwie mochte ich Reya auf Anhieb. Sie war erfrischend ehrlich. Julian tauschte unterdessen drinnen die Schlüssel aus, da er offenbar dem Wunsch seiner Mom nachkam und mich mit dem Pick-Up zurück fuhr. Ich war nicht ganz unglücklich darüber. Zwar hatte das Motorradfahren mir wirklich viel Spaß bereitet, aber es war doch zu meiner großen Überraschung ziemlich anstrengend. Nicht nur der Hintern tat mir höllisch weh, sondern auch der Rücken und meine Arme und Beine. Nun verstand ich auch, weshalb man Motorradfahren eine Sportart nannte.

»Fahr vorsichtig und vergraul sie nicht direkt. Du hast sie uns gerade erst vorgestellt«, rief Reya uns hinterher, während wir zu Julians Auto liefen.

»Sie ist eine Plage«, murmelte Julian leise in seinen Bart und öffnete mir gentlemanlike die Beifahrertür.

»Das habe ich gehört!«, vernahm ich noch ein letztes Mal Reyas Stimme von der Veranda, ehe ich einstieg. Julian tat es mir gleich und ein paar Sekunden später fuhren wir los.

»Ich glaube, eine Plage zu sein, haben jüngere Geschwister so an sich«, nahm ich das Gespräch wieder auf und lächelte. Mir kam eine Frage in den Sinn, die ich mich vorhin unter all den Ohren nicht zu stellen gewagt hatte.

»Ist Reya deine leibliche Schwester?« Ich wusste nicht, ob ich damit zu weit ging. Ob ich eine Grenze überschritt. Aber Julian schien vollkommen entspannt und ein kleines Lächeln legte sich über seine Lippen.

»Nein. Wir haben sie adoptiert, als sie noch ganz klein war. Ihre Eltern kamen bei einem Autounfall ums Leben.«

»Das ist sehr bemerkenswert von deinen Eltern«, stellte ich nachdenklich fest. Ich konnte mir nicht vorstellen, ein fremdes Kind aufzunehmen und zu lieben wie mein eigenes. Allerdings konnte ich mir um ehrlich zu sein auch nicht vorstellen, überhaupt Kinder zu haben. In Anbetracht meiner Situation hatte ich mir solche Gedanken nie erlaubt.

»Ja, Mom und Dad sind sehr bemerkenswert. Familie steht für sie schon immer an erster Stelle.«

Ich lächelte und beobachtete den liebevollen Ausdruck, der über sein Gesicht huschte, sobald er von seiner Familie sprach. Sie bedeutete ihm viel.

»Familie ist wichtig«, hörte ich mich selbst sagen und dachte instinktiv an meine eigenen Eltern.

»Das Wichtigste«, bestätigte Julian und sah mich an. Der Blick aus seinen grünen Augen jagte mir einen Schauer über den Rücken und erneut tauchten Bilder vor meinem inneren Auge auf. Bilder an unseren Kuss. Gänsehaut legte sich über meinen Körper und mir fiel ein, dass wir eigentlich hatten reden wollen. Über den Kuss. Über uns. Darüber, wie es nun weitergehen sollte... Doch wieder einmal hatte das Schicksal dazwischengefunkt, als wollte es nicht, dass wir dieses Gespräch, das schon ewig ausstand, führten.

»Du kannst mich schon an der nächsten Ecke rauslassen. Nicht, dass wir noch gesehen werden«, sagte ich hastig. Zwar wäre es nicht weiter schlimm, wenn uns jemand erkannte, da wir mit meiner Position als seine Forschungsassistentin eine gute Ausrede parat hätten, aber man musste das Schicksal ja nicht unnötig herausfordern. Außerdem war es schon ziemlich spät. Das würde dann wohl doch die eine oder andere Frage aufwerfen.

Ich wappnete mich innerlich dafür, dass dieser Tag nun sein Ende fand. Dass wir ihn nicht mehr länger hinauszögern konnten. Doch als Julian an der nächsten Ampel abbog und in die entgegengesetzte Richtung fuhr, runzelte ich verwirrt die Stirn.

»Julian? Wohin fährst du?«

»Das siehst du gleich«, erwiderte er gelassen und lenkte den großen Pick-Up souverän über die Straßen. Verwirrt schaute ich aus dem Fenster und rätselte, was er wohl vor hatte.

»Ich dachte, du wolltest mich zum Wohnheim bringen?«, wiederholte ich die Worte, die er kurz zuvor noch zu Reya gesagt hatte.

»Planänderung«, sagte er nur schlicht, konzentrierte sich auf den Straßenverkehr und hüllte sich fortwährend in geheimnisvolles Schweigen. Ich hob demonstrativ die Brauen, enthielt mich allerdings weiterer Proteste und beobachtete den dunklen Nachthimmel sowie die Lichter der Straßenlaternen, Autos und Schaufenster, die an uns vorbeizogen.

Aus dem Radio drang ein Metal Cover von Ed Sheerans Shape of you und ein kurzer Blick auf das Display bestätigte mir, dass Julians Handy mit dem Surround System verbunden war. Offenbar ging sein Musikgeschmack in Richtung Rock und Metal, was mich nicht weiter überraschte. Es passte irgendwie zu ihm.

Ich wurde jedoch wieder auf meine Umgebung aufmerksam, als er den Wagen plötzlich in Richtung East Rock Park lenkte und in die Hamden Street einbog. Es war ein schmaler Streifen Waldweg, der aufgrund der fast vollständig eingesetzten Dunkelheit der Nacht sogar ein kleines bisschen gruselig wirkte. Aber ich begriff sofort, was Julian vorhatte und mein Herz machte einen Sprung.

»Wir fahren zu dem Soldiers and Sailors Monument?«, überrascht sah ich ihn von der Seite her an.

»Ich habe doch gesagt, du musst einmal bei Nacht hierherkommen«, erwiderte er ganz selbstverständlich, als wäre das, was er gerade tat, nicht eine total romantische Geste.

Je weiter wir unserem Ziel kamen, desto größer ragte das Monument in all seiner Größe vor uns auf. Wir fuhren an den zahlreichen Sitzbänken vorbei und Julian parkte den Wagen kurz vor dem Abhang des Felsplateaus, sodass wir eine perfekte Aussicht auf die Stadt hatten.

Für gewöhnlich war an diesem Aussichtspunkt die Hölle los. Es wimmelte nur so von Studenten und Touristen, die sich das berühmte Kriegsdenkmal und die malerische Aussicht über die Stadt ansehen wollten. Leute, die Spaziergänge und Wanderungen durch den East Rock Park unternahmen oder in der saftig grünen Wiese picknickten. Zu dieser Uhrzeit jedoch und im Schatten der Nacht drückten sich kaum mehr, als eine paar vereinzelte Jugendliche hier und da herum, die heimlich rauchten und mit ihren Mofas einen schrecklichen Lärm veranstalteten.

Ich erinnerte mich daran, wie wir letztes Mal hier gewesen waren.

Alles hatte damit begonnen, dass ich Julian seine Unterlagen vorbeibringen wollte, woraufhin wir gemeinsam einen Spaziergang mit Sam durch den East Rock Park unternahmen. Wir waren hier am Monument gelandet und hatten gemeinsam den Sonnenuntergang beobachtet. Schon damals hatte ich direkt gemerkt, dass Julian eine besondere Gabe besaß. Eine Gabe, die Welt aus anderen Augen zu betrachten.

Julian war sehr aufmerksam.

Jemanden wie ihn hatte ich noch nie zuvor kennengelernt.

Einerseits besaß er da diese kleinkarierte, engstirnige und gewissenhafte Seite, die nur für Struktur und Ordnung lebte. Er war organisiert, zielstrebig und ehrgeizig. Er brannte für seine Leidenschaft, der Philosophie, und war mit seinen jungen Jahren so weit gekommen, wie noch nie jemand zuvor. Doch andererseits gab es auch den sanftmütigen und liebevollen Julian, der noch immer um seinen kleinen Bruder trauerte und für seine Familie alles tun würde. Dies war auch derselbe Julian, der sich um mich sorgte. Der mir dabei half, vor meinem Tod noch einmal eine schöne Zeit zu haben. Der mir dabei half, die Punkte auf meiner Bucket Liste abzuarbeiten. Und das, obwohl er so etwas als mein Professor eigentlich gar nicht tun dürfte.

Das Schicksal hatte uns zusammengeführt. Wieder und wieder. Und allmählich schafften wir es nicht mehr länger, uns noch voneinander fernzuhalten.

Vielleicht wollten wir das auch gar nicht mehr.

Mein Blick schweifte aus der Windschutzscheibe zum Himmel. Wie Julian prophezeit hatte, war es in der Tat ein atemberaubender Anblick. Während sich vor uns die Stadtlichter New Havens in all ihrer Pracht erstreckten, erhob sich über uns der mittlerweile fast schwarze Nachthimmel, der von tausenden und abertausenden Sternen geschmückt wurde. Doch das Beeindruckendste war mit Abstand die Stroboskopbeleuchtung des Monuments in unserem Rücken, das helle Lichtstrahlen auf die Umgebung warf.

»Laney?«, fragte Julian plötzlich und lenkte meine Aufmerksamkeit wieder auf sich. Auch er starrte hinaus auf die Stadt, eine Hand noch am Lenkrad verharrend. Dann wandte er sich mir zu. Das Grün seiner Augen leuchtete förmlich im Halbdunkeln des Wageninneren wie zwei Smaragde in der Sonne und obwohl uns die Dunkelheit zu verschlucken drohte, konnte ich jede Kontur, jede Linie seines perfekten Gesichts erkennen. Die Nacht stand Julian gut. Sie verlieh ihm eine mysteriöse, erotische Ausstrahlung.

»Ich möchte nicht, dass dieser Tag zu Ende geht«, platzte es urplötzlich aus mir heraus, bevor er irgendetwas sagen konnte. Ich entgegnete seinem Blick und erkannte, wie seine Lippen den Anflug eines leisen Lächelns formten.

»Ich weiß, Laney, ich möchte auch nicht, dass er endet.«

Julians Worte drangen an meine Ohren, hüllten mich ein und sorgten dafür, dass mein Herz aufgeregt schlug. Schmetterlinge erhoben sich in meinem Magen, während ich begriff, dass es ihm genauso ging, wie mir. Jedoch klang seine Aussage auch, als käme da noch ein großes, großes Aber...

»Aber...«, setzte er wie vermutet an und mein Herz klopfte noch wilder, als er die nächsten Worte aussprach. Worte, die unvermeidbar waren und mir aus unerfindlichem Grund eine Riesenangst einjagten.

»Aber wir müssen endlich reden.«

Hellooooo meine Lieben!
Wie immer jeden Freitag ein neues Kapitel hehe. Ich hoffe es gefällt euch!
Was glaubt ihr, wie Laneys und Julians Gespräch verläuft? Und habt ihr schon Vermutungen, wie es im nächsten Kapitel weitergehen könnte? Bin so gespannt darauf zu erfahren, was in euch vorgeht!
Freu mich schon auf eure Rückmeldungen!!!
Fühlt euch doll gedrückt!
Eure Lora <3

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